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Appendix.

Vorbemerkung.

Die Stellung des Whigministeriums, unter dem der spanische Erbfolgekrieg geführt worden war, schwankte im Innern. Aber man suchte das Volk über seine eigne Unzufriedenheit hinwegzutäuschen, indem man es mit glänzenden Siegesfesten usw. amüsierte. Fast bis zur Katastrophe hin war der Herzog von Marlborough, der den englischen Waffen immer neuen Ruhm erkämpfte, der Volksheld geblieben, und noch, als das Godolphin-Ministerium bereits gestürzt und Robert Harley von der Königin Anna an die Spitze der Geschäfte berufen worden war, blieb diese Popularität des Feldherrn bestehn. Marlborough war durch Freundschaft und Verwandtschaft eng mit dem gefallenen Günstling verbunden. Das neue Ministerium stand auf unsicherm Boden; es hatte zwar die Macht in der Hand, aber es sah ganz danach aus, als würde es sich nicht allzu lange halten. Der Sturz Godolphins war nur ermöglicht worden durch den Ruf: »Die Kirche ist in Gefahr!« Der unmittelbare Anlass war dieser gewesen: ein Prediger, der, bislang ganz bedeutungslos, das Pfarramt an der Heilandskirche zu Southwark verwaltete, hatte im Jahre 1709 am 14. August und am 5. November zu Derby und in St. Paul's zwei Predigten gehalten, die von Invektiven gegen die Whigs wimmelten. Dabei hatte er unter erdichteten Namen die Machthaber heftig angegriffen; wenigstens war das die allgemeine Annahme. Godolphin, der sich für unter dem Namen Volpone gemeint hielt, stellte ihn trotz der Opposition in seinem eignen Ministerium unter Anklage und setzte seine Suspendierung durch. Dadurch wurde der Pastor zum Märtyrer, und die Königin gab nur dem Druck der Volkserregung nach, als sie bald darauf Godolphin seines Amts enthob. Robert Harley, der an seine Stelle treten sollte, war unter Godolphin Staatssekretär und heimlicher Ratgeber der Königin gewesen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass er in gewissem Sinn eine echte Intrigantennatur war; und da er zudem allen extremen Massregeln von Herzen abgeneigt blieb, so versuchte er zunächst eine Kompromisspolitik. Dieser Versuch scheiterte am Widerstand der Whigs, die nicht mit Godolphins Gegner paktieren wollten. Die radikaleren Torys (der »Oktoberklub«) drohten das Übergewicht zu gewinnen; Harley verlor sein Ansehen. Da rettete ihn das Attentat eines französischen Flüchtlings, der ihn zu erdolchen versuchte. Noch einmal flutete ihm die Volksgunst zu. Und diesmal wusste er sie sich zu erhalten; der genialere Bolingbroke gewann an Boden und riss Harley mit fort, so dass er vollends zu den Torys übergehen musste. Ihre Freundschaft dauerte mehrere Jahre hindurch. Aber auch so wären sie ohne Marlboroughs Sturz nicht imstande gewesen, sich zu halten. Und hier griff Swift ein. Mit den beiden leitenden Männern verband ihn enge Freundschaft. Er hatte bei Harley für die irische Geistlichkeit durchgesetzt, was von Godolphin zu erlangen ihm missglückt war. Die Erstlinge und Zehnten verblieben hinfort, wie in England, auch in Irland den Geistlichen. Das Interesse der Kirche also verband ihn vor allem mit diesem Ministerium, und als man ihm klar machte, worauf es ankam, übernahm er die Aufgabe, Marlborough zu stürzen, dem Krieg ein Ende zu machen und den letzten Schlag gegen das gestürzte Ministerium zu führen. Er entledigte sich dieser Aufgabe durch den nachfolgenden Traktat, dessen Wirkung eine ungeheure war; rein literarisch wie politisch. Literarisch, weil wohl noch nie ein Angriff geschickter und rücksichtsloser geführt worden war; politisch, weil Harley die Stimmung geschickt auszunutzen verstand. Anfang November 1711 war Marlborough in London. Am 27. November erschien der Traktat; am 29. musste die zweite Auflage ausgegeben werden; am 3. Dezember die dritte; und bis zum Schluss des Jahres war selbst die fünfte vergriffen. Am 30. Dezember war Marlborough all seiner Ämter entsetzt. Am 4. Februar 1712 kam das »Verhalten der Verbündeten« im Unterhaus zur Sprache; Swift selber sagt (Tagebuch für Stella): »Alle Redner entnahmen ihre Argumente meinem Buch.« Das Harley-Ministerium war gerettet.

Die zweite, kürzere Schrift dieses Anhangs findet hier als ein halb politischer, halb satirischer, im Sinne des »Bescheidenen Vorschlags« satirischer Traktat seine Stelle, und er rundet den Band zugleich als Gegenstück zu der einleitenden »Predigt« in willkommener Weise ab.

Das Verhalten der Verbündeten und des letzten Ministeriums bei Beginn und Führung des gegenwärtigen Krieges.

 

– – Partem tibi Gallia nostri
Eripuit: partem duris Hispania bellis:
Pars jacet Hesperia: totoque exercitus orbe
Te vincente perit – – – –

Odimus accipitrem quia semper vivit in armis
– – – Victrix Provincia plorat.

 

Vorrede.

Ich kann den Fleiss einer gewissen Klasse von Menschen die beim Fürsten wie beim Volk in Ungnade sind und offen eingestehn, dass ihr Interesse ein andres ist als das der grossen Masse der Grundbesitzer, nicht genug bewundern; trotz allem vermögen sie bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge noch ein solches Geschrei gegen einen Friedensschluss zu erheben, ohne auch nur einen einzigen Grund anzuführen, es seien denn die, die wir in ihren Balladen finden. Ich stelle den Grundsatz auf: Kein vernünftiger Mensch, er sei ein Whig oder ein Tory (da es notwendig ist, diese törichten Ausdrücke zu gebrauchen), kann, wie der Krieg jetzt steht, für seine Fortsetzung sein, es sei denn, dass er durch ihn verdiene oder im Lande von ihm eine neue Wendung der Dinge erhoffe, die seiner Partei vorteilhaft ist; oder es sei denn schliesslich, dass er absolut nicht wisse, in welcher Lage das Königreich ist und was es in diese Lage gebracht hat. Über die beiden ersten Fälle, in denen es sich um persönliche Interessen handelt, habe ich nichts zu sagen. Was aber den dritten angeht, so halte ich es für höchst notwendig, dass man der Allgemeinheit offen und unparteiisch sage, in welchen Verhältnissen es sich befindet, wie es von denen behandelt worden ist, denen es so viele Jahre lang das Verfügungsrecht über ihr Blut und Gut anvertraut hatte, und welches wahrscheinlich für es selbst wie für ihre Nachkommenschaft die Folgen solcher Behandlung sein werden.

Jene, die es übernommen hatten, in Schriften und Reden das verflossene Ministerium Das 1710 gestürzte Whigministerium (Godolphin); vergleiche weiter unten. in Dingen der Führung des Kriegs und des Vertrags zu Gertrudenburg zu verteidigen, haben ihre Zeit damit hingebracht, die Haltung und Tapferkeit unsrer Führer und ihrer Truppen zu feiern, und die Siege, die sie gewonnen, und die Städte, die sie eingenommen haben, zu addieren. Sie berichten uns ferner, auf welchen wichtigen Artikeln unsre Minister und die der Verbündeten bestanden, und wieviel Mühe es beiden machte, Frankreich zu ihrer Annahme zu überreden. Aber all das vermag gegenüber den gerechten Klagen des Königreichs nicht die geringste Genugtuung zu geben. Was den Krieg angeht, so sind unsre Beschwerdepunkte diese: Uns ist eine grössere Last auferlegt worden, als gerecht oder notwendig war und als wir zu tragen imstande sind; man hat sich den gröbsten Vorspiegelungen gefügt, um Reichtum und Macht einzelner zu fördern oder um den noch gefährlicheren Plänen einer Partei Vorschub zu leisten, welch beiden Dingen der Friedensschluss ein Ende gemacht hätte; und schliesslich wurde derjenige Teil des Krieges, der vor allem auf unserm Gebiet gelegen hätte, und wie für den Feind am verderblichsten, so für uns am vorteilhaftesten gewesen wäre, vollständig vernachlässigt. Was aber einen Friedensschluss angeht, so beklagen wir uns, dass man uns durch einen Scheinvertrag täuscht; die Unterhandelnden sorgten schon dafür, Forderungen zu stellen, die, wie sie genau wussten, unannehmbar waren; und deshalb konnten sie auf jedem Artikel in aller Sicherheit so lange bestehn, als wäre es ihnen wirklich Ernst.

Das sind ein paar der Punkte, von denen ich in der folgenden Abhandlung zu handeln gedenke; und zwar zusammen mit mehreren andern, über die nunmehr unterrichtet zu werden, mir für das Königreich notwendig scheint. Ich glaube, ich täusche mich in den Tatsachen, die ich erwähne, nicht; wenigstens in keinem so wesentlichen Punkt, dass dadurch die Folgerungen, die ich aus ihnen ziehe, erschüttert würden.

Wenn man uns nach zehnjährigem, ununterbrochen erfolgreichem Kriege sagt, es sei bislang unmöglich, einen guten Frieden zu schliessen, so ist das sehr überraschend, und es scheint von allem, was je zuvor in der Welt geschehen ist, so sehr abzuweichen, dass jedem Mitglied jeder Partei gestattet sein muss, zu argwöhnen, man sei entweder schlecht mit uns umgegangen oder wir hätten unsre Siege nicht ausgenutzt; dann aber können wir verlangen, dass man uns aufklärt, wo die Schwierigkeit lag. Ferner ist es nur natürlich, dass wir unsre gegenwärtige Lage untersuchen und uns fragen, wie lange wir in diesem Masse fortzufahren imstande sein werden, welches die Folgen für die Gegenwart und die Zukunft sein mögen, und ob ein Friede ohne jenen Punkt, der nicht durchzusetzen ist und auf den gewisse Leute so grosses Gewicht legen, an sich wirklich verderblich sein müsste, oder ebenso verderblich wie eine Fortführung des Krieges.

Das Verhalten der Verbündeten usw.

Ich glaube, dass die Motive, die einen weisen Fürsten oder Staat in einen Krieg verwickeln können, in einem oder mehreren der folgenden bestehn müssen: Entweder will man der übergross gewordenen Macht eines ehrgeizigen Nachbars halt gebieten; man will zurückerobern, was einem ungerechterweise genommen worden ist; man will eine erhaltene Beschimpfung rächen (was alle politischen Kasuisten erlauben); man will einem Verbündeten in einem gerechten Streit helfen; oder schliesslich, um sich im Fall eines Einbruchs in ihr Gebiet zu verteidigen. In allen diesen Fällen geben die Schriftsteller, die über die Politik gehandelt haben, zu, dass der Krieg gerechterweise unternommen wird. Den letzten nennt man gemeinhin den Krieg pro aris et focis; da kann kein Geldopfer und keine Anstrengung zu gross sein, denn alles, was wir besitzen, steht auf dem Spiel, und also müssen wir alle Kräfte anspannen; auch findet der Streit entweder in der Rettung oder in völliger Vernichtung ein baldiges Ende. Doch in den andern vier Fällen, glaube ich, wird man erkennen, dass kein Monarch und kein Staat sich je über einen gewissen Grad hinaus eingelassen hat; nie gingen sie so weit, dass sie durch Vorschüsse und Darlehn die Kraft und den Wohlstand ihrer Nation erschöpften, denn dadurch hätten sie in wenigen Jahren in eine schlimmre Lage kommen müssen, als sie sie vernünftigerweise von eben den Übeln befürchten konnten, denen vorzubeugen sie den Krieg begannen. Das hiesse in ein wirkliches, unfehlbares Verderben hineinrennen, weil man hofft, etwas zu verhindern, was sich nur nach einer Wahrscheinlichkeitsrechnung als ein Verderben erweist.

Und wie ein Krieg nur auf Grund eines gerechten und wohlbedachten Motivs unternommen werden dürfte, so ist es noch selbstverständlicher, dass ein Fürst, wenn er ihn unternimmt, reiflich erwägen sollte, in welcher Lage er sich befindet: ob seine Kassen gefüllt, seine Einkünfte schuldenfrei, seine Untertanen infolge eines langen Friedens und ungehemmten Handels zahlreich und wohlhabend und nicht von vielen schwer lastenden Steuern bedrückt sind, ob nicht irgend eine gewalttätige Partei bereit ist, ihm sein verbürgtes Kronrecht streitig zu machen und dadurch im Lande seine Macht und im Ausland sein Ansehn zu schwächen. Denn wenn das Gegenteil von all dem der Fall ist, wird er sich kaum überreden lassen, die Ruhe der Welt und seine eigne Ruhe zu stören, solange ihm noch irgend ein Weg offen bleibt, diese Ruhe in Ehre und Sicherheit aufrechtzuerhalten.

Angenommen nun, der Krieg sei auf Grund eines gerechten Motivs begonnen, so bleibt dann zunächst zu erwägen, wann ein Fürst klugerweise die Eröffnung von Friedensverhandlungen hinnehmen sollte. Ich glaube, das sollte er dann tun, wenn entweder der Feind bereit ist, in dem Punkt, um den der Streit sich ursprünglich drehte, nachzugeben, oder wenn sich herausgestellt hat, dass es unmöglich ist, dies jemals durchzusetzen, oder wenn die Fortsetzung des Streites, wiewohl es wahrscheinlich ist, dass das Ziel schliesslich erreicht werden würde, den Fürsten und sein Volk in eine schlimmere Lage brächte, als die sofortige Aufgabe des Ziels. All diese Erwägungen haben ein noch weit grösseres Gewicht, wo ein Krieg von einer Vereinigung vieler Verbündeter geführt wird, denn ein solches Bündnis ist infolge der Mannigfaltigkeit der Interessen unter den verschiedenen Parteien vielen unvorhergesehenen Zufällen ausgesetzt.

