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3.

Eine geraume Weile saß Heinrich gedankenvoll allein, als er seine Schulter von einer Hand berührt fühlte und aufblickend Rußbuttenlobel neben sich sah. Heinrich reichte ihm stumm das Glas dar; Lobel trank daraus, gab ihm die Hand und sagte:

»Es war eine Finte mit dem Gensd'arm, Vetter! Ich wollt' Euch nur auseinander haben.«

»Ich danke Dir, Vetter!« erwiederte Heinrich – »ach, ich möchte weinen wie ein Kind über diesen Empfang in der Heimath. Wie hab' ich mich in der Fremde draußen auf diesen Tag gefreut – und nun muß er mir so verdorben werden!«

»Wie konntest Du auch dem Meister Unger so auf sein bestes Hühnerauge treten?« sagte Lobel. »Hast Du denn gar nicht ans Hannel gedacht? Drunten sitzt der alte Vogelfried nun, und tobt und schimpft auf Dich, und sagt ganz unverholen, er wisse wohl, daß Du ein Auge auf seine Tochter hättest, aber eher woll' er sie dem Rußbuttenlobel – also mir – geben, denn so einem Neuerer und Weltverbesserer, wie Du wärest. Wenn das arme Hannel dies wüßte!«

»Ei was wird die sich darum härmen!« erwiederte Heinrich, »wer weiß, will sie noch etwas wissen von mir! Damals, wie ich mit ihr ging, war sie noch ein halbes Kind und ich selbst hinter den Ohren nicht trocken, und inzwischen sind drei Jahre vergangen – ich hab' ihr nie geschrieben – Lobel, lassen wir das Mädel sein – ich weiß ja auch nicht, ob sie heute noch nach meinem Sinne wäre!«

»Sieh sie nur einmal, Heinrich!« fiel der Andere ein, »ich wette meinen Spieß gegen was du willst, sie gefällt dir jetzt noch besser, denn sonst – ach, die Augen werden Dir übergehen, wenn Du sehen wirst, wie das voll und schlank, und blumig und samig geworden ist, so voll Lieblichkeit, daß man's immer anschauen und drüber beten und fluchen vergessen möchte! Komm mit; sie erwartet Dich!«

»Wo?«

»Daheim, bei ihrer Mutter.«

»Wo denkst Du hin, Lobel! Nach dem, was hier vorgefallen ist, kann nicht die Rede davon sein, daß ich die Schwelle des Unger'schen Hauses betrete. Ich hätte nach dieser Geschichte lieber Lust, wieder in die Fremde zu gehen.«

»Und Deine alte Mutter zu verlassen – und das traute Hannel! Du denkst, das Mädel hat Dich vergessen? Das weiß ich besser. Denk' nur, wie ich vorhin zum Kaffee unten war, da erzählt' ich der ganzen Gesellschaft, daß Du da wärest. Da schrie sie laut auf, wurde über und über roth, und als ich sie mit Dir aufzog, rannte sie zur Thür hinaus. Und als ich darauf fortging, stand sie im Grasgarten hinter ihrem Hause, und ließ sich von der Käseblume sagen, ob Du sie liebtest. Und als die Blume sagte: er liebt Dich, kreuzte sie die Hände über das wonnige Herzchen und sah mit entzückten Augen gen Himmel. Sieh, so liebt sie Dich – und Du – ja, die Blume spricht wahr: Du liebst sie, du willst Dir's nur nicht gestehen.«

»Du irrst Dich, Vetter – ich gestehe, daß ich mich des herzigen Kindes gern erinnere, aber mein Herz schlägt ganz ruhig dabei. Wie ist es – wird sie nicht zum Tanz kommen?«

»Seit Du fort warst, ist sie äußerst wenig zur Musik gewesen – aber heute, da sie weiß, daß Du wieder da bist, wird sie wohl kommen.«

»Gut – warten wir das ab – sehen möcht' ich sie wohl, aber in ihres Vaters Haus komm' ich nicht.«

»Und mußt doch einmal Hochzeit darin machen.«

»Still davon, Vetter! Das ist vorbei! – Da, laß frisch einschenken!«

Der Tanz war eben zu Ende; die Tänzer stürmten, soweit es der Platz zuließ, ins Zimmer, wo Heinrich saß. Die Freunde tranken ihm zu und als die Musik von Neuem begann, drangen sie in ihn zu tanzen. Er ließ sich endlich bewegen, aufzustehen, ging langsam nach der Saalthür und musterte den anwesenden Mädchenflor. Es schien nicht, daß ihn Eine anzog – er stand unschlüssig da – auf einmal öffnete sich die gegenüber befindliche Thür des Haupteingangs. – »Da kommt sie,« flüsterte Lobel hinter Heinrich, der die eintretende Gestalt anstarrte.

