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1. Kapitel. / Chapter 1.

Chiswick Mall / Chiswick Mall

Im zweiten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts fuhr an einem sonnigen Junimorgen vor dem mächtigen eisernen Tor von Miss Pinkertons Mädchenpensionat in der Chiswick Mall eine große Familienkutsche vor, gezogen von zwei wohlgenährten Pferden mit glänzendem Geschirr. Sie wurden von einem beleibten Kutscher mit Dreispitz und Perücke in einem Tempo von vier Meilen pro Stunde gelenkt. Ein schwarzer Diener, der neben dem beleibten Kutscher auf dem Bock döste, streckte seine krummen Beine, sobald der Wagen an Miss Pinkertons glänzendem Messingschild hielt, und als er die Klingel zog, sah man wenigstens zwanzig junge Köpfe aus den schmalen Fenstern des stattlichen alten Backsteingebäudes lugen. Ja, ein genauer Beobachter hätte sogar das rote Näschen der gutmütigen Miss Jemima Pinkerton über einigen Geranientöpfen am Fenster des Empfangsraumes der Dame selbst erblicken können.

 

While the present century was in its teens, and on one sunshiny morning in June, there drove up to the great iron gate of Miss Pinkerton’s academy for young ladies, on Chiswick Mall, a large family coach, with two fat horses in blazing harness, driven by a fat coachman in a three-cornered hat and wig, at the rate of four miles an hour. A black servant, who reposed on the box beside the fat coachman, uncurled his bandy legs as soon as the equipage drew up opposite Miss Pinkerton’s shining brass plate, and as he pulled the bell at least a score of young heads were seen peering out of the narrow windows of the stately old brick house. Nay, the acute observer might have recognized the little red nose of good-natured Miss Jemima Pinkerton herself, rising over some geranium pots in the window of that lady’s own drawing-room.

»Es ist die Kutsche von Mrs. Sedley, Schwester«, sagte Miss Jemima. »Sambo, der schwarze Diener, hat gerade geläutet; und der Kutscher hat eine neue rote Weste an.«

 

“It is Mrs. Sedley’s coach, sister,” said Miss Jemima. “Sambo, the black servant, has just rung the bell; and the coachman has a new red waistcoat.”

»Hast du alle für das Ausscheiden von Miss Sedley nötigen Vorbereitungen getroffen, Miss Jemima?« fragte Miss Pinkerton, jene majestätische Dame, die Semiramis von Hammersmith, die Freundin von Doktor Johnson, die Korrespondentin von Mrs. Chapone.

 

“The girls were up at four this morning, packing her trunks, sister,” replied Miss Jemima; “we have made her a bow-pot.”

»Die Mädchen sind heute morgen um vier Uhr aufgestanden, um ihr die Koffer zu packen, Schwester«, erwiderte Miss Jemima; »wir haben ihr einen Blumenstrauß gebunden.«

 

“Have you completed all the necessary preparations incident to Miss Sedley’s departure, Miss Jemima?” asked Miss Pinkerton herself, that majestic lady; the Semiramis of Hammersmith, the friend of Doctor Johnson, the correspondent of Mrs. Chapone herself.

»Sage lieber Bukett, Schwester Jemima, es klingt feiner.«

 

“Say a bouquet, sister Jemima, ’tis more genteel.”

»Nun ja, ein Bukett, fast so groß wie ein Heuschober; ich habe zwei Flaschen Levkojenwasser für Mrs. Sedley und auch das Rezept dafür in Amelias Koffer gepackt.«

 

“Well, a booky as big almost as a haystack; I have put up two bottles of the gillyflower water for Mrs. Sedley, and the receipt for making it, in Amelia’s box.”

»Und ich hoffe, Miss Jemima, du hast eine Abschrift von Miss Sedleys Rechnung angefertigt; das ist sie, nicht wahr? Sehr gut – dreiundneunzig Pfund und vier Shilling. Adressiere sie bitte an John Sedley, Esquire, und siegle dieses Billett, das ich an seine Gemahlin geschrieben habe.«

 

“And I trust, Miss Jemima, you have made a copy of Miss Sedley’s account. This is it, is it? Very good — ninety-three pounds, four shillings. Be kind enough to address it to John Sedley, Esquire, and to seal this billet which I have written to his lady.”

