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6. Kapitel / Chapter 6

Vauxhall / Vauxhall

Ich weiß, daß die Melodie, die ich jetzt blase, äußerst sanft ist (obgleich bald schrecklichere Kapitel folgen werden), und muß daher den gütigen Leser bitten, zu bedenken, daß wir augenblicklich bloß über eine Börsenmaklerfamilie vom Russell Square sprechen, deren Mitglieder spazierengehen, frühstücken, Mittag essen, sich unterhalten und sich verlieben wie andere gewöhnliche Sterbliche auch, und es passiert kein einziges leidenschaftliches und wunderbares Ereignis, das das Wachsen ihrer Liebe bezeichnen könnte. Die Sache steht jetzt so: Osborne, verliebt in Amelia, hat einen alten Freund zum Mittagessen und nach Vauxhall eingeladen; Joe Sedley ist verliebt in Rebekka. Wird er sie heiraten? Das ist die große Frage, die uns nun beschäftigt.

 

I know that the tune I am piping is a very mild one (although there are some terrific chapters coming presently), and must beg the good-natured reader to remember that we are only discoursing at present about a stockbroker’s family in Russell Square, who are taking walks, or luncheon, or dinner, or talking and making love as people do in common life, and without a single passionate and wonderful incident to mark the progress of their loves. The argument stands thus — Osborne, in love with Amelia, has asked an old friend to dinner and to Vauxhall — Jos Sedley is in love with Rebecca. Will he marry her? That is the great subject now in hand.

Wir hätten dieses Thema auf vornehme, romantische oder witzige Art behandeln können. Angenommen, wir hätten die Szene nach dem Grosvenor Square verlegt, ohne an den Ereignissen selbst etwas zu ändern. Würden uns da nicht manche Leute zugehört haben? Angenommen, wir hätten gezeigt, wie Lord Joseph Sedley sich verliebte und der Marquis von Osborne Lady Amelia gewann, mit der vollen Zustimmung des Herzogs, ihres edlen Vaters; oder angenommen, wir hätten, anstatt den vornehmen Adel zu beschreiben, auf die untersten Schichten zurückgreifen und erzählen können, was in Mr. Sedleys Küche geschah: wie der schwarze Sambo sich in die Köchin verliebt habe (was wirklich stimmte) und wie er sich ihretwegen mit dem Kutscher prügelte, wie der Küchenjunge beim Stehlen einer kalten Hammelkeule ertappt wurde und wie Miss Sedleys Kammermädchen sich weigerte, ohne Kerze zu Bett zu gehen. Solche Ereignisse hätten wohl die Lachmuskeln des Lesers in Bewegung gesetzt und würden als Szenen aus dem »Leben« betrachtet werden. Oder angenommen, wir hätten im Gegenteil einen Hang zum Grausigen und machten den Liebhaber des neuen Kammermädchens zum Berufseinbrecher, der mit seiner Bande in das Haus eindringt, den schwarzen Sambo zu Füßen seines Herrn hinschlachtet, Amelia im Nachtkleid entführt und sie erst im dritten Band wieder freiläßt, dann wäre die Geschichte so überaus spannend geworden, daß der Leser die erregenden Kapitel atemlos verschlungen hätte. Man stelle sich zum Beispiel vor, dieses Kapitel hätte folgende Überschrift gehabt:

 

We might have treated this subject in the genteel, or in the romantic, or in the facetious manner. Suppose we had laid the scene in Grosvenor Square, with the very same adventures — would not some people have listened? Suppose we had shown how Lord Joseph Sedley fell in love, and the Marquis of Osborne became attached to Lady Amelia, with the full consent of the Duke, her noble father: or instead of the supremely genteel, suppose we had resorted to the entirely low, and described what was going on in Mr. Sedley’s kitchen — how black Sambo was in love with the cook (as indeed he was), and how he fought a battle with the coachman in her behalf; how the knife-boy was caught stealing a cold shoulder of mutton, and Miss Sedley’s new femme de chambre refused to go to bed without a wax candle; such incidents might be made to provoke much delightful laughter, and be supposed to represent scenes of “life.” Or if, on the contrary, we had taken a fancy for the terrible, and made the lover of the new femme de chambre a professional burglar, who bursts into the house with his band, slaughters black Sambo at the feet of his master, and carries off Amelia in her night-dress, not to be let loose again till the third volume, we should easily have constructed a tale of thrilling interest, through the fiery chapters of which the reader should hurry, panting. But my readers must hope for no such romance, only a homely story, and must be content with a chapter about Vauxhall, which is so short that it scarce deserves to be called a chapter at all. And yet it is a chapter, and a very important one too. Are not there little chapters in everybody’s life, that seem to be nothing, and yet affect all the rest of the history?

*

 

*

Der nächtliche Überfall

 

Text is missing in this edition

Die Nacht war dunkel und wild – die Wolken schwarz – schwarz – tintenschwarz. Der brausende Wind riß die Schornsteinkappen von den Dächern der alten Häuser und wirbelte die klappernden Dachziegel durch die einsamen Straßen. Keine Seele wagte diesem Sturm zu trotzen – die Nachtwächter verkrochen sich in ihre Häuschen, wohin ihnen der prasselnde Regen folgte – wo vielleicht krachend der Blitz einschlug und sie traf. Einer war auf diese Weise gegenüber dem Findelhaus erschlagen werden. Ein versengter Mantel, eine zertrümmerte Laterne, ein zerbrochener Stab war alles, was von dem starken Will Standhaft übrigblieb. Ein Droschkenkutscher war in der Southampton Row vom Bock geweht worden – wohin? Aber der Wirbelwind bringt keine Kunde von seinem Opfer, nur den Abschiedsschrei, als er davongetragen wurde! Schreckliche Nacht! Es war dunkel, stockdunkel. Kein Mond. Nein, nein. Kein Mond. Nicht ein Stern. Nicht ein einziger, schwacher, funkelnder, einsamer Stern. Zwar war am zeitigen Abend einer aufgetaucht, aber er zeigte sein Antlitz nur einen Augenblick schaudernd am schwarzen Himmel und zog sich dann wieder zurück.

 

Text is missing in this edition

Eins, zwei, drei! Es ist das Signal, das Schwarze Maske verabredet hat.

 

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»Mofy! Ist das deine Stimme?« fragte jemand vom unteren Hausraume her. »Ich will den Hund zum Schweigen bringen und die Tür augenblicklich aufmachen.«

 

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»Halt dein Maul, und tummle dich!« sagte Vizard mit einem entsetzlichen Fluch. »Hierher, Männer; wenn sie schreien, dann heraus mit euren Messern, und brav damit gearbeitet! Kümmere du dich um das Silberzimmer, Blowser, und du, Mark, um die Kiste, worin der alte Spitzbube seinen Mammon aufbewahrt; und ich«, setzte er mit leiserer, aber unheimlicherer Stimme hinzu, »ich will nach Amelia sehen!«

 

Text is missing in this edition

Hier folgte Totenstille. »Ha«, sagte Vizard, »hat da nicht eben der Hahn einer Pistole geknackt?«

 

Text is missing in this edition

Oder angenommen, wir hätten den vornehmen Rosenwasserstil angewendet.

 

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Der Marquis von Osborne hat soeben seinen petit tigre mit einem billet-doux zu Lady Amelia geschickt.

 

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Das liebe Geschöpf hat es aus den Händen ihrer femme de chambre, Mademoiselle Anastasie, empfangen.

 

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Teurer Marquis! Was für eine liebenswürdige Höflichkeit! Das Briefchen Seiner Lordschaft enthält die ersehnte Einladung ins Devonshire-Haus!

 

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»Wer ist das erstaunlich schöne Mädchen dort?« fragte der sémillante Prinz G-rge von Cambridge in einem Palast in Piccadilly noch am gleichen Abend (er war gerade aus der Proszeniumsloge in der Oper gekommen). »Mein lieber Sedley, im Namen aller Cupidos, stellen Sie mich ihr vor!«

 

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»Ihr Name, Monseigneur«, sagte Lord Joseph mit feierlicher Verbeugung, »ist Sedley.«

 

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»Vous avez alors un bien beau nom«, sagte der junge Prinz, während er sich recht enttäuscht auf dem Absatz herumdrehte. Dabei trat er einem alten Herrn auf den Fuß, der, in tiefe Bewunderung der schönen Lady Amelia versunken, hinter ihm stand.

 

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»Trente mille tonnerres!« schrie das Opfer und krümmte sich in der agonic du moment.

 

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»Ich bitte Eure Gnaden tausendmal um Verzeihung«, sagte der junge étourdi errötend und neigte seine blonden Locken tief. Er war dem größten Hauptmann aller Zeiten auf die Zehen getreten!

