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24. Kapitel / Chapter 24

In dem Osborne die Familienbibel herunterlangt / In Which Mr. Osborne Takes Down the Family Bible

Nachdem Dobbin die Schwestern vorbereitet hatte, eilte er nach der City, um den letzten und schwierigsten Teil seiner Aufgabe zu erfüllen. Der Gedanke, dem alten Osborne gegenüberzustehen, machte ihn nicht wenig unruhig, und mehr als einmal dachte er, er wolle es den jungen Damen überlassen, ihm das Geheimnis mitzuteilen, das sie – wie er wohl wußte – nicht lange für sich behalten konnten. Aber er hatte George versprochen, ihm zu berichten, wie der alte Osborne die Nachricht aufgenommen habe, und deshalb ging er in die City zum Kontor Osbornes in der Thames Street und gab dort ein Billett für Mr. Osborne ab, in dem er ihn um eine halbstündige Unterredung betreffs seines Sohnes George bat. Dobbins Bote kam aus dem Büro zurück mit Empfehlungen Mr. Osbornes, der sich glücklich schätzen würde, den Hauptmann gleich zu sprechen. Dobbin machte sich daher auf, ihm gegenüberzutreten.

 

So having prepared the sisters, Dobbin hastened away to the City to perform the rest and more difficult part of the task which he had undertaken. The idea of facing old Osborne rendered him not a little nervous, and more than once he thought of leaving the young ladies to communicate the secret, which, as he was aware, they could not long retain. But he had promised to report to George upon the manner in which the elder Osborne bore the intelligence; so going into the City to the paternal counting-house in Thames Street, he despatched thence a note to Mr. Osborne begging for a half-hour’s conversation relative to the affairs of his son George. Dobbin’s messenger returned from Mr. Osborne’s house of business, with the compliments of the latter, who would be very happy to see the Captain immediately, and away accordingly Dobbin went to confront him.

Der Hauptmann, mit der Aussicht, ein Geheimnis zu enthüllen, an dem er nicht schuldlos war, und eine stürmische und höchst unangenehme Unterredung vor sich zu haben, betrat das Kontor von Mr. Osborne mit trüber Miene und unsicherem Schritt. Als er durch das Vorzimmer ging, wo Mr. Chopper herrschte, grüßte ihn dieser Angestellte vom Schreibtisch aus mit schalkhafter Miene, und das brachte ihn noch mehr aus der Fassung. Mr. Chopper zwinkerte und nickte ihm zu, deutete mit dem Federhalter auf die Tür des Prinzipals und sagte aufreizend humorvoll: »Sie werden den Alten in guter Stimmung finden.«

 

The Captain, with a half-guilty secret to confess, and with the prospect of a painful and stormy interview before him, entered Mr. Osborne’s offices with a most dismal countenance and abashed gait, and, passing through the outer room where Mr. Chopper presided, was greeted by that functionary from his desk with a waggish air which farther discomfited him. Mr. Chopper winked and nodded and pointed his pen towards his patron’s door, and said, “You’ll find the governor all right,” with the most provoking good humour.

Osborne erhob sich ebenfalls, schüttelte ihm freundschaftlich die Hand und sagte: »Na wie geht's, mein lieber Junge?« mit einer Herzlichkeit, daß der Abgesandte des armen George sich doppelt schuldig fühlte. Seine Hand lag wie tot in der des alten Mannes. Er fühlte, daß er, Dobbin, mehr oder weniger schuld an allem Geschehenen sei. Er war es, der George zu Amelia zurückgeführt hatte, er hatte die Heirat gebilligt, gefördert, ja fast zustande gebracht, die er nun Georges Vater mitzuteilen gekommen war, und der Alte empfing ihn noch mit freundlichem Lächeln, klopfte ihm auf die Schulter und nannte ihn »Dobbin, mein lieber Junge«. Der Abgesandte hatte wohl Ursache, den Kopf hängenzulassen.

 

Osborne rose too, and shook him heartily by the hand, and said, “How do, my dear boy?” with a cordiality that made poor George’s ambassador feel doubly guilty. His hand lay as if dead in the old gentleman’s grasp. He felt that he, Dobbin, was more or less the cause of all that had happened. It was he had brought back George to Amelia: it was he had applauded, encouraged, transacted almost the marriage which he was come to reveal to George’s father: and the latter was receiving him with smiles of welcome; patting him on the shoulder, and calling him “Dobbin, my dear boy.” The envoy had indeed good reason to hang his head.

Osborne glaubte nicht anders, als daß Dobbin gekommen sei, um ihm die Unterwerfung seines Sohnes zu melden. Mr. Chopper hatte mit seinem Prinzipal gerade von der Angelegenheit gesprochen, als Dobbins Bote erschien. Beide waren sich einig, daß George seine Unterwerfung mitteilen lasse. Beide hatten schon seit einigen Tagen damit gerechnet. »Mein Gott! Chopper, was für eine Hochzeit werden wir haben!« sagte Mr. Osborne zu seinem Angestellten, dabei knackte er mit den dicken Fingern und klapperte mit den Guineen und Shillings in seinen großen Taschen, als er seinen Untergebenen mit triumphierender Miene ansah.

 

Osborne fully believed that Dobbin had come to announce his son’s surrender. Mr. Chopper and his principal were talking over the matter between George and his father, at the very moment when Dobbin’s messenger arrived. Both agreed that George was sending in his submission. Both had been expecting it for some days — and “Lord! Chopper, what a marriage we’ll have!” Mr. Osborne said to his clerk, snapping his big fingers, and jingling all the guineas and shillings in his great pockets as he eyed his subordinate with a look of triumph.

Mit ähnlichen Geräuschen in beiden Taschen und einer schlauen, fröhlichen Miene betrachtete Osborne von seinem Stuhle aus Dobbin, der ihm wortlos verlegen gegenübersaß. Für einen Hauptmann ist er doch ein rechter Tolpatsch, dachte der alte Osborne. Es will mir nicht in den Kopf, daß George ihm noch keine besseren Manieren beigebracht hat.

 

With similar operations conducted in both pockets, and a knowing jolly air, Osborne from his chair regarded Dobbin seated blank and silent opposite to him. “What a bumpkin he is for a Captain in the army,” old Osborne thought. “I wonder George hasn’t taught him better manners.”

Endlich faßte sich Dobbin ein Herz zu beginnen. »Sir«, sagte er, »ich bringe Ihnen sehr ernste Nachrichten. Ich bin an diesem Morgen im Kriegsministerium gewesen, und es unterliegt keinem Zweifel, daß unser Regiment noch vor Ende dieser Woche Marschbefehl erhält und nach Belgien geht. Und Sie wissen, Sir, daß wir erst zurückkommen werden, wenn wir eine Schlacht geschlagen haben, die manchem von uns verhängnisvoll werden wird.«

 

At last Dobbin summoned courage to begin. “Sir,” said he, “I’ve brought you some very grave news. I have been at the Horse Guards this morning, and there’s no doubt that our regiment will be ordered abroad, and on its way to Belgium before the week is over. And you know, sir, that we shan’t be home again before a tussle which may be fatal to many of us.” Osborne looked grave. “My s — , the regiment will do its duty, sir, I daresay,” he said.

Osborne sah sehr ernst aus. »Mein S ... das Regiment wird seine Pflicht tun, Sir, das wage ich zu behaupten«, sagte er. »Die Franzosen sind sehr stark, Sir«, fuhr Dobbin fort. »Es wird lange dauern, bis die Russen und Österreicher ihre Truppen heranbringen. Wir werden die ersten im Kampf sein, Sir, und verlassen Sie sich darauf, Bony wird schon dafür sorgen, daß der Kampf hart wird.«

 

“The French are very strong, sir,” Dobbin went on. “The Russians and Austrians will be a long time before they can bring their troops down. We shall have the first of the fight, sir; and depend on it Boney will take care that it shall be a hard one.”

»Worauf wollen Sie hinaus, Dobbin?« fragte sein Gegenüber unruhig und finster. »Ich nehme doch an, kein Brite fürchtet sich vor einem verdammten Franzosen, wie?«

 

“What are you driving at, Dobbin?” his interlocutor said, uneasy and with a scowl. “I suppose no Briton’s afraid of any d — - Frenchman, hey?”