Miss Jemima brachte einem eigenhändig geschriebenen Brief ihrer Schwester, Miss Pinkerton, ebenso tiefe Ehrfurcht entgegen, wie sie dem Brief eines Staatsoberhauptes entgegengebracht hätte. Nur wenn die Schülerinnen die Anstalt verließen oder wenn sie heiraten wollten, und einmal, als die arme Miss Birch an Scharlach gestorben war, schrieb Miss Pinkerton persönlich an die Eltern ihrer Schülerinnen, und Jemima war überzeugt, wenn etwas imstande sei, Mrs. Birch über den Verlust ihrer Tochter zu trösten, dann war es das fromme und beredte Schreiben, worin Miss Pinkerton ihr das Ereignis mitteilte.

 

In Miss Jemima’s eyes an autograph letter of her sister, Miss Pinkerton, was an object of as deep veneration as would have been a letter from a sovereign. Only when her pupils quitted the establishment, or when they were about to be married, and once, when poor Miss Birch died of the scarlet fever, was Miss Pinkerton known to write personally to the parents of her pupils; and it was Jemima’s opinion that if anything could console Mrs. Birch for her daughter’s loss, it would be that pious and eloquent composition in which Miss Pinkerton announced the event.

Im vorliegenden Fall lautete Miss Pinkertons Billett folgendermaßen :

 

In the present instance Miss Pinkerton’s “billet” was to the following effect: —

Chiswick, The Mall, 15. Juni 18 ..

 

The Mall, Chiswick, June 15, 18

Madame – nach ihrem sechsjährigen Aufenthalt in der Mall habe ich die Ehre und das Vergnügen, Miss Amelia Sedley ihren Eltern als junge Dame vorzustellen, die nicht unwürdig ist, in deren glänzendem, gebildetem Kreise die ihr zukommende Stellung einzunehmen. Es mangelt der liebenswürdigen Miss Sedley nicht an jenen Tugenden, welche eine junge englische Dame von vornehmer Abkunft charakterisieren, jenen Kenntnissen, die ihrer Geburt und ihrem Stand entsprechen. Ihr Fleiß und Gehorsam haben sie ihren Lehrern lieb und wert gemacht, und ihr reizendes, sanftes Wesen hat ihre älteren und ihre jüngeren Gefährtinnen bezaubert.

 

Madam, — After her six years’ residence at the Mall, I have the honour and happiness of presenting Miss Amelia Sedley to her parents, as a young lady not unworthy to occupy a fitting position in their polished and refined circle. Those virtues which characterize the young English gentlewoman, those accomplishments which become her birth and station, will not be found wanting in the amiable Miss Sedley, whose industry and obedience have endeared her to her instructors, and whose delightful sweetness of temper has charmed her aged and her youthful companions.

In der Musik, im Tanzen, in der Orthographie, in allen Arten von Handarbeiten erfüllt sie wohl die sehnlichsten Wünsche ihrer Verwandten. In der Geographie bleibt noch manches zu wünschen übrig, und eine sorgfältige und unablässige Anwendung des Rückenbrettes, täglich vier Stunden in den nächsten drei Jahren, wird zur Erlangung jener würdevollen Haltung empfohlen, die für eine junge Dame von Welt erforderlich ist.

 

In music, in dancing, in orthography, in every variety of embroidery and needlework, she will be found to have realized her friends’ fondest wishes. In geography there is still much to be desired; and a careful and undeviating use of the backboard, for four hours daily during the next three years, is recommended as necessary to the acquirement of that dignified deportment and carriage, so requisite for every young lady of fashion.

In den Grundsätzen der Religion und Moral wird sich Miss Sedley einer Anstalt würdig erweisen, die durch die Gegenwart des großen Lexikographen und die Gönnerschaft der bewunderungswürdigen Mrs. Chapone geehrt worden ist. Bei ihrem Scheiden von der Mall nimmt Miss Amelia die Herzen ihrer Gefährtinnen und die liebevolle Hochachtung ihrer Lehrerin mit sich, welche die Ehre hat zu zeichnen als

 

In the principles of religion and morality, Miss Sedley will be found worthy of an establishment which has been honoured by the presence of The Great Lexicographer, and the patronage of the admirable Mrs. Chapone. In leaving the Mall, Miss Amelia carries with her the hearts of her companions, and the affectionate regards of her mistress, who has the honour to subscribe herself,

Ihre gehorsamst ergebene Dienerin

Barbara Pinkerton.