Wenn verbündete Mächte einen Krieg führen, sollte man erwägen, welche Partei an dem Streit am tiefsten beteiligt ist; denn wenn auch alle ihre besondern Gründe haben mögen, so werden doch einer oder zwei unter ihnen wahrscheinlich tiefer beteiligt sein, als die andern, und deshalb sollten sie auch im Verhältnis zu ihrer Kraft den grösseren Teil der Bürde tragen. Zum Beispiel: zwei Fürsten bewerben sich im Wettkampf um ein Königreich, und es wird in unserm Interesse liegen, wenn wir die Partei dessen ergreifen, der uns wahrscheinlich gute Handelsbedingungen gewähren wird, und nicht dessen, der das nicht tun wird. Der Fürst aber, dessen Sache wir zur unsern machen, und geschehe es mit noch so grosser Energie, bleibt die Hauptperson in diesem Kriege, und wir sind im strengsten Sinne nur Nebenperson. Oder ein Staat ist vielleicht in Gefahr, von einem mächtigen Nachbar überfallen zu werden, was für unsre Freiheit und unsern Handel mit der Zeit sehr schlimme Folgen haben kann. Dann ist es ebenso notwendig wie geraten, dass wir ihm Unterstützung gewähren und ihm helfen, sich eine starke, sichere Grenze zu schaffen. Da aber der andre Staat seinerzeit der zunächst und vor allem leidende Teil sein müsste, so sollte er auch dem Rechte nach die grössere Last tragen. Wenn ein Haus in Flammen steht, so geziemt es der ganzen Nachbarschaft, mit Eimern zum Löschen herbeizulaufen; aber der Eigentümer ist sicherlich der erste, dem sein Verderben bevorsteht; und es ist nicht unmöglich, dass die Leute hinter der nächsten Tür durch einen vom Himmel gesandten Regenschauer oder durch die Windstille oder einen andern glücklichen Zufall davonkommen.

Wenn aber ein Bundesgenosse, der von dem guten oder schlimmen Ausgang des Krieges nicht so unmittelbar betroffen wird, grossmütig genug ist, um mehr zur Kriegführung beizutragen als der Hauptbeteiligte, ja sogar im Verhältnis zu seinen Kräften mehr, so sollte er wenigstens seinen Anteil an dem erhalten, was vom Feind erobert wird; oder wenn ihn seine romantische Anlage so weit mit fortreisst, dass er darin wenig oder nichts erwartet, so könnte er immerhin hoffen, dass die Hauptbeteiligten ihn durch erhöhte Würde und Ehre entschädigen; und er würde es sicherlich als ungeheuerlich ansehn, wenn er fände, dass sie sich in seine innern Angelegenheiten einmischten, ihm vorschrieben, welche Diener er behalten oder entlassen soll, ihn beständig mit den unvernünftigsten Forderungen bedrängten und bei jeder Gelegenheit mit einem Abbruch des Bündnisses drohten, wenn er sich nicht fügen will.

Von diesen allgemeinen Erwägungen über den Krieg im allgemeinen steige ich zu einer Betrachtung derjenigen Kriege herab, in die England seit der Eroberung Durch Wilhelm den Eroberer. verwickelt gewesen ist. In den Bürgerkriegen der Barone sowohl wie denen der Häuser York und Lancaster wurde viel Zerstörung unter dem hohen und niederen Adel angerichtet, neue Familien erhoben sich, alte erloschen; aber das auf beiden Seiten ausgegebene Geld wurde im Lande verbraucht und lief im Lande um; es wurden keine öffentlichen Schulden aufgenommen, und ein paar Jahre des Friedens brachten alles wieder in Ordnung.

Das gleiche lässt sich selbst von jener unnatürlichen Empörung wider König Karl I. sagen; die Usurpatoren hielten beständig grosse Heere in ihrem Sold und sie hatten ununterbrochen Krieg mit Spanien oder Holland; da sie ihn aber mit ihren Flotten führten, so steigerten sie den Reichtum des Königreichs ungeheuer, statt ihn zu erschöpfen.

Unsre auswärtigen Kriege richteten sich meist gegen Schottland oder Frankreich; jene li[*]egen auf unserm eignen Landkomplex, führten also auch kein Geld zum Königreich hinaus und waren selten von langer Dauer. Während unsrer ersten Kriege mit Frankreich hatten wir grosse Besitzungen in jenem Lande, wo wir bis in die Zeit der Königin Maria hinein noch einigen Grund und Boden behaupteten; und obwohl noch ein paar unsrer letzten Fürsten sehr kostspielige Feldzüge dorthin unternahmen, so tilgten doch eine Subsidie und zwei oder drei Fünfzehnte die ganze Schuld. Die Subsidie ist eine Hilfssteuer; ebenso der Fünfzehnte (wie der Zehnte oder die Zehnten Abgaben an die Geistlichkeit waren, so der Fünfzehnte von der Krone erhobene ausserordentliche Beiträge zu den Kosten eines Krieges usw. Ausserdem waren damals unsre Siege noch von einigem Nutzen für uns, abgesehn davon, dass sie uns Ruhm eintrugen; denn wir waren klug genug, nur für uns selbst zu kämpfen, und glücklich genug, nur für uns zu siegen.

Die holländischen Kriege wurden zwar unter einer sehr verderbten Verwaltung und sehr zur Unehre der Krone begonnen und fortgeführt, und der König blieb arm und bedürftig, weil er sein Parlament auflöste oder unzufrieden machte, während er seine Hilfe am dringendsten brauchte; aber sie erlegten der Nation wenigstens keine Schulden auf und entzogen ihr auch kein Geld.

Zur Zeit der Revolution Gemeint natürlich die englische Revolution. brach in Europa ein allgemeiner Krieg aus, und viele Fürsten verbanden sich gegen Frankreich, um die ehrgeizigen Absichten seines Monarchen zu brechen. Der Kaiser, die Holländer und England waren die Hauptbeteiligten. Um diese Zeit begann auch zum erstenmal die Sitte unter uns, Millionen als verzinsbare Staatsschulden zu borgen. Es wurde behauptet, dass der Krieg unmöglich länger als einen oder zwei Feldzüge dauern könnte; die aufgenommenen Schulden würden in wenigen Jahren durch eine milde Steuer, die den Untertanen nicht belastete, zu tilgen sein. Aber der wahre Grund, weshalb man dieses Mittel ergriff, lag in der Sorge für die Sicherheit eines neuen Fürsten, der noch nicht fest auf seinem Thron sass. Durch hohe Provisionen und Zinsen verlockte man die Leute, Geld herzuleihen, und es lag sehr in ihrem Interesse, die Regierung zu stützen, der sie ihr Geld anvertraut hatten. Die Persönlichkeit, die der Urheber eines so abscheulichen Plans gewesen sein soll, Bischof Burnet, der Verfasser einiger historisch-biographischer Werke und einer Geschichte der Reformation in England. Swift schrieb unter dem Pseudonym Gregory Misosarum (Burnet war Bischof von Sarum; Sarum = Salisbury) eine vernichtend ironische oder vielmehr geradezu verhöhnende »Vorrede zu der Einführung des Bischofs von Sarum in den dritten Band der Geschichte der Reformation der englischen Kirche«. Doch hat er seine Gelehrsamkeit stets anerkannt. ist noch am Leben; und so erlebt er denn auch ein paar der verhängnisvollen Folgen, deren Ende selbst seine Enkel noch nicht erleben werden. Und dieser verderbliche Rat stimmte ausgezeichnet zum Stand der Dinge in damaliger Zeit. Denn eine ganze Gesellschaft von Emporkömmlingen, die an der Revolution keinen oder nur geringen Anteil genommen hatten, sich aber durch ihr Geschrei und ihren angeblichen Eifer hervortaten, sowie die Arbeit geleistet war, erwarben sich bei Hofe Einfluss, indem sie Staatsanleihen und Schulden übernahmen und entwarfen. Da sie aber sahen, dass die Gutsherrn keineswegs bereit waren, auf ihre Massnahmen einzugehn, verfielen sie auf jene neue Art der Gelderhebung, um so ein Geldinteresse zu schaffen, das mit der Zeit in Wettkampf mit dem Grundbesitz treten könnte und an dessen Spitze sie selbst zu stehn hofften.

Das Ziel des ersten Krieges zehn Jahre nach der Revolution hindurch war, soweit wir in Frage kamen, Frankreich zur Anerkennung des verstorbenen Königs zu zwingen und Hudsons Bay zurückzuerobern. Aber während des ganzen Krieges wurde der Kampf zur See fast völlig vernachlässigt, und der grössre Teil von jährlich sechs Millionen wurde dazu verwendet, die Grenzen der Holländer zu erweitern. Denn der König war ein General, aber kein Admiral; und wiewohl er König von England war, blieb er geborner Holländer.

Nach zehnjährigem, fast zwecklosem Kampf, während dessen mehr als hunderttausend Mann verloren gingen und nach dem eine Schuld von zwanzig Millionen übrig blieb, hörten wir endlich auf Friedensverhandlungen, und es kam zu einem Vertrag, der dem Kaiser grosse Vorteile brachte, uns aber gar keine; und bald darauf wurde er noch mit dem berühmten Teilungsvertrag belastet, nach dem Neapel, Sizilien und Lothringen den französischen Besitzungen hinzugefügt werden sollten; wenn aber diese Krone den Vertrag auf Grund der Weigerung Spaniens, ihn anzuerkennen (und noch während der Unterhandlungen erklärte Spanien seine Weigerung den verschiedenen Beteiligten) zu verwerfen für geraten hielte, so sollten die Franzosen auf die ganze Monarchie Anspruch haben. Und so kam es denn auch schliesslich, denn da der verstorbene König von Spanien es für unwürdig hielt, dass andre Fürsten seine Gebiete zu seinen Lebzeiten und ohne seine Einwilligung in Stücke schnitten, so zog er es vor, die Monarchie ungeteilt einem jüngren Prinzen Frankreichs zu vermachen. Und dieser Prinz wurde von uns und Holland als König von Spanien anerkannt. Das war Philipp von Anjou. Die Erbfolgefrage in Spanien hatte noch weit kompliziertere Folgen. Swift vereinfacht hier. Siehe jede Weltgeschichte.

Man muss zugeben, dass der Rat, sich in diesen Krieg einzulassen, heftigen Widerstand in der Kirchenpartei fand, die dem verstorbenen König zuerst nahe legte, den Herzog von Anjou anzuerkennen; und vor allem wird behauptet, dass eine gewisse grosse Persönlichkeit, Gemeint ist Sidney Godolphin, die Seele des eben gestürzten Whigministeriums unter der Königin Anna; siehe die Einleitung zu diesem Appendix. Godolphin war mit Marlborough befreundet und verschwägert. Im einzelnen wird von ihm im dritten Bande dieser Ausgabe die Rede sein. die damals auf Seiten der Kirche stand, dem König im November 1701 gesagt habe: Da seine Majestät entschlossen sei, sich seiner eignen Ansicht zuwider in einen Krieg einzulassen, so könne er ihm nicht länger dienen; und also gab er sein Amt auf, wiewohl er später, als er an die Spitze des Ministeriums treten und die alleinige Leitung aller Geschäfte im Lande übernehmen sollte, seine Meinung änderte; gleichzeitig lag nämlich die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten in den Händen eines Mannes, dessen Interessen er durch allerlei Bande zu fördern verpflichtet war.

Die Kriegserklärungen gegen Frankreich und Spanien, die wir und Holland erliessen, sind nur um wenige Tage verschieden datiert. In der von den Generalstaaten veröffentlichten sagen sie sehr richtig: »sie seien dem Feuer am nächsten und ihm am meisten ausgesetzt; sie seien von allen Seiten eingeschlossen und gegenwärtig von den Königen von Frankreich und Spanien angegriffen; ihre Erklärung sei das Ergebnis einer dringenden und unvermeidlichen Notwendigkeit«; und weitere Ausdrücke besagen dasselbe. Sie »bitten um die Hilfe aller Könige und Fürsten usw.« Die Gründe ihres Streits mit Frankreich berühren nur sie selbst, oder wenigstens tun sie das unmittelbarer als sie irgend einen andern Fürsten oder Staat angehn; zum Beispiel »weigern die Franzosen sich, den im Vertrag von Ryswick versprochenen Zolltarif anzuerkennen; die in Frankreich ansässigen holländischen Untertanen werden, besagtem Vertrag zuwider, mit übertriebenen Steuern belastet; der Erbteilungsvertrag wird von den Franzosen dadurch verletzt, dass sie das Testament des Königs von Spanien anerkennen und die Staaten bedrohn, wenn sie sich nicht fügen wollen; die spanischen Niederlande sind von französischen Truppen besetzt, und die Holländer, die dort mit Erlaubnis des verstorbenen Königs von Spanien in Garnison lagen, werden vertrieben; und dadurch wird die Republik, entgegen dem Erbteilungsvertrag, ihrer Grenzwehr beraubt; denn es war eigens ausbedungen worden, dass die spanischen Niederlande dem Erzherzog verbleiben sollten«. Sie führten an, »der französische König regiere Flandern wie sein Eigentum, wenn auch im Namen seines Enkels; Philip von Anjou war der zweite Sohn des Dauphins. und er schicke grosse Truppenmengen dorthin, um sie zu schrecken; er habe die Stadt und die Zitadelle von Lüttich besetzt, sich in den Besitz mehrerer Plätze im Erzbistum Köln gebracht, ja, er unterhalte Truppen in der Gegend von Wolfenbüttel, um die Holländer auf allen Seiten einzuschliessen, und er habe seinen Residenten eine Denkschrift überreichen lassen, in der er den Staaten drohe, gegen sie einzuschreiten, wenn sie sich weigerten, sich dem Inhalt dieser Denkschrift zu fügen.«

Die Kriegserklärung der Königin stützt sich auf die grosse Koalition, wie diese sich auf die ungerechten Usurpationen und Eingriffe des französischen Königs stützte; die angeführten Beispiele dafür sind diese: »Er halte einen grossen Teil der spanischen Besitzungen besetzt, habe Mailand und die spanischen Niederlande weggenommen, sich zum Herrn von Cadiz gemacht usw. Und statt in diesen Punkten Genugtuung zu geben, habe er Ihre Majestät und deren Königreiche unwürdig behandelt und beschimpft, indem er den angeblichen Prinzen von Wales Dem »Prätendenten«. zum König von England erklärte usw.« Und dieses letzte war das einzige, wodurch wir persönlich an dem Krieg beteiligt waren; und dabei wurde dieser Punkt sogar von Frankreich energisch geleugnet, da der König bereit sei, Ihre Majestät anzuerkennen.