War das wirklich das Kind, mit dem er einst harmlos »Liebstens« gespielt hatte? War diese vollaufgeblühte Jungfrau, diese gebietende und doch so leicht daher schwebende Gestalt mit dem Zaubergrübchen im rosigen Kinn, dem schwellenden Purpurmund und den meertiefen Augen wirklich die stille Mädchenknospe, die einst an seinem Herzen geruht hatte, sorglos träumend in der sicheren Hut seines reinen Sinnes? Was damals nur Ahnung gewesen, das war jetzt Licht, Fülle, Leben – was einst dulden konnte, daß der Jüngling harmlos mit ihm tändelte, das forderte jetzt Achtung, Verehrung, Liebe. Eine süße Bestürzung, ein minutenlanges Schwanken zwischen Staunen und Entzücken und dann ein Aufflammen des ganzen Feuers, das in seiner Brust verborgen glühte – dann stand er vor ihr mit der stummen, aber tiefen Huldigung, die noch jeder männliche Geist dem Weibe darbrachte, dessen Liebreiz sein Herz rührte. Seine Verneigung vor ihr, die Schüchternheit, mit der er die ihm ebenso schüchtern gebotene Hand nahm, die ehrerbietige Art, mit welcher er sie »Jungfer Hannchen« anredete – das waren die äußeren Zeichen dieser Huldigung; andere hatte der, trotz seinen weiten Wanderungen und seinem Verkehr mit Welschen und Franzosen, einfach gebliebene Gebirgssohn nicht. Und sie? Sie fand ihn freilich nicht in so bedeutsamer Weise verändert, wie er sie – der Schritt vom einundzwanzigjährigen zum vierundzwanzigjährigen Jüngling ist kein so großer, wie der vom fünfzehn- zum achtzehnjährigen Mädchen – aus dem Flaum um den Mund war ein zierlicher Bart geworden, eine weitere äußerliche Veränderung fiel ihr nicht auf. Erst war es ihr gewesen, als müsse sie ihm so frei und munter entgegenhüpfen wie sonst – aber mit einemmal empfand sie ihm gegenüber eine unaussprechliche Beklemmung, ihre Hand zitterte in der seinen und außer dem großen, strahlenden Blick, mit dem sie ihn begrüßt hatte, wagte sie ihm keinen mehr ins Gesicht zu thun, wenn sie merkte, daß sein Auge auf ihr ruhte. So standen sie lange da und wer weiß, wie lange sie es so getrieben hätten, wäre nicht ein junger Mann im lichtblauen Rock auf sie zugekommen und hätte da Hannchen nicht schnell Heinrichs Arm genommen und ihm zugeflüstert: »Wir wollen tanzen, sonst fordert mich der auf und ich kann ihn doch nicht leiden!« Da flog Heinrich mit ihr in den Reihen und tanzte nach Jahren wieder den ersten heimathlichen Walzer. Vergessen war alles vorhin Vorgefallene – Athem wehete in Athem – Puls schlug an Puls – Blick flammte in Blick. – »Mein Hannchen« klang es herüber – »mein Heinrich« flüstert' es hinüber – und als der Walzer zu Ende war, führte der glückliche Tänzer sein Mädchen mit dem Entschlusse aus dem Saale, nimmer wieder von der Heimath und seinem Hannchen zu weichen.