 

Madam,Your most obliged humble servant,

Barbara Pinkerton

PS: Miss Sharp begleitet Miss Sedley. Es wird ausdrücklich gebeten, daß Miss Sharp ihren Aufenthalt am Russell Square nicht länger als zehn Tage ausdehnt. Die vornehme Familie, die sie eingestellt hat, wünscht ihre Dienste baldmöglichst in Anspruch zu nehmen.

 

P.S. — Miss Sharp accompanies Miss Sedley. It is particularly requested that Miss Sharp’s stay in Russell Square may not exceed ten days. The family of distinction with whom she is engaged, desire to avail themselves of her services as soon as possible.

Als Miss Pinkerton diesen Brief beendet hatte, schrieb sie ihren und Miss Sedleys Namen auf das Vorsatzblatt eines Exemplars von Johnsons Wörterbuch, jenem interessanten Werk, welches sie jeder Schülerin beim Ausscheiden zu überreichen pflegte. Auf dem Deckel des Buches konnte man die »Zeilen an eine junge Dame bei ihrem Abgang von Miss Pinkertons Schule in der Mall, von dem seligen, hochverehrten Doktor Samuel Johnson« lesen. In der Tat führte diese majestätische Dame den Namen des Lexikographen ständig auf den Lippen, und ein Besuch, den er ihr abgestattet hatte, war die Ursache ihres Rufes und ihres Vermögens geworden.

 

This letter completed, Miss Pinkerton proceeded to write her own name, and Miss Sedley’s, in the fly-leaf of a Johnson’s Dictionary — the interesting work which she invariably presented to her scholars, on their departure from the Mall. On the cover was inserted a copy of “Lines addressed to a young lady on quitting Miss Pinkerton’s school, at the Mall; by the late revered Doctor Samuel Johnson.” In fact, the Lexicographer’s name was always on the lips of this majestic woman, and a visit he had paid to her was the cause of her reputation and her fortune.

Nachdem Miss Jemima von ihrer älteren Schwester aufgefordert worden war, »das Wörterbuch« aus dem Schrank zu holen, hatte sie dem erwähnten Behältnis zwei Exemplare entnommen. Als Miss Pinkerton die Widmung in das erste geschrieben hatte, reichte ihr Jemima mit zweifelnder und schüchterner Miene das andere.

 

Being commanded by her elder sister to get “the Dictionary” from the cupboard, Miss Jemima had extracted two copies of the book from the receptacle in question. When Miss Pinkerton had finished the inscription in the first, Jemima, with rather a dubious and timid air, handed her the second.

»Für wen soll das sein, Miss Jemima?« fragte Miss Pinkerton äußerst kühl.

 

“For whom is this, Miss Jemima?” said Miss Pinkerton, with awful coldness.

»Für Becky Sharp«, erwiderte Jemima, heftig zitternd, und ihr welkes Gesicht wurde rot bis zum Halse, als sie ihrer Schwester den Rücken wandte. »Für Becky Sharp, sie geht ja auch.«

 

“For Becky Sharp,” answered Jemima, trembling very much, and blushing over her withered face and neck, as she turned her back on her sister. “For Becky Sharp: she’s going too.”

»MISS JEMIMA!« rief Miss Pinkerton in den größten Großbuchstaben. »Bist du bei Sinnen? Stell das Wörterbuch in den Schrank zurück und wage in Zukunft nicht mehr, dir eine solche Freiheit herauszunehmen!«

 

“MISS JEMINA!” exclaimed Miss Pinkerton, in the largest capitals. “Are you in your senses? Replace the Dixonary in the closet, and never venture to take such a liberty in future.”

»Ach, Schwester, es kostet doch nur zwei Shilling und neun Pence, und die arme Becky wird sich grämen, wenn sie keins bekommt.«

 

“Well, sister, it’s only two-and-ninepence, and poor Becky will be miserable if she don’t get one.”

»Schick Miss Sedley sofort zu mir«, sagte Miss Pinkerton. Und so eilte die arme Jemima, verwirrt und ängstlich, ohne noch ein Wort zu wagen, davon.

 

“Send Miss Sedley instantly to me,” said Miss Pinkerton. And so venturing not to say another word, poor Jemima trotted off, exceedingly flurried and nervous.