»Ich meine nur, bevor wir losrücken und wenn wir die große und sichere Gefahr, die über uns allen schwebt, betrachten, so wäre es gut – falls Differenzen zwischen Ihnen und George bestehen – wenn – wenn Sie sich die Hände reichen würden, nicht wahr? Sollte ihm etwas zustoßen, so würden Sie es sich wohl nie verzeihen können, nicht in Güte von ihm geschieden zu sein.«

 

“I only mean, that before we go, and considering the great and certain risk that hangs over every one of us — if there are any differences between you and George — it would be as well, sir, that — that you should shake hands: wouldn’t it? Should anything happen to him, I think you would never forgive yourself if you hadn’t parted in charity.”

Bei diesen Worten wurde der arme William Dobbin scharlachrot, er fühlte und mußte sich selbst eingestehen, daß er ein Verräter sei. Wäre er nicht gewesen, so wäre es wahrscheinlich nie zu dieser Trennung gekommen. Warum war Georges Heirat nicht aufgeschoben worden? Welchen Grund gab es, so übereifrig darauf zu drängen? Er fühlte, daß George sich jedenfalls ohne tödlichen Schmerz von Amelia getrennt hätte. Auch Amelia hätte sich von dem Schlag vielleicht wieder erholt. Sein Rat war es gewesen, der diese Heirat und alle ihre Folgen zuwege gebracht hatte. Und warum bloß? Weil er sie so sehr liebte, daß er es nicht ertragen konnte, sie unglücklich zu sehen, oder vielleicht weil ihm die schmerzliche Ungewißheit so unerträglich war, daß er die Gelegenheit ergriff, sie mit einem Male ersticken zu können – wie wir nach einem Todesfall das Begräbnis beschleunigen oder wie wir, wenn eine Trennung von unseren Lieben bevorsteht, keine Ruhe finden, ehe der Abschied vorüber ist,

 

As he said this, poor William Dobbin blushed crimson, and felt and owned that he himself was a traitor. But for him, perhaps, this severance need never have taken place. Why had not George’s marriage been delayed? What call was there to press it on so eagerly? He felt that George would have parted from Amelia at any rate without a mortal pang. Amelia, too, might have recovered the shock of losing him. It was his counsel had brought about this marriage, and all that was to ensue from it. And why was it? Because he loved her so much that he could not bear to see her unhappy: or because his own sufferings of suspense were so unendurable that he was glad to crush them at once — as we hasten a funeral after a death, or, when a separation from those we love is imminent, cannot rest until the parting be over.

»Sie sind ein guter Junge, William«, sagte Mr. Osborne in sanftem Ton, »und ich und George sollten nicht im Zorne voneinander scheiden, das ist wahr. Sehen Sie, ich habe für ihn getan, was nur je ein Vater tun kann. Er hat bestimmt dreimal soviel Geld von mir bekommen wie Sie von Ihrem Vater. Aber ich brüste mich nicht damit. Ich will nicht davon sprechen, wie ich mich für ihn abgeplagt, wie ich gearbeitet und meine Fähigkeit und Energie aufgewandt habe. Fragen Sie Chopper. Fragen Sie ihn selbst. Fragen Sie die City von London. Nun schlage ich ihm eine Heirat vor, auf die jeder britische Edelmann stolz sein würde – das einzige, was ich jemals von ihm erbeten habe -, und er will nicht. Habe ich unrecht? Ist der Streit mein Werk? Was will ich anderes als sein Wohlergehen, für das ich seit seiner Geburt wie ein Sträfling geschuftet habe? Niemand kann sagen, daß ich selbstsüchtig bin. Lassen Sie ihn zurückkommen. Ich sage, hier ist meine Hand, ich will vergessen und vergeben. Heiraten kann er jetzt sowieso nicht. Er soll sich mit Miss Swartz einigen und später heiraten, wenn er als Oberst zurückkommt; denn er soll Oberst werden, bei Gott, ja, das soll er, wenn Geld es tun kann. Ich bin froh, daß Sie ihn herumgebracht haben. Ich weiß, es ist Ihr Werk, Dobbin. Sie haben ihm schon aus mancher Patsche geholfen. Lassen Sie ihn zurückkommen, ich werde nicht hart sein. Kommen Sie beide heute zum Essen am Russell Square. Im alten Haus, zur alten Zeit. Sie werden einen Rehrücken bekommen, und es wird nichts gefragt.«

 

“You are a good fellow, William,” said Mr. Osborne in a softened voice; “and me and George shouldn’t part in anger, that is true. Look here. I’ve done for him as much as any father ever did. He’s had three times as much money from me, as I warrant your father ever gave you. But I don’t brag about that. How I’ve toiled for him, and worked and employed my talents and energy, I won’t say. Ask Chopper. Ask himself. Ask the City of London. Well, I propose to him such a marriage as any nobleman in the land might be proud of — the only thing in life I ever asked him — and he refuses me. Am I wrong? Is the quarrel of my making? What do I seek but his good, for which I’ve been toiling like a convict ever since he was born? Nobody can say there’s anything selfish in me. Let him come back. I say, here’s my hand. I say, forget and forgive. As for marrying now, it’s out of the question. Let him and Miss S. make it up, and make out the marriage afterwards, when he comes back a Colonel; for he shall be a Colonel, by G — - he shall, if money can do it. I’m glad you’ve brought him round. I know it’s you, Dobbin. You’ve took him out of many a scrape before. Let him come. I shan’t be hard. Come along, and dine in Russell Square to-day: both of you. The old shop, the old hour. You’ll find a neck of venison, and no questions asked.”

Dieses Lob und. Vertrauen trafen Dobbins Herz tief. Jeder Augenblick des Gesprächs in diesem Ton länger verstärkte sein Schuldgefühl. »Sir«, sagte er, »ich fürchte, Sie täuschen sich. Bestimmt! George ist viel zu hochherzig, um wegen Geldes zu heiraten. Eine Drohung von Ihnen, ihn zu enterben, falls er sich ungehorsam erweisen sollte, würde nur Widerstand bei ihm hervorrufen.«

 

This praise and confidence smote Dobbin’s heart very keenly. Every moment the colloquy continued in this tone, he felt more and more guilty. “Sir,” said he, “I fear you deceive yourself. I am sure you do. George is much too high-minded a man ever to marry for money. A threat on your part that you would disinherit him in case of disobedience would only be followed by resistance on his.”

»Na, zum Henker, Mann, ein Angebot von acht- bis zehntausend pro Jahr nennen Sie doch wohl nicht Drohung?« sagte Mr. Osborne, immer noch aufreizend gut gelaunt. »Mein Gott, wenn Miss Swartz mich haben will, dann bin ich ihr Mann. Ein bißchen mehr oder weniger schwarz macht mir nichts aus.« Dabei grinste der alte Herr bedeutsam und brach in ein rauhes Gelächter aus.

 

“Why, hang it, man, you don’t call offering him eight or ten thousand a year threatening him?” Mr. Osborne said, with still provoking good humour. “’Gad, if Miss S. will have me, I’m her man. I ain’t particular about a shade or so of tawny.” And the old gentleman gave his knowing grin and coarse laugh.

»Sie vergessen frühere Verbindungen von Hauptmann Osborne«, sagte der Gesandte ernst.

 

“You forget, sir, previous engagements into which Captain Osborne had entered,” the ambassador said, gravely.

»Welche Bindungen? Was zum Teufel meinen Sie? Sie meinen doch wohl nicht«, fuhr Mr. Osborne fort, dem mit diesem Gedanken Zorn und Verwunderung aufstiegen, »Sie meinen doch wohl nicht, daß er ein so verdammter Narr ist und immer noch der Tochter von dem alten Schwindler und Bankrotteur nachläuft? Sie sind doch wohl nicht hierhergekommen, um mich glauben zu machen, daß er diese heiraten will? Die heiraten – das wäre ein guter Witz. Mein Sohn und Erbe eine Bettlerstochter aus der Gosse heiraten! Gott verdamm ihn, wenn er das tut, dann mag er sich einen Besen kaufen und die Straße fegen. Andauernd ist sie ihm nachgelaufen und hat ihm schöne Augen gemacht, jetzt fällt es mir wieder ein. Und ich bin sicher, ihr alter Gauner von einem Vater hat sie angestiftet.«

 

“What engagements? What the devil do you mean? You don’t mean,” Mr. Osborne continued, gathering wrath and astonishment as the thought now first came upon him; “you don’t mean that he’s such a d — - fool as to be still hankering after that swindling old bankrupt’s daughter? You’ve not come here for to make me suppose that he wants to marry her? Marry her, that is a good one. My son and heir marry a beggar’s girl out of a gutter. D — - him, if he does, let him buy a broom and sweep a crossing. She was always dangling and ogling after him, I recollect now; and I’ve no doubt she was put on by her old sharper of a father.”