Mir scheint, aus beiden Erklärungen geht klärlich hervor, dass England so wenig ein Hauptbeteiligter an diesem Krieg sein konnte, wie etwa Preussen oder irgend eine andre Macht, die später in die Allianz eintrat. Holland war der Gefahr am nächsten, denn die französischen Truppen standen damals vor den Toren von Nimwegen. Aber die Klagen, die in unsrer Erklärung erhoben werden, gehn mit Ausnahme der letzten fast ebensoviel oder gar mehr jeden Fürsten in Europa an.

Denn unter den verschiedenen Parteien, die früher oder später in dieses Bündnis eintraten, waren keine, die nicht von einem guten oder schlimmen Ausgang dieses Krieges mehr zu gewinnen oder zu verlieren, zu hoffen oder zu fürchten hatten als wir. Die Holländer griffen zu den Waffen, um sich vor der unmittelbaren Vernichtung zu bewahren; und durch einen erfolgreichen Krieg dachten sie ihren Landbesitz zu erweitern und ihre Grenze gegen Frankreich zu verbessern. Der Kaiser hoffte, auf unsre und Hollands Kosten die Monarchie Spanien zurückzuerobern, oder wenigstens einen Teil. Der König von Portugal hatte Nachricht erhalten, dass Philipp die alten Ansprüche Spaniens auf sein Königreich erneuern wollte; und da es auf allen Seiten mit Ausnahme der Küste von Spanien umgeben wird, konnte es nur durch eine Seemacht verteidigt werden. Das vermochte, im Verein mit den günstigen Bedingungen, die König Karl und wir ihm boten, diesen Fürsten, sich der Allianz anzuschliessen. Die Hoffnungen und Besorgnisse des Herzogs von Savoyen waren noch grösser; da sollte die Hauptlast des Krieges von England getragen werden, und der ganze Vorteil sollte ihm zufallen. Wenn Mailand erobert würde, so war ausbedungen worden, dass Seine Hoheit das Herzogtum Montferrat erhalten sollte, das bisher dem Herzog von Mantua gehörte; und ferner die Provinzen Alexandria und Valencia und Lomellino, nebst andern Gebieten zwischen dem Po und dem Tanaro, vereinigt mit dem Vigevenasco, oder statt dessen einer Entschädigung aus der Provinz Novara, die an seinen eignen Staat grenzte; und schliesslich auch noch alles, was die verbündeten Mächte auf dieser Seite Frankreich abnehmen würden. Andrerseits schwebte er in der furchtbaren Besorgnis, von Frankreich eingeschlossen zu werden; denn Frankreich hatte viele Truppen im Mailändischen stehn und hätte sein ganzes Herzogtum leicht hinunterschlucken können.

Der Rest der Verbündeten kam nur für Hilfstruppen in Betracht; sie steckten beträchtliche Summen in die eigene Tasche und weigerten sich, dem Kaiser ihre Mannschaften zu schicken, indem sie vorgaben, ihre Truppen seien schon von England und Holland in Sold genommen worden.

Bald nachdem der Herzog von Anjou die Monarchie entgegen dem Erbteilungsvertrag übernommen hatte, erhob sich hier in England die Frage, ob man den Frieden aufrecht erhalten oder einen neuen Krieg beginnen sollte. Wer für den Frieden war, führte die Schulden und Schwierigkeiten ins Feld, unter denen wir litten; sowohl wir, sagte man, wie Holland hätten Philipp schon als König von Spanien anerkannt; auf die Zuneigung der Spanier zum Hause Österreich und auf ihre Abneigung gegen das Haus Bourbon sei nicht so sicher zu rechnen, wie manche behaupteten; wir hielten es für eine Unverschämtheit und Ungerechtigkeit von Seiten der Franzosen, dass sie uns einen König aufzwingen wollten, und die Spanier würden sagen, wir hätten unsrerseits ebenso wenig Grund, ihnen einen aufzuzwingen; freilich seien Anlage und Geist der beiden Völker sehr verschieden, und sie würden es vermutlich bleiben, ob sie nun unter einem König aus französischem Blut lebten oder unter einem aus österreichischem, aber wenn wir uns in einen Krieg einliessen, um den Herzog von Anjou zu entthronen, so würden wir durch seinen Fortgang und durch unsre Operationen sicherlich gerade das herbeiführen, was wir zu verhindern suchten, nämlich eine Verbindung der Interessen und der Neigungen der beiden Nationen; denn die Spanier müssten sicherlich französische Truppen zu Hilfe rufen. Dadurch kämen dann französische Ratgeber an König Philipps Hof, und allmählich würden die beiden Nationen aneinander gewöhnt und mit einander versöhnt. Wenn man König Karl durch englische oder holländische Streitkräfte unterstützte, so würde ihn das seinen neuen Untertanen verhasst machen, denn sie verabscheuten nichts so sehr wie die, die sie für Ketzer hielten. Dadurch würden die Franzosen zu Herren der Schätze in Spanisch-Westindien werden. Im letzten Kriege, als Spanien, Köln und Bayern mit uns verbündet waren und nach niedriger Schätzung gegen den gemeinsamen Feind sechzigtausend Mann ins Feld stellten, als Flandern, der Schauplatz des Krieges, auf unsrer Seite, und Seine Majestät, ein Fürst von grosser Tapferkeit und hohem Mut, an der Spitze der ganzen verbündeten Armee stand, hatten wir trotz allem keinen Grund, uns unsrer Erfolge zu rühmen; wie also sollten wir imstande sein, Frankreich entgegen zu treten, während jene Mächte wider uns wären; denn sie würden ja sechzigtausend Mann von uns zum Feinde überführen und uns also gleich zu Anfang dieses Krieges im Verhältnis um einhundertundzwanzigtausend Mann schwächer machen als wir in dem von 1688 waren?

Auf der andern Seite führten jene, deren Anschauungen oder deren geheime Motive sie dazu drängten, ihre Stimme für einen neuen Krieg abzugeben, ins Feld, wie gefährlich es für England sein müsste, wenn Philipp König von Spanien würde; wir hätten keinerlei Bürgschaft für unsern Handel, solange jenes Königreich einem Fürsten aus dem Hause Bourbon untertan sei, und keinerlei Hoffnung auf Erhaltung des europäischen Gleichgewichts, weil der Grossvater Ludwig XIV. der wirkliche König sein würde, während der Enkel nur den Titel trüge; und dadurch sei jenem eine bessere Gelegenheit gegeben als je, sein Streben nach einer Weltmonarchie zu verfolgen. Diese und ähnliche Argumente trugen den Sieg davon; und ohne eine andre Abhilfe zu versuchen, ohne in Musse die Folgen zu erwägen oder uns unsre eigne Lage klar zu machen, liessen wir uns übereilt in einen Krieg ein, der uns sechzig Millionen gekostet hat; und nach ebenso häufigen wie unerwarteten Waffenerfolgen hat dieser Krieg uns und unsre Nachkommenschaft in eine schlimmere Lage gebracht nicht nur als irgend einen unsrer Verbündeten, sondern sogar als unsre besiegten Feinde.

Die Rolle, die wir unsern ausländischen Bundesgenossen gegenüber und inbezug auf eine im Lande herrschende Partei in der Führung dieses ganzen Krieges gespielt haben, will ich jetzt des genaueren untersuchen. Und ich denke, es wird sich da vermöge klarer Tatsachen zeigen, dass keine Nation jemals so lange und so empörend von der Narrheit, der Verwegenheit, der Verderbtheit und dem Ehrgeiz ihrer innren Feinde getäuscht und von ihren fremden Freunden mit soviel Unverschämtheit, Ungerechtigkeit und Undank behandelt worden ist.

Das wird sich ergeben, wenn wir die drei folgenden Punkte beweisen.

Zunächst haben wir uns gegen jede Klugheit und jede gewöhnliche Vernunft als Hauptbeteiligte in diesen Krieg eingelassen, während wir nur als Hilfskräfte hätten handeln sollen.

Zweitens haben wir unsre Kraft damit erschöpft, den Teil des Krieges zu verfolgen, der dem Ziel, das wir uns bei seinem Beginn steckten, am wenigsten entsprechen konnte; und wir haben da überhaupt keine Anstrengungen gemacht, wo wir den gemeinsamen Feind am meisten hätten schwächen und zugleich uns selbst bereichern können.

Drittens haben wir einem jeden unsrer Verbündeten erlaubt, jeden Artikel der Verträge und Vereinbarungen, durch die sie gebunden waren, zu brechen und uns die Last aufzuerlegen.

Was nun den ersten dieser drei Punkte angeht, dass wir nur als Hilfskräfte hätten in diesen Krieg eintreten sollen, so möge jedermann sich überlegen, in welcher Lage wir damals waren. Eben hatten wir den langwierigsten, kostspieligsten und erfolglosesten Krieg hinter uns, den England je unternommen hatte; schwere Schulden von einer Art und einer Höhe, wie sie bei uns und unsern Vorfahren unerhört waren, drückten uns nieder; die grosse Masse des Landadels und Volks war des Kriegs von Herzen müde und jedes Friedens froh, wenn er uns auch keinerlei Vorteil brachte ausser eben dem Frieden; keine plötzliche Aussicht auf eine Erniedrigung unsrer Steuern, die ebenso notwendig geworden waren, um unsre Schulden zu bezahlen, wie um Heere auszuheben; eine Art künstlichen Reichtums an Staats- und Börsenpapieren in den Händen derer, die die Allgemeinheit seit zehn Jahren ausgeplündert hatten; viele Verderbtheiten in jedem Zweig unsrer Regierung, die der Reformation bedürftig waren. Unter diesen Schwierigkeiten, von denen uns kaum zwanzig Jahre des Friedens und die weiseste Leitung hätten befreien können, erklären wir Frankreich den Krieg, das verstärkt war durch den Beitritt und das Bündnis jener zuvor erwähnten Mächte, die in dem früheren Krieg auf unsrer Seite im Bunde gestanden hatten. Es ist handgreiflich, welch einen Wandel im Gleichgewicht es hervorrufen musste, wenn solche Gewichte aus unsrer Wagschale herausgenommen und in ihre gelegt wurden; denn schon hatten zehn Jahre der Erfahrung gezeigt, dass Frankreich auch ohne diese Verstärkungen imstande war, sich gegen uns zu halten. Jede menschliche Wahrscheinlichkeit stand also zu gewaltigem Vorteil auf der gegnerischen Seite, und in einem solchen Fall dürfte nichts als die äusserste Not einen Staat zu einem Kriege drängen. Philipp hatten wir als König von Spanien bereits anerkannt; auch spricht die Kriegserklärung der Königin nicht von des Herzogs von Anjou Thronfolge als einem Streitpunkt, sondern nur davon, dass der französische König diese Monarchie wie seine eigne regierte, davon, dass er Cadiz, Mailand und die Spanischen Niederlande besetzt hatte und uns den Schimpf antat, den Prätendenten zu proklamieren. In all diesen Dingen werfen wir jenem Fürsten nichts vor, was uns direkt anging, nur das letzte ausgenommen. Und diesem letzten hätte sich, wiewohl es eine schwere Beschimpfung war, leicht ohne einen Krieg abhelfen lassen; denn der französische Hof erklärte, er erkenne den Prätendenten keineswegs an, sondern gebe ihm nur den Titel eines Königs, den auch August seine schwedischen Feinde zuerkannt hätten, als sie ihn aus Polen vertrieben und ihn zwangen, Stanislaus anzuerkennen. August II. von Sachsen, König von Polen; abgesetzt als solcher von Karl XII. von Schweden. Stanislaus musste nach der Schlacht von Pultawa fliehen, und selbst nach Augusts Tod im Jahre 1733 konnte er sich die Thronfolge nicht sichern.