   

Text is missing in this edition

»Oh, Devonshire!« rief der junge Prinz einem hochgewachsenen, gutmütigen Edelmann zu, dessen Gesichtszüge ihn als einen vom Blut der Cavendish auswiesen. »Nur auf ein Wort! Beabsichtigen Sie noch, sich von Ihrer Diamantkette zu trennen?«

 

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»Ich habe sie für zweihundertundfünfzig: Pfund an Fürst Esterhazy hier verkauft.«

 

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»Und das war gar nicht teuer, potztausend«, rief der fürstliche Ungar und so weiter und so fort.

 

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Sehen Sie, meine Damen, so hätte die Erzählung aussehen können, wenn der Verfasser die Absicht gehabt hätte, sie so zu schreiben. Er ist nämlich, um die Wahrheit zu gestehen, ebenso bekannt mit Newgate wie mit den Palästen unserer verehrten Aristokratie und hat beide von außen gesehen. Da ich aber die Sprache und Sitten von Rookery nicht verstehe noch die Konversation in vielen Sprachen, die nach den Modeschriftstellern die Tonangebenden führen sollen, so müssen wir, wenn der Leser gestattet, bescheiden unseren goldenen Mittelweg beibehalten und die Schauplätze und Personen beschreiben, die wir am besten kennen. Mit einem Wort, dieses Kapitel über Vauxhall wäre ohne obige kleine Erörterung so außerordentlich kurz ausgefallen, daß es die Bezeichnung Kapitel kaum verdient hätte. Und doch ist es ein Kapitel, und sogar ein sehr wichtiges. Gibt es nicht in jedermanns Leben kurze, scheinbar bedeutungslose Kapitel, die doch die ganze übrige Geschichte beeinflussen?

 

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*

 

*

Wir wollen also mit der Gesellschaft vom Russell Square in die Kutsche steigen und in die Vauxhall-Gärten fahren. Auf dem Vordersitz zwischen Joe und Miss Sharp ist kaum noch Platz. Mr. Osborne sitzt gegenüber, eingezwängt zwischen Hauptmann Dobbin und Amelia.

 

Let us then step into the coach with the Russell Square party, and be off to the Gardens. There is barely room between Jos and Miss Sharp, who are on the front seat. Mr. Osborne sitting bodkin opposite, between Captain Dobbin and Amelia.

Alle Insassen der Kutsche waren sich einig, daß Joe an dem Abend Rebekka Sharp bitten würde, Mrs. Sedley zu werden. Die Eltern daheim hatten sich stillschweigend in die Sache ergeben, obgleich, unter uns gesagt, der alte Mr. Sedley für seinen Sohn so etwas wie Verachtung fühlte. Er nannte ihn eitel, selbstsüchtig, träge und weibisch. Er konnte sein weltmännisches Gehabe nicht ausstehen und lachte herzlich über seine prahlerischen Aufschneidergeschichten. »Der Bursche wird mein halbes Vermögen erben«, sagte er, »daneben wird er selbst eine ganze Menge besitzen, aber ich bin völlig sicher, wenn du und ich und seine Schwester morgen sterben müßten, würde er ›Ach du lieber Gott!‹ sagen und sich seinem Essen ganz wie sonst widmen. Ich werde mir seinetwegen keine grauen Haare wachsen lassen. Meinethalben soll er heiraten, wen er will. Das ist nicht meine Angelegenheit.«

 

Every soul in the coach agreed that on that night Jos would propose to make Rebecca Sharp Mrs. Sedley. The parents at home had acquiesced in the arrangement, though, between ourselves, old Mr. Sedley had a feeling very much akin to contempt for his son. He said he was vain, selfish, lazy, and effeminate. He could not endure his airs as a man of fashion, and laughed heartily at his pompous braggadocio stories. “I shall leave the fellow half my property,” he said; “and he will have, besides, plenty of his own; but as I am perfectly sure that if you, and I, and his sister were to die to-morrow, he would say ‘Good Gad!’ and eat his dinner just as well as usual, I am not going to make myself anxious about him. Let him marry whom he likes. It’s no affair of mine.”

Amelia dagegen war, wie alle jungen Mädchen ihres Geistes und Temperamentes, ganz begeistert für die Verbindung. Ein- oder zweimal hatte Joe angesetzt, ihr etwas sehr Wichtiges zu sagen, und sie hätte ihm herzlich gern ihr Ohr geliehen; aber der fette Bursche konnte sich nicht durchringen, sein großes Geheimnis preiszugeben, und wandte sich nur, zum Verdrusse seiner Schwester, mit einem abgrundtiefen Seufzer ab.

 

Amelia, on the other hand, as became a young woman of her prudence and temperament, was quite enthusiastic for the match. Once or twice Jos had been on the point of saying something very important to her, to which she was most willing to lend an ear, but the fat fellow could not be brought to unbosom himself of his great secret, and very much to his sister’s disappointment he only rid himself of a large sigh and turned away.

Dieses Geheimnis hielt Amelias sanftes Herz in ständiger Aufregung. Wenn sie auch nicht mit Rebekka über den zarten Gegenstand sprach, so entschädigte sie sich doch durch lange und vertrauliche Unterredungen mit Mrs. Blenkinsop, der Haushälterin, die dem Kammermädchen einige Andeutungen machte, welche es wiederum, wahrscheinlich ganz nebenbei, gegenüber der Köchin erwähnte; diese nun trug zweifelsohne die Neuigkeit in allen Kaufmannsläden herum, so daß Mr. Joes Heirat jetzt von einer beträchtlichen Anzahl Personen aus der Russell-Square-Umgebung besprochen wurde.

 

This mystery served to keep Amelia’s gentle bosom in a perpetual flutter of excitement. If she did not speak with Rebecca on the tender subject, she compensated herself with long and intimate conversations with Mrs. Blenkinsop, the housekeeper, who dropped some hints to the lady’s-maid, who may have cursorily mentioned the matter to the cook, who carried the news, I have no doubt, to all the tradesmen, so that Mr. Jos’s marriage was now talked of by a very considerable number of persons in the Russell Square world.

Mrs. Sedleys Meinung war natürlich, daß ihr Sohn sich durch die Heirat mit der Tochter eines Künstlers erniedrige. »Aber, mein lieber Gott, Madame«, rief Mrs. Blenkinsop, »wir waren doch auch nichts anderes als Krämer zu der Zeit, als wir Mr. S. heirateten, der kleiner Angestellter bei einem Börsenmakler war, und wir hatten zusammen keine fünfhundert Pfund, und doch sind wir jetzt reich genug.« Amelia teilte ganz und gar diese Ansicht, zu der sich nach und nach auch die gutmütige Mrs. Sedley bekehren ließ.

 

It was, of course, Mrs. Sedley’s opinion that her son would demean himself by a marriage with an artist’s daughter. “But, lor’, Ma’am,” ejaculated Mrs. Blenkinsop, “we was only grocers when we married Mr. S., who was a stock-broker’s clerk, and we hadn’t five hundred pounds among us, and we’re rich enough now.” And Amelia was entirely of this opinion, to which, gradually, the good-natured Mrs. Sedley was brought.

Mr. Sedley blieb neutral. »Soll Joe doch heiraten, wen er will«, wiederholte er; »das ist nicht meine Angelegenheit. Das Mädchen hat kein Vermögen, aber Mrs. Sedley hatte auch keins. Sie scheint gutmütig und gescheit zu sein, und vielleicht gelingt es ihr, ihn in Ordnung zu halten. Lieber sie, meine Liebe, als eine schwarze Mrs. Sedley und ein Dutzend mahagonibrauner Enkelkinder.«

 

Mr. Sedley was neutral. “Let Jos marry whom he likes,” he said; “it’s no affair of mine. This girl has no fortune; no more had Mrs. Sedley. She seems good-humoured and clever, and will keep him in order, perhaps. Better she, my dear, than a black Mrs. Sedley, and a dozen of mahogany grandchildren.”

So schien denn alles zu Rebekkas Glück zu lächeln. Als sei es selbstverständlich, ergriff sie Joes Arm, wenn man zum Essen ging; sie saß neben ihm auf dem Bock seines offenen Wagens (und fürwahr, er war ein gewaltiger Stutzer, wenn er so dasaß und prächtig gekleidet heiter seine Grauschimmel lenkte). Obgleich niemand ein Wort von der Heirat sprach, so schien es doch jedermann eine ausgemachte Sache zu sein. Alles, was sie noch brauchte, war der förmliche Antrag. Ach! Wie sehr vermißte Rebekka jetzt eine Mutter, eine liebe, zärtliche Mutter, die das Geschäft in zehn Minuten abgewickelt und im Laufe eines kleinen, zarten Gespräches unter vier Augen den verschämten Lippen des jungen Mannes das interessante Geständnis entlockt hätte!

