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2.

Am Mittag, gleich nach dem Essen, als Kordel bereits wieder draußen herumwirthschaftete, zog Fritz den Müller mit sich auf die Bretmühle. Wie bekannt hat jede Schneidemühle ein Souterrain, in welchem sich die Radstube befindet. Dort häufen sich auch die von oben herabfallenden Sägespäne auf. Es mußte sich gerade treffen, daß Kordel, um dergleichen Späne einzufassen, sich in der Radstube befand, als Fritz und der Müller oben ankamen und sich auf den vor der Säge liegenden Klotz setzend, ein Gespräch begannen, in welchem das Mädchen fast das erste Wort war. Kordel war bestimmt nicht die Neugierigste ihres Geschlechtes, aber in diesem Falle konnte es ihr Niemand verargen, wenn sie sich nahe herbeischlich und sich hütete, ihre Anwesenheit zu verrathen. Der Bretschneider machte dem Müller Vorwürfe, daß er sein Versprechen bis heute nicht erfüllt hatte. Der Müller entschuldigte sich damit, daß es noch immer nicht habe passen wollen, fügte aber hinzu, daß er dem Fritz diesen wichtigen Dienst nur um einen Gegendienst leisten könnte. Auf Fritzens Befragen, was für Einer das wäre, antwortete der Müller:

»Das kann Er sich schon denken, Fritz! Er soll mir zu meinem Eigenthum verhelfen, den achtzehn Fichten oben an der Waldecke hinter der Mühle.«

Fritz kratzte sich hinter den Ohren und sagte kein Wort.

»Er meint doch nicht, es wäre ein Unrecht,« fuhr der Müller fort, »wenn wir die Fichten holen? Sie gehören mir von Rechtswegen; der Boden, worauf sie stehen, gehört zu meiner Mühle; der frühere Förster hat bei Lebzeiten meines Schwiegervaters die Grenzsteine verrückt und so die schönen Fichten, wie er keine auf seinem Revier hatte, an den Staatswald gebracht.«

»Warum suchen Sie denn Ihr Recht nicht?« fragte Fritz.

»Red' Er mir nicht von Rechtsuchen dem Fiskus gegenüber!« versetzte der Müller. »Soll ich mich um die Mühle prozessiren? Er weiß doch, wie es den Grumbachern geht, die nun seit fünfzig Jahren wegen des Streitwaldes mit dem Fiskus im Proceß liegen. Fritz – sei Er nicht wunderlich! Es ist ja keine Gefahr bei der Sache. Der neue Forstgehülfe ist auf dem Revier noch unbekannt, auch bin ich bereits gut Freund mit ihm und will ihn schon lenken.«

Fritz schüttelte den Kopf und sagte: »Mit dieser Sache möcht' ich nicht gern zu schaffen haben.«

»So hab' ich auch nichts mit Seinen Absichten auf die Kordel zu schaffen und ich gebe sie, wen sie sonst will.« Damit erhob sich der Müller und ließ den armen Fritz in der traurigsten Stimmung sitzen.

Kordel hatte von dieser Unterredung nicht ein Wort verloren. Sie vergaß die Sägspäne vor Zorn über den Vormund, daß er sie um achtzehn Fichten verkuppeln wollte und auch über den Fritz, daß er sich mit seiner Werbung an den Vormund statt an sie selber gewendet hatte.

Ihr Groll gegen den Vormund milderte sich indeß schon am Abend; denn da brachte er den Forstgehülfen mit nach Hause. Dieser hatte jetzt seinen grünen Anzug durch einen Tirolerhut vervollständigt, der ihm verwegen auf dem rechten Ohre saß. Statt Büchse und Waidtasche trug er ein weit friedlicheres Instrument am Arme: eine Guitarre, auf der er im Schreiten über die Hausflur bis in die Mitte der Stube einen Marsch spielte, zum Ergötzen der Müllerin und des gesammten Hausgesindes, nur nicht des Bretschneiders. Der ärgerte sich über die Musik dermaßen, daß er mit einer verteufelten Unmusik gegen sie ins Feld rückte: er nahm die Feile zur Hand und fing an, die Säge in einer Weise zu schärfen, daß es über eine halbe Stunde weit schrillte. Da konnte der Jäger allerdings nicht spielen und singen, weshalb die Müllerin hinausrannte und dem Fritz das Schärfen untersagte.