Freilich hätte uns die Gefährdung der Holländer durch eine so schlimme Nachbarschaft in Flandern in ihren Folgen berühren können; und wenn Spanien dem Hause Österreich verloren ging und unter französischem Einfluss und durch französische Politik regiert wurde, so hätte sich das auf die Dauer als für unsern Handel sehr verderblich herausstellen können. Es wäre deshalb nur klug gewesen, wie es grossmütig und barmherzig war, unserm Nachbarn zu helfen; und wir hätten das tun können, ohne uns selbst zu schädigen. Denn nach einem alten Vertrag mit Holland waren wir verpflichtet, der Republik mit zehntausend Mann zu Hilfe zu kommen wenn sie von den Franzosen angegriffen würde. Als nun deren Truppen beim Tode des spanischen Königs für Philipp Flandern besetzten und sich der holländischen Garnisonen bemächtigten, bis sie ihn anerkennen würden, verlangten die Generalstaaten in einer Note ihres hiesigen Gesandten nur die zehntausend Mann, die wir ihnen kraft jenes Vertrags zu geben verpflichtet waren; und ich zweifle nicht daran, dass die Holländer sich energisch genug angestrengt hätten, um mit dieser Unterstützung allein ihre Grenzen zu verteidigen. Oder wenn sie zu einem Friedensschluss gezwungen worden wären, so hätten die Spanier, die es hassen, ihre Monarchie zerstückeln zu lassen, nimmermehr zugegeben, dass die Franzosen Flandern an sich rissen. Um jene Zeit hatten sie noch nicht die Neigung zu einander, die dieser Krieg erzeugt hat; und all der Hass und all die Eifersucht, die von Natur zwischen den beiden Nationen bestehen, hätten sich damals gezeigt. Also lag für uns keinerlei Notwendigkeit vor, weiter zu gehn, selbst wenn wir in besserer Lage gewesen wären. Aber unsre Politiker hatten andre Dinge im Auge, und auf den Rat derer, die mit ihren Parteigängern und Anhängern allein dadurch gewinnen konnten, musste ein neuer Krieg unternommen werden. Deshalb wurde zwischen dem Kaiser, England und den Generalstaaten eine grosse Allianz geschlossen, nach der die beteiligten Parteien, wenn die gerügten Missstände von Frankreich nicht innerhalb zweier Monate abgestellt würden, verpflichtet waren, einander mit ihrer ganzen Kraft beizustehn.

So wurden wir zu einem Hauptbeteiligten in dem Krieg, und zwar im Verein mit zwei Verbündeten, deren Anteil an dem Streit unverhältnismässig viel grösser war, als der unsre. Ich kann es aber in dem Wortlaut der grossen Allianz immer noch nicht begründet finden, weshalb wir die fabelhaften Kosten übernehmen mussten, die wir seither getragen haben. Nach dem, was ich stets gehört und gelesen habe, sehe ich in »der ganzen Kraft« einer Nation, wie sie in jenem Vertrag zu verstehn ist, das äusserste, was ein Fürst jährlich von seinen Untertanen erheben kann; wenn er gezwungen ist, zu verpfänden oder zu borgen, einerlei ob im In- oder Ausland, so ist das, streng genommen, nicht mehr seine eigne Kraft oder die der Nation, sondern der gesamte Wohlstand der Einzelpersonen; und da er ihn nicht aus dem jährlichen Einkommen seines Königreichs erheben kann, so nimmt er sie auf Grund von Sicherheiten und zahlt nur die Zinsen; auf diese Weise wird ein Teil der Nation dem andern verpfändet, und es bleibt kaum eine Möglichkeit übrig, dass er je ausgelöst wird.

Sicherlich hätte es genügt, wenn wir die Zahlung unsrer im früheren Krieg aufgenommenen Schulden unterbrochen und unsre Land- und Malzsteuer nebst den andern Abgaben, die seither verpfändet worden sind, weiter erhoben hätten; das hätte mit einigen Zulagen eine, wie mir scheint, genügende Summe ergeben, um bei vorsichtiger Verwendung hunderttausend Mann zu Meer und zu Lande zu unterhalten; sicherlich ein genügender Beitrag für den Verbündeten, der die geringste Gefahr zu fürchten hatte und den geringsten Vorteil erwartete. Auch können wir uns nicht vorstellen, dass irgend einer der beiden Bundesgenossen, als der Krieg begann, sich geweigert hätte, unter solchen Bedingungen mit uns zusammenzugehn; niemand konnte von uns erwarten, dass wir jedes Jahr drei bis vier Millionen Schulden machen würden, wie wir es getan haben; denn die Franzosen hätten kaum Friedensbedingungen ersinnen können, die so verderblich gewesen wären wie dieser Krieg. Die Nachwelt wird sicher nicht begreifen können, was für ein Geist in ihre Väter gefahren war, dass sie nach zehn Jahren des Leidens, auferlegt durch die beispiellose Politik einer Nation, nach einem Kriege, den sie nur durchführen konnten, indem sie sich von Jahr zu Jahr verpfändeten, während eines kurzen Friedens, in dem sie mit Grauen auf die schwere Schuldenlast zurückblickten, die sie auf sich geladen, und allgemein die verderblichen Ratschläge verdammten, die sie veranlasst hatten, während sie ihre Erfindungskraft folterten, um ein Mittel oder einen Ausweg zu finden und ihre erschütterte Stellung zu befestigen; dass eben diese Leute zugleich, ohne sich auch nur zu einem Atemzug Zeit zu nehmen, wiederum einen noch gefährlicheren, kostspieligeren und ausgedehnteren Krieg beginnen konnten, der ebenso lange und vielleicht länger dauerte; und all das ohne sichtliche Notwendigkeit! Bei einem Privatvermögen, das jährlich abnimmt, während die Ausgaben die gleichen bleiben, ist es klar, dass der Besitzer in jedem Jahr ein immer grösseres Stück Land verpfänden muss als im Jahr zuvor, und wie die Schuld sich verdoppelt und verdreifacht, so verdoppelt und verdreifacht sich auch seine Unfähigkeit, sie zu bezahlen. In derselben Weise haben wir durch diese letzten zehn Jahre des Krieges zweimal soviel gelitten wie durch den ersten Krieg; und wenn es möglich wäre, den Krieg im selben Masse noch fünf Jahre fortzusetzen, so würden die allein eine ebenso grosse Bürde ergeben, wie die ganzen zwanzig. Diese Berechnung, die so leicht und trivial ist, das man sich beinahe schämt, sie zu erwähnen, – die Nachwelt wird glauben, dass jene Männer, die zuerst zum Kriege rieten, entweder nicht klug oder nicht ehrlich genug waren, um sie anzustellen.

Und wie wir auf diese verschwenderische Art unsre Kraft und unser Lebensmark vergeudeten, so haben wir sie auch noch schmählich zu Zwecken vertan, die mindestens von denen sehr verschieden waren, zu denen wir den Krieg zuerst unternahmen, und oft bewirkten wir mit ihnen etwas, was wir vielleicht nach einem Friedensschluss aufrichtig bereuen werden. Das ist der zweite Punkt, den ich untersuchen wollte.

Wir haben jetzt seit zehn Jahren die ganze Gewalt und den ganzen Aufwand des Krieges dahin geworfen, wo der Feind am besten imstande war, uns die Wage zu halten; wo wir keinerlei Vorteil für uns ausnutzen konnten; wo es in hohem Grade unpolitisch war, unsre Eroberungen zu erweitern. Und wir haben die Kriegsart völlig vernachlässigt, die uns viele Millionen erspart und eingebracht hätte, die uns die ewigen Grundsätze unsrer Regierung zu verfolgen lehren, die den Feind am schnellsten geschwächt hätte, und die entweder einen schnellen Friedensschluss herbeigeführt oder uns instand gesetzt haben würde, den Krieg fortzuführen.

Jene, die den Krieg fortführen möchten, schreien unsern beständigen Erfolg in erstaunlicher Weise aus und sie halten ihn für unendlich viel grösser, als wir aller menschlichen Wahrscheinlichkeit nach Grund hatten, zu hoffen. Zehn glorreiche Feldzüge sind vorbei, und jetzt endlich geben wir wie der Kranke unter allerlei günstigen Symptomen den Geist auf. Nahmen jene, die zu diesem Kriege rieten, an, dass er zehn Jahre dauern könnte, ohne dass wir die Erfolge hätten, die wir gehabt haben? Und beschlossen sie trotzdem, Frankreich zu zwingen und Spanien zu unterwerfen, indem sie unsre ganze Kraft nach Flandern warfen? Glaubten sie, der letzte Krieg hätte uns noch die Mittel gelassen, so ungeheure Beiträge und sie eine so lange Zeit hindurch zu liefern, ohne uns und unsre Nachkommenschaft in unentwirrbare Schulden zu verwickeln? Wenn wir nach so wunderbaren Taten noch immer nicht imstande sind, Frankreich zur Annahme unsrer Bedingungen zu zwingen, ja, nicht einmal sagen können, wann wir dazu imstande sein werden, wenn wir auch ohne jede Vermögensreserve weiterkämpfen wollten – was könnten wir da wohl nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge andres erwarten, als noch zwanzig weitere Jahre eines flandrischen Krieges? Meinen sie wirklich, wenn wir für die Holländer eine Stadt einnehmen, so gelte das uns als eine genügende Entschädigung für sechs Millionen Pfund? Denn es ist obendrein von so geringer Bedeutung, dass die Franzosen noch weitere zwölf Jahre aushalten können, um sich in jedem Feldzug zum gleichen Preise eine Stadt zu leisten.

Ich sage das keineswegs, um das Heer oder seine Führer zu verkleinern. Ein Einbruch in die Reihen des Feindes, ein Übergang über einen Fluss und die Einnahme einer Stadt – das mögen Handlungen sein, die zu vielen glorreichen Taten Gelegenheit bieten; aber wenn all das uns keinen wirklichen Vorteil bringt, wenn es keinen andern Zweck hat als den, das Gebiet der Holländer zu erweitern und den Ruhm und Reichtum unsres Generals Des Herzogs von Marlborough. Man übersehe nicht die Worte »und Reichtum«, denn obwohl Swift sich hier dagegen verwahrt, galt sein Kampf, wie man noch sehn wird, gerade diesem General. zu vermehren, so schliesse ich daraus, dass irgend etwas, wie es auch kommen mag, nicht ist, wie es sein sollte und dass sicherlich unsre Streitkräfte und unser Geld besser angewandt werden könnten, sowohl um unsern Feind zu zwingen wie um auch für uns einigen Nutzen herauszuschlagen. Aber der Fall liegt noch weit ärger; wir vernichten Tausende von Menschenleben und erschöpfen unsern ganzen Wohlstand nicht in unserm eignen Interesse; das wäre einfache Klugheit; auch nicht für etwas Gleichgültiges; das wäre schon hinreichende Narrheit; sondern vielleicht zu unserm eignen Verderben, und das ist vollendeter Wahnsinn. Wir werden es vielleicht noch erleben, dass wir die Ergebnisse unsrer Tapferkeit empfindlicher spüren müssen, als all die Folgen, die wir von der Herrschaft des Herzogs von Anjou in Spanien erwarteten. Wir haben für die Generalstaaten ein stolzes Gebiet erobert, das genügende Truppen auf den Beinen erhalten wird, um sich selbst zu verteidigen; und es wird viele Hunderttausende von Einwohnern ernähren, die man in jeder Weise ermutigen wird, eine Industrie zu begründen und auszubauen; und das war das einzige, was ihnen fehlte; kommt es zu ihrer Geschicklichkeit, ihrem Fleiss und ihrer Sparsamkeit hinzu, so wird es sie instand setzen, uns auf jedem Markt der Welt zu unterbieten.

Unser Beitrag von vierzigtausend Mann (so war es die erste Abmachung) hätte mit den Truppen des Kaisers und Hollands, die zu stell[*]en sie verpflichtet waren, ein Heer von fast zweihunderttausend Mann ergeben, die Garnisonen nicht gerechnet; genug, um der ganzen Kraft zu widerstehn, die Frankreich dagegen ins Feld führen konnte. Und den Rest hätten wir weit besser anwenden können, sowohl für die gemeinsame Sache, wie auch für unsern eignen Nutzen.

Der Krieg in Spanien fällt der Leichtgläubigkeit unsrer Minister zur Last, die sich vom kaiserlichen Hof überreden liessen, die Spanier hingen so eifrig am Hause Österreich, dass das ganze Königreich sich auf der Stelle erheben würde, sobald nur ein paar Truppen unter dem Erzherzog im Lande erschienen. Das haben wir versucht, und wir mussten erkennen, dass der Kaiser entweder uns oder sich getäuscht hat. Und doch haben wir dort den Krieg unter grossen Kosten zu unserm ungeheuren Nachteil fortgesetzt; und vermöge einer verderbten Leitung blieb der einzige General, der uns durch einen fast wunderbaren Glücks- und Feldherrnlauf beinahe in den Besitz des Königreichs gesetzt hätte, ganz ohne Unterstützung, ausgesetzt dem Neide seiner Rivalen, enttäuscht durch die Launen eines jungen, unerfahrenen Prinzen, und der Leitung eines räuberischen deutschen Ministeriums unterstellt, bis man ihn schliesslich in Unzufriedenheit zurückberief, wodurch man unsre beiden Heere in Spanien und Portugal der Habgier, der schlechten Leitung oder dem Verrat zum Opfer brachte. Swift meint den Grafen von Peterborough; siehe in diesem Band den Brief an ihn. Swift hatte stets eine Art Schwärmerei für diesen ausserordentlichen Mann, von dem im 4. Band dieser Ausgabe ausführlicher zu reden sein wird.

Menschlicher Klugheit nach hätten wir entweder diesen Krieg mit der äussersten Energie betreiben müssen, als die Dinge eine so günstige Wendung nahmen, zumal die Eroberung dieses Königreichs doch der Hauptpunkt war, um dessen willen wir den Krieg angeblich fortsetzten; oder wir hätten wenigstens, als wir diesen Plan als undurchführbar erkannten oder ihn dazu gemacht hatten, die grossen Kosten der Leitung vermindern müssen; wir hätten unsre Truppen in Katalonien in die Defensive werfen müssen, um einen andern Weg einzuschlagen, der den gemeinsamen Feind stärker bedrängt und uns mehr genützt hätte.