Dort in dem heimlichen Winkel des Nebenzimmers, wo Heinrich vorhin allein gesessen, nahmen sie jetzt miteinander Platz, und nun ging es an ein Fragen und Erzählen und Händedrücken und – was weiß ich! – Zum Beschluß erklärte Heinrich dem entzückt aufhorchenden Mädchen noch, daß er in vier Wochen Meister würde und wenn's nach seinem Willen ginge, müßte Hannchen in einem Vierteljahr sein liebes Weibchen sein. Da kam »Rußbuttenlobel« und flüsterte: »Kinder! seid »a Bissel« auf Eurer Hut vor dem Kunz-Karl-Fried – wenn er kommt und will mit Ihr tanzen, Jungfer Hannel, so schlag' Sie's ihm nicht ab; Sie weiß, er hat ein Aug' auf Sie, und wenn Sie ihn beleidigt, so geht er hinunter zum Alten und verdirbt Euch die Freude! Ich muß jetzt einmal ins Dorf schauen – seid gescheidt!« Damit verschwand er.

»Was?« sagte Hannchen, »mit dem Kunz soll ich tanzen? Nimmermehr! Ich will nur mit Dir tanzen, Heinrich!«

»Doch,« erwiederte dieser, »doch möcht' ich Dir rathen, ihm wenigstens einen Tanz zu gönnen. Du bist ihm vorhin schon ausgewichen – ein zweites Mal nimmt er's gewiß sehr übel, und dann – ich muß Dir sagen, daß ich bei Deinem Vater in Ungnade gefallen bin – wenn ihm der Kunz hinterbringt, daß wir beisammen sind, so reißt er uns wohl auseinander.«

»So wollen wir fortgehen – ich sage Dir, ich kann und darf nicht mit diesem Menschen tanzen. Du wirst schon noch erfahren, warum –«

»So laß uns noch den nächsten Reihen zusammentanzen,« sagte Heinrich, »damit ich wenigstens einmal bestelle – man möchte mich sonst für einen Lump halten – dann gehen wir spazieren.«

Das Paar erhob sich – aber da stand der Gemiedene schon vor ihnen und bat Hannchen um den nächsten Tanz. Diese schmiegte sich an den Geliebten und ward von ihm dem Unliebsamen im Fluge entführt. »Einen Walzer!« rief Heinrich den Musikern zu, ein Achtgroschenstück auf das Orchesterpult werfend. Schnell war der Tanz im Gange und Kunz hatte das Nachsehen.

Inzwischen fuhr in der Schänkstube Meister Unger fort, dem so unberufen aufgetretenen Gegner des Vogelstellens in tiefster Seele zu grollen und dann und wann diesem Groll durch ein derbes Wort Luft zu machen. »Ich hab' ihm aber doch eins gegeben, daran er denken wird,« sagte er endlich und ließ sich den vierten »Eibenstöcker« geben und noch einen – und wieder einen – da wurde er immer aufgeregter, bis der junge Kunz-Müller von Neuhahn – eben jener Karl-Fried – hereintrat und sich dem »Herrentische« näherte. Er war ein guter Kunde des Gimpelkönigs; als ihn dieser daher zu Gesicht bekam, sänftigte sich sein Zorn etwas, er reichte ihm freundlich die Hand und zog ihn an seine Seite. »Na, wie ist's, Karl-Fried«, redete er den Platznehmenden an, »wollt Ihr meinen Wallheim noch haben? Wenn nicht, so wandert er nach Kirchberg, wo mir Einer fünf Thaler und Tuch zu einem Rock und ein Paar Lödelschuh dafür geboten hat.« Der Wallheim war aber einer seiner gefiederten Schüler, darum so genannt, weil er das Mantellied aus Holtei's »Lenore« sang.

»Was der Wollklopper giebt, kann ich auch noch zahlen,« erwiederte der Müller, »ich nehme den Vogel für einen Doppellouisd'or, aber den Bauer müßt Ihr zugeben.«

»Für eine Metze Heugesäm' – topp! – Wirthschaft, ein Fläschel zum Leihkauf!« rief der Verkäufer. Während der Wirth dem Befehl nachkam, flüsterte der Müller dem Vater Hannchens etwas ins Ohr.