Miss Sedleys Vater war ein ziemlich vermögender Kaufmann in London, während Miss Sharp Lehrschülerin war, für die Miss Pinkerton genug getan zu haben glaubte, auch ohne ihr beim Scheiden die hohe Ehre des Wörterbuches zuteil werden zu lassen.

 

Miss Sedley’s papa was a merchant in London, and a man of some wealth; whereas Miss Sharp was an articled pupil, for whom Miss Pinkerton had done, as she thought, quite enough, without conferring upon her at parting the high honour of the Dixonary.

Briefe von Schulvorsteherinnen sind kaum vertrauenswürdiger als Grabinschriften; wie es aber doch bisweilen vorkommt, daß ein Mensch das Zeitliche segnet und die Lobpreisungen des Steinmetzen über seinen Gebeinen verdient, also wirklich ein guter Christ, ein guter Vater, ein gutes Kind, eine gute Ehefrau oder ein guter Ehemann gewesen ist, also wirklich eine seinen Tod betrauernde, verzweifelte Familie hinterläßt, so kommt es auch hin und wieder in Mädchen- oder Knabenschulen vor, daß der Schüler die Lobpreisungen des selbstlosen Lehrers verdient. Miss Amelia Sedley nun war eine junge Dame dieser besonderen Art und verdiente nicht nur alles, was Miss Pinkerton zu ihrem Lobe sagte, sondern besaß noch viele andere liebenswerte Eigenschaften, die die wichtigtuerische alte Minerva von einem Weibe infolge des Rang- und Altersunterschiedes zwischen ihr und ihrer Schülerin nicht zu sehen vermochte. Denn Amelia konnte nicht nur singen wie eine Lerche oder eine Billington, tanzen wie Hillisberg oder Parisot, prächtig sticken und war fehlerfrei in der Rechtschreibung wie das Wörterbuch selbst, sondern sie besaß auch ein so gutes, freundliches, weiches, sanftes, großmütiges Herz, daß sie die Liebe von jedermann in ihrer Umgebung gewann, von der Minerva bis herab zu der armen Scheuermagd und der Tochter der einäugigen Kuchenfrau, die den jungen Damen in der Mall ihre Ware einmal in der Woche verkaufen durfte. Von den vierundzwanzig jungen Damen waren zwölf ihre Busenfreundinnen. Sogar die neidische Miss Briggs sprach nie schlecht von ihr; die hoch-wohlgeborene Miss Saltire (Lord Dexters Enkelin) gab zu, daß sie eine elegante Erscheinung sei, und bei Miss Swartz gar, der reichen wollhaarigen Mulattin von Saint Kitts, erlebte man an dem Tage, als Amelia die Schule verließ, einen solchen Tränenausbruch, daß man nach Doktor Floss schicken und sie mit Riechsalz halb betäuben mußte. Miss Pinkertons Zuneigung war ruhig und würdevoll, wie die hohe Stellung und die hervorragenden Tugenden dieser Dame nicht anders erwarten ließen; aber Miss Jemima hatte bei dem bloßen Gedanken an Amelias Abreise schon mehrmals geschluckt, und wäre nicht die Furcht vor ihrer Schwester gewesen, so hätte sie hysterische Anfälle bekommen wie die (doppelt zahlende) Erbin von Saint Kitts. Einen solchen Luxus mit seinem Schmerz zu treiben ist indessen nur besonders bevorzugten Schülerinnen gestattet. Die ehrliche Jemima dagegen hatte die Oberaufsicht über die Rechnungen, das Waschen und Ausbessern, die Puddings, das silberne und das einfache Geschirr sowie über die Dienerschaft. Aber warum sprechen wir von ihr: wahrscheinlich werden wir bis in alle Ewigkeit nichts mehr von ihr hören, und weder sie noch ihre ehrfurchtgebietende Schwester wird jemals wieder in der kleinen Welt unserer Geschichte auftauchen, wenn sich erst einmal das große, verschnörkelte, eiserne Tor geschlossen hat.