»Mr. Sedley war einst ein sehr guter Freund von Ihnen, Sir«, fiel Dobbin ein, beinahe froh, daß er selbst wütend wurde. »Es gab einmal eine Zeit, wo Sie ihm bessere Namen gönnten als Spitzbube und Schwindler. Die Verbindung ist ja Ihr Werk. George hatte kein Recht, ein leichtfertiges Spiel zu treiben ...«

 

“Mr. Sedley was your very good friend, sir,” Dobbin interposed, almost pleased at finding himself growing angry. “Time was you called him better names than rogue and swindler. The match was of your making. George had no right to play fast and loose — ”

»Ein leichtfertiges Spiel treiben«, brüllte der alte Osborne. »Ein leichtfertiges Spiel treiben! Hach, verdammt, das sind ja dieselben Worte, die mein Gentleman benutzte, als er sich am Donnerstag vor vierzehn Tagen so aufspielte und seinem Vater, der erst etwas aus ihm gemacht hat, was von der britischen Armee erzählte. Wie, sind Sie es, der ihm das eingeredet hat? Meinen besten Dank dafür, Herr Hauptmann. Sind Sie es, der Bettler in meine Familie bringen will? Danke ergebenst, Herr Hauptmann. Er und die heiraten! Warum bloß? Ich garantiere Ihnen, sie würde auch ohne das schnell genug zu ihm laufen.«

 

“Fast and loose!” howled out old Osborne. “Fast and loose! Why, hang me, those are the very words my gentleman used himself when he gave himself airs, last Thursday was a fortnight, and talked about the British army to his father who made him. What, it’s you who have been a setting of him up — is it? and my service to you, captain. It’s you who want to introduce beggars into my family. Thank you for nothing, Captain. Marry her indeed — he, he! why should he? I warrant you she’d go to him fast enough without.”

»Sir«, fuhr Dobbin in unverhohlenem Zorne auf, »niemand darf in meiner Gegenwart die Dame beschimpfen, und Sie am allerwenigsten.«

 

“Sir,” said Dobbin, starting up in undisguised anger; “no man shall abuse that lady in my hearing, and you least of all.”

»Ach, Sie wollen mich herausfordern, ja? Warten Sie, ich will nach zwei Pistolen klingeln. Mr. George hat Sie hergeschickt, um seinen Vater zu beleidigen, nicht wahr?« sagte Osborne und riß an der Klingelschnur.

 

“O, you’re a-going to call me out, are you? Stop, let me ring the bell for pistols for two. Mr. George sent you here to insult his father, did he?” Osborne said, pulling at the bell-cord.

»Mr. Osborne«, sagte Dobbin mit versagender Stimme, »Sie sind es, der das beste Wesen der Welt beleidigt. Sie sollten sie lieber schonen, Sir, denn sie ist Ihres Sohnes Frau.«

 

“Mr. Osborne,” said Dobbin, with a faltering voice, “it’s you who are insulting the best creature in the world. You had best spare her, sir, for she’s your son’s wife.”

Und mit diesen Worten entfernte sich Dobbin, da er fühlte, daß er nichts weiter sagen könnte. Osborne sank in seinen Stuhl und sah ihm wild nach. Auf das Klingeln hin betrat ein Angestellter den Raum; und kaum hatte der Hauptmann den Hof verlassen, in dem Mr. Osbornes Büro lag, als Mr. Chopper, der Buchhalter, ihm ohne Hut nachgerannt kam.

 

And with this, feeling that he could say no more, Dobbin went away, Osborne sinking back in his chair, and looking wildly after him. A clerk came in, obedient to the bell; and the Captain was scarcely out of the court where Mr. Osborne’s offices were, when Mr. Chopper the chief clerk came rushing hatless after him.

»Um Gottes willen, was ist passiert?« rief Mr. Chopper und ergriff den Hauptmann an den Rockschößen. »Der Alte ist in Ohnmacht gefallen. Was hat Mr. George bloß angestellt?«

 

“For God’s sake, what is it?” Mr. Chopper said, catching the Captain by the skirt. “The governor’s in a fit. What has Mr. George been doing?”

»Er hat vor fünf Tagen Miss Sedley geheiratet«, erwiderte Dobbin. »Ich war sein Brautführer, Mr. Chopper, und Sie müssen sein Freund bleiben.«

 

“He married Miss Sedley five days ago,” Dobbin replied. “I was his groomsman, Mr. Chopper, and you must stand his friend.”

Der alte Buchhalter schüttelte den Kopf. »Wenn das Ihre Neuigkeit ist. Hauptmann, dann steht es schlimm. Das wird ihm der Alte nie verzeihen.«

 

The old clerk shook his head. “If that’s your news, Captain, it’s bad. The governor will never forgive him.”

Dobbin bat Chopper, er möchte ihn in dem Hotel, in dem er abgestiegen sei, die weitere Entwicklung wissen lassen, und ging gedankenvoll und wegen der Vergangenheit und Zukunft beunruhigt westwärts.

 

Dobbin begged Chopper to report progress to him at the hotel where he was stopping, and walked off moodily westwards, greatly perturbed as to the past and the future.

Als die Familie am Russell Square sich diesen Abend zum Essen versammelte, fand sie den Hausherrn zwar an seinem gewöhnlichen Platze sitzend, aber mit dem düsteren Gesicht, die dem ganzen Kreis stets den Mund verschloß. Die Damen und Mr. Bullock, der mit ihnen speiste, fühlten, daß die Nachricht Mr. Osborne bereits zu Ohren gekommen war. Sein finsterer Blick veranlaßte Mr. Bullock, sich still und ruhig zu verhalten, dabei war er aber außerordentlich freundlich und aufmerksam gegen Miss Maria, die neben ihm saß, und gegen ihre Schwester, die ihren Platz oben am Tisch hatte.

 

When the Russell Square family came to dinner that evening, they found the father of the house seated in his usual place, but with that air of gloom on his face, which, whenever it appeared there, kept the whole circle silent. The ladies, and Mr. Bullock who dined with them, felt that the news had been communicated to Mr. Osborne. His dark looks affected Mr. Bullock so far as to render him still and quiet: but he was unusually bland and attentive to Miss Maria, by whom he sat, and to her sister presiding at the head of the table.

Deshalb saß Miss Wirt allein an ihrer Tischseite, und ein Stuhl zwischen ihr und Miss Jane Osborne blieb unbesetzt. Das war Georges Platz, wenn er zu Hause aß; sein Gedeck lag, wie gesagt, immer dort, da man ihn ständig zurückerwartete. Nichts geschah während des Essens, was die Stille hätte unterbrechen können, nur das schwache vertrauliche Geflüster des lächelnden Mr. Frederick und das Geklapper des Tafelsilbers und Porzellans war zu vernehmen. Die Dienstboten gingen auf leisen Sohlen hin und her und erfüllten ihre Aufgaben. Begräbniswärter konnten kaum düsterer dreinblicken als die Osborneschen Bedienten. Den Rehrücken, zu dem der alte Herr Dobbin eingeladen hatte, zerlegte er in tiefstem Schweigen, aber seine eigene Portion wurde fast unberührt wieder abgetragen, obgleich er viel trank und der Butler unermüdlich sein Glas füllte.

 

Miss Wirt, by consequence, was alone on her side of the board, a gap being left between her and Miss Jane Osborne. Now this was George’s place when he dined at home; and his cover, as we said, was laid for him in expectation of that truant’s return. Nothing occurred during dinner-time except smiling Mr. Frederick’s flagging confidential whispers, and the clinking of plate and china, to interrupt the silence of the repast. The servants went about stealthily doing their duty. Mutes at funerals could not look more glum than the domestics of Mr. Osborne The neck of venison of which he had invited Dobbin to partake, was carved by him in perfect silence; but his own share went away almost untasted, though he drank much, and the butler assiduously filled his glass.

Schließlich – gegen Ende des Essens – heftete er seine Augen, nachdem er der Reihe nach alle angestarrt hatte, eine Weile auf Georges Gedeck. Dann deutete er mit der linken Hand darauf. Seine Töchter sahen ihn an und verstanden entweder die Geste nicht oder wollten sie nicht verstehen, und auch die Diener wußten zunächst nicht, was sie bedeuten sollte.

 

At last, just at the end of the dinner, his eyes, which had been staring at everybody in turn, fixed themselves for a while upon the plate laid for George. He pointed to it presently with his left hand. His daughters looked at him and did not comprehend, or choose to comprehend, the signal; nor did the servants at first understand it.

»Nehmt das Gedeck weg«, sagte er schließlich und erhob sich mit einem Fluch. Dann stieß er seinen Stuhl zurück und begab sich in sein Zimmer.