»Da soll doch gleich –« der Fluch erstarb dem empörten Vater auf der Zunge; er sprang auf und eilte zur Thür. Der Ohrenbläser rannte ihm bestürzt nach. »Lieber Meister Unger!« bat er, »seid nicht so hitzig! macht kein Aufsehen! – ich bin dem Hannel gut – und weil wir einmal darauf zu reden kommen, so will ich Euch nur sagen, daß es mein Wunsch ist, Euer Schwiegersohn zu werden.«

Der Alte vergaß seinen Zorn für einen Augenblick. »Wirklich, Karl-Fried? Ist das Euer Ernst?« fragte er erfreut. »Warum habt Ihr mir das nicht schon längst gesagt?«

»Je nun – ich hatte immer das Herz nicht – das Hannel that so apart gegen mich.«

»Ich will ihr das Apartthun schon einstreichen,« erklärte Meister Unger. »Ihr wißt, in meinem Hause bin ich Herr, da gilt, was ich will. Ihr werdet mein Schwiegersohn, Karl-Fried, oder ich will zeitlebens keinen Vogel mehr fangen! Jetzt aber will ich meinen Nickel vom Tanzboden holen, wenn sie mit dem »Leimtiegel« karessirt.«

Er eilte fort und stand in wenig Augenblicken vor den Liebenden, die bei der eben eingetretenen Tanzpause sich in ihren Plauderwinkel zurückgezogen hatten.

»Du gehst augenblicklich mit mir in die Schänkstube oder nach Hause!« herrschte der Vater der Tochter zu.

Hannchen, an unbedingten Gehorsam gegen die Eltern gewöhnt, erhob sich und erklärte, nach Hause gehen zu wollen, wenn sie nicht auf dem Tanzboden bleiben dürfe. Heinrich stand auf und sagte: »Verzeihen Sie mir, Meister Unger, wenn ich Sie beleidigt habe – es war bestimmt nicht meine Absicht –«

»Mit Ihm hab' ich gar nichts zu reden,« versetzte Jener, »und Er hat nichts mit meiner Tochter zu reden, merk' Er sich das, und wenn Er dem Mädel nachläuft, so will ich's Ihm schon einstreichen!«

Das liebende Paar wäre dem Ergrimmten gern um den Hals gefallen, wenn der Ort eine solche Scene gestattet hätte. Mit feuchten Augen fügte sich Hannchen in den Befehl ihres Vaters. Er wollte sie mit in die Schänkstube nehmen, allein sie machte sich los und ging weinend nach Hause.

Heinrich hatte ihr mitgetheilt, auf welche Weise er dazu gekommen war, den Vater so gegen sich zu erbittern, und sie kannte diesen zu gut, um nicht zu wissen, wie ernst und dauernd diese Erbitterung sein mußte. Aber so tief sie darum den Vorfall beklagte, so konnte sie doch dem Geliebten nicht Unrecht geben, daß er so freimüthig als Anwalt der armen Vöglein aufgetreten war, und wiewohl sie bisher über das Unrecht, das in der Liebhaberei des Vogelstellens lag, noch wenig nachgedacht hatte, so war es ihr doch sofort einleuchtend, und mit dem Feuer eines edlen Gemüthes faßte sie den lebhaftesten Abscheu dawider. Es beunruhigte sie sogar, daß sie ihren Vater zuweilen nach dem Vogelherd begleitet, Beeren für denselben gesammelt, auch wohl, wenn er selbst abwesend war, an seiner Statt den Herd besorgt hatte. Sie beschloß, sich künftig solchen Aufträgen nur gezwungen zu fügen. Daheim angelangt, fiel sie ihrer Mutter weinend um den Hals und gestand ihr ihr Glück und ihr Leid. Frau Unger tröstete die Bekümmerte, billigte ihre Liebe, ermahnte sie zur Geduld und versprach ihr, Alles aufzubieten, um ihr den Weg zur Hochzeit zu ebnen.

Den folgenden Tag gab es zwei Brautwerbungen im Ungerschen Hause. Die eine kam schriftlich an die Hausfrau, Rußbuttenlobel war ihr Ueberbringer und Heinrich ihr Absender – die andere brachte Kunz-Karl-Fried in Person bei dem Hausherrn an. Dieser saß indeß nicht auf dem hohen Pferde wie gestern; er war mit einem Rausche heimgekommen, und dessen schämte er sich heute vor seiner Familie. Er nahm daher den ihm so lieben Werber etwas kleinlaut auf und schob, um seine stillzürnende Ehehälfte zu begütigen, ihr die Entscheidung über diese Angelegenheit zu. Frau Unger aber entschied so: »Meister Kunz, Er hat schon Sein Theil – heirath' Er das arme Mädel, dem Er die Ehre genommen!« Verblüfft vernahm der reiche Bewerber diesen Bescheid, stotterte etwas von dem Unpassenden, ein so armes Ding wie die Gemeinte zu seiner Frau zu machen, und zog sich, als ihm hierauf Frau Unger eine tüchtige Lection in Wellersgrüner Hochdeutsch gegeben, mit dem erhandelten Gimpel zurück, jedoch ohne seine Hoffnung auf Hannchens Besitz ganz aufzugeben, da er auf seinen Geldsack und Meister Jobsts Gunst pochte.