Und welches edle Feld der Ehre und des Gewinns lag vor uns! Da hätten wir unsre beste Kraft aufwenden müssen, und gegen alle Grundsätze britischer Politik liessen wir es unbeachtet li[*]egen! Ich habe mich bisweilen darüber gewundert, wie es möglich war, dass uns der Name »Seemächte«, durch den unsre Bundesgenossen uns verächtlich mit den Holländern zusammenkoppeln, niemals auf den Gedanken an die See gebracht hat, und dass jenen Politikern, die uns den Weg über Flandern oder Savoyen oder Neapel zeigten, um nach Spanien zu kommen, niemals Westindien eingefallen ist. Mit dem halben Aufwand, den wir getragen haben, hätten wir unsern ursprünglichen Truppenanteil von vierzigtausend Mann in Flandern unterhalten und zugleich mit unsern Flotten und Seekräften die Spanier in den nördlichen und südlichen Gewässern von Amerika so bedrängen können, dass wir jede Geldsendung von dort verhindert hätten, die nicht in unsern eignen Schiffsrümpfen lag. So kam es uns als einer Seemacht am ehesten zu. Das hätte bei nur einigem Erfolg Frankreich schnell zu einem Friedensschluss und Spanien zur Anerkennung des Erzherzogs gezwungen. Aber während wir seit zehn Jahren unser Geld auf dem Kontinent vergeudeten, hat Frankreich klugerweise den ganzen peruanischen Handel an sich gerissen; die Franzosen gehn mit ihren Schiffen direkt nach Lima und andern Häfen, und sie nehmen für französische Waren von geringem Wert schwere Gold- und Silberbarren ein. Abgesehn von dem gewaltigen Nutzen, den schon jetzt ihre Nation dadurch hat, wird vielleicht auch für die Zukunft dieser Handelsweg abgelenkt sein, der früher uns grossen Gewinn einbrachte; als wir nämlich alljährlich in Cadiz die ungeheuren Summen für unsre Waren in Empfang nahmen, die wir von dort aus nach Spanisch-Westindien schickten. All dem sahen wir zahm zu, und wir duldeten es, ohne auch nur den Versuch zu machen, es zu hindern; nur von ein paar Privatleuten in Bristol wurde eine grosse Tat vollbracht; von echtem Mut und Erwerbseifer entflammt, rüsteten sie vor etwa drei Jahren auf eigne Kosten ein paar Fahrzeuge aus und unternahmen eine höchst erfolgreiche Reise in jene Gegenden; sie kaperten eins der Acapulco-Schiffe, hätten fast auch das zweite geentert und kehrten vor kurzem unbeneidet, mit Reichtum beladen zurück, um uns so zu zeigen, was auf gleiche Weise eine staatliche Unternehmung hätte leisten können. Wenigstens hätten wir leicht jene grossen Geldsendungen nach Frankreich und Spanien verhindern können, wenn auch uns selbst das Geld entgangen wäre. Und wenn es wahr ist, was die Fürsprecher des Kriegs jetzt behaupten, dass nämlich die Franzosen mittlerweile ganz verarmt sind; in welcher Lage müssten sie da erst sein, wenn ihnen der Zustrom des Reichtums abgeschnitten worden wäre?

Aber grosse Ereignisse hängen oft an sehr kleinen Umständen. Es war das Unglück des Königreichs, dass die See nicht des Herzogs von Marlborough Element war; sonst wäre die ganze Kriegsmacht unfehlbar aufs Meer geworfen worden; und zwar zum unendlichen Vorteil seines Landes, der dann mit seinem eignen Vorteil Hand in Hand gegangen wäre. Aber es wird ganz richtig eingewendet, wenn wir allein einen solchen Versuch gemacht hätten, so wäre Holland eifersüchtig gewesen; oder wenn wir ihn in Verbindung mit Holland unternommen hätten, so hätte das beim Hause Österreich Unzufriedenheit geweckt. So hat man in den letzten Jahren stets geredet; wer aber auch diesen Stil unter uns eingeführt haben mag, er hat unsre Verbündeten gelehrt, ihm nachzureden. Sonst könnte es kaum jemandem in den Sinn kommen, dass wir, die Verbündeten derer, die den ganzen Vorteil von dem Kriege haben müssen, während sie uns die doppelte Last tragen lassen, selbst gegen den gemeinsamen Feind an keinen eignen Plan denken dürfen, wo die geringste Aussicht vorhanden ist, unserm eignen Lande zu nützen und zwar aus Furcht, wir könnten bei unsern Verbündeten Anstoss und Ärgernis erregen, obwohl wir uns zugrunde richten, um für sie Provinzen und Königreiche zu erobern. Ich gestehe deshalb mit Scham, dass dieser Einwand richtig ist. Denn es ist bekannt, dass man in Holland und Deutschland argwöhnte, solange der Zweck der Expedition des Herrn Hill 1711 unternahm Generalmajor Hill eine erfolglose Expedition, um die französischen Niederlassungen in Amerika anzugreifen. noch ein Geheimnis war, sie möchte gegen Peru gerichtet sein. Sofort brachten die Holländer überall ihre offenen Klagen an, und zu Wien sprachen die Minister von einer »Unverschämtheit der Königin, die ein solches Unternehmen versuche!« Obwohl nun die Expedition erfolglos blieb, zum Teil infolge der Zufälle eines Sturms, zum Teil infolge der Hartnäckigkeit oder Verräterei eben derer in jenen Kolonien, zu deren Befreiung und auf deren Bitte sie zum Teil unternommen worden war, so ist doch jenes Verhalten keineswegs ein Einwand gegen eine so gut vorbereitete Massregel, die so günstige Aussichten auf Erfolg besass.

Es war sehr sonderbar, dass die Generalstaaten ihrer Unruhe Ausdruck gaben, als sie glaubten, wir wollten in Spanisch-Westindien etwas unternehmen; denn es besteht zwischen uns die Vereinbarung, dass alles, was wir oder sie dort drüben erobern, dem Eroberer gehören soll; und das ist in all unsern Verträgen und Abmachungen der einzige Artikel, der irgendwie auf dieses Königreich Rücksicht nimmt; und aus eben dem Grunde ist er, so vermute ich, unter andern völlig vernachlässigt worden. Mögen jene, die diese Anmerkung für zu streng halten, die ganze Leitung des gegenwärtigen Krieges zur See und zu Lande, nebst all unsern Bündnissen, Verträgen, Abmachungen und Vereinbarungen prüfen und sich überlegen, ob es nicht aussieht, als wäre besondere Sorgfalt und besonderer Fleiss darauf verwandt, zu verhindern, dass etwa England irgend ein Nutzen oder Vorteil daraus erwachse.

Diese Behandlung von Seiten unsrer beiden Hauptverbündeten hatte alle andern die gleiche Sprache gelehrt, so dass es kaum noch einen kleinen Fürsten gibt, den wir zur Hälfte durch Subsidien und Jahrgelder ernähren und der nicht trotzdem bei jeder Gelegenheit bereit ist, uns zu drohen, er werde seine Truppen zurückziehn (zu Hause freilich müssten sie stehlen oder verhungern!), wenn wir uns weigern, ihm irgend etwas zu gewähren, wie unvernünftig seine Forderung auch sei.

Was schliesslich den dritten Punkt angeht, so will ich einige Beispiele dafür anführen, wie zahm wir zusahen, während jeder unsrer Bundesgenossen jeden Artikel in jenen Verträgen und Abmachungen, durch die sie gebunden waren, brach, um die ganze Last uns aufzuerlegen.

Ehe ich mich aber darauf einlasse (denn das ist ein ausgedehntes Thema), will ich um Erlaubnis bitten, ein paar Anmerkungen zu gewissen Artikeln in dreien unsrer Verträge zu machen; wir werden aus ihnen erkennen, wie gut unsre Minister das wahre Interesse, die Sicherheit und die Ehre ihres Landes verteidigten und verstanden.

Wir haben mit Portugal zwei Bündnisse geschlossen, ein Trutzbündnis und ein Schutzbündnis. Jenes soll nur während des gegenwärtigen Krieges in Kraft bleiben, dieses dauernd. In dem Trutzbündnis haben sich der Kaiser, England und Holland mit Portugal vereinigt; in dem Schutzbündnis nur wir und die Generalstaaten.

Zum ersten Artikel des Trutzbündnisses ist zu bemerken, dass, obwohl die grosse Allianz, wie ich schon sagte, England und Holland das Recht zugesteht, zu behalten, was eins von ihnen in Spanisch-Westindien erobert, wir unserseits doch wieder ausgeschlossen sind, weil wir uns damit einverstanden erklärten, dass der Erzherzog die spanischen Besitzungen unverkürzt erhalten soll, wie König Karl sie besessen hat. Und noch bemerkenswerter ist es, dass wir eben diesen Artikel durch spätere Vereinbarungen zu Gunsten Portugals brachen. Denn wir willigten ein, dass König Karl Estremadura, Vigo und einige andre Plätze an die Portugiesen abtreten soll, sobald wir sie dem Feind fortnehmen können. Jene, die sich solcher Narrheit und so vieler Widersprüche schuldig machten, werden am besten wissen, ob Verderbtheit oder Borniertheit die Ursache war.

Nach zwei andern Artikeln sollen wir (abgesehn von der Ehre, den portugiesischen Schiffen und Küsten Geleit und Wachen liefern zu dürfen) die Gedanken des Feindes erraten und dem König von Portugal aufs Wort glauben, wenn er sich einbildet, dass man ihn überfallen will: wir sollen ihm auch eine Streitkraft liefern, mit der er die zu schlagen vermag, die der Feind in irgend eine seiner Besitzungen zu schicken gedenkt, wie gross sie auch sei. Und bis wir selbst über die Kräfte des Feindes unterrichtet sind, bleibt Seine portugiesische Majestät der einzige Richter darüber, mit welchen Truppen er den Feind zu schlagen vermag und was einen Überfall hindern kann; und er kann unsre Flotten, so oft es ihm beliebt, in seinem Auftrag in die entferntesten Gegenden der Welt entsenden oder sie an seinen eignen Küsten festhalten, bis er es für geraten hält, sie zu entlassen. Diese Flotten müssen ferner in allen Dingen nicht nur dem König, sondern auch seinen Vizekönigen, Admiralen und Statthaltern in seinen ausländischen Besitzungen gehorchen, sobald ihn die Laune ankommt, einen Einfall zu befürchten. Ich denke, das ist eine Unwürdigkeit, die man bislang noch niemandem als einer besiegten Nation zugemutet hat.

In dem Schutzbündnis mit dieser Krone, das dauernd sein soll, und an dem nur Holland und England beteiligt sind, wird in fast denselben Worten unsrer Flotte vorgeschrieben, ihre Küsten und ausländischen Besitzungen zu bewachen und den gleichen Gehorsam zu leisten. Wir und die Staaten sollen den Portugiesen auch auf unsre Kosten zwölftausend Mann liefern, die wir beständig zu rekrutieren haben, und sie sollen den portugiesischen Generalen unterstellt sein.

In dem Trutzbündnis haben wir nicht dafür gesorgt, auch Portugals Hilfe zu haben, wenn man einen Einfall bei uns unternähme. Darin aber waren wir scheinbar klüger, denn jener König ist verpflichtet, Frankreich oder Spanien den Krieg zu erklären, sobald wir oder Holland von einem der beiden angegriffen werden. Freilich müssen wir ihm zuvor zur See und zu Lande die gleiche Streitmacht liefern, als hätte man ihn selber angegriffen. Und sicherlich ist das ein vorsichtiges und gefahrloses Verhalten von einer Seemacht, die plötzlich angegriffen wird; statt unsre Flotten und Heere zur eignen Verteidigung zu benutzen, müssen wir sie zur Verteidigung Portugals ins Ausland schicken.

Aus dem dreizehnten Artikel erfahren wir, worin die Unterstützung besteht, die die Portugiesen uns leisten müssen, und unter welchen Bedingungen es zu geschehn hat. Sie sollen zehn Kriegsschiffe stellen; und wenn England oder Holland von Frankreich und Spanien gemeinsam oder von Spanien allein angegriffen werden, so sollen jene zehn portugiesischen Kriegsschiffe einzig an ihren eigenen Küsten dienen, wo sie ohne Zweifel für ihre Verbündeten von gewaltigem Nutzen und dem Feind ein Schrecken sein werden.

Wie die Holländer dazu kamen, sich an irgend einem dieser beiden Bündnisse zu beteiligen, das ist nicht sehr erheblich, da sie klug genug gewesen sind, sie nie zu beobachten, auch, so vermute ich, nie die Absicht hatten, sondern von vornherein entschlossen waren, die Last, wie sie es bisher getan haben, auf uns abzuwälzen. Wer diese beiden Verträge von Anfang bis zu Ende durchliest, wird den Eindruck haben, als hätten der König von Portugal und seine Minister sich hingesetzt und sie allein gemacht, um sie dann ihren Verbündeten zur Unterschrift zu schicken; denn der ganze Geist und Wortlaut dreht sich überall um den einen Punkt, was wir und Holland für Portugal tun sollen; und nirgends ist von einer Gegenleistung die Rede, ausgenommen allein jene zehn Schiffe, die in dem Augenblick, in dem wir ihre Hilfe am nötigsten brauchen, ihre eigenen Küsten zu bewachen verpflichtet sind.

Der Grenzvertrag zwischen Grossbritanien und Holland wurde am 29. Oktober des Jahres 1709 im Haag abgeschlossen. An diesem Vertrag haben weder Ihre Majestät noch deren Königreiche irgend welches Interesse, das nicht im zweiten und im zwanzigsten Artikel umschrieben wäre; nach dem ersten haben die Staaten der Königin bei der Verteidigung der Erbfolgeakte zu helfen; und nach dem andern dürfen sie nicht eher in Friedensverhandlungen eintreten, als bis Frankreich die Königin und die hannoversche Erbfolge anerkennt und verspricht, den Prätendenten aus seinem Gebiet zu vertreiben.