 

“Take that plate away,” at last he said, getting up with an oath — and with this pushing his chair back, he walked into his own room.

Hinter Mr. Osbornes Speisezimmer befand sich wie üblich noch ein Raum., den man hier im Hause Studierzimmer nannte und der das Heiligtum des Hausherrn war. Hierhin pflegte sich Mr. Osborne an Sonntagvormittagen zurückzuziehen, wenn er keine Lust hatte, zur Kirche zu gehen, und hier verbrachte er dann den Morgen in seinem karmesinroten Ledersessel mit Zeitunglesen. Einige verglaste Bücherschränke standen dort mit den klassischen Werken, wie zum Beispiel dem »Jahresregister«, dem »Herrenmagazin«, »Blairs Predigten« sowie Hume und Smollett. Vom Jahresanfang bis zum Ende nahm er nie einen dieser Bände vom Regal herab. Aber keiner in der Familie hätte je gewagt, eines der Bücher zu berühren, ausgenommen an jenen seltenen Sonntagabenden, an denen man keine Gesellschaft gab und an denen die große scharlachrote Bibel und das Gebetbuch aus der Ecke genommen wurden, wo sie neben einem Exemplar des Adelskalenders standen. Jedesmal rief dann die Klingel die Dienstboten ins Speisezimmer, und Osborne las seiner Familie mit lauter, schriller, hochtrabender Stimme die Abendandacht vor. Kein Mitglied des Hauses, weder seine Kinder noch die Dienstboten, betrat diesen Raum ohne ein gewisses Entsetzen. Hier prüfte er die Rechnungen der Haushälterin und das Kellerbuch des Butlers. Von hier konnte er jenseits des sauberen kiesbestreuten Hofes die Hintertür des Stalles sehen, mit dem eine Klingel ihn verband; und in diesen Hof trat der Kutscher aus seinen Hintergebäuden wie in eine Anklagebank, wenn Osborne ihn vom Fenster des Studierzimmers ausschalt. Viermal im Jahre betrat Miss Wirt dieses Zimmer, um ihr Gehalt zu holen, und seine Töchter kamen, um ihr vierteljährliches Taschengeld in Empfang zu nehmen. Als Knabe war George in diesem Zimmer sehr oft durchgepeitscht worden, und seine Mutter saß dann kraftlos auf der Treppe und lauschte den Peitschenhieben. Man hatte den Jungen bei dieser Strafe kaum weinen sehen – die arme Frau pflegte ihn insgeheim zu herzen und zu küssen und ihm, wenn er herauskam, Geld zu geben, um ihn zu beschwichtigen.

 

Behind Mr. Osborne’s dining-room was the usual apartment which went in his house by the name of the study; and was sacred to the master of the house. Hither Mr. Osborne would retire of a Sunday forenoon when not minded to go to church; and here pass the morning in his crimson leather chair, reading the paper. A couple of glazed book-cases were here, containing standard works in stout gilt bindings. The “Annual Register,” the “Gentleman’s Magazine,” “Blair’s Sermons,” and “Hume and Smollett.” From year’s end to year’s end he never took one of these volumes from the shelf; but there was no member of the family that would dare for his life to touch one of the books, except upon those rare Sunday evenings when there was no dinner-party, and when the great scarlet Bible and Prayer-book were taken out from the corner where they stood beside his copy of the Peerage, and the servants being rung up to the dining parlour, Osborne read the evening service to his family in a loud grating pompous voice. No member of the household, child, or domestic, ever entered that room without a certain terror. Here he checked the housekeeper’s accounts, and overhauled the butler’s cellar-book. Hence he could command, across the clean gravel court-yard, the back entrance of the stables with which one of his bells communicated, and into this yard the coachman issued from his premises as into a dock, and Osborne swore at him from the study window. Four times a year Miss Wirt entered this apartment to get her salary; and his daughters to receive their quarterly allowance. George as a boy had been horsewhipped in this room many times; his mother sitting sick on the stair listening to the cuts of the whip. The boy was scarcely ever known to cry under the punishment; the poor woman used to fondle and kiss him secretly, and give him money to soothe him when he came out.

Über dem Kaminsims hing ein Familiengemälde, das nach Mrs. Osbornes Tod aus dem Vorderzimmer hierhin gebracht worden war: George saß auf einem Pony, die ältere Schwester reichte ihm einen Blumenstrauß hinauf, die jüngere war an der Hand der Mutter. Alle hatten rote Wangen und einen roten Mund und lächelten einander in bewährter Familienbilderweise an. Die Mutter lag jetzt unter der Erde und war von allen schon längst vergessen, die Schwestern und der Bruder hatten hundert verschiedene eigene Interessen und waren sich völlig fremd, obwohl sie nach außen hin auf einem vertrauten Fuße standen. Welch bittere Ironie liegt nicht ein paar Dutzend Jahre später, wenn alle dargestellten Personen alt geworden sind, in diesen kindischen Familienprunkgemälden mit ihren erheuchelten Gefühlen und ihren lächelnden Lügen und ihrer selbstbewußten und selbstzufriedenen Unschuld. Osbornes eigenes Staatsporträt im Lehnsessel mit dem großen silbernen Schreibzeug hatte im Speisezimmer den Ehrenplatz eingenommen, den das Familienstück frei gemacht hatte.

 

There was a picture of the family over the mantelpiece, removed thither from the front room after Mrs. Osborne’s death — George was on a pony, the elder sister holding him up a bunch of flowers; the younger led by her mother’s hand; all with red cheeks and large red mouths, simpering on each other in the approved family-portrait manner. The mother lay underground now, long since forgotten — the sisters and brother had a hundred different interests of their own, and, familiar still, were utterly estranged from each other. Some few score of years afterwards, when all the parties represented are grown old, what bitter satire there is in those flaunting childish family-portraits, with their farce of sentiment and smiling lies, and innocence so self-conscious and self-satisfied. Osborne’s own state portrait, with that of his great silver inkstand and arm-chair, had taken the place of honour in the dining-room, vacated by the family-piece.

In dieses Studierzimmer zog sich nun der alte Osborne zur Erleichterung der kleinen Gesellschaft, die er verließ, zurück. Als die Dienstboten sich entfernt hatten, sprachen sie eine Weile lebhaft, aber sehr leise; dann gingen sie still die Treppe hinauf, und Mr. Bullock begleitete sie behutsam auf knarrenden Sohlen. Er hatte nicht den Mut, allein und dem fürchterlichen alten Herrn im anstoßenden Studierzimmer so nahe, seinen Wein zu trinken.

 

To this study old Osborne retired then, greatly to the relief of the small party whom he left. When the servants had withdrawn, they began to talk for a while volubly but very low; then they went upstairs quietly, Mr. Bullock accompanying them stealthily on his creaking shoes. He had no heart to sit alone drinking wine, and so close to the terrible old gentleman in the study hard at hand.

Mindestens eine Stunde nach Einbruch der Dunkelheit wagte schließlich der Butler, ohne Aufforderung an die Tür zu klopfen und ihm Kerzen und Tee zu bringen. Der Herr des Hauses saß im Sessel und gab vor, die Zeitung zu lesen. Als der Diener die Lichter und Erfrischung auf den Tisch neben ihm gestellt und sich zurückgezogen hatte, erhob sich Mr. Osborne und verschloß hinter ihm die Tür. Diesmal konnte man sich nicht täuschen; das ganze Haus wußte, daß eine große Katastrophe im Anzug sei, die wahrscheinlich für Master George schreckliche Folgen haben würde.

 

An hour at least after dark, the butler, not having received any summons, ventured to tap at his door and take him in wax candles and tea. The master of the house sate in his chair, pretending to read the paper, and when the servant, placing the lights and refreshment on the table by him, retired, Mr. Osborne got up and locked the door after him. This time there was no mistaking the matter; all the household knew that some great catastrophe was going to happen which was likely direly to affect Master George.