 

So that everything seemed to smile upon Rebecca’s fortunes. She took Jos’s arm, as a matter of course, on going to dinner; she had sate by him on the box of his open carriage (a most tremendous “buck” he was, as he sat there, serene, in state, driving his greys), and though nobody said a word on the subject of the marriage, everybody seemed to understand it. All she wanted was the proposal, and ah! how Rebecca now felt the want of a mother! — a dear, tender mother, who would have managed the business in ten minutes, and, in the course of a little delicate confidential conversation, would have extracted the interesting avowal from the bashful lips of the young man!

So standen die Dinge, als der Wagen über die Westminsterbrücke fuhr.

 

Such was the state of affairs as the carriage crossed Westminster bridge.

Die Gesellschaft kam zur festgesetzten Zeit an den Königlichen Gärten an. Als der majestätische Joe aus dem knarrenden Fahrzeug stieg, begrüßte die Menge den dicken Herrn stürmisch, der daraufhin errötete und sehr groß und gewichtig wirkte, als er mit Rebekka am Arm davonschritt. George nahm sich natürlich Amelias an. Sie sah so glücklich aus wie ein Rosenstock im Sonnenschein.

 

The party was landed at the Royal Gardens in due time. As the majestic Jos stepped out of the creaking vehicle the crowd gave a cheer for the fat gentleman, who blushed and looked very big and mighty, as he walked away with Rebecca under his arm. George, of course, took charge of Amelia. She looked as happy as a rose-tree in sunshine.

»Dobbin«, sagte George, »sei doch bitte so gut und kümmere dich um die Schals und die anderen Sachen.« So mußte der ehrliche Dobbin sich begnügen, während George und Miss Sedley davongingen und Joe sich mit Rebekka durch das Gartentor zwängte, seinen Arm den Schals zu geben und am Eingang für die ganze Gesellschaft zu bezahlen.

 

“I say, Dobbin,” says George, “just look to the shawls and things, there’s a good fellow.” And so while he paired off with Miss Sedley, and Jos squeezed through the gate into the gardens with Rebecca at his side, honest Dobbin contented himself by giving an arm to the shawls, and by paying at the door for the whole party.

Bescheiden folgte er ihnen; er war kein Spielverderber. Um Rebekka und Joe kümmerte er sich keinen Pfifferling. Amelia dagegen hielt er sogar des brillanten George Osborne für würdig, und während er das hübsche Paar die Wege auf und ab gehen sah und des Mädchens Vergnügen und ihre Bewunderung bemerkte, beobachtete er ihre unschuldige Glückseligkeit mit einer Art väterlicher Freude. Vielleicht fühlte er auch, daß er gern etwas anderes als einen Schal am Arm gehabt hätte (die Leute lachten über den linkischen jungen Offizier mit dieser weiblichen Bürde), aber William Dobbin hatte keinen Hang zu selbstsüchtigen Plänen; und wie sollte er unzufrieden sein, solange sein Freund sich gut unterhielt? Und dabei nahm Hauptmann Dobbin von allen Herrlichkeiten des Gartens keine Notiz; nicht von den hunderttausend Lampen, die ständig brannten; nicht von den Geigern mit Dreispitz, die unter einer vergoldeten Muschel in der Mitte des Gartens hinreißende Melodien spielten; nicht von den Sängern, die mit lustigen und sentimentalen Balladen das Ohr entzückten; nicht von den Volkstänzen, die stramme Londoner und Londonerinnen mit Sprüngen, Stampfen und unter Lachen tanzten; nicht von dem Ausrufer, der verkündete, daß Madame Saqui sogleich auf einem bis zu den Sternen reichenden Schlappseil himmelan steigen würde; nicht von dem Einsiedler, der ständig in der erleuchteten Einsiedelei saß; nicht von den dunklen Wegen, die so geeignet waren für Liebesgeflüster junger Leute; nicht von den Bierkrügen, die schäbige alte Livrierte herumreichten, und nicht von den funkelnden Lauben, wo glückliche Schmauser glauben machten, sie verzehrten fast unsichtbare Schinkenschnitten. Von all diesem und auch von dem sanften Simpson, diesem freundlichen, lächelnden Idioten, der wohl, glaube ich, schon zu jener Zeit an der Spitze des Ganzen stand, nahm Hauptmann William Dobbin, wie gesagt, nicht die mindeste Notiz.

 

He walked very modestly behind them. He was not willing to spoil sport. About Rebecca and Jos he did not care a fig. But he thought Amelia worthy even of the brilliant George Osborne, and as he saw that good-looking couple threading the walks to the girl’s delight and wonder, he watched her artless happiness with a sort of fatherly pleasure. Perhaps he felt that he would have liked to have something on his own arm besides a shawl (the people laughed at seeing the gawky young officer carrying this female burthen); but William Dobbin was very little addicted to selfish calculation at all; and so long as his friend was enjoying himself, how should he be discontented? And the truth is, that of all the delights of the Gardens; of the hundred thousand extra lamps, which were always lighted; the fiddlers in cocked hats, who played ravishing melodies under the gilded cockle-shell in the midst of the gardens; the singers, both of comic and sentimental ballads, who charmed the ears there; the country dances, formed by bouncing cockneys and cockneyesses, and executed amidst jumping, thumping and laughter; the signal which announced that Madame Saqui was about to mount skyward on a slack-rope ascending to the stars; the hermit that always sat in the illuminated hermitage; the dark walks, so favourable to the interviews of young lovers; the pots of stout handed about by the people in the shabby old liveries; and the twinkling boxes, in which the happy feasters made-believe to eat slices of almost invisible ham — of all these things, and of the gentle Simpson, that kind smiling idiot, who, I daresay, presided even then over the place — Captain William Dobbin did not take the slightest notice.

Er trug Amelias weißen Kaschmirschal mit sich herum, und nachdem er unter der vergoldeten Muschel zugehört hatte, wie Mrs. Salmon die »Schlacht von Borodino« sang (eine wilde Kantate gegen den korsischen Emporkömmling, den kürzlich in Rußland sein Schicksal ereilt hatte), versuchte Mr. Dobbin im Weitergehen, die Melodie zu summen, ertappte sich aber dabei, daß er die Melodie summte, die Amelia Sedley auf der Treppe gesungen hatte, als sie zum Essen herunterkam.

 

He carried about Amelia’s white cashmere shawl, and having attended under the gilt cockle-shell, while Mrs. Salmon performed the Battle of Borodino (a savage cantata against the Corsican upstart, who had lately met with his Russian reverses) — Mr. Dobbin tried to hum it as he walked away, and found he was humming — the tune which Amelia Sedley sang on the stairs, as she came down to dinner.

Er mußte über sich selber lachen, denn in Wahrheit sang er nicht besser als eine Eule.

 

He burst out laughing at himself; for the truth is, he could sing no better than an owl.

Es versteht sich von selbst, daß unsere beiden jungen Paare sich aufs feierlichste versprachen, während des ganzen Abends beisammenzubleiben, und sich zehn Minuten später schon trennten. Gesellschaften trennten sich schon immer in Vauxhall und trafen sich beim Abendessen wieder, wo sie sich die unterdessen erlebten Abenteuer erzählen konnten.

 

It is to be understood, as a matter of course, that our young people, being in parties of two and two, made the most solemn promises to keep together during the evening, and separated in ten minutes afterwards. Parties at Vauxhall always did separate, but ’twas only to meet again at supper-time, when they could talk of their mutual adventures in the interval.

Welche Abenteuer hatten Mr. Osborne und Miss Amelia erlebt? Das ist ein Geheimnis. Der Leser mag aber überzeugt sein, daß sie sich vollkommen glücklich fühlten und ihr Betragen äußerst korrekt war. Da sie seit fünfzehn Jahren fast ständig zusammen gewesen waren, so bot ihr Tête-à-tête nicht viel Neues.

 

What were the adventures of Mr. Osborne and Miss Amelia? That is a secret. But be sure of this — they were perfectly happy, and correct in their behaviour; and as they had been in the habit of being together any time these fifteen years, their tete-a-tete offered no particular novelty.

Als aber Miss Rebekka Sharp und ihr korpulenter Gefährte sich in einem einsamen Weg verloren, in dem kaum mehr als acht Dutzend andere Paare wie sie umherschlenderten, fühlten beide, daß die Situation äußerst delikat und kritisch sei, und jetzt oder nie, dachte Miss Sharp, sei der Augenblick für die Erklärung, die auf Mr. Sedleys schüchternen Lippen schwebte. Im Panorama von Moskau, wo sie vorher gewesen waren, war ein roher Bursche Miss Sharp auf den Fuß getreten, so daß sie mit einem kleinen Schrei in Mr. Sedleys Arme zurückgefallen war; und dieser kleine Vorfall steigerte die Zärtlichkeit und das Selbstvertrauen des Herrn so sehr, daß er ihr verschiedene von seinen besten indischen Geschichten mindestens zum sechsten Male erzählte.