Was den ersten Punkt angeht, so hegt es sicherlich im Interesse der Sicherheit und des Gedeihens der Generalstaaten, dass in England die protestantische Linie auf dem Thron bleibt, denn ein papistischer Fürst, wie wir ihn fürchten, würde sich unfehlbar zum Verderben jener Republik mit Frankreich verbünden. Und die Holländer sind ebenso sehr verpflichtet, unsre Erbfolge zu unterstützen, wie sie an irgend welchen Artikel eines Offensiv- und Defensivbündnisvertrags gegen einen gemeinsamen Feind gebunden sind, ohne dafür einen besondern Vorteil erwarten zu können. Ihre Majestät herrscht im friedlichen Besitz ihrer Königreiche und der Herzen ihrer Untertanen, unter denen von fünfhundert kaum einer für den Prätendenten ist. Und ob die Hilfe der Holländer bei der Aufrechterhaltung eines so wohl begründeten Rechts eine genügende Gegenleistung gegen jene vielen, unvernünftigen, ausschweifenden Artikel des übrigen Vertrags ist, darüber mag die Welt urteilen. Was für einen Eindruck von der Sicherheit unsrer Thronfolge muss es im Ausland machen, wenn man sieht, wie unsre Minister den Holländern solche Bedingungen bieten, um sie zu überreden, dass sie sich für unsre Parlamentsbeschlüsse verbürgen? Auch ist es vielleicht weder politisch betrachtet noch vom Standpunkt des gesunden Menschenverstandes aus richtig, dass man eine ausländische Macht beruft, damit sie unser Thronfolgegesetz als Bürge bestätigt; sie hat es nur anzuerkennen. Sonst nehmen wir unsrer eignen Gesetzgebung die Macht, unsre Thronfolge ohne die Einwilligung des garantierenden Fürsten oder Staates zu ändern, wie sehr auch die Bedürfnisse des Königreichs es erfordern mögen.

Was den andern Artikel angeht, so ist er eine natürliche Folgerung, die jeden Friedensvertrag, den wir mit Frankreich schliessen können, begleiten muss; denn er bedeutet nur die Anerkennung Ihrer Majestät als Königin ihrer eignen Gebiete und des Rechtes, unsre Thronfolge durch unsre eigne Gesetzgebung zu regeln, eines Rechtes, das uns streitig zu machen, keine fremde Macht sich anmassen kann.

Um uns aber dieser gewaltigen Vergünstigungen von Seiten der Staaten würdig zu machen, steht der ganze Rest des Vertrages voll von Anweisungen darüber, was wir für sie zu tun haben.

Nach der grossen Allianz, die die Grundlage des gegenwärtigen Krieges bildete, sollten die Spanischen Niederlande zurückerobert und dem König von Spanien ausgeliefert werden. Aber nach diesem Vertrag soll jener Fürst während des Krieges in Flandern keinerlei Besitztum haben, und nach einem Friedensschluss sollen die Staaten die militärische Gewalt über etwa zwanzig Städte mit ihren Gemarkungen behalten und von dem König von Spanien jährlich vierhunderttausend Kronen für den Unterhalt ihrer Garnisonen fordern dürfen. Auf diese Weise werden sie von Nieuport am Meer bis Namur an der Maass ganz Flandern in der Gewalt haben und völlig Herren des Pays de Waas bleiben, der reichsten jener Provinzen. Ferner haben sie das Recht, in jeden Platz der Spanischen Niederlande, wo sie es nur für geraten halten und wo immer die Möglichkeit eines Krieges besteht, eine Garnison zu legen; also auch, wenn ein Bruch mit England erfolgen sollte, nach Ostende und wo es ihnen sonst beli[*]ebt.

Auch nach diesem Vertrag werden die Holländer in Wirklichkeit Herren der ganzen Niederlande sein; sie können nach Belieben Steuern, Handelsbeschränkungen und Verbote auferlegen; und sie können in jener fruchtbaren Gegend allerlei Industrien begründen, vor allem die Wollindustrie, indem sie die unzufriedenen Arbeiter aus Irland und die französischen Flüchtlinge, die über ganz Deutschland zerstreut sind, ins Land berufen. Und wenn diese Industrie im Ausland gedeiht, werden die Textilarbeiter in England durch den Mangel an Arbeit gezwungen sein, ihnen zu folgen. In wenig Jahren kann Flandern mit Hilfe des niedrigen Zinsfusses in Holland den einträglichen Handel zurückerobern, den wir ihm abgenommen haben. Die Grundbesitzer Englands werden sich genötigt sehen, die ausländischen Stapelplätze der Wolle wieder einzurichten, und die Holländer werden, statt nur den Transport zu besorgen, wieder zu Besitzern jener Waren werden, um die sich jetzt der grösste Teil des Handels der ganzen Welt dreht. Und wie sie ihre Handelsbeziehungen vermehren, so werden sie klärlich auch ihre Seemacht verstärken; und unsre muss im gleichen Verhältnis schwächer werden.

Alle flandrischen Häfen sollen den gleichen Zöllen unterworfen sein, die die Holländer auf der Schel[*]de erheben werden; und der Fluss ist auf der Seite der Staaten zu sperren. Auf die Weise sind tatsächlich alle andern Nationen vom Handel mit Flandern abgeschnitten. Und doch heisst es in eben demselben Artikel, dass »die Staaten in allen Spanischen Besitzungen ebenso sehr zu begünstigen sind wie Grossbritannien oder die meistbegünstigte Nation«. Wir haben Flandern für sie erobert und stehen dort jetzt inbezug auf unsern Handel schlechter da als vor dem Kriege! Wir sind die grosse Stütze des Königs von Spanien gewesen, dem die Holländer fast keinerlei Beitrag geliefert haben; und doch »sind sie in all seinen Gebieten ebenso sehr zu begünstigen wie wir«. Für all das hat die Königin unvernünftigerweise zu bürgen; ebenso dafür, dass sie ihre Grenzwehr behalten und ihre jährlich vierhunderttausend Kronen bekommen; und das vor jedem Friedensschluss!

Es ist zu beachten, dass dieser Vertrag nur von einem unsrer Bevollmächtigten unterzeichnet wurde, und ich habe gehört, der andre Der Herzog von Marlborough. soll gesagt haben, er wolle seine rechte Hand lieber verlieren, als mit ihr einen solchen Vertrag unterschreiben. Hätte er diese Worte zur rechten Zeit und laut genug gesprochen, um auf dieser Seite des Wassers gehört zu werden, so hätte er durch das Ansehn, in dem er damals bei Hofe stand, einen grossen Teil der Ehre seines Landes retten und sich selbst ebenso viel gewinnen können. Wenn also der Bericht wahr ist, so neige ich zu der Vermutung, dass es eben nur Worte waren. Ich habe auch gehört, dass einige sehr wesentliche Formen beim Abschluss dieses Vertrages verletzt worden seien, aber unsre Minister opferten lieber die Ehre der Krone und die Sicherheit des Landes, als dass sie die Verhandlungen eines ihrer Günstlinge nicht bestätigt hätten.

Man gestatte mir jetzt, zu untersuchen, in welcher Weise unsre Verbündeten die Verträge beobachtet haben, die sie mit uns schlossen, und ebenso die Abmachungen und Vereinbarungen, die ihnen entsprachen.

Nach der grossen Allianz zwischen dem Kaiserreich, England und Holland sollten wir die beiden andern zur See und zu Lande totis viribus unterstützen. Nach einer diesem Vertrag folgenden Vereinbarung wurde das Verhältnis, in dem die beteiligten Parteien zur Kriegführung beitragen sollten, in der folgenden Weise festgesetzt. Der Kaiser verpflichtete sich, entweder in Italien oder am Rhein neunzigtausend Mann gegen Frankreich ins Feld zu stellen; Holland sollte ausschliesslich der Garnisonen sechzigtausend Mann nach Flandern schicken; wir vierzigtausend. Im Winter 1702, das heisst im nächsten Jahre, schlug der Herzog von Marlborough vor, zur Verstärkung weitere zehntausend Mann auszuheben, um den Krieg mit grösserer Energie führen zu können; das Parlament willigte ein, und die Holländer sollten die gleiche Anzahl stellen. Da standen wir schon entgegen der früheren Abmachung, nach der wir ein Drittel weniger zu tragen hatten als sie, auf gleich und gleich; deshalb wurde es auch nur unter der Bedingung bewilligt, dass Holland jeden Verkehr und Handel mit Frankreich abzubrechen hätte. Aber diese Bedingung wurden nie erfüllt, denn die Holländer hielten uns nur mit einer glanzvollen Erklärung hin, bis unsre Parlamentssitzung zu Ende war; und im folgenden Jahr wurde die Bedingung durch Vereinbarung zwischen unserm General und den Staaten erlassen, ohne dass zur Genugtuung des Königreichs auch nur ein Grund angegeben wurde. Während des nächsten und einiger weiterer Feldzüge wurden vom Parlament immer neue Verstärkungen für den Krieg in Flandern bewilligt; und bei jedem Nachschub verringerten die Holländer das Verhältnis ihres Beitrags, obwohl das Parlament eine Adresse an die Königin richtete, damit man die Staaten aufforderte, dem Vertrag gemäss die Verhältnisse zu wahren; das hatte keine andre Wirkung, als dass sie lernten, den Vertrag zu umgehen, indem sie in ihren Truppen Nominalkorps schufen, dass heisst, indem sie die Zahl der Regimenter aufrecht erhielten, aber die Mannschaften und ihre Geldmittel um ein Fünftel verringerten. So stehen denn jetzt die Dinge gerade umgekehrt, und bei allen neuen Aushebungen tragen wir ein Drittel mehr bei, als die Holländer, die zuerst um den gleichen Bruchteil mehr zu stellen hatten als wir.

Ausserdem sind wir, je mehr Städte wir für die Staaten erobern, um so weniger in der Lage, den gemeinsamen Feind zu zwingen, und also auch den Krieg zu beenden. Denn sie bedenken sich nicht, die Truppen ihres Kontingents dazu zu benutzen, um eine Garnison in jede Stadt zu legen, sowie sie eingenommen wird, was unsrer Vereinbarung genau zuwider läuft, denn sie schliesst alle Garnisonen ausdrücklich aus. Das hat schrittweise einen solchen Umfang angenommen, dass jetzt unter des Herzogs von Marlborough Oberbefehl nicht einmal mehr so viele Truppen in Flandern im Felde stehen, wie Britannien allein zu dem Zweck erhält; und so ist es schon seit mehreren Jahren gewesen.

Nachdem der Herzog von Marlborough in des Feindes Reihen eingedrungen war und Bouchain genommen hatte, entwarf er den Plan, eine solche Truppen- und vor allem Reitermenge in Lille, Tournay, Douay und dem Lande zwischen diesen Städten zurück zu halten, dass sie imstande wäre, während des Winters alle Nachbarprovinzen Frankreichs zu plagen, den Feind an der Errichtung seiner Magazine zu hindern und also auch an der Verproviantierung seiner Truppen im nächsten Frühjahr; denn so gedachte er es ihm unmöglich zu machen, dass er sein Heer noch einmal sammelte, ohne zu dem Zweck bis über die Somme zurückzugehen. Um diesen Plan auszuführen, musste man ungeheure Ausgaben machen für die Verproviantierung der Truppen, für Stallbauten, für Feuer und Licht der Soldaten und für andre Dinge, die noch hinzukamen. Die Königin erklärte sich gleich bereit, ihren Anteil, den der Fourage, zu stehen; denn der allein entfiel auf sie. Aber die Staaten bestanden darauf, dass die Königin auch von den andern Dingen einen Teil auf sich nähme, während sie dem Recht nach ganz auf sie selbst entfallen wären; auch dazu erklärte sie sich bereit, damit ein Plan von dieser Bedeutung nicht scheiterte. Und doch ist er gescheitert, wie wir wissen; denn die Holländer verweigerten ihre Einwilligung, bis die Zeit zur Ausführung selbst nach Ansicht derer, die den Vorschlag gemacht hatten, verstrichen war. Vielleicht war ein bestimmter Artikel der Kontributionsverträge, denen sich diejenigen der französischen Gebiete fügen, die den Holländern Schatzungen zahlen, die Hauptursache, weshalb dieser Plan scheitern musste. Denn ein Vorteil, den er bringen sollte, bestand, wie zuvor erwähnt, darin, dass er den Feind an der Errichtung seiner Magazine hindern sollte; und ein Artikel in diesen Kontributionsverträgen besagt, dass die Erzeugnisse dieser Landschaften frei und ungehindert passieren sollten. So dass die Frage darauf hinauslief, ob die Holländer diesen winzigen Vorteil verlieren oder die gemeinsame Sache eine Förderung von so ungeheurer Bedeutung erfahren sollte.

Da die See das Element war, wo wir den Krieg am wahrscheinlichsten mit einigem Nutzen für uns selbst hätten führen können, so wurde ausgemacht, dass wir fünf Achtel der Lasten auf diesem Gebiet zu tragen hätten, die Holländer aber die andern drei Achtel. Und die grosse Allianz besagte, dass den Eroberern zufallen sollte, was wir oder Holland in Spanisch-Westindien erobern würden. Es wäre demnach zu hoffen gewesen, dass dieser unser Bundesgenosse auf dem Meere durch seine Flotte wieder ausgeglichen hätte, was er im Heer versäumte; aber ganz im Gegenteil stellte er niemals seinen Anteil an Schiffen oder Leuten; und wenn hin und wieder ein paar ihrer Fahrzeuge auftauchten, so war es nur Schein, denn sie trennten sich auf der Stelle wieder, um für ihre Kauffahrer zu sorgen und ihren Handel zu schützen. Und wir werden uns wohl noch genau erinnern, wie diese Bürgen unsrer Thronfolge, nachdem sie viele Monate lang nicht ein einziges Schiff im Mittelmeer gehabt hatten, eben diesen Teil ihres Kontingents hierher beorderten und uns einfach nichts stellten, während sie uns zugleich mit dem Gerücht eines geplanten Einfalls erschreckten. Und als im letzten Jahr Sir James Wishart nach Holland geschickt wurde, um bei den Staaten vorstellig zu werden und sie zu ersuchen, dass sie ihren Abmachungen in einem so wesentlichen Teil ihrer Verpflichtungen nachkämen, wurde ihm ein Empfang zuteil, wie er sich wenig für eine Republik gebührt, die uns so vielfach verpflichtet ist; kurz, ein Empfang, wie ihn nur die verdienen, die ihn geduldig hinnehmen.