In dem großen glänzenden Mahagonischreibtisch hatte Mr. Osborne eine Schublade ausschließlich für die Sachen und Papiere seines Sohnes. Hier bewahrte er seit dessen Geburt alle seine Dokumente auf. Hier waren seine Hefte und Zeichenblocks, für die er einen Preis bekommen hatte, alle trugen Georges und des Lehrers Schriftzüge. Da waren seine ersten Briefe, in großer Kinderschrift geschrieben, worin er Papa und Mama herzlich grüßte und sie um einen Kuchen bat. Sein lieber Pate Sedley war mehr als einmal darin genannt. Flüche bebten auf den bleichen Lippen des alten Osborne, und ein schrecklicher Haß und gräßliche Enttäuschung wüteten in seinem Herzen, als er beim Durchsehen der Papiere auf diesen Namen stieß. Sie waren alle bezeichnet, mit kurzer Zusammenfassung versehen und mit einer roten Schnur zusammengebunden. Da war einer: »Von Georgy mit der Bitte um fünf Shilling, 23. April 18..; beantwortet am 25. April« oder »Georgy wegen eines Ponys, 13. Oktober« und so fort. In einem anderen Päckchen waren »Dr. S.'s Rechnungen«, »G.'s Schneiderrechnungen und Ausstattung, Anweisung auf mich von G. Osborne junior« und so weiter, seine Briefe aus Westindien – die Briefe seines Beauftragten sowie Zeitungen, die seine Beförderung brachten. Hier befanden sich auch eine Exitpeitsche, die ihm als Knabe gehörte, und, in Papier eingewickelt, ein Medaillon mit einer Haarlocke, das seine Mutter gewöhnlich getragen hatte.

 

In the large shining mahogany escritoire Mr. Osborne had a drawer especially devoted to his son’s affairs and papers. Here he kept all the documents relating to him ever since he had been a boy: here were his prize copy-books and drawing-books, all bearing George’s hand, and that of the master: here were his first letters in large round-hand sending his love to papa and mamma, and conveying his petitions for a cake. His dear godpapa Sedley was more than once mentioned in them. Curses quivered on old Osborne’s livid lips, and horrid hatred and disappointment writhed in his heart, as looking through some of these papers he came on that name. They were all marked and docketed, and tied with red tape. It was — "From Georgy, requesting 5s., April 23, 18 — ; answered, April 25" — or “Georgy about a pony, October 13" — and so forth. In another packet were “Dr. S.’s accounts" — "G.’s tailor’s bills and outfits, drafts on me by G. Osborne, jun.,” &c. — his letters from the West Indies — his agent’s letters, and the newspapers containing his commissions: here was a whip he had when a boy, and in a paper a locket containing his hair, which his mother used to wear.

Der unglückliche Mann verbrachte viele Stunden damit, eines dieser Erinnerungsstücke nach dem anderen zu betrachten und zu grübeln. Seine teuerste Eitelkeit, sein brennender Ehrgeiz, seine schönsten Hoffnungen lagen hier. Wie stolz war er auf seinen Jungen gewesen! Er war das schönste Kind, das man je gesehen hatte. Alle sagten, er sehe wie der Sohn eines Edelmannes aus. Eine königliche Prinzessin hatte ihn einmal in den Kew Gardens bemerkt, ihn geküßt und nach seinem Namen gefragt. Welcher Mann in der City konnte so einen Sohn aufweisen? Hätte der Prinz mehr umsorgt werden können? Sein Sohn hatte alles, was für Geld zu bekommen war. Bei Schulschlußfeiern pflegte er vierspännig und mit neuen Livreen zur Schule zu fahren und neue Shillings unter Georges Mitschülern zu verteilen. Als er George zum Regimentshauptquartier begleitete, ehe der Junge sich nach Kanada einschiffte, gab er den Offizieren ein Essen, an dem auch der Herzog von York hätte teilnehmen können. War je ein Wechsel, von George ausgestellt, unbezahlt geblieben? Da lagen sie  – bezahlt, ohne daß er je ein Wort verloren hätte. Mancher General in der Armee hatte nicht solche Pferde, wie George sie ritt. Er hatte das Kind noch vor Augen in hundert verschiedenen Situationen: nach dem Essen, wenn er stolz wie ein Lord hereinkam und an der Seite seines Vaters oben am Tisch sein Glas austrank; auf einem Pony in Brighton, wo er die Hecke nahm und mit dem Jäger Schritt hielt; am Tage, als er dem Prinzregenten beim Lever vorgestellt wurde, wobei der ganze Sankt-James-Palast keinen hübscheren Burschen aufweisen konnte. Und das war nun das Ende vom Lied! Die Tochter eines Bankrotteurs zu heiraten und angesichts Pflicht und Glück zu flüchten. Unter welcher Demütigung und Wut, welchen Qualen schmerzlichen Zorns, vereitelten Ehrgeizes und getäuschter Liebe, welchen Wunden beleidigter Eitelkeit, ja sogar Zärtlichkeit hatte dieser alte Weltmann nun zu leiden!

 

Turning one over after another, and musing over these memorials, the unhappy man passed many hours. His dearest vanities, ambitious hopes, had all been here. What pride he had in his boy! He was the handsomest child ever seen. Everybody said he was like a nobleman’s son. A royal princess had remarked him, and kissed him, and asked his name in Kew Gardens. What City man could show such another? Could a prince have been better cared for? Anything that money could buy had been his son’s. He used to go down on speech-days with four horses and new liveries, and scatter new shillings among the boys at the school where George was: when he went with George to the depot of his regiment, before the boy embarked for Canada, he gave the officers such a dinner as the Duke of York might have sat down to. Had he ever refused a bill when George drew one? There they were — paid without a word. Many a general in the army couldn’t ride the horses he had! He had the child before his eyes, on a hundred different days when he remembered George after dinner, when he used to come in as bold as a lord and drink off his glass by his father’s side, at the head of the table — on the pony at Brighton, when he cleared the hedge and kept up with the huntsman — on the day when he was presented to the Prince Regent at the levee, when all Saint James’s couldn’t produce a finer young fellow. And this, this was the end of all! — to marry a bankrupt and fly in the face of duty and fortune! What humiliation and fury: what pangs of sickening rage, balked ambition and love; what wounds of outraged vanity, tenderness even, had this old worldling now to suffer under!

Nachdem Georges unglücklicher Vater diese Papiere durchgeblättert hatte und im bittersten allen hilflosen Wehs an vergangene glückliche Zeiten zurückgedacht und diesem und jenem nachgesonnen hatte, nahm er sämtliche Dokumente aus der Schublade, in der er sie so lange aufbewahrt hatte, und verschloß sie in einem Schreibkästchen, das er verschnürte und siegelte. Dann öffnete er den Bücherschrank und langte die große, bereits erwähnte rote Bibel herunter – ein prachtvoll ausgestattetes Buch, selten gebraucht, und über und über von Gold glänzend. Das Titelbild stellte die Opferung Isaaks durch Abraham dar. Hier hatte Osborne, wie es Brauch war, auf dem Vorsatzblatt mit seiner großen Kaufmannshandschrift die Daten seiner Heirat, des Todes seiner Frau und die Geburtstage und Taufnamen seiner Kinder eingetragen. Zuerst kam Jane, dann George Sedley Osborne und schließlich Maria Frances und die Taufdaten von allen. Er ergriff eine Feder und strich Georges Namen auf der Seite sorgfältig aus. Als das Blatt ganz trocken war, stellte er das Buch wieder an seinen Platz zurück. Aus einer anderen Schublade, worin seine eigenen Privatpapiere lagen, nahm er ein Dokument und las es durch. Dann zerknüllte er es, zündete es an einer Kerze an und sah zu, wie es auf dem Kaminrost gänzlich verbrannte. Es war sein Testament. Als es in Asche zerfallen war, setzte er sich nieder, schrieb einen Brief und klingelte nach seinem Diener. Er beauftragte ihn, das Schriftstück am Morgen zu bestellen. Es war bereits Morgen. Als er ins Bett ging, erhellte die Sonne schon das ganze Haus, und die Vögel sangen in den frischen grünen Bäumen am Russell Square.

 

Having examined these papers, and pondered over this one and the other, in that bitterest of all helpless woe, with which miserable men think of happy past times — George’s father took the whole of the documents out of the drawer in which he had kept them so long, and locked them into a writing-box, which he tied, and sealed with his seal. Then he opened the book-case, and took down the great red Bible we have spoken of a pompous book, seldom looked at, and shining all over with gold. There was a frontispiece to the volume, representing Abraham sacrificing Isaac. Here, according to custom, Osborne had recorded on the fly-leaf, and in his large clerk-like hand, the dates of his marriage and his wife’s death, and the births and Christian names of his children. Jane came first, then George Sedley Osborne, then Maria Frances, and the days of the christening of each. Taking a pen, he carefully obliterated George’s names from the page; and when the leaf was quite dry, restored the volume to the place from which he had moved it. Then he took a document out of another drawer, where his own private papers were kept; and having read it, crumpled it up and lighted it at one of the candles, and saw it burn entirely away in the grate. It was his will; which being burned, he sate down and wrote off a letter, and rang for his servant, whom he charged to deliver it in the morning. It was morning already: as he went up to bed, the whole house was alight with the sunshine; and the birds were singing among the fresh green leaves in Russell Square.