 

Although schoolmistresses’ letters are to be trusted no more nor less than churchyard epitaphs; yet, as it sometimes happens that a person departs this life who is really deserving of all the praises the stone cutter carves over his bones; who is a good Christian, a good parent, child, wife, or husband; who actually does leave a disconsolate family to mourn his loss; so in academies of the male and female sex it occurs every now and then that the pupil is fully worthy of the praises bestowed by the disinterested instructor. Now, Miss Amelia Sedley was a young lady of this singular species; and deserved not only all that Miss Pinkerton said in her praise, but had many charming qualities which that pompous old Minerva of a woman could not see, from the differences of rank and age between her pupil and herself. For she could not only sing like a lark, or a Mrs. Billington, and dance like Hillisberg or Parisot; and embroider beautifully; and spell as well as a Dixonary itself; but she had such a kindly, smiling, tender, gentle, generous heart of her own, as won the love of everybody who came near her, from Minerva herself down to the poor girl in the scullery, and the one-eyed tart-woman’s daughter, who was permitted to vend her wares once a week to the young ladies in the Mall. She had twelve intimate and bosom friends out of the twenty-four young ladies. Even envious Miss Briggs never spoke ill of her; high and mighty Miss Saltire (Lord Dexter’s granddaughter) allowed that her figure was genteel; and as for Miss Swartz, the rich woolly-haired mulatto from St. Kitt’s, on the day Amelia went away, she was in such a passion of tears that they were obliged to send for Dr. Floss, and half tipsify her with salvolatile. Miss Pinkerton’s attachment was, as may be supposed from the high position and eminent virtues of that lady, calm and dignified; but Miss Jemima had already whimpered several times at the idea of Amelia’s departure; and, but for fear of her sister, would have gone off in downright hysterics, like the heiress (who paid double) of St. Kitt’s. Such luxury of grief, however, is only allowed to parlour-boarders. Honest Jemima had all the bills, and the washing, and the mending, and the puddings, and the plate and crockery, and the servants to superintend. But why speak about her? It is probable that we shall not hear of her again from this moment to the end of time, and that when the great filigree iron gates are once closed on her, she and her awful sister will never issue therefrom into this little world of history.

Da wir indessen viel über Amelia erfahren werden, kann es nichts schaden, wenn wir gleich zu Anfang unserer Bekanntschaft sagen, daß sie eines der besten und liebenswürdigsten Geschöpfe war, die je lebten, und es ist ein Segen, daß wir, da es sowohl im Leben als auch in Romanen (und in diesen besonders) von Bösewichten der schlimmsten Sorte nur so wimmelt, solch einen ehrlichen und gutherzigen Menschen zur Seite haben. Da sie keine Heldin ist, brauchen wir ihre Person nicht zu beschreiben; ich befürchte sogar, daß ihre Nase etwas zu klein und ihre Wangen viel zu rund und rot für eine Heldin waren; aber ihr Gesicht strahlte von blühender Gesundheit, und auf ihren Lippen lag das munterste Lächeln; sie hatte ein Paar Augen, die von lebhafter und ehrlicher guter Laune blitzten, wenn sie sich nicht gerade mit Tränen füllten, und das geschah in der Tat viel zu oft, denn das einfältige Ding konnte über einen toten Kanarienvogel oder über eine Maus, die die Katze gefangen hatte, oder über den Schluß eines Romans, war er auch noch so albern, weinen; und sagte man ihr ein unfreundliches Wort – vorausgesetzt, es fand sich jemand, der so hartherzig war –, um so schlimmer war es dann für diesen. Sogar Miss Pinkerton, diese strenge und göttergleiche Dame, schalt sie nur einmal, und obgleich sie von Gefühlen ebensowenig verstand wie von Algebra, gab sie allen Lehrern den ausdrücklichen Befehl, mit Miss Sedley so sanft wie möglich umzugehen, da diese eine rauhe Behandlung nicht vertrage.

 

But as we are to see a great deal of Amelia, there is no harm in saying, at the outset of our acquaintance, that she was a dear little creature; and a great mercy it is, both in life and in novels, which (and the latter especially) abound in villains of the most sombre sort, that we are to have for a constant companion so guileless and good-natured a person. As she is not a heroine, there is no need to describe her person; indeed I am afraid that her nose was rather short than otherwise, and her cheeks a great deal too round and red for a heroine; but her face blushed with rosy health, and her lips with the freshest of smiles, and she had a pair of eyes which sparkled with the brightest and honestest good-humour, except indeed when they filled with tears, and that was a great deal too often; for the silly thing would cry over a dead canary-bird; or over a mouse, that the cat haply had seized upon; or over the end of a novel, were it ever so stupid; and as for saying an unkind word to her, were any persons hard-hearted enough to do so — why, so much the worse for them. Even Miss Pinkerton, that austere and godlike woman, ceased scolding her after the first time, and though she no more comprehended sensibility than she did Algebra, gave all masters and teachers particular orders to treat Miss Sedley with the utmost gentleness, as harsh treatment was injurious to her.