 

But when Miss Rebecca Sharp and her stout companion lost themselves in a solitary walk, in which there were not above five score more of couples similarly straying, they both felt that the situation was extremely tender and critical, and now or never was the moment Miss Sharp thought, to provoke that declaration which was trembling on the timid lips of Mr. Sedley. They had previously been to the panorama of Moscow, where a rude fellow, treading on Miss Sharp’s foot, caused her to fall back with a little shriek into the arms of Mr. Sedley, and this little incident increased the tenderness and confidence of that gentleman to such a degree, that he told her several of his favourite Indian stories over again for, at least, the sixth time.

»Ach, wie gern möchte ich einmal nach Indien!« seufzte Rebekka.

 

“How I should like to see India!” said Rebecca.

»Wirklich?« erkundigte sich Joseph mit überwältigender Zärtlichkeit und wollte zweifellos dieser sinnreichen Frage eine noch zärtlichere folgen lassen (denn er schnaufte und keuchte gewaltig, und Rebekka konnte mit der Hand, die sich nicht weit von seinem Herzen befand, die fieberhaften Schläge dieses Organs zählen), als – ach, wie ärgerlich! – die Glocke zum Feuerwerk ertönte und mit einmal ein großes Geschiebe und Gerenne einsetzte, so daß auch unser interessantes Liebespaar gezwungen war, dem Menschenstrom zu folgen.

 

Should you?” said Joseph, with a most killing tenderness; and was no doubt about to follow up this artful interrogatory by a question still more tender (for he puffed and panted a great deal, and Rebecca’s hand, which was placed near his heart, could count the feverish pulsations of that organ), when, oh, provoking! the bell rang for the fireworks, and, a great scuffling and running taking place, these interesting lovers were obliged to follow in the stream of people.

Hauptmann Dobbin hatte eigentlich die Absicht gehabt, sich beim Abendessen wieder der Gesellschaft anzuschließen, da er die Belustigungen von Vauxhall wirklich nicht besonders reizvoll fand – aber er ging zweimal an der Laube vorbei, wo die jetzt vereinigten Paare beisammensaßen, ohne daß jemand Notiz von ihm nahm. Es war für vier Personen gedeckt. Die beiden Paare plauderten munter, und Dobbin wußte, daß sie ihn so vollständig vergessen hatten, als habe er auf dieser Welt nie existiert.

 

Captain Dobbin had some thoughts of joining the party at supper: as, in truth, he found the Vauxhall amusements not particularly lively — but he paraded twice before the box where the now united couples were met, and nobody took any notice of him. Covers were laid for four. The mated pairs were prattling away quite happily, and Dobbin knew he was as clean forgotten as if he had never existed in this world.

»Ich würde nur de trop sein«, sagte der Hauptmann und blickte ziemlich sehnsüchtig zu ihnen hin. »Das beste ist wohl, ich gehe und unterhalte mich mit dem Einsiedler«, und so zog er sich aus dem Stimmengesumm, Lärm und Besteckgeklapper zurück in den dunklen Weg, an dessen Ende der berühmte Papp-Einsiedler hauste. Es war nicht besonders kurzweilig für Dobbin, und tatsächlich weiß ich aus eigener Erfahrung, daß das Alleinsein in Vauxhall für einen Junggesellen eines der traurigsten Vergnügen ist.

 

“I should only be de trop,” said the Captain, looking at them rather wistfully. “I’d best go and talk to the hermit," — and so he strolled off out of the hum of men, and noise, and clatter of the banquet, into the dark walk, at the end of which lived that well-known pasteboard Solitary. It wasn’t very good fun for Dobbin — and, indeed, to be alone at Vauxhall, I have found, from my own experience, to be one of the most dismal sports ever entered into by a bachelor.

Die beiden Paare in ihrer Laube unterhielten sich äußerst angeregt und vertraulich und waren vollkommen glücklich. Joe strahlte in seiner ganzen Herrlichkeit und gab den Kellnern majestätisch unaufhörlich Anweisungen. Er machte den Salat an, entkorkte den Champagner, zerlegte das Geflügel und aß und trank den größten Teil der aufgetragenen Erfrischungen. Zum Abschluß mußte er noch einen Arrakpunsch trinken; jedermann in Vauxhall trinkt Arrakpunsch. »Kellner, Arrakpunsch!«

 

The two couples were perfectly happy then in their box: where the most delightful and intimate conversation took place. Jos was in his glory, ordering about the waiters with great majesty. He made the salad; and uncorked the Champagne; and carved the chickens; and ate and drank the greater part of the refreshments on the tables. Finally, he insisted upon having a bowl of rack punch; everybody had rack punch at Vauxhall. “Waiter, rack punch.”

Diese Bowle Arrakpunsch war der Anlaß zu der ganzen Geschichte; und warum soll nicht eine Bowle Arrakpunsch ein ebenso guter Anlaß sein wie jeder andere? War nicht eine Schale mit Blausäure der Grund, weshalb die schöne Rosamunde sich von der Welt zurückzog? War nicht ein Becher Wein die Ursache für das Ableben Alexanders des Großen? (Zumindest behauptet es Dr. Lempriere.) Nun beeinflußte dieser Arrakpunsch das Schicksal sämtlicher Hauptpersonen in diesem »Roman ohne Helden«, den wir jetzt erzählen. Er wirkte auf ihr ganzes Leben ein, obgleich die meisten von ihnen keinen Tropfen davon kosteten.

 

That bowl of rack punch was the cause of all this history. And why not a bowl of rack punch as well as any other cause? Was not a bowl of prussic acid the cause of Fair Rosamond’s retiring from the world? Was not a bowl of wine the cause of the demise of Alexander the Great, or, at least, does not Dr. Lempriere say so? — so did this bowl of rack punch influence the fates of all the principal characters in this “Novel without a Hero,” which we are now relating. It influenced their life, although most of them did not taste a drop of it.

Die jungen Damen tranken keinen; Osborne mochte ihn nicht, und folglich trank Joe, der dicke Prasser, den Inhalt der Bowle allein aus; und die Folge davon wiederum war eine anfangs staunenerregende, dann fast peinliche Heiterkeit; denn er sprach und lachte so laut, daß sich Dutzende Neugieriger um die Laube scharten, sehr zum Leidwesen der harmlosen Gesellschaft drinnen, und als Joe schließlich anfing zu singen, und zwar in den rührseligen hohen Tönen Betrunkener, lockte er den Musikanten unter der vergoldeten Muschel fast das gesamte Publikum weg und erntete von seinen Zuhörern ungeheuren Beifall.

 

The young ladies did not drink it; Osborne did not like it; and the consequence was that Jos, that fat gourmand, drank up the whole contents of the bowl; and the consequence of his drinking up the whole contents of the bowl was a liveliness which at first was astonishing, and then became almost painful; for he talked and laughed so loud as to bring scores of listeners round the box, much to the confusion of the innocent party within it; and, volunteering to sing a song (which he did in that maudlin high key peculiar to gentlemen in an inebriated state), he almost drew away the audience who were gathered round the musicians in the gilt scollop-shell, and received from his hearers a great deal of applause.

»Bravo, bravo, Dicker!« rief einer. »Da capo, Daniel Lambert!« schrie ein anderer. »Was für eine Figur: zum Seiltanzen!« brüllte ein dritter Spaßvogel zur unaussprechlichen Verlegenheit der Damen und zum großen Mißvergnügen von Mr. Osborne.

 

“Brayvo, Fat un!” said one; “Angcore, Daniel Lambert!” said another; “What a figure for the tight-rope!” exclaimed another wag, to the inexpressible alarm of the ladies, and the great anger of Mr. Osborne.

»Um Himmels willen, Joe, laß uns doch lieber gehen«, rief der junge Mann, und die Mädchen erhoben sich.

 

“For Heaven’s sake, Jos, let us get up and go,” cried that gentleman, and the young women rose.

»Halt, mein Lirum-larum-liebchen«, juchzte Joe, der jetzt kühn wie ein Löwe war und Miss Rebekka umfaßte. Rebekka fuhr zurück, konnte aber ihre Hand nicht befreien. Das Gelächter draußen verdoppelte sich. Joe fuhr fort zu trinken, seine Liebestollheit zu zeigen und zu singen; seinen Zuhörern zuwinkend und gläserschwenkend, forderte er alle auf, hereinzukommen und seinen Punsch mit ihm zu teilen.