Ganz andern Bescheid trug Rußbuttenlobel von Frau Unger heim. Zwar auf eine schriftliche Erwiederung des schriftlichen Antrages konnte die Gute sich nicht einlassen, da es zu ihrer Jugendzeit in Wellersgrün noch nicht Sitte gewesen war, daß ein Mädchen schreiben lernte – aber der freundlichste Gruß und die herzlichste Zusage legte sie dem Liebesboten in den Mund, und dieser war nicht der Mann, der eine Silbe fehlen ließ, wenn er etwas auszurichten hatte. »Was die Einwilligung meines Alten betrifft,« hatte die wackere Frau gesagt, »so wird es zwar etwas Zeit und Mühe kosten, sie zu erlangen, aber einmal muß er doch Ja sagen.«

»Du lieber Gott!« rief Heinrich, als er dies vernahm, »heute über zwanzig Jahre ist auch »einmal!« Da kann mir's gehen, wie dem Lautersgrüner Pastor, – der hat sich mit seinem Schatz auch zwanzig Jahre geschleppt und wie er endlich zu der Pfarre gekommen, daß er hat heirathen können, sind sie beide halb stumpf gewesen!«

»Ich denk', so soll's Dir nicht gehen,« tröstete Lobel, »der alte Gimpelkönig hat zwar einen harten Kopf, aber ich glaub', er ist mürb' zu machen – ich hoffe, Du führst Dein Hannel in Kurzem heim, wenn Du mir folgst.«

»Vetter – Herzensvetter – sprich, was soll ich thun?«

»Du mußt den Alten mürb' machen – mußt mit ihm um die Wette vogelstellen und Gimpel lernen –«

»Nimmermehr!«

»Versteh mich recht – Du sollst's nur zum Schein – sollst selbst nicht einen einzigen Vogel fangen, aber sollst einen Vogelherd bauen – dem Alten in den Strich – und ihm so den Fang verderben, Du weißt ja Bescheid damit.«

»Man muß auch den Schein des Unrechts meiden, besonders wenn man sich zu seinem Bekämpfer aufwirft.«

»Auch um dieses Bekämpfens willen ist es gut, wenn Du scheinbar umlenkst. Du hast es ganz falsch angefangen, daß Du so mit der Thür ins Haus fielst. Böse Gewohnheiten sind wie Warzen – Wegschneiden hilft nicht, man muß sie durch Sympathie vertreiben. Jetzt, wo Du das ganze vogelstellende Wellersgrün vor den Kopf gestoßen hast, magst Du noch so schöne Reden wider den Vogelfang halten. Du predigst doch tauben Ohren. Mach' es einmal ganz anders! Gewinne Dir zuerst den Eckstein der Vogelstellerzunft, den Gimpelkönig, geh' ihm in seiner Leidenschaft zu Leibe! Ich verschaffe Dir Gimpel zum Lernen – und Du mußt ein paar lernen, vor welchen sich alle Gimpel des Gimpelkönigs verstecken müssen. Er muß seine Reputation in Gefahr kommen, muß sie auf Dich übergehen sehen – so wird er mürbe und kapitulirt!«

»Vetter!« rief Heinrich und schloß die Wellersgrüner Sicherheitspolizei mit einer Freude in seine Arme, die dieses Institut ihm anderwärts nicht eingeflößt hatte – »Vetter! Du bekommst in meinem Hause deinen Auszug – Dein Plan ist göttlich – daß ich nicht selbst daraus verfiel! – Aber ich bin zu sehr verliebt, dergleichen auszudenken. – Vetter, mach' Deine Sach', ich mache die meine!«


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