Ferner war es für uns auch nicht wenig unbequem, dass die Holländer stets mit der Zahlung ihrer Subsidien zögern, wodurch die Last und der Druck der Zahlungen auf die Königin fallen; und ebenso der Tadel, wenn Ihre Majestät nicht pünktlich ist; und selbst das befriedigt unsre Verbündeten noch nicht immer. Denn im Juli 1711 wurden dem König von Spanien all seine Subsidien bis zum nächsten ersten Januar gezahlt; und nichtsdestoweniger hat er sich seither schon wieder über Geldmangel beklagt, und sein Sekretär hat gedroht, wenn wir Seine Majestät nicht weiter unterstützten, so könne er keine Gewähr für das übernehmen, was geschehn möchte. Dabei hatte König Karl zur Zeit nicht einmal ein Drittel der Truppen, für die er bezahlt wurde; und selbst die, die er hatte, erhielten weder Sold noch Kleidung.

Ich kann es mir nicht versagen, hier noch einen Artikel über die Subsidien zu erwähnen, um dadurch zu zeigen, welche Meinung die Ausländer von unsrer Freigebigkeit haben und wie sehr sie sich als Herren unsres Geldes ansehn, so oft sie es für angebracht halten, es zu verlangen. Die Königin sollte der Vereinbarung gemäss an die preussischen Truppen für die Rekrutierung jährlich zweihunderttausend Kronen zahlen, Holland hunderttausend und der Kaiser nur dreissigtausend, die aber Seine kaiserliche Majestät niemals bezahlte. Als nun Prinz Eugen einmal durch Berlin kam, wandten sich die Minister des dortigen Hofes um Abhilfe in diesem Punkt an ihn; und Seine Hoheit versprach ihnen ganz offen, dass in anbetracht dieses Ausfalls Britannien und die Staaten ihre Subsidien um zusammen siebzigtausend Kronen erhöhen sollten; ferner werde der Kaiser in Zukunft pünktlich sein. Das tat jener Prinz ohne jeden Befehl und jede Vollmacht. Die Holländer weigerten sich sehr vernünftigerweise, ihre Zustimmung zu geben; aber der hiesige preussische Gesandte wandte sich an unsern Hof und setzte es durch, dass wir unsern Anteil bewilligten, ehe wir noch hören konnten, was für Beschlüsse man in Holland fasste. Es steht also zu hoffen, dass Seine preussische Majestät am Schluss des Krieges nicht dieselbe Ursache zur Klage haben wird wie beim Schluss des letzten, dass nämlich seine Kriegskasse um zwanzigtausend Kronen leichter sei als zu Beginn des Krieges.

Der Kaiser sollte, wie bereits gesagt, neunzigtausend Mann gegen den gemeinsamen Feind ins Feld stellen, denn er hatte keine Flotten zu unterhalten, und sein Haus war an dem Erfolg des Krieges am meisten interessiert. Die Abmachung aber ist so wenig beachtet worden, dass vom Beginn des Krieges bis auf den heutigen Tag keiner der beiden letzten Kaiser jemals zwanzigtausend Mann auf eigene Rechnung für die gemeinsame Sache stellte, ausgenommen einmal in Italien, als der kaiserliche Hof sich in einem Punkt anstrengte, der ihm weit mehr am Herzen liegt als die Frage, ob Spanien oder Indien für sein Haus gewonnen wird. Als sie auf der italienischen Seite in ihren Vorstössen erfolgreich gewesen waren und sahen, mit welchem blinden Eifer wir auf Glück oder Unglück hin den Krieg betrieben, fanden sie bald das wirksamste Mittel heraus, um sich zu entschuldigen. Sie berechneten sich mit Leichtigkeit, dass es sie weniger kosten würde, einer einzelnen Person grosse Geschenke zu machen als ein Heer zu bezahlen und ebenso nützlich zu verwenden. Eine jener Anspielungen, die damals jedermann verstand und die die Tagesleidenschaften aufwühlen mussten. Denn gemeint ist natürlich der glänzende, ruhmbedeckte Feldherr, der Herzog von Marlborough, dem Swift hier offen vorwirft, dass er sich habe bestechen lassen. Uebrigens fürstete Kaiser Leopold ihn. Sie sagten sich, dass sie ihre Sache in keine besseren Hände legen könnten, und also liessen sie uns klugerweise ihre Schlachten schlagen.

Ausserdem zeigte es sich an mehreren Beispielen, wie wenig der Kaiser auf seine Verbündeten oder die Sache, um die sie kämpften, Rücksicht nahm, sobald er nur das Reich selbst für gesichert hielt. Es ist bekannt genug, dass er mehrmals hätte mit seinen missvergnügten Untertanen in Ungarn Frieden schliessen können, und zwar zu Bedingungen, die weder seine Würde noch seine Interessen verletzt hätten. Aber er opferte seiner privaten Leidenschaft lieber die ganze Allianz, indem er ein elendes Volk, das nur zuviel Grund hatte, zu den Waffen zu greifen und sich von dem Druck, unter dem es stöhnte, zu befreien, völlig unterwarf und zur Sklaverei zwang. Das musste als Entschuldigung dienen, wenn er seine Vereinbarungen brach und einen so grossen Truppenkörper, der gegen Frankreich hätte Verwendung finden können, zurückzog.

Ein weiteres Beispiel für des Kaisers Gleichgültigkeit oder besser Abneigung gegen die gemeinsame Sache der beiden Verbündeten ist die Affäre von Toulon. Dieser Plan wurde freilich hier im Lande von einer gewissen Persönlichkeit aufgedeckt, die jeder als die Kreatur eines gewissen grossen Mannes kennt und die mindestens ebenso bekannt ist wegen ihrer Gewandtheit im Spiel wie in der Politik, denn sie verfolgt das feile Ziel, durch Wetten Geld zu verdienen. Das war damals ein so verbreiteter Brauch, dass ich mich eines Herrn entsinne, der neugierig war, zu sehn, wie die Wetten an der Börse standen, und herausfand, dass ein paar sehr eingeweihte Leute an diesem Erwerbszweig beteiligt sein mussten; das erhellte daraus, dass Prämien auf Städte gesetzt wurden, die ausser denen hinter dem Vorhang noch niemand kennen konnte. Wenn aber dieser Plan auch durch ein so ärgerniserregendes Verfahren verraten worden war, so hätte Toulon wahrscheinlich doch noch genommen werden können, wenn nicht der Kaiser es in eben diesem Augenblick für geraten gehalten hätte, zwölf- oder fünfzehntausend Mann zurückzuziehn, um mit ihnen Neapel zu nehmen: eine Massnahme, die sein privates und unmittelbares Interesse näher anging. Aber es war klar, dass Seine kaiserliche Majestät keine Lust hatte, Toulon in den Händen der Verbündeten zu sehn; denn selbst unter diesen ungünstigen Umständen hätte der Versuch noch gelingen können, wenn Prinz Eugen es nicht für geraten gehalten hätte, sich ihm zu widersetzen, und daran kann nicht sein eigenes Urteil schuld sein, sondern nur ein politischer Grund seines Hofes. Der Herzog von Savoyen war dafür, den Feind anzugreifen, sowie unser Heer einträfe; als aber die Truppen des Marschalls von Tessé Des von Ludwig XIV. gesandten Befehlshabers der Entsatztruppen. erst alle erschienen waren, wäre der Versuch einer Belagerung, wie wir damals standen, eine Posse und ein Scherz gewesen. Wäre Toulon uns in die Hände gefallen, so wäre die Seemacht Frankreichs zum grossen Teil vernichtet worden.

Aber ein viel grösseres Beispiel als die beiden vorhergehenden dafür, wie wenig der Kaiser auf uns oder unsern Streit Rücksicht nahm, und das nach all dem, was wir getan hatten, um ihm seine Kaiserkrone zu retten und den Anspruch seines Bruders auf die Monarchie Spanien zu stützen, lässt sich dem Verhalten jenes Hofes vor nicht gar vielen Monaten entnehmen. Man kam zu dem Schluss, dass ein Krieg auf italienischer Seite die französischen Truppen stark zersplittern, sie an empfindlicher Stelle verwunden und den Fortgang unsres Krieges in Spanien und Flandern sehr erleichtern müsste. Man schlug dem Herzog von Savoyen vor, für diese Zersplitterung zu sorgen; und zwar durch einen Feldzug, der nicht nur den Sommer hindurch dauern sollte, sondern auch den Winter hindurch, denn er sollte diesseits der Berge seine Quartiere beziehen. Nur um ihn williger zu machen und instand zu setzen, dieses Werk zu vollbringen, sollten zuvor zwei Punkte erledigt werden. Zunächst war es nötig, den Streit zwischen dem kaiserlichen Hof und Seiner königlichen Hoheit beizulegen; denn dieser Streit hatte keinen andern Anlass, als dass der Kaiser sich weigerte, ein paar Artikel des Vertrages zu erfüllen, im Vertrauen auf den sich der Herzog in den gegenwärtigen Krieg eingelassen hatte und für dessen Erfüllung auf Bitten des verstorbenen Kaisers Leopold Britannien und Holland bürgten. Um diese Schwierigkeit zu beheben, wurde der Graf von Peterborough nach Wien entsandt; und schon hatte er zur Zufriedenheit des Herzogs von Savoyen einige der Streitpunkte erledigt und den Rest so weit gefördert, dass eine Einigung zu erwarten stand, als der Kaiser Joseph starb. Daraufhin fasste der Herzog von Savoyen den Entschluss, sofort an die Spitze seines Heeres zu treten, wiewohl die ganze Angelegenheit noch nicht erledigt war, denn die gemeinsame Sache erforderte seine Hilfe, und bis ein neuer Kaiser gewählt würde, war es ohnehin unmöglich, den Vertrag ihm gegenüber zu erfüllen. Um ihn dazu instand zu setzen, war das einzige, was er verlangte, dass der kaiserliche Hof ihn vor Schluss des Feldzugs mit achttausend Mann verstärkte. Herr Whitworth wurde nach Wien geschickt, um diesen Vorschlag zu machen; und es wird glaubwürdig versichert, dass er ermächtigt war, lieber als dass er unverrichteter Sache zurückkehrte, vierzigtausend Pfund für den Marsch dieser achttausend Mann anzubieten, sollte er nämlich finden, dass es nicht am guten Willen fehlte, wohl aber an den Mitteln. Aber er war von jedem Erfolg so weit entfernt, dass man sagte, die Minister jenes Hofes hätten ihm nicht einmal eine Gelegenheit gegeben, sie mit bestimmten Summen in Versuchung zu führen, sondern ihm gleich all seine Hoffnungen genommen, indem sie versicherten, es sei unter allen Umständen unmöglich, die Forderungen der Königin zu erfüllen. Ihre alte Entschuldigung, den Krieg in Ungarn, konnten sie nicht mehr anführen, denn der war beendigt; sie konnten nichts nennen als ein paar allgemeine, spekulative Gründe, die zu wiederholen, sie blosstellen würde; und nach langem Zögern und vielen tüftelnden Vorwänden schlugen sie endlich eine so kleine und zeitgemässe Unterstützung einfach ab; und zwar zum Verderben eines Plans; der Frankreich mehr beängstigt und eine grössere Zersplitterung seiner Kräfte veranlasst hätte als eine weit zahlreichere Armee in einer andern Gegend. Aus Mangel also an achttausend Mann, für deren Winterfeldzug die Königin vierzigtausend Pfund zu zahlen bereit war, und aus Mangel an Unterstützung in dem Plan, den ich zuvor erwähnte, nämlich dem Plan, den Feind an der Errichtung seiner Magazine zu hindern, wozu die Königin nicht nur ihren Teil beizutragen bereit war, sondern auch noch einen Bruchteil dessen, was auf die Staaten entfiel, wurde unsre Hoffnung, im Norden und Süden Frankreichs Winterquartiere zu beziehen, vereitelt, und der Krieg blieb in den Gleisen, die ihm die längste Dauer versprechen. Lässt sich im ganzen Verlauf dieses Krieges ein einziges Beispiel dafür anführen, dass wir den kleinsten Fürsten, mit dem wir zu tun hatten, in so verächtlicher Weise behandelt hätten? Haben wir uns je überlegt, was wir leisten konnten oder wozu wir verpflichtet waren, wenn man unsre Hilfe verlangte? Selbst damals, als wir einen Einfall unmittelbar zu fürchten hatten?