 

“Stop, my dearest diddle-diddle-darling,” shouted Jos, now as bold as a lion, and clasping Miss Rebecca round the waist. Rebecca started, but she could not get away her hand. The laughter outside redoubled. Jos continued to drink, to make love, and to sing; and, winking and waving his glass gracefully to his audience, challenged all or any to come in and take a share of his punch.

Mr. Osborne war gerade im Begriff, einen Herrn in Stulpenstiefeln zu Boden zu schlagen, der von dieser Einladung Gebrauch machen wollte, und ein Tumult schien unausbleiblich zu sein, als zum Glück ein Herr namens Dobbin, der im Garten umhergeschlendert war, auf die Laube zutrat. »Packt euch, ihr Narren!« rief dieser Herr, drängte einen großen Teil der Menge beiseite – vor dem Anblick seines Dreispitzes und seines grimmigen Aussehens verzog sich sowieso bald alles – und betrat höchst aufgeregt die Laube.

 

Mr. Osborne was just on the point of knocking down a gentleman in top-boots, who proposed to take advantage of this invitation, and a commotion seemed to be inevitable, when by the greatest good luck a gentleman of the name of Dobbin, who had been walking about the gardens, stepped up to the box. “Be off, you fools!” said this gentleman — shouldering off a great number of the crowd, who vanished presently before his cocked hat and fierce appearance — and he entered the box in a most agitated state.

»Guter Gott! Dobbin, wo bist du bloß gewesen?« fragte Osborne, riß den weißen Kaschmirschal vom Arm seines Freundes und hüllte Amelia damit, ein. – »Mach dich ein bißchen nützlich und kümmere dich um Joe, während ich die Damen zum Wagen bringe.«

 

“Good Heavens! Dobbin, where have you been?” Osborne said, seizing the white cashmere shawl from his friend’s arm, and huddling up Amelia in it. — "Make yourself useful, and take charge of Jos here, whilst I take the ladies to the carriage.”

Joe wollte aufstehen und sich ins Mittel legen, aber ein einziger Finger von Osborne warf ihn wieder schnaufend auf seinen Sitz zurück, und so konnte denn der Leutnant die Damen in Sicherheit bringen. Joe warf den Weggehenden Kußhände nach und schluchzte: »Gott segne euch, Gott segne euch!« Darauf ergriff er Hauptmann Dobbins Hand und vertraute diesem Herrn jämmerlich weinend das Geheimnis seiner Liebe an. Er bete das Mädchen an, das eben hinausgegangen sei; er wisse wohl, daß er durch sein Benehmen ihr Herz gebrochen; er wolle sie am nächsten Morgen in der Sankt-Georgs-Kirche am Hanover Square heiraten; er wolle den Erzbischof von Canterbury im Lambethpalast herausklopfen; ja, das wolle er, beim Zeus! Damit der gleich bereit sei. Diese Äußerung griff Hauptmann Dobbin geschickt auf und überredete ihn, den Garten schleunigst zu verlassen und zum Lambethpalast zu eilen. Sobald sie aber einmal den Ausgang hinter sich hatten, bugsierte er Mr. Joe Sedley ohne viel Mühe in eine Droschke, die ihn sicher vor seiner Wohnung absetzte.

 

Jos was for rising to interfere — but a single push from Osborne’s finger sent him puffing back into his seat again, and the lieutenant was enabled to remove the ladies in safety. Jos kissed his hand to them as they retreated, and hiccupped out “Bless you! Bless you!” Then, seizing Captain Dobbin’s hand, and weeping in the most pitiful way, he confided to that gentleman the secret of his loves. He adored that girl who had just gone out; he had broken her heart, he knew he had, by his conduct; he would marry her next morning at St. George’s, Hanover Square; he’d knock up the Archbishop of Canterbury at Lambeth: he would, by Jove! and have him in readiness; and, acting on this hint, Captain Dobbin shrewdly induced him to leave the gardens and hasten to Lambeth Palace, and, when once out of the gates, easily conveyed Mr. Jos Sedley into a hackney-coach, which deposited him safely at his lodgings.

George Osborne brachte auch die Mädchen wohlbehalten nach Hause. Als aber die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte und er über den Russell Square ging, lachte er zur Verwunderung des Nachtwächters laut los. Amelia sah ihre Freundin kläglich an, als sie die Treppe hinaufstiegen, küßte sie und ging, ohne ein Wort zu sagen, zu Bett.

 

George Osborne conducted the girls home in safety: and when the door was closed upon them, and as he walked across Russell Square, laughed so as to astonish the watchman. Amelia looked very ruefully at her friend, as they went up stairs, and kissed her, and went to bed without any more talking.

Morgen muß er mir den Antrag machen, dachte Rebekka. Viermal hat er mich seine Herzallerliebste genannt und mir vor Amelias Augen die Hand gedrückt. Morgen muß er mir den Antrag machen. Das gleiche glaubte auch Amelia, und dabei dachte sie wohl auch an das Kleid, das sie als Brautjungfer tragen würde, und an die Geschenke, die sie ihrer netten kleinen Schwägerin machen könnte, und an eine spätere Feier, bei der sie selbst die Hauptrolle spielen würde, und so weiter und so fort.

 

“He must propose to-morrow,” thought Rebecca. “He called me his soul’s darling, four times; he squeezed my hand in Amelia’s presence. He must propose to-morrow.” And so thought Amelia, too. And I dare say she thought of the dress she was to wear as bridesmaid, and of the presents which she should make to her nice little sister-in-law, and of a subsequent ceremony in which she herself might play a principal part, &c., and &c., and &c., and &c.

Oh, ihr ahnungslosen jungen Geschöpfe! Wie wenig wißt ihr von der Wirkung des Arrakpunsches. Was ist die Freude beim abendlichen Arrakpunsch gegenüber der Pein am folgenden Morgen? Mir, einem Mann, kann man es glauben: Keine Kopfschmerzen der Welt gleichen denen, die der Vauxhall-Punsch verschuldet. Noch nach zwanzig Jahren erinnere ich mich an die Folgen von, auf Ehrenwort, nur zwei Gläsern; und Joseph Sedley, mit seinem Leberleiden, hatte mindestens einen Liter von dem abscheulichen Gebräu hinuntergestürzt.

 

Oh, ignorant young creatures! How little do you know the effect of rack punch! What is the rack in the punch, at night, to the rack in the head of a morning? To this truth I can vouch as a man; there is no headache in the world like that caused by Vauxhall punch. Through the lapse of twenty years, I can remember the consequence of two glasses! two wine-glasses! but two, upon the honour of a gentleman; and Joseph Sedley, who had a liver complaint, had swallowed at least a quart of the abominable mixture.

Der nächste Morgen, der, wie Rcbekka dachte, die Morgenröte ihres Glückes bringen sollte, fand Sedley unter Qualen stöhnend, die zu beschreiben die Feder sich sträubt. Das Sodawasser war noch nicht erfunden. Dünnbier  – unglaublich! – war das einzige, womit unglückliche Herren das Fieber linderten, das die Zechgelage der vergangenen Nacht bewirkt hatten. Mit diesem milden Getränk vor sich, fand George Osborne den ehemaligen Steuereinnehmer von Boggley Wollah ächzend auf dem Sofa in seiner Wohnung. Dobbin war bereits anwesend, um, gutmütig wie er war, seinen Patienten vom vergangenen Abend zu pflegen. Die beiden Offiziere blickten auf den ausgestreckten Bacchanten, tauschten verstohlene Blicke und grinsten sich verständnisinnig an. Sogar Sedleys Diener, ein äußerst feierlicher und korrekter Mensch, sonst stumm und gravitätisch wie ein Leichenbestatter, konnte nur mit Mühe Haltung bewahren, als er seinen unglücklichen Herrn betrachtete.

 

That next morning, which Rebecca thought was to dawn upon her fortune, found Sedley groaning in agonies which the pen refuses to describe. Soda-water was not invented yet. Small beer — will it be believed! — was the only drink with which unhappy gentlemen soothed the fever of their previous night’s potation. With this mild beverage before him, George Osborne found the ex-Collector of Boggley Wollah groaning on the sofa at his lodgings. Dobbin was already in the room, good-naturedly tending his patient of the night before. The two officers, looking at the prostrate Bacchanalian, and askance at each other, exchanged the most frightful sympathetic grins. Even Sedley’s valet, the most solemn and correct of gentlemen, with the muteness and gravity of an undertaker, could hardly keep his countenance in order, as he looked at his unfortunate master.