Als der Tag der Abreise kam, wußte Miss Sedley daher nicht, für welche ihrer beiden Gewohnheiten – lachen oder weinen – sie sich entscheiden sollte. Sie war froh, nach Hause zu kommen, und dabei doch wieder so unendlich traurig, die Schule verlassen zu müssen. Die letzten drei Tage folgte ihr die kleine verwaiste Laura Martin überallhin, wie ein kleines Hündchen. Sie mußte mindestens vierzehn Geschenke machen und entgegennehmen und vierzehnmal das feierliche Versprechen geben, jede Woche zu schreiben. »Schicke deine Briefe an mich bitte an die Adresse meines Großvaters, des Grafen von Dexter«, sagte Miss Saltire (die, nebenbei erwähnt, etwas knauserig war). »Du brauchst dich nicht um das Porto zu kümmern, schreibe mir nur jeden Tag, mein Herzblatt«, bat die ungestüme, wollhaarige, aber großherzige und liebevolle Miss Swartz, und die kleine Laura Martin – die eben schreiben gelernt hatte – ergriff die Hand ihrer Freundin und sagte, ihr ernst ins Gesicht schauend: »Amelia, wenn ich dir schreibe, werde ich dich Mama nennen.« Zweifellos wird Jones, der dieses Buch in seinem Klub liest, alle diese Einzelheiten äußerst töricht, unbedeutend, geschwätzig und übersentimental finden. Ja ich sehe direkt, wie Jones in diesem Augenblick –gerötet nach dem Genuß seiner Hammelkeule und einem Glas Wein – seinen Bleistift zückt, die Worte »töricht, geschwätzig« und so weiter unterstreicht und »sehr richtig« an den Rand schreibt. Ja, er ist ein Mann von großem Geist und bewundert das Erhabene und Heroische im Leben und im Roman; und deshalb sollte er sich lieber warnen lassen und sich anderem zuwenden.

 

So that when the day of departure came, between her two customs of laughing and crying, Miss Sedley was greatly puzzled how to act. She was glad to go home, and yet most woefully sad at leaving school. For three days before, little Laura Martin, the orphan, followed her about like a little dog. She had to make and receive at least fourteen presents — to make fourteen solemn promises of writing every week: “Send my letters under cover to my grandpapa, the Earl of Dexter,” said Miss Saltire (who, by the way, was rather shabby). “Never mind the postage, but write every day, you dear darling,” said the impetuous and woolly-headed, but generous and affectionate Miss Swartz; and the orphan little Laura Martin (who was just in round-hand), took her friend’s hand and said, looking up in her face wistfully, “Amelia, when I write to you I shall call you Mamma.” All which details, I have no doubt, Jones, who reads this book at his Club, will pronounce to be excessively foolish, trivial, twaddling, and ultra-sentimental. Yes; I can see Jones at this minute (rather flushed with his joint of mutton and half pint of wine), taking out his pencil and scoring under the words “foolish, twaddling,” &c., and adding to them his own remark of “ Quite true.” Well, he is a lofty man of genius, and admires the great and heroic in life and novels; and so had better take warning and go elsewhere.

Nun gut. Nachdem Mr. Sambo Miss Sedleys Blumen, Geschenke, Koffer und Hutschachteln in der Kutsche verstaut und dem Kutscher grinsend einen winzigen, schäbigen alten Rindslederkoffer, säuberlich mit Miss Sharps Namensschild versehen, gereicht hatte, den dieser hohnlächelnd wegpackte, schlug die Abschiedsstunde. Der Schmerz dieses Augenblicks wurde durch die vortreffliche Ansprache, die Miss Pinkerton an ihre Schülerin richtete, beträchtlich gelindert. Nicht daß die Abschiedsrede Amelia etwa zum Philosophieren verleitet hätte oder sie irgendwie mit einer Ruhe, die der Vernunft entspringt, gewappnet hätte – nein, die Rede war unerträglich langweilig, hochtrabend und ermüdend; und da Miss Sedley ihre Schulvorsteherin nicht wenig fürchtete, so wagte sie nicht, in deren Gegenwart ihrem privaten Schmerz freien Lauf zu lassen. Ein Kümmelkuchen nebst einer Flasche Wein wurden in den Empfangsraum gebracht, was sonst nur bei dem feierlichen Anlaß von Elternbesuchen geschah, und nachdem man diesen Erfrischungen gehörig zugesprochen hatte, stand es Miss Sedley frei, zu gehen.