Der Forstgehülfe war in der That ein Sänger, wie ihrer nicht viele in grünen Pikeschen umherlaufen. Hätt' er nur einen bessern Gebrauch von seiner schönen Gottesgabe gemacht. Die gute Kordel hatte gar keine Ahnung, was für ein Springinsfeld der dunkellockige Sänger war, sonst hätte sie seinen schmeichelnden Tönen nicht so freien Eingang in ihr Herz gestattet, wie es schon am Morgen der Fall gewesen war und noch weit mehr diesen Abend geschah. Und diesem Abend folgten noch andere, ja, einen wie den andern stellte sich der Jäger ein, und eh' die Woche um war, fand er sich in der Mühle wie zu Hause, und Kordel's Herz hing wehrlos in seinem aus Gluthblicken und Tönen gewobenen Liebesnetz.

Um den Bretschneiderfritz war es geschehen. Am Sonntage mußte er sehen, wie Kordel in Begleitung des Müllers und des Grünrocks in »das Gericht« zu Tanze ging. Da fuhr die Hölle in sein Herz, und wie er ihnen nachsah, ballte er seine Faust und sprach: »Warte, du Tagedieb, dich will ich bald aus meinem Gehege vertreiben.« Darauf zog er sich an und ging ebenfalls in das Gericht.

Der Bretschneiderfritz war kein Säufer, und Niemand in ganz Königswald konnte auftreten und sagen, er habe ihn ein einziges Mal betrunken gesehen; heute betrank er sich, und das Bißchen Verstand, welches der Teufel der Eifersucht ihm noch gelassen, das trieb der Schnapsgeist vollends aus. Zwar war er nicht so voll, daß er taumelte, als er sich vom Müller bereden ließ, aus der Schänkstube hinauf in den Tanzsaal zu gehen, aber wer ihn kannte, sah, daß das Thier in ihm jetzt die Oberhand hatte. Die Kordel sah es ihm gleich an, als er auf sie zukam, und obschon sie nicht wagte, ihm den Tanz abzuschlagen, so riß sie sich doch gleich von ihm los, als er sie fest an sich riß, daß es ihr den Athem versetzte. Er wollte sich ihrer wieder bemächtigen, aber sie stieß ihn mit solcher Heftigkeit von sich, daß er zu Boden taumelte. Der Müller hob ihn auf und führte ihn fort, während Kordel sich unter den Schutz des Forstgehülfen flüchtete.

»Herr!« sprach Fritz zum Müller, als sie wieder nach der Schänkstube gingen, »wollen Sie die Fichten noch haben?«

»Er holt sie mir doch nicht,« erwiederte der Müller kühl.

»Ich hole sie – heute Nacht noch fang' ich an. Geben Sie auf die Kordel Acht und halten Sie den Försterburschen auf!«

»Verlaß Er sich auf mich!« sagte der Müller, worauf Fritz, ohne noch ein Wort zu sagen, davon eilte.

Der Forstgehülfe ließ sich nur zu gern halten, weniger durch das Zureden des Müllers, als durch den Zauber, den Kordel auf ihn übte. Es graute schon der Tag, als die drei Nachtschwärmer in die Mühle zurückkehrten. Der Forstgehülfe hängte sein Gewehr über, das er hier eingelegt hatte, nahm mit einem Kusse von Kordel Abschied und eilte dem Walde zu, um da nachträglich seine Pflicht zu erfüllen. Als er aber an ein wunderheimliches Plätzchen kam, wo ein von jungen Tannen beschatteter schwellender Mooshang zum Ruhen einlud, meinte er, es sei Eins besser als das Andere, legte sich und schlief ein. Erst als die Mittagssonne durch eine Oeffnung des dichten Gezweiges ihm ins Gesicht schien, erwachte er, und da mußte es sich noch schicken, daß ihm zwei Weiber mit schwergeladenen Holzkörben in den Weg kamen, gegen die er das Interesse des Staates durch Pfänden und Aufschreiben der Namen wahren konnte. Glücklich, zwei schneidende Beweise seines Diensteifers – eine Handsäge und ein Beil – dem Prinzipal überliefern zu können, betrat er das Forsthaus – aber mit einem »Hol' Sie der Henker mit Ihrem Bettel da!« wurden ihm die Pfänder von dem erzürnten Förster vor die Füße geworfen.

»Bei Ihnen heißt es wohl auch: Die kleinen Diebe hängt man, die großen läßt man laufen?« fuhr der Förster fort; »hätten Sie lieber aufgepaßt, daß man nicht die drei schönsten Fichten im Walde gestohlen hätte, als daß Sie auf ein paar alte Weiber mit Kaffeeholz fahndeten. Wenn Sie sich noch eine solche Nachlässigkeit zu Schulden kommen lassen, so sind wir auf der Stelle geschiedene Leute. Von heute an inspiciren Sie lediglich den Kriegwald, und da haben Sie Acht auf die Bretmühle, denn irre ich nicht, so haust dort unser Dieb, obgleich eine genaue Haussuchung in allen Ställen und Schuppen der Mühle nicht das Geringste ergeben hat.«


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