Von dem Wunsche beseelt, Mr. Osbornes Familie und Untergebene in guter Laune zu erhalten und George im Augenblick der Not so viele Freunde wie möglich zu gewinnen, ließ William Dobbin, der die Wirkung eines guten Essens und guten Weines auf die Menschenseele kannte, in sein Hotel zurückgekehrt, sofort dem gnädigen Herrn Thomas Chopper eine gastfreundliche Einladung zugehen. Darin bat er diesen Gentleman, am folgenden Tage mit ihm bei Slaughters zu speisen. Mr. Chopper erhielt die Einladung, noch ehe er die City verließ, und die umgehende Antwort lautete, daß »Mr. Chopper Hauptmann Dobbin seine respektvollsten Empfehlungen sende und sich die Ehre und das Vergnügen geben werde, Hauptmann Dobbin seine Aufwartung zu machen.« Die Einladung sowie der Entwurf der Antwort wurden nach seiner Heimkunft am Abend Mrs. Chopper und ihren Töchtern vorgelegt, und man sprach nun während des Tees triumphierend über höhere Militärs und West-End-Leute. Als die Mädchen sich zur Ruhe begeben hatten, besprachen Mr. und Mrs. Chopper die seltsamen Ereignisse, die in der Familie des Alten vor sich gingen. Noch nie hatte der Buchhalter seinen Prinzipal so erregt gesehen. Als Mr. Chopper nach Hauptmann Dobbins Weggang Mr. Osbornes Zimmer betrat, fand er seinen Prinzipal ganz schwarz im Gesicht und einer Ohnmacht nahe. Er glaubte bestimmt, ein furchtbarer Streit mußte zwischen Mr. Osborne und dem jungen Hauptmann stattgefunden haben. Chopper hatte den Auftrag erhalten, eine Aufstellung aller während der letzten drei Jahre an Hauptmann Osborne gezahlten Summen anzufertigen. »Wahrhaftig, das war ein schöner Haufen Geld, den er bekommen hat«, sagte der erste Buchhalter und achtete seinen alten und jungen Herrn um so mehr wegen der verschwenderischen Freigebigkeit, mit der die Guineen hinausgeworfen worden waren. Der Streit mußte wegen Miss Sedley entstanden sein. Mrs. Chopper beteuerte, daß ihr die arme junge Dame, die einen so hübschen jungen Mann wie den Hauptmann verloren habe, leid tue. Mr. Chopper dagegen empfand für Miss Sedley als der Tochter eines unglücklichen Spekulanten, der nur eine schäbige Dividende gezahlt hatte, keine sonderliche Achtung. Er schätzte das Haus Osborne vor allen anderen in der City, und er hoffte und wünschte, daß Hauptmann George die Tochter eines Edelmannes heiraten möchte. Der Buchhalter schlief in dieser Nacht viel besser als sein Prinzipal. Nachdem er sein Frühstück mit bestem Appetit verzehrt (obgleich sein bescheidenes Lebenselixier nur mit braunem Zucker gesüßt wurde) und seine Kinder geherzt hatte, machte er sich im besten Sonntagsanzug und im schönsten Hemd auf den Weg zum Büro. Seiner Frau, die ihn voller Bewunderung ansah, versprach er, Hauptmann Dobbins Portwein am Abend nicht allzusehr zuzusprechen.

 

Anxious to keep all Mr. Osborne’s family and dependants in good humour, and to make as many friends as possible for George in his hour of adversity, William Dobbin, who knew the effect which good dinners and good wines have upon the soul of man, wrote off immediately on his return to his inn the most hospitable of invitations to Thomas Chopper, Esquire, begging that gentleman to dine with him at the Slaughters’ next day. The note reached Mr. Chopper before he left the City, and the instant reply was, that “Mr. Chopper presents his respectful compliments, and will have the honour and pleasure of waiting on Captain D.” The invitation and the rough draft of the answer were shown to Mrs. Chopper and her daughters on his return to Somers’ Town that evening, and they talked about military gents and West End men with great exultation as the family sate and partook of tea. When the girls had gone to rest, Mr. and Mrs. C. discoursed upon the strange events which were occurring in the governor’s family. Never had the clerk seen his principal so moved. When he went in to Mr. Osborne, after Captain Dobbin’s departure, Mr. Chopper found his chief black in the face, and all but in a fit: some dreadful quarrel, he was certain, had occurred between Mr. O. and the young Captain. Chopper had been instructed to make out an account of all sums paid to Captain Osborne within the last three years. “And a precious lot of money he has had too,” the chief clerk said, and respected his old and young master the more, for the liberal way in which the guineas had been flung about. The dispute was something about Miss Sedley. Mrs. Chopper vowed and declared she pitied that poor young lady to lose such a handsome young fellow as the Capting. As the daughter of an unlucky speculator, who had paid a very shabby dividend, Mr. Chopper had no great regard for Miss Sedley. He respected the house of Osborne before all others in the City of London: and his hope and wish was that Captain George should marry a nobleman’s daughter. The clerk slept a great deal sounder than his principal that night; and, cuddling his children after breakfast (of which he partook with a very hearty appetite, though his modest cup of life was only sweetened with brown sugar), he set off in his best Sunday suit and frilled shirt for business, promising his admiring wife not to punish Captain D.’s port too severely that evening.

Als Mr. Osborne zur gewöhnlichen Zeit in der City erschien, fiel seinen Untergebenen, die aus guten Gründen auf seinen Gesichtsausdruck zu achten pflegten, auf, daß er besonders bleich und angegriffen aussah. Um zwölf Uhr kam, wie verabredet, Mr. Higgs (von der Firma Higgs und Blatherwick, Rechtsanwälte, Bedford Row) und wurde in das Privatzimmer des Alten geführt, wo er länger als eine Stunde blieb. Ungefähr um ein Uhr erhielt Mr. Chopper ein Billett von Hauptmann Dobbins Diener gebracht. Es enthielt eine Einlage für Mr. Osborne, die der Buchhalter sogleich abgab. Kurze Zeit darauf wurden Mr. Chopper und Mr. Birch, der zweite Buchhalter, gerufen und ersucht, ein Dokument als Zeugen zu unterschreiben. »Ich habe ein neues Testament gemacht«, sagte Mr. Osborne, worauf die Herren es unterschrieben. Eine weitere Unterhaltung fand nicht statt. Mr. Higgs sah sehr ernst aus, als er in das Vorzimmer trat, und blickte Mr. Chopper scharf ins Gesicht. Erklärungen wurden aber nicht gegeben. Zum großen Erstaunen derjenigen, denen Mr. Osbornes finsteres Gesicht unheilverkündend erschienen war, war der alte Herr den ganzen Tag über besonders ruhig und sanft. Er schimpfte mit niemandem, und man hörte ihn überhaupt nicht fluchen. Er verließ das Kontor ziemlich früh. Ehe er wegging, bestellte er seinen ersten Buchhalter noch einmal zu sich und fragte ihn, nach einigen allgemeinen Anweisungen, zögernd, ob er wisse, ob Hauptmann Dobbin in der Stadt sei.

 

Mr. Osborne’s countenance, when he arrived in the City at his usual time, struck those dependants who were accustomed, for good reasons, to watch its expression, as peculiarly ghastly and worn. At twelve o’clock Mr. Higgs (of the firm of Higgs & Blatherwick, solicitors, Bedford Row) called by appointment, and was ushered into the governor’s private room, and closeted there for more than an hour. At about one Mr. Chopper received a note brought by Captain Dobbin’s man, and containing an inclosure for Mr. Osborne, which the clerk went in and delivered. A short time afterwards Mr. Chopper and Mr. Birch, the next clerk, were summoned, and requested to witness a paper. “I’ve been making a new will,” Mr. Osborne said, to which these gentlemen appended their names accordingly. No conversation passed. Mr. Higgs looked exceedingly grave as he came into the outer rooms, and very hard in Mr. Chopper’s face; but there were not any explanations. It was remarked that Mr. Osborne was particularly quiet and gentle all day, to the surprise of those who had augured ill from his darkling demeanour. He called no man names that day, and was not heard to swear once. He left business early; and before going away, summoned his chief clerk once more, and having given him general instructions, asked him, after some seeming hesitation and reluctance to speak, if he knew whether Captain Dobbin was in town?

Chopper sagte, er glaube, ja. In Wirklichkeit aber wußten es beide ganz genau.

 

Chopper said he believed he was. Indeed both of them knew the fact perfectly.