 

Well, then. The flowers, and the presents, and the trunks, and bonnet-boxes of Miss Sedley having been arranged by Mr. Sambo in the carriage, together with a very small and weather-beaten old cow’s-skin trunk with Miss Sharp’s card neatly nailed upon it, which was delivered by Sambo with a grin, and packed by the coachman with a corresponding sneer — the hour for parting came; and the grief of that moment was considerably lessened by the admirable discourse which Miss Pinkerton addressed to her pupil. Not that the parting speech caused Amelia to philosophise, or that it armed her in any way with a calmness, the result of argument; but it was intolerably dull, pompous, and tedious; and having the fear of her schoolmistress greatly before her eyes, Miss Sedley did not venture, in her presence, to give way to any ebullitions of private grief. A seed-cake and a bottle of wine were produced in the drawing-room, as on the solemn occasions of the visits of parents, and these refreshments being partaken of, Miss Sedley was at liberty to depart.

»Sie gehen doch wohl hinein und verabschieden sich von Miss Pinkerton, Becky?« sagte Miss Jemima zu einer jungen Dame, die, von niemandem beachtet, eben mit ihrer Hutschachtel die Treppe herabkam.

 

“You’ll go in and say good-by to Miss Pinkerton, Becky!” said Miss Jemima to a young lady of whom nobody took any notice, and who was coming downstairs with her own bandbox.

»Ich kann wohl nicht umhin«, sagte Miss Sharp gelassen zu Miss Jemimas Verwunderung; und nachdem Jemima an die Tür geklopft hatte und zum Hereinkommen aufgefordert worden war, trat Miss Sharp unbekümmert vor und sagte in vollendetem Französisch: »Mademoiselle, je viens vous faire mes adieux.«

 

“I suppose I must,” said Miss Sharp calmly, and much to the wonder of Miss Jemima; and the latter having knocked at the door, and receiving permission to come in, Miss Sharp advanced in a very unconcerned manner, and said in French, and with a perfect accent, “Mademoiselle, je viens vous faire mes adieux.”

Miss Pinkerton konnte nicht Französisch; sie stand nur denen vor, die es konnten; aber sie biß sich auf die Lippen, warf den ehrwürdigen Kopf mit der römischen Nase unter dem großen feierlichen Turban in den Nacken und sagte: »Miss Sharp, ich wünsche Ihnen einen guten Morgen!« Während die Semiramis von Hammersmith sprach, machte sie eine Handbewegung, teils zum Zeichen des Abschiedes, teils um Miss Sharp Gelegenheit zu bieten, einen zu diesem Zwecke ausgestreckten Finger zu schütteln.

 

Miss Pinkerton did not understand French; she only directed those who did: but biting her lips and throwing up her venerable and Roman-nosed head (on the top of which figured a large and solemn turban), she said, “Miss Sharp, I wish you a good morning.” As the Hammersmith Semiramis spoke, she waved one hand, both by way of adieu, and to give Miss Sharp an opportunity of shaking one of the fingers of the hand which was left out for that purpose.

Miss Sharp aber faltete nur sehr kühl lächelnd die Hände, verbeugte sich und verschmähte die ihr zugedachte Ehre völlig, worauf Semiramis ihren Turban unwilliger denn je zurückwarf. Es war wirklich ein kleiner Kampf zwischen der jungen Dame und der alten Dame, und die alte zog den kürzeren. »Der Himmel beschütze dich, mein Kind«, sagte sie und umarmte Amelia, wobei sie über des Mädchens Schulter hinweg Miss Sharp grimmig anblickte.