»Mr. Sedley war gestern abend außerordentlich ungebärdig, Sir«, flüsterte er Osborne vertraulich zu, als dieser die Treppe heraufkam. »Er wollte mit dem Droschkenkutscher anbinden, Sir. Der Hauptmann mußte ihn wie ein kleines Kind in seinen Armen hinauftragen.« Ein Anflug von Lächeln huschte über Mr. Brushs Züge, während er das erzählte, machte aber sofort wieder der unergründlichen Ruhe Platz, als er die Salontür aufriß und »Mr. Osborn« meldete.

 

“Mr. Sedley was uncommon wild last night, sir,” he whispered in confidence to Osborne, as the latter mounted the stair. “He wanted to fight the ’ackney-coachman, sir. The Capting was obliged to bring him upstairs in his harms like a babby.” A momentary smile flickered over Mr. Brush’s features as he spoke; instantly, however, they relapsed into their usual unfathomable calm, as he flung open the drawing-room door, and announced “Mr. Hosbin.”

»Wie geht es dir, Sedley?« begann der junge Spaßvogel, als er sein Opfer eine Weile gemustert hatte. »Die Knochen noch alle ganz? Unten ist ein Droschkenkutscher mit einem blauen Auge und verbundenem Kopf, der dir mit dem Gericht droht.«

 

“How are you, Sedley?” that young wag began, after surveying his victim. “No bones broke? There’s a hackney-coachman downstairs with a black eye, and a tied-up head, vowing he’ll have the law of you.”

»Was soll das bedeuten – Gericht?« fragte Sedley matt.

 

“What do you mean — law?” Sedley faintly asked.

»Weil du ihn vergangene Nacht verdroschen hast – nicht wahr, Dobbin? Du hast ja zugehauen wie Molyneux. Der Nachtwächter sagt, er habe noch nie im Leben einen Mann so schnell zu Boden gehen sehen. Frag Dobbin.«

 

“For thrashing him last night — didn’t he, Dobbin? You hit out, sir, like Molyneux. The watchman says he never saw a fellow go down so straight. Ask Dobbin.”

»Ja, Sie haben tatsächlich eine Runde mit dem Kutscher ausgetragen«, sagte Hauptmann Dobbin, »und sind dabei sehr kampflustig gewesen.«

 

“You did have a round with the coachman,” Captain Dobbin said, “and showed plenty of fight too.”

»Und der Kerl mit dem weißen Rock in Vauxhall! Wie Joe auf ihn losging! Wie die Frauen kreischten! Beim Zeus, es tat mir im Innersten wohl, dich so zu sehen. Ich dachte, ihr Zivilisten hättet keine Courage; aber ich werde mich hüten, dir in den Weg zu geraten, wenn du bezecht bist, Joe.«

 

“And that fellow with the white coat at Vauxhall! How Jos drove at him! How the women screamed! By Jove, sir, it did my heart good to see you. I thought you civilians had no pluck; but I’ll never get in your way when you are in your cups, Jos.”

»Ich glaube, ich bin fürchterlich, wenn ich einen sitzen habe«, stieß Joe auf dem Sofa hervor und machte dabei ein so trauriges und lächerliches Gesicht, daß den Hauptmann die Höflichkeit verließ und er und Osborne in ein wieherndes Gelächter ausbrachen.

 

“I believe I’m very terrible, when I’m roused,” ejaculated Jos from the sofa, and made a grimace so dreary and ludicrous, that the Captain’s politeness could restrain him no longer, and he and Osborne fired off a ringing volley of laughter.

Osborne setzte ihm unbarmherzig zu. Er hielt Joe für eine Memme. Er hatte die Heiratspläne zwischen Joe und Rebekka sorgfältig erwogen und empfand keine übermäßige Freude darüber, daß ein Mitglied der Familie, in die er, George Osborne vom ...ten Regiment, heiraten wollte, drauf und dran war, eine Mesalliance mit einer kleinen Null, einer kleinen ehrgeizigen Gouvernante, einzugehen. »Du und schlagen, du armer, alter Trottel?« sagte Osborne. »Du und fürchterlich? Ach, Mann, du konntest dich nicht einmal aufrecht halten, ganz Vauxhall hat über dich gelacht, und du selbst hast geheult. Du warst so weinselig, Joe. Kannst du dich nicht entsinnen, daß du ein Lied gesungen hast?«

 

Osborne pursued his advantage pitilessly. He thought Jos a milksop. He had been revolving in his mind the marriage question pending between Jos and Rebecca, and was not over well pleased that a member of a family into which he, George Osborne, of the — th, was going to marry, should make a mesalliance with a little nobody — a little upstart governess. “You hit, you poor old fellow!” said Osborne. “You terrible! Why, man, you couldn’t stand — you made everybody laugh in the Gardens, though you were crying yourself. You were maudlin, Jos. Don’t you remember singing a song?”

»Ein was?« fragte Joe.

 

“A what?” Jos asked.

»Ein rührendes Lied, und Rosa oder Rebekka oder wie sie nun heißt, Amelias kleine Freundin, hast du dein Lirum-larum-liebchen genannt.« Bei diesen Worten ergriff der unbarmherzige junge Bursche Dobbins Hand und spielte die ganze Szene zum größten Entsetzen des ursprünglichen Darstellers noch einmal, trotz Dobbins gutmütiger Bitten, doch Mitleid mit ihm zu haben.

 

“A sentimental song, and calling Rosa, Rebecca, what’s her name, Amelia’s little friend — your dearest diddle-diddle-darling?” And this ruthless young fellow, seizing hold of Dobbin’s hand, acted over the scene, to the horror of the original performer, and in spite of Dobbin’s good-natured entreaties to him to have mercy.

»Warum sollte ich ihn denn schonen?« antwortete Osborne auf die Einwendungen seines Freundes, als sie den Leidenden in den Händen von Doktor Gollop zurückgelassen hatten. »Zum Henker, was für ein Recht hat er, sich stets so gönnerhaft aufzuspielen und uns in Vauxhall lächerlich zu machen? Wer ist das kleine Schulmädchen, das ihm schöne Augen macht? Zum Henker! Die Familie ist schon armselig genug ohne sie. Eine Gouvernante ist ja ganz schön, aber ich möchte doch lieber eine Dame zur Schwägerin haben. Ich bin zwar großzügig, habe aber doch meinen Stolz und weiß, wo ich hingehöre; und sie sollte sich ihre Stellung auch überlegen. Ich werde den großsprecherischen Nabob schon noch unterkriegen und verhindern, daß er sich zu einem größeren Narren macht, als er bereits ist. Deshalb habe ich ihm gesagt, er solle auf der Hut sein, sonst würde sie ihn noch wegen Heiratsschwindelei verklagen.«

 

“Why should I spare him?” Osborne said to his friend’s remonstrances, when they quitted the invalid, leaving him under the hands of Doctor Gollop. “What the deuce right has he to give himself his patronizing airs, and make fools of us at Vauxhall? Who’s this little schoolgirl that is ogling and making love to him? Hang it, the family’s low enough already, without her. A governess is all very well, but I’d rather have a lady for my sister-in-law. I’m a liberal man; but I’ve proper pride, and know my own station: let her know hers. And I’ll take down that great hectoring Nabob, and prevent him from being made a greater fool than he is. That’s why I told him to look out, lest she brought an action against him.”

»Wahrscheinlich weißt du es am besten«, meinte Dobbin, wenn auch etwas zweifelnd. »Du bist immer Tory gewesen, und ihr seid eine der ältesten englischen Familien; aber...«

 

“I suppose you know best,” Dobbin said, though rather dubiously. “You always were a Tory, and your family’s one of the oldest in England. But — ”

»Komm mit zu den Mädchen und mach Miss Sharp selbst den Hof«, unterbrach der Leutnant seinen Freund; aber Hauptmann Dobbin lehnte es ab, Osborne zu seinem täglichen Besuch bei den jungen Damen am Russell Square zu begleiten.

 

“Come and see the girls, and make love to Miss Sharp yourself,” the lieutenant here interrupted his friend; but Captain Dobbin declined to join Osborne in his daily visit to the young ladies in Russell Square.

Als George von Holborn die Southampton Row hinabging, sah er im Sedleyschen Haus, in zwei verschiedenen Stockwerken, zwei Köpfe auf der Lauer liegen.

 

As George walked down Southampton Row, from Holborn, he laughed as he saw, at the Sedley Mansion, in two different stories two heads on the look-out.

Miss Amelia schaute nämlich vom Balkon des Salons angestrengt nach dem Leutnant aus, der auf der anderen Seite des Russell Square wohnte; Miss Sharp dagegen war in ihrem kleinen Schlafzimmer im zweiten Stockwerk auf Wachposten, um Mr. Josephs mächtige Gestalt auftauchen zu sehen.