Osborne gab dem Buchhalter nun einen an den Offizier gerichteten Brief und bat ihn, das Schriftstück sofort Dobbin persönlich auszuhändigen.

 

Osborne took a letter directed to that officer, and giving it to the clerk, requested the latter to deliver it into Dobbin’s own hands immediately.

»Und nun, Chopper«, sagte er mit sonderbarem Blick und griff nach seinem Hut, »hat meine Seele Ruhe.« Schlag zwei (zweifellos waren die beiden verabredet) kam Mr. Frederick Bullock, und er und Mr. Osborne gingen davon.

 

“And now, Chopper,” says he, taking his hat, and with a strange look, “my mind will be easy.” Exactly as the clock struck two (there was no doubt an appointment between the pair) Mr. Frederick Bullock called, and he and Mr. Osborne walked away together.

Der Oberst des ...ten Regiments, in dem die Herren Dobbin und Osborne ihre Kompanien hatten, war ein alter General, der seinen ersten Feldzug unter Wolfe in Quebec mitgemacht hatte und schon längst viel zu alt und schwach für das Kommando war. Aber er zeigte einiges Interesse an dem Regiment, dessen notarielles Haupt er war, und hielt offene Tafel für einige unter seinen jungen Offizieren – eine Art Gastfreundschaft, die heute, wie ich glaube, bei seinen Kameraden nicht allzu häufig vorkommt. Hauptmann Dobbin stand bei diesem alten General in besonderer Gunst. Dobbin war mit der Militärliteratur vertraut und konnte vom Großen Friedrich, von Maria Theresia und deren Kriegen fast ebenso gut sprechen wie der General selbst, der gegen die Triumphe der neuesten Zeit gleichgültig war und dessen Herz für die Strategen vor fünfzig Jahren schlug. Dieser Offizier lud Dobbin an dem Morgen, als Mr. Osborne sein neues Testament machte und Mr. Chopper sein schönstes Hemd anzog, ein, mit ihm zu frühstücken. Dabei setzte er seinen jungen Günstling einige Tage vor den anderen in Kenntnis, daß der lang erwartete Marschbefehl nach Belgien bald ergehen würde und daß in wenigen Tagen das Kriegsministerium das Kommando ausgeben würde, das Regiment möge sich bereit halten. Da genügend Transportschiffe vorhanden waren, war damit zu rechnen, daß man noch vor Ende der Woche aufbrechen würde. Während das Regiment in Chatham lag, waren Rekruten dazugekommen, und der alte General hoffte, daß das Regiment, das geholfen hatte, Montcalm in Kanada zu besiegen und Washington auf Long Island in die Flucht zu schlagen, sich auf den vielumstrittenen Schlachtfeldern der Niederlande seines historischen Rufes würdig erweisen würde. »Wenn Sie nun, mein guter Freund, noch etwas zu erledigen haben«, sagte der alte General, nahm mit seiner zitternden weißen Hand eine Prise Schnupftabak und deutete auf die Stelle seiner robe de chambre, unter der sein Herz noch schwach schlug, »wenn Sie eine Phyllis zu trösten haben oder sich von Vater und Mutter verabschieden oder ein Testament machen müssen, so rate ich Ihnen, die Sache nicht länger hinauszuzögern.« Bei diesen Worten reichte der General seinem jungen Freund einen Finger und nickte ihm mit seinem gepuderten und bezopften Kopf gutmütig zu; dann, als Dobbin sich entfernt hatte, setzte er sich nieder, um ein poulet (er war außerordentlich eitel auf sein Französisch) an Mademoiselle Amenaide vom Königlichen Theater zu schreiben.

 

The Colonel of the — th regiment, in which Messieurs Dobbin and Osborne had companies, was an old General who had made his first campaign under Wolfe at Quebec, and was long since quite too old and feeble for command; but he took some interest in the regiment of which he was the nominal head, and made certain of his young officers welcome at his table, a kind of hospitality which I believe is not now common amongst his brethren. Captain Dobbin was an especial favourite of this old General. Dobbin was versed in the literature of his profession, and could talk about the great Frederick, and the Empress Queen, and their wars, almost as well as the General himself, who was indifferent to the triumphs of the present day, and whose heart was with the tacticians of fifty years back. This officer sent a summons to Dobbin to come and breakfast with him, on the morning when Mr. Osborne altered his will and Mr. Chopper put on his best shirt frill, and then informed his young favourite, a couple of days in advance, of that which they were all expecting — a marching order to go to Belgium. The order for the regiment to hold itself in readiness would leave the Horse Guards in a day or two; and as transports were in plenty, they would get their route before the week was over. Recruits had come in during the stay of the regiment at Chatham; and the old General hoped that the regiment which had helped to beat Montcalm in Canada, and to rout Mr. Washington on Long Island, would prove itself worthy of its historical reputation on the oft-trodden battle-grounds of the Low Countries. “And so, my good friend, if you have any affaire la, said the old General, taking a pinch of snuff with his trembling white old hand, and then pointing to the spot of his robe de chambre under which his heart was still feebly beating, “if you have any Phillis to console, or to bid farewell to papa and mamma, or any will to make, I recommend you to set about your business without delay.” With which the General gave his young friend a finger to shake, and a good-natured nod of his powdered and pigtailed head; and the door being closed upon Dobbin, sate down to pen a poulet (he was exceedingly vain of his French) to Mademoiselle Amenaide of His Majesty’s Theatre.

Diese Nachricht stimmte Dobbin sehr ernst, und er dachte an unsere Freunde in Brighton und schämte sich, daß Amelia stets zuerst in seinen Gedanken auftauchte (vor allen anderen, vor Vater und Mutter, vor Schwestern und Pflicht, ja immer, wachend und schlafend, den ganzen Tag). Und als er wieder in seinem Hotel anlangte, sandte er einen kurzen Brief an Mr. Osborne, worin er ihm die eben erhaltene Nachricht mitteilte, in der Hoffnung, es würde dadurch zu einer baldigen Aussöhnung mit George kommen.

 

This news made Dobbin grave, and he thought of our friends at Brighton, and then he was ashamed of himself that Amelia was always the first thing in his thoughts (always before anybody — before father and mother, sisters and duty — always at waking and sleeping indeed, and all day long); and returning to his hotel, he sent off a brief note to Mr. Osborne acquainting him with the information which he had received, and which might tend farther, he hoped, to bring about a reconciliation with George.

Dieser Brief, von demselben Boten gebracht wie tags zuvor die Einladung an Chopper, beunruhigte den würdigen Buchhalter nicht wenig. Er war an ihn adressiert, und als er den Brief öffnete, zitterte er vor Angst, das Essen, mit dem er schon so sehr gerechnet hatte, sei abgesagt worden. Er fühlte sich unendlich erleichtert, als er merkte, das Kuvert solle ihn nur noch einmal erinnern. »Ich erwarte Sie um halb sechs«, schrieb Hauptmann Dobbin. Er nahm großen Anteil an der Familie seines Prinzipals, aber, que voulez-vous?, ein gutes Essen war ihm wichtiger als die Angelegenheiten eines anderen Sterblichen.

 

This note, despatched by the same messenger who had carried the invitation to Chopper on the previous day, alarmed the worthy clerk not a little. It was inclosed to him, and as he opened the letter he trembled lest the dinner should be put off on which he was calculating. His mind was inexpressibly relieved when he found that the envelope was only a reminder for himself. ("I shall expect you at half-past five,” Captain Dobbin wrote.) He was very much interested about his employer’s family; but, que voulez-vous? a grand dinner was of more concern to him than the affairs of any other mortal.

Dobbin durfte die vom General erhaltene Nachricht allen Offizieren des Regiments mitteilen, denen er bei seinen Streifzügen begegnete. Er berichtete Fähnrich Stubble davon, den er zufällig traf und der – so groß war sein militärischer Eifer – sich sofort in ein Ausrüstungsgeschäft begab, um einen neuen Degen zu kaufen. Hier zeigte der junge Bursche, obgleich er erst siebzehn Jahre alt und nur etwa 65 Zoll groß und von Natur aus schwächlich war – noch verschlimmert durch allzu zeitigen Alkoholgenuß – Löwenmut. Er wog, probierte, bog und balancierte die Waffe, die unter den Franzosen Verheerung anrichten würde, schrie »ha, ha!«, stampfte mit seinen kleinen Füßen aus Leibeskräften den Boden und machte ein paar Ausfälle auf Hauptmann Dobbin, der die Stöße aber lachend mit dem Spazierstock parierte.