 

Miss Sharp only folded her own hands with a very frigid smile and bow, and quite declined to accept the proffered honour; on which Semiramis tossed up her turban more indignantly than ever. In fact, it was a little battle between the young lady and the old one, and the latter was worsted. “Heaven bless you, my child,” said she, embracing Amelia, and scowling the while over the girl’s shoulder at Miss Sharp.

»Kommen Sie, Becky«, sagte Miss Jemima und zog das junge Mädchen in höchster Angst hinaus. Die Tür des Empfangsraumes schloß sich für immer hinter ihnen.

 

“Come away, Becky,” said Miss Jemima, pulling the young woman away in great alarm, and the drawing-room door closed upon them for ever.

Dann folgten die Aufregung und das Abschiednehmen unten. Worte vermögen es nicht zu schildern. In der Vorhalle hatten sich alle Dienstboten versammelt, die teuren Freundinnen, überhaupt sämtliche jungen Damen und der eben angekommene Tanzlehrer; da gab es ein solches Drängen und Umarmen, Küssen und Weinen, begleitet von den aus dem Zimmer der reichen Miss Swartz dringenden hysterischen Schreien, daß keine Feder es zu beschreiben vermag und ein gefühlvolles Herz es gern übergeht.

 

Then came the struggle and parting below. Words refuse to tell it. All the servants were there in the hall — all the dear friend — all the young ladies — the dancing-master who had just arrived; and there was such a scuffling, and hugging, and kissing, and crying, with the hysterical YOOPS of Miss Swartz, the parlour-boarder, from her room, as no pen can depict, and as the tender heart would fain pass over.

Endlich waren die Umarmungen vorüber; sie trennten sich – das heißt, Miss Sedley trennte sich von ihren Freundinnen. Miss Sharp war einige Minuten zuvor ruhig in die Kutsche gestiegen. Niemand weinte bei ihrem Scheiden.

 

The embracing was over; they parted — that is, Miss Sedley parted from her friends. Miss Sharp had demurely entered the carriage some minutes before. Nobody cried for leaving her.

Der krummbeinige Samba schlug die Wagentür hinter seiner weinenden jungen Herrin zu und sprang hinten auf. »Halt!« rief Miss Jemima, die mit einem Päckchen zum Tor stürzte. »Es sind nur ein paar belegte Brote, meine Liebe«, sagte sie zu Amelia. »Falls Sie Hunger bekommen – und Becky, Becky Sharp, hier ist ein Buch für Sie, das meine Schwester – das heißt ich – Johnsons Wörterbuch, wissen Sie? Sie dürfen uns nicht ohne das Buch verlassen. Adieu! – Fahr zu, Kutscher! Gott segne euch!« Und das gutmütige Geschöpf eilte, ganz überwältigt von ihren Gefühlen, in den Garten zurück.

 

Sambo of the bandy legs slammed the carriage door on his young weeping mistress. He sprang up behind the carriage. “Stop!” cried Miss Jemima, rushing to the gate with a parcel. “It’s some sandwiches, my dear,” said she to Amelia. “You may be hungry, you know; and Becky, Becky Sharp, here’s a book for you that my sister — that is, I — Johnson’s Dixonary, you know; you mustn’t leave us without that. Good-by. Drive on, coachman. God bless you!” And the kind creature retreated into the garden, overcome with emotion.

Aber siehe da! Gerade als der Wagen anfuhr, steckte Miss Sharp ihr blasses Gesicht aus dem Fenster und schleuderte tatsächlich das Buch in den Garten zurück.

 

But, lo! and just as the coach drove off, Miss Sharp put her pale face out of the window and actually flung the book back into the garden.

Die arme Jemima fiel vor Entsetzen fast in Ohnmacht. »Nein, ich habe noch nie...«, sagte sie, »so ein unverschämtes ...« Die heftige Erregung erlaubte ihr nicht, die angefangenen Sätze zu vollenden. Die Kutsche rollte fort; das große Tor wurde geschlossen; die Glocke gab das Zeichen zur Tanzstunde. Vor den beiden jungen Damen liegt nun die Welt; deshalb: ade, Chiswick Mall!

 

This almost caused Jemima to faint with terror. “Well, I never" — said she — "what an audacious" — Emotion prevented her from completing either sentence. The carriage rolled away; the great gates were closed; the bell rang for the dancing lesson. The world is before the two young ladies; and so, farewell to Chiswick Mall.


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