 

The fact is, Miss Amelia, in the drawing-room balcony, was looking very eagerly towards the opposite side of the Square, where Mr. Osborne dwelt, on the watch for the lieutenant himself; and Miss Sharp, from her little bed-room on the second floor, was in observation until Mr. Joseph’s great form should heave in sight.

»Schwester Anne sitzt auf dem Wachtturm, aber niemand kommt«, rief er Amelia lachend zu und freute sich königlich über den Spaß, als er Miss Sedley mit den komischsten Ausdrücken den trübseligen Zustand ihres Bruders beschrieb.

 

“Sister Anne is on the watch-tower,” said he to Amelia, “but there’s nobody coming”; and laughing and enjoying the joke hugely, he described in the most ludicrous terms to Miss Sedley, the dismal condition of her brother.

»Es ist doch aber sehr grausam von Ihnen, zu lachen, George«, sagte sie und sah recht unglücklich aus; allein George lachte nur um so mehr über ihren kläglichen und verwirrten Gesichtsausdruck und blieb dabei, daß der Spaß doch höchst gelungen sei. Als Miss Sharp die Treppe herabkam, neckte er sie munter wegen der Wirkung ihrer Reize auf den dicken Zivilisten.

 

“I think it’s very cruel of you to laugh, George,” she said, looking particularly unhappy; but George only laughed the more at her piteous and discomfited mien, persisted in thinking the joke a most diverting one, and when Miss Sharp came downstairs, bantered her with a great deal of liveliness upon the effect of her charms on the fat civilian.

»Oh, Miss Sharp! Könnten Sie ihn heute morgen in seinem geblümten Schlafrock sehen«, sagte er, »wie er stöhnt und sich auf seinem Sofa windet. Hätten Sie nur sehen können, wie er Gollop, dem Arzt, seine Zunge zeigte.«

 

“O Miss Sharp! if you could but see him this morning,” he said — “moaning in his flowered dressing-gown — writhing on his sofa; if you could but have seen him lolling out his tongue to Gollop the apothecary.”

»Wenn ich wen sehen könnte?« fragte Miss Sharp.

 

“See whom?” said Miss Sharp.

»Wen? Ach, wen? Hauptmann Dobbin natürlich, dem wir alle, beiläufig gesagt, gestern abend so viel Aufmerksamkeit gewidmet haben.«

 

“Whom? O whom? Captain Dobbin, of course, to whom we were all so attentive, by the way, last night.”

»Wir waren sehr unfreundlich zu ihm«, sagte Emmy und errötete. »Ich – ich hatte ihn ganz vergessen.«

 

“We were very unkind to him,” Emmy said, blushing very much. “I — I quite forgot him.”

»Das ist ganz natürlich«, rief Osborne, immer noch lachend. »Man kann doch nicht immer an Dobbin denken, nicht wahr, Amelia. Oder doch, Miss Sharp?«

 

“Of course you did,” cried Osborne, still on the laugh. “One can’t be always thinking about Dobbin, you know, Amelia. Can one, Miss Sharp?”

»Abgesehen von dem Weinglas, das er bei Tisch umstieß«, sagte Miss Sharp hochmütig und warf den Kopf zurück, »habe ich keinen Augenblick einen Gedanken an Hauptmann Dobbins Existenz verschwendet.«

 

“Except when he overset the glass of wine at dinner,” Miss Sharp said, with a haughty air and a toss of the head, “I never gave the existence of Captain Dobbin one single moment’s consideration.”

»Sehr gut, Miss Sharp, ich will es ihm sagen«, sagte Osborne, und während er sprach, beschlich Miss Sharp ein Gefühl von Mißtrauen und Haß gegen diesen jungen Offizier, dessen er sich ganz und gar nicht bewußt war. Er will sich über mich lustig machen, ganz bestimmt, dachte Rebekka. Hat er mich bei Joseph lächerlich gemacht? Hat er ihn abgeschreckt? Vielleicht kommt er gar nicht.

 

“Very good, Miss Sharp, I’ll tell him,” Osborne said; and as he spoke Miss Sharp began to have a feeling of distrust and hatred towards this young officer, which he was quite unconscious of having inspired. “He is to make fun of me, is he?” thought Rebecca. “Has he been laughing about me to Joseph? Has he frightened him? Perhaps he won’t come." — A film passed over her eyes, and her heart beat quite quick.

Ein Schleier legte sich über ihre Augen, und ihr Herz schlug zum Zerspringen. »Sie sind immer zu Spaßen aufgelegt«, sagte sie und lächelte, so unschuldig sie konnte. »Scherzen Sie nur weiter, Mr. George, mich verteidigt ja keiner.« Als George Osborne ging und Amelia ihn mißbilligend ansah, empfand er als Mann doch eine gewisse Zerknirschung, daß er sich gegen das schutzlose Geschöpf unnötigerweise so unfreundlich benommen hatte. »Meine liebste Amelia«, sagte er, »Sie sind zu gut – zu freundlich. Sie kennen die Welt nicht. Ich kenne sie aber. Und Ihre kleine Freundin, Miss Sharp, sollte sich überlegen, wo sie hingehört.«

 

“You’re always joking,” said she, smiling as innocently as she could. “Joke away, Mr. George; there’s nobody to defend me.” And George Osborne, as she walked away — and Amelia looked reprovingly at him — felt some little manly compunction for having inflicted any unnecessary unkindness upon this helpless creature. “My dearest Amelia,” said he, “you are too good — too kind. You don’t know the world. I do. And your little friend Miss Sharp must learn her station.”

»Glauben Sie nicht, daß Joe ...«

 

“Don’t you think Jos will — ”

»Ehrenwort, meine Liebe, ich weiß es nicht. Vielleicht, vielleicht auch nicht; ich habe ihm nichts vorzuschreiben. Ich weiß nur, daß er schrecklich dumm und eitel ist und daß er mein kleines liebes Mädchen gestern abend in eine sehr peinliche und schiefe Lage gebracht hat. Mein Lirum-larum-liebchen!« Und abermals lachend, verschwand er, und weil es so drollig geschah, mußte auch Emmy lachen.

 

“Upon my word, my dear, I don’t know. He may, or may not. I’m not his master. I only know he is a very foolish vain fellow, and put my dear little girl into a very painful and awkward position last night. My dearest diddle-diddle-darling!” He was off laughing again, and he did it so drolly that Emmy laughed too.

Den ganzen Tag ließ sich Joe nicht blicken. Amelia aber machte sich deshalb keine Gedanken, denn die kleine Ränkeschmiedin hatte doch tatsächlich den Pagen, Mr. Sambos Adjutanten, in Mr. Josephs Wohnung geschickt, um ihn um ein versprochenes Buch zu bitten und sich nach seinem Befinden zu erkundigen. Die Antwort von Joes Diener, Mr. Brush, lautete, sein Herr liege krank im Bett und der Doktor sei soeben bei ihm gewesen. Morgen wird er bestimmt kommen, dachte sie, hatte aber nicht den Mut, mit ihrer Freundin darüber zu sprechen; auch Rebekka erwähnte die Sache während des ganzen Abends nach der Vauxhall-Partie mit keinem Wort.

 

All that day Jos never came. But Amelia had no fear about this; for the little schemer had actually sent away the page, Mr. Sambo’s aide-de-camp, to Mr. Joseph’s lodgings, to ask for some book he had promised, and how he was; and the reply through Jos’s man, Mr. Brush, was, that his master was ill in bed, and had just had the doctor with him. He must come to-morrow, she thought, but she never had the courage to speak a word on the subject to Rebecca; nor did that young woman herself allude to it in any way during the whole evening after the night at Vauxhall.

Am nächsten Tage jedoch, als die beiden jungen Damen auf dem Sofa saßen und so taten, als arbeiteten sie oder schrieben Briefe oder läsen Romane, kam Sambo mit seinem üblichen gewinnenden Grinsen ins Zimmer, mit einem Paket unter dem Arm und einem Billett auf dem Präsentierbrett. »Ein Billett von Mr. Joe, Miss«, verkündete Sambo.

 

The next day, however, as the two young ladies sate on the sofa, pretending to work, or to write letters, or to read novels, Sambo came into the room with his usual engaging grin, with a packet under his arm, and a note on a tray. “Note from Mr. Jos, Miss,” says Sambo.

Wie Amelia zitterte, als sie es öffnete!

 

How Amelia trembled as she opened it!