 

Dobbin was quite justified in repeating the General’s information to any officers of the regiment whom he should see in the course of his peregrinations; accordingly he imparted it to Ensign Stubble, whom he met at the agent’s, and who — such was his military ardour — went off instantly to purchase a new sword at the accoutrement-maker’s. Here this young fellow, who, though only seventeen years of age, and about sixty-five inches high, with a constitution naturally rickety and much impaired by premature brandy and water, had an undoubted courage and a lion’s heart, poised, tried, bent, and balanced a weapon such as he thought would do execution amongst Frenchmen. Shouting “Ha, ha!” and stamping his little feet with tremendous energy, he delivered the point twice or thrice at Captain Dobbin, who parried the thrust laughingly with his bamboo walking-stick.

Mr. Stubble gehörte zur leichten Infanterie, wie man aus seiner Größe und Schmächtigkeit schon schließen konnte. Fähnrich Spooney dagegen war ein großer Jüngling aus Hauptmann Dobbins Grenadierkompanie. Er probierte eine neue Bärenfellmütze, unter der er für seine Jahre sehr wild aussah. Dann gingen die beiden Burschen zu Slaughters, bestellten ein gutes Essen und schrieben an ihre teuren, ängstlichen Eltern zu Hause Briefe, voll von Liebe, Herzlichkeit, Mut und schlechter Orthographie. Ach! Damals klopfte in England manches bange Herz, in vielen Häusern vergossen Mütter Tränen, und viele beteten.

 

Mr. Stubble, as may be supposed from his size and slenderness, was of the Light Bobs. Ensign Spooney, on the contrary, was a tall youth, and belonged to (Captain Dobbin’s) the Grenadier Company, and he tried on a new bearskin cap, under which he looked savage beyond his years. Then these two lads went off to the Slaughters’, and having ordered a famous dinner, sate down and wrote off letters to the kind anxious parents at home — letters full of love and heartiness, and pluck and bad spelling. Ah! there were many anxious hearts beating through England at that time; and mothers’ prayers and tears flowing in many homesteads.

Als Dobbin den jungen Stubble an einem Tisch bei Slaughters über einen Brief gebeugt sah und beobachtete, wie ihm die Tränen über die Nase aufs Papier tropften (denn der junge Mensch dachte an seine Mutter, die er vielleicht nie wiedersehen würde), überkam ihn die Rührung. Er unterbrach seinen Brief an George Osborne und schloß sein Schreibpult ab. »Warum sollte ich auch jetzt schreiben?« sagte er. »Mag sie diese Nacht noch glücklich sein. Morgen früh werde ich meine Eltern besuchen und dann selbst nach Brighton fahren.«

 

Seeing young Stubble engaged in composition at one of the coffee-room tables at the Slaughters’, and the tears trickling down his nose on to the paper (for the youngster was thinking of his mamma, and that he might never see her again), Dobbin, who was going to write off a letter to George Osborne, relented, and locked up his desk. “Why should I?” said he. “Let her have this night happy. I’ll go and see my parents early in the morning, and go down to Brighton myself to-morrow.”

So stand er auf und legte dem jungen Stubble seine große Hand auf die Schulter und richtete den jungen Krieger auf. Er sagte ihm, es könne noch ein guter Soldat aus ihm werden, da er stets ein ehrlicher, gutherziger Kerl gewesen sei, wenn er nur den Alkohol meiden würde. Die Augen des jungen Stubble hellten sich bei diesen Worten auf, denn Dobbin war beim Regiment als der beste Offizier und klügste Mensch angesehen.

 

So he went up and laid his big hand on young Stubble’s shoulder, and backed up that young champion, and told him if he would leave off brandy and water he would be a good soldier, as he always was a gentlemanly good-hearted fellow. Young Stubble’s eyes brightened up at this, for Dobbin was greatly respected in the regiment, as the best officer and the cleverest man in it.

»Ich danke Ihnen, Dobbin«, sagte er und rieb sich die Augen mit den Knöcheln. »Ich schrieb ihr eben – eben, daß ich es wollte. Ach, Sir, sie ist so verdammt freundlich zu mir.« Die Wasserwerke begannen ihre Tätigkeit von neuem, und ich bin nicht sicher, ob die Augen des weichherzigen Hauptmanns nicht ebenfalls zwinkerten.

 

“Thank you, Dobbin,” he said, rubbing his eyes with his knuckles, “I was just — just telling her I would. And, O Sir, she’s so dam kind to me.” The water pumps were at work again, and I am not sure that the soft-hearted Captain’s eyes did not also twinkle.

Die zwei Fähnriche, der Hauptmann und Mr. Chopper speisten in derselben Abteilung. Chopper übergab den Brief von Mr. Osborne, worin dieser Hauptmann Dobbin kurz seine Empfehlung machte und ihn bat, Inliegendes Hauptmann George Osborne zukommen zu lassen. Chopper wußte nichts Näheres, er beschrieb nur Mr. Osbornes Aussehen und erzählte, daß sein Rechtsanwalt bei ihm gewesen sei. Er drückte auch seine Verwunderung aus, daß der Alte auf niemanden geflucht hatte. Als die Weinflasche die Runde machte, erging er sich in einer Menge von Spekulationen und Vermutungen, mit jedem Glas aber wurden sie vager, bis sie schließlich ganz und gar unverständlich waren. Spät in der Nacht brachte Hauptmann Dobbin seinen Gast, der unter einem Schluckauf schwor, daß er immer und ewig der Freund vom Hau-Hau-Hauptmann bleiben werde, zu einer Droschke.

 

The two ensigns, the Captain, and Mr. Chopper, dined together in the same box. Chopper brought the letter from Mr. Osborne, in which the latter briefly presented his compliments to Captain Dobbin, and requested him to forward the inclosed to Captain George Osborne. Chopper knew nothing further; he described Mr. Osborne’s appearance, it is true, and his interview with his lawyer, wondered how the governor had sworn at nobody, and — especially as the wine circled round — abounded in speculations and conjectures. But these grew more vague with every glass, and at length became perfectly unintelligible. At a late hour Captain Dobbin put his guest into a hackney coach, in a hiccupping state, and swearing that he would be the kick — the kick — Captain’s friend for ever and ever.

Wir haben erzählt, daß Hauptmann Dobbin beim Abschied von Miss Osborne um Erlaubnis bat, sie noch einmal besuchen zu dürfen. So wartete das ältliche Mädchen am nächsten Tage mehrere Stunden auf ihn, und wäre er gekommen und hätte er ihr die Frage gestellt, die sie so gern beantwortet hätte, dann hätte sie sich wahrscheinlich auf die Seite ihres Bruders geschlagen, und zwischen George und seinem grimmigen Vater wäre es zu einer Aussöhnung gekommen. Aber obgleich sie zu Hause wartete, ließ sich der Hauptmann nicht blicken. Er mußte seinen eigenen Geschäften nachgehen, seine Eltern besuchen und trösten, und sehr früh nahm er seinen Platz auf dem »Blitz« ein, um zu seinen Freunden nach Brighton zu eilen. Im Laufe des Tages hörte Miss Osborne, wie ihr Vater den Befehl gab, dem intrigierenden Schuft, Hauptmann Dobbin, den Eintritt in sein Haus zu verweigern, und so waren alle Hoffnungen, die sie insgeheim gehegt haben mochte, zunichte gemacht. Mr. Frederick Bullock kam und war besonders liebevoll zu Maria und besonders aufmerksam gegen den gramerfüllten alten Herrn. Denn wenn Mr. Osborne auch sagte, seine Seele sei nun ruhig, so schienen doch die Mittel, mit denen er diese Ruhe hatte finden wollen, noch nicht gewirkt zu haben. Die Ereignisse der letzten zwei Tage hatten ihn sichtlich erschüttert.

 

When Captain Dobbin took leave of Miss Osborne we have said that he asked leave to come and pay her another visit, and the spinster expected him for some hours the next day, when, perhaps, had he come, and had he asked her that question which she was prepared to answer, she would have declared herself as her brother’s friend, and a reconciliation might have been effected between George and his angry father. But though she waited at home the Captain never came. He had his own affairs to pursue; his own parents to visit and console; and at an early hour of the day to take his place on the Lightning coach, and go down to his friends at Brighton. In the course of the day Miss Osborne heard her father give orders that that meddling scoundrel, Captain Dobbin, should never be admitted within his doors again, and any hopes in which she may have indulged privately were thus abruptly brought to an end. Mr. Frederick Bullock came, and was particularly affectionate to Maria, and attentive to the broken-spirited old gentleman. For though he said his mind would be easy, the means which he had taken to secure quiet did not seem to have succeeded as yet, and the events of the past two days had visibly shattered him.


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