Es lautete wie folgt:

Liebe Amelia!
Anbei schicke ich Dir die »Waise vom Walde«. Ich war gestern zu krank, um Euch zu besuchen. Heute fahre ich nach Cheltenham. Wenn möglich, entschuldige mich bei der liebenswürdigen Miss Sharp wegen meines Benehmens in Vauxhall und bitte sie doch, jede Äußerung, die ich während dieses unglückseligen Soupers in der Erregung gemacht habe, zu verzeihen und zu vergessen. Sobald ich mich wieder erholt habe, denn meine Gesundheit ist einigermaßen erschüttert, werde ich auf einige Monate nach Schottland gehen. Unterdessen verbleibe ich

Dein Joe Sedley.

 

So it ran:

Truly yours,
Dear Amelia, — I send you the “Orphan of the Forest.” I was too ill to come yesterday. I leave town to-day for Cheltenham. Pray excuse me, if you can, to the amiable Miss Sharp, for my conduct at Vauxhall, and entreat her to pardon and forget every word I may have uttered when excited by that fatal supper. As soon as I have recovered, for my health is very much shaken, I shall go to Scotland for some months, and am


Jos Sedley

Das war das Todesurteil. Alles war vorüber. Amelia wagte es nicht, in Rebekkas blasses Gesiebt und ihre brennenden Augen zu blicken; sie ließ den Brief in den Schoß der Freundin fallen, stand auf, ging in ihr Zimmer und weinte sich das kleine Herz aus dem Leibe.

 

It was the death-warrant. All was over. Amelia did not dare to look at Rebecca’s pale face and burning eyes, but she dropt the letter into her friend’s lap; and got up, and went upstairs to her room, and cried her little heart out.

Mrs. Blenkinsop, die Haushälterin, suchte sie dort bald auf, um sie zu trösten; an ihrer Schulter weinte sich Amelia vertrauensvoll aus und fand Erleichterung. »Nehmen Sie sich die Sache doch nicht so zu Herzen, Miss. Ich wollte es Ihnen nur nicht sagen; aber keiner von uns im Haus hat sie gern gehabt, höchstens am Anfang. Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie sie Briefe von Ihrer Mama gelesen hat. Die Pinner hat erzählt, daß sie andauernd an Ihrem Schmuckkästchen und an Ihrer Kommode war, und auch an anderen Kommoden, und sie glaubt fest, daß sie sich Ihr weißes Band in den Koffer getan hat.«

 

Blenkinsop, the housekeeper, there sought her presently with consolation, on whose shoulder Amelia wept confidentially, and relieved herself a good deal. “Don’t take on, Miss. I didn’t like to tell you. But none of us in the house have liked her except at fust. I sor her with my own eyes reading your Ma’s letters. Pinner says she’s always about your trinket-box and drawers, and everybody’s drawers, and she’s sure she’s put your white ribbing into her box.”

»Das habe ich ihr doch geschenkt, ganz bestimmt«, versicherte Amelia.

 

“I gave it her, I gave it her,” Amelia said.

Allein das konnte Mrs. Blenkinsops Meinung über Miss Sharp nicht ändern. »Ich für mein Teil traue den Gouvernanten nicht über den Weg, Pinner«, bemerkte sie gegenüber dem Kammermädchen. »Sie tun, als wären sie Damen, und dabei ist ihr Lohn nicht höher als meiner oder Ihrer.«

 

But this did not alter Mrs. Blenkinsop’s opinion of Miss Sharp. “I don’t trust them governesses, Pinner,” she remarked to the maid. “They give themselves the hairs and hupstarts of ladies, and their wages is no better than you nor me.”

Allen im Hause, außer der armen Amelia, wurde klar, daß Rebekka nicht länger bleiben dürfe, und hoch und niedrig (immer mit der einen Ausnahme) war man sich einig, daß die Abreise sehr bald erfolgen müsse. Das gute Kind durchstöberte all ihre Kommoden, Schränke, Handarbeitsbeutel und andere Behältnisse, in denen sie ihren Kleinkram verwahrte, musterte all ihre Kleider, Halstücher, Spitzenbesätze, Bänder, Seidenstrümpfe und dergleichen Firlefanz und suchte das eine oder das andere heraus, um Rebekka ein Häufchen zurechtzulegen. Dann ging sie zu ihrem Vater, der, großmütiger britischer Kaufmann, der er war, ihr versprochen hatte, ihr so viele Guineen zu geben, wie sie Jahre zählte, und bat den alten Herrn, das Geld lieber der guten Rebekka zukommen zu lassen, die es sicher brauchen könnte, während es ihr selbst doch an nichts fehlte.

 

It now became clear to every soul in the house, except poor Amelia, that Rebecca should take her departure, and high and low (always with the one exception) agreed that that event should take place as speedily as possible. Our good child ransacked all her drawers, cupboards, reticules, and gimcrack boxes — passed in review all her gowns, fichus, tags, bobbins, laces, silk stockings, and fallals — selecting this thing and that and the other, to make a little heap for Rebecca. And going to her Papa, that generous British merchant, who had promised to give her as many guineas as she was years old — she begged the old gentleman to give the money to dear Rebecca, who must want it, while she lacked for nothing.

Sie bewegte sogar George Osborne, dazu beizusteuern, und bereitwillig (denn so freigebig wie er war kaum ein zweiter in der Armee) begab er sich in die Bond Street und kaufte den schönsten Hut und die hübscheste Jacke, die für Geld zu haben war.

 

She even made George Osborne contribute, and nothing loth (for he was as free-handed a young fellow as any in the army), he went to Bond Street, and bought the best hat and spenser that money could buy.

»Das schenkt dir George, teure Rebekka«, sagte Amelia, ganz stolz auf die Schachtel mit diesen Gaben. »Was er für einen guten Geschmack hat! Keiner kommt ihm doch gleich.«

 

“That’s George’s present to you, Rebecca, dear,” said Amelia, quite proud of the bandbox conveying these gifts. “What a taste he has! There’s nobody like him.”

»Nein, niemand«, antwortete Rebekka. »Wie dankbar bin ich ihm!« In ihrem Herzen aber dachte sie, George Osborne war es, der meine Heirat verhindert hat. Und dementsprechend waren auch ihre Gefühle für Osborne.

 

“Nobody,” Rebecca answered. “How thankful I am to him!” She was thinking in her heart, “It was George Osborne who prevented my marriage." — And she loved George Osborne accordingly.

In aller Seelenruhe traf sie ihre Anstalten für die Abreise und nahm alle Geschenke der freundlichen kleinen Amelia nach schicklichem Weigern und Zögern entgegen. Natürlich gelobte sie Mrs. Sedley ewige Dankbarkeit, drängte sich jedoch der guten Dame, die etwas in Verlegenheit war und ihr offenbar ausweichen wollte, nicht auf. Sie küßte Mr. Sedley die Hand, als er ihr die Geldbörse schenkte, und bat ihn um Erlaubnis, ihn von nun an als ihren guten, guten Freund und Beschützer betrachten zu dürfen. Ihr Benehmen hatte etwas so Rührendes, daß er ihr beinahe einen Scheck für noch zwanzig Pfund ausgestellt hätte, allein er zügelte seine Gefühle. Die Kutsche, die ihn zum Essen fahren sollte, wartete; so eilte er davon mit einem: »Gott schütze Sie, meine Liebe. Besuchen Sie uns ruhig, wenn Sie in der Stadt sind. – Zum Mansion House, James!«

 

She made her preparations for departure with great equanimity; and accepted all the kind little Amelia’s presents, after just the proper degree of hesitation and reluctance. She vowed eternal gratitude to Mrs. Sedley, of course; but did not intrude herself upon that good lady too much, who was embarrassed, and evidently wishing to avoid her. She kissed Mr. Sedley’s hand, when he presented her with the purse; and asked permission to consider him for the future as her kind, kind friend and protector. Her behaviour was so affecting that he was going to write her a cheque for twenty pounds more; but he restrained his feelings: the carriage was in waiting to take him to dinner, so he tripped away with a “God bless you, my dear, always come here when you come to town, you know. — Drive to the Mansion House, James.”

Schließlich war der Augenblick des Abschieds gekommen, ein Bild, über das ich lieber einen Schleier werfen will. Aber nach einer Szene, bei der es der einen ernst war und die andere sich als vollendete Schauspielerin, erwies – nachdem die zärtlichsten Liebkosungen, die rührendsten Tränen, das Riechfläschchen und die edelsten Gefühle des Herzens aufgeboten worden waren, trennten sich Rebekka und Amelia, wobei die Abreisende hundertmal schwor, daß sie ihre Freundin immer und ewig lieben werde.

 

Finally came the parting with Miss Amelia, over which picture I intend to throw a veil. But after a scene in which one person was in earnest and the other a perfect performer — after the tenderest caresses, the most pathetic tears, the smelling-bottle, and some of the very best feelings of the heart, had been called into requisition — Rebecca and Amelia parted, the former vowing to love her friend for ever and ever and ever.


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