Als Portugal in die Koalition eintrat, wurde ausbedungen, dass der Kaiser, England und Holland je viertausend Mann ihrer eigenen Truppen in jenem Königreich unterhalten und zugleich dem König von Portugal für die Unterhaltung von achtundzwanzigtausend Portugiesen eine Million spanischer Taler bezahlen sollten; diese Zahl von vierzigtausend Mann sollte die Bundesarmee gegen Spanien auf der portugiesischen Seite bilden. Der Vertrag wurde von allen drei Mächten ratifiziert. Aber schon nach kurzer Zeit erklärte der Kaiser sich für ausserstande, seinen Teil der Vereinbarung zu erfüllen, und liess die zwei Drittel ruhig auf uns lasten; wir nahmen grossmütiger Weise diese Bürde auf uns und zugleich zwei Drittel der Subsidien für den Unterhalt der portugiesischen Truppen. Aber das ist noch nicht der schlimmste Teil der Geschichte; denn wiewohl die Holländer ihr Kontingent von viertausend Mann wirklich nach Portugal schickten (was sie freilich nur unter der Bedingung tun wollten, dass wir die beiden andern Drittel übernähmen), so kümmerten sie sich doch niemals um ihre Ergänzung. Denn als im Jahre 1706 die portugiesischen, britischen und holländischen Streitkräfte unter dem Grafen von Galway in Kastilien eingezogen waren und durch die herrliche Führung Die »herrliche« Führung natürlich ironisch gemeint. Galway war geborner Franzose (Marquis de Ruvigny); in England nationalisiert. Im portugiesischen Feldzug wurde er bei Almanza und La Gudiña geschlagen. Er wurde später vor dem Oberhaus zur Verantwortung gezogen und erhielt einen Verweis. dieses Generals gezwungen wurden, sich nach Valencia zurückzuziehn, erwies es sich als notwendig, auf der portugiesischen Seite ein neues Heer auszuheben; und dort hat die Königin ihr Kontingent allmählich bis auf zehntausendfünfhundert Mann vermehrt, während die Holländer nie einen einzigen Mann Nachschub sandten, noch auch in sechs Jahren einen Heller ihrer Subsidien für Portugal zahlten.

Die spanische Armee auf der katalonischen Seite besteht aus etwa fünfzigtausend Mann (wenigstens sollte sie es), ausschliesslich Portugal: und hier ist der Krieg fast ausschliesslich auf unsre Kosten geführt worden. Denn dieses ganze Heer wird mit der einzigen Ausnahme von sieben Battaillonen und vierzehn Schwadronen Holländern und Pfälzern von der Königin bezahlt; und selbst von jenen stehn noch fünfzehnhundert Mann in unserm Sold, ganz abgesehn von den Summen, die als Subsidien und für die Unterhaltung seines Hofes an König Karl gezahlt werden. Auch unsre Truppen in Gibraltar sind in dieser Zahl nicht einbegriffen. Und ferner haben wir allein die ganzen Lasten des Truppentransports von Genua nach Barcelona, ja, des Transports der jeweiligen kaiserlichen Rekruten getragen; und schliesslich müssten wir noch ungeheure Summen für die Werbegelder hergeben, das Geld für jeden einzelnen Mann und jedes Pferd, das so als Nachschub geliefert wurde, und das, obwohl die Pferde kaum die Transportkosten wert waren. Aber so ist es fast das beständige Unglück unsrer Flotte während des gegenwärtigen Krieges gewesen: statt zu einem Unternehmen im Dienste der Nation oder auch nur zum Schutz unsres Handels verwandt zu werden, wurde sie ganz vom Transport der Truppen in Anspruch genommen.

Wir haben jetzt für den Kaiser ganz Bayern, Ulm, Augsburg und einen grossen Teil des Elsass erobert; und durch die Truppen, die wir gestellt, die Heere, die wir besoldet haben, und durch die Zersplitterung der feindlichen Kräfte haben wir viel zur Eroberung von Mailand, Mantua und Mirandola und zur Besetzung des Herzogtums Modena beigetragen. Der letzte Kaiser zog den Reichtum dieser Länder in seine eigne Tasche, ohne nach so gewaltigen Erwerbungen seine Truppen gegen Frankreich zu vermehren oder nachzugeben, wenn wir auch die vernünftigsten Forderungen stellten.

Wir haben durch den Grenzvertrag eingewilligt, dass von den vielen Städten, die wir für die Holländer eingenommen haben, all jene, die beim Tode des letzten katholischen Königs nicht in Spaniens Besitz waren, zum Gebiet der Staaten zu schlagen sind; und in den meisten übrigen sollen die Staaten die Militärgewalt behalten; das heisst, sie sollen in Wirklichkeit über alle die absolute Herrschaft haben. Und die Holländer haben ihre Zeit bereits so gut zu benutzen verstanden, dass sie im Verein mit unserm General Flandern schwerer bedrücken, als es je bedrückt worden ist.

Und diese Behandlung, die wir letzthin von unsern beiden Hauptverbündeten erfahren haben, wurde von den meisten andern Fürsten der Koalition, mit denen wir zu tun hatten, möglichst genau kopiert. Sieben portugiesische Regimenter zogen zum Beispiel nach der Schlacht von Almanza mit dem Rest jenes zertrümmerten Heeres nach Katalonien; der König von Portugal sagte, er sei ausserstande, sie zu bezahlen, wenn sie nicht im Lande seien; deshalb willigte die Königin ein, es ihrerseits zu tun, wenn der König an ihrer Stelle noch einmal die gleiche Anzahl ausheben wollte. Dazu verpflichtete er sich; aber getan hat er es nie. Nichtsdestoweniger wurden ihm seine Subsidien von Lord Godolphin fast vier Jahre lang ununterbrochen gezahlt, ohne den geringsten Abzug wegen dieser sieben Regimenter; das geschah im direkten Widerspruch zum siebenten Artikel unsres Trutzbündnisses mit dieser Krone, in dem ausgemacht wird, dass je nach der Zahl von Truppen, die an dem Kontingent des Königs fehlen, Abzüge an den Subsidien zu erfolgen haben. Aber welches auch die Gründe für dieses Verhalten gewesen sein mögen, so scheint es wenigstens, dass sie dem gegenwärtigen Premierminister Robert Harley, der am 24. Mai des laufenden Jahres 1711 zum Baron Harley of Whigmore und Earl of Oxford and Mortimer gemacht worden war; gemeinhin bekannt unter den beiden Namen Harley und Oxford. Siehe die Einleitung zum Appendix. über den Verstand gehn. Er lässt sich auf solche Spitzfindigkeiten, öffentliche Gelder aus privaten Erwägungen zu zahlen, nicht ein und ist so unhöflich gewesen, diese Zahlungen zu unterbrechen. Diese Enttäuschung, so vermute ich, hat den Lissaboner Hof veranlasst, auf andre Mittel zu sinnen, um den Preis der Verproviantierung zu erheben, indem er uns zwingt, entweder unsre Truppenzahl zu verringern oder die doppelten Kosten für ihren Unterhalt zu zahlen; und das zu einer Zeit, in der das portugiesische Wachstum und die Einfuhr von Getreide ihren Höchststand erreicht haben; zugleich verlangen sie einen Zoll für die Kriegskleidung, die wir eben jenen Truppen hinüberschicken, ohne deren Hilfe sie einem alten Erbfeind schutzlos gegenüber ständen und deren Beispiel sie hätte mit Mut erfüllen und Zucht lehren können, wäre ihr Geist imstande gewesen, eins von beiden anzunehmen.

Um unsre Truppen alljährlich im gleichen Verhältnis zu vermehren, in dem jene, für die wir kämpfen, die ihrigen vermindern, haben wir uns genötigt gesehn, von mehreren Fürsten des Kaiserreichs Truppen in Sold zu nehmen; und deren Botschafter und Gesandten haben den Hof unablässig mit unvernünftigen Forderungen belästigt denen gegenüber unser letztes Ministerium sich passiv zu verhalten für gut fand. Denn hinter diesen Forderungen stand stets die Drohung, jene Truppen zurückzurufen; und das durfte man nicht anhören, weil es hätte die Holländer missvergnügt machen können. Inzwischen schickten jene Fürsten dem Kaiser niemals ihre Kontingente, wiewohl sie dazu nach den Gesetzen des Kaiserreichs verpflichtet sind; als Entschuldigung führten sie an, wir hätten schon alles in Sold genommen, was sie nur irgendwie entbehren könnten.

Wenn aber all das wahr ist: wenn wir nach dem, was ich behauptet habe, diesen Krieg der Vernunft zuwider begannen; wenn der Erfolg, den wir hatten (wie es selbst die andern Parteien bei jeder Gelegenheit anerkennen), grösser war, als wir vernünftiger Weise erwarten konnten; wenn wir nach all unsern Erfolgen nicht den Gebrauch von ihnen gemacht haben, den wir von Rechts wegen hätten davon machen müssen; wenn wir mit unsern Bundesgenossen schlechte und törichte Geschäfte abgeschlossen und zahm geduldet haben, dass sie selbst in diesen Geschäften jede Abmachung zu unserm Nachteil brachen; wenn wir ihnen erlaubten, uns unverschämt und verächtlich zu behandeln, während wir ihnen zugleich Städte, Provinzen und Königreiche eroberten, und zwar um den Preis unsres eigenen Verderbens und ohne jede Aussicht auf eigenen Nutzen; wenn wir unsre ganze Kraft dazu verbrauchten, den Feind auf der stärksten Seite anzugreifen, wo (wie der alte Herzog von Schomberg Friedrich Hermann, Herzog von Schönberg, ein bekannter Soldat im Sinn der alten Landsknechte, die dienten, wo man sie bezahlte. Er kämpfte zum Beispiel zur Zeit Wilhelms III. bald für Frankreich, bald für England; er fiel in Irland In der Schlacht an der Boyne. sagte) »Frankreich angreifen einen Bullen an den Hörnern packen« hiess; und wenn wir jenen Teil des Krieges, der allein uns instand setzen konnte, ihn fortzuführen oder zu beendigen, völlig vernachlässigten; wenn all das, sage ich, bei uns der Fall ist, so liegt die Frage auf der Hand, aus welchen Motiven oder durch welche Geschäftsleitung wir so zum Narren und zum Gimpel Europas geworden sind. Sicherlich kann es nicht an der Borniertheit liegen, die die Folge unsres kalten Klimas ist; denn gerade diejenigen unsrer Bundesgenossen, die uns den meisten Grund zur Klage gaben, sind der Sonne ebenso fern wie wir.

Wenn ich bei der Aufdeckung der wirklichen Ursachen unsres gegenwärtigen Elends gezwungen bin, mit einiger Freiheit zu reden, so denke ich, wird das keiner Entschuldigung bedürfen; der Ruf ist das geringste Opfer, das jene uns bringen können, die das Werkzeug unsres Verderbens waren, denn es ist das, was sie aller Wahrscheinlichkeit nach am wenigsten schätzen. Wenn ich also die Handlungen solcher Menschen aufdecke, so kann man von mir nicht eigentlich sagen, ich schädige sie. Wie es aber dem Volk eine gewisse Genugtuung sein wird, wenn es erfährt, von wem es so lange getäuscht worden ist, so kann es für uns und unsre Nachkommenschaft von grossem Nutzen sein, wenn wir die Sicherheit unsres Landes nicht wieder in die Hände von Leuten legen, die nach solchen Prinzipien und auf Grund solcher Motive handeln.

Ich habe bereits bemerkt, wie ein gewisser grosser Mann, als man zur Zeit des verstorbenen Königs Wilhelms III. (von Oranien). über diesen Krieg beriet, so wenig geneigt war, sich auf ihn einzulassen, dass er lieber sein Amt aufgab und dem König sagte, er könne ihm nicht länger dienen. Nach dem Tode dieses Fürsten aber hielt es dieser Lord, Godolphin. wiewohl kein neuer Grund für unsern Streit mit Frankreich hinzugekommen war, für gut, seine Gesinnung zu ändern; denn auch der ganze Schauplatz hatte sich verwandelt; seine Lordschaft und die Familie, mit der er durch ein so kompliziertes Bündnis verbunden war, Die Marlboroughs. standen in höchstem Ansehn bei der Königin. Für seine Lordschaft war der Schatzmeisterstab bereit, der Herzog sollte das Heer befehligen, und die Herzogin, vermöge der Ämter, die sie bekleidete, und der Gunst, die sie besass, der Person Ihrer Majestät am nächsten stehn; dadurch musste im In- und Auslande die ganze Macht in die Hände dieser Familie kommen. Das war eine so verlockende Aussicht, dass ihr, die Wahrheit zu gestehn, nicht leicht jemand Widerstand leisten konnte, der einen solchen Durst nach Reichtum und Ehre hatte. Nach einer der grossen Allianz folgenden Abmachung sollten wir die Holländer mit vierzigtausend Mann unterstützen, die befehligt werden sollten vom Herzog von Marlborough. Ob also dieser Krieg vernünftig begonnen wurde oder nicht, das eine ist klar, dass die eigentliche Triebfeder oder das Motiv die Erhöhung einer einzelnen Familie war; kurz, es war ein Krieg des Generals und des Ministeriums, nicht ein Krieg des Fürsten und des Volks, denn eben jene Personen waren dagegen gewesen, als sie wussten, dass die Macht und also auch der Nutzen in andern Händen lag.

Diesen Massregeln stimmte jene Klasse von Menschen bei, die man die Geldleute nennt; Leute, die durch den Handel mit Börsen- und Staatspapieren ungeheure Summen verdient hatten und gegen Zinsen und Provisionen herliehen; denn ihre beständige Ernte ist der Krieg, und ihr einträglicher Erwerbszweig muss unter einem Friedensschluss sehr leiden.

Bei jener ganzen Kette von Übergriffen der Holländer gegen uns, die ich oben dargelegt habe und bei all den schweren Schätzungen von Seiten andrer Fürsten sehe ich, wenn jemand fragen sollte, weshalb unser General bis zum Schluss so nachgiebig blieb, keine andre Erklärung als so wahrscheinlich oder auch nur als gleich milde an, wie es die mit seiner unbestreitbaren Liebe zum Reichtum ist, die selbst seine besten Freunde als seine vorherrschende Leidenschaft anerkennen. Aber ich will in dieser Sache alles Persönliche beiseite lassen. Ich will nichts von jenen grossen Geschenken sagen, die mehrere Fürsten gemacht haben und die die Soldaten den Winterproviant zu nennen pflegten, indem sie hinzufügten, er sei besser als der Sommerproviant; nichts von den zweieinhalb Prozent, die von all den Subsidien, wie wir sie in jene Gegenden zahlten, abgezogen wurden und die sich auf keine unbeträchtliche Summe belaufen; und schliesslich auch nichts von den grossartigen Sportel[*]n in einem langen, erfolgreichen Kriege, die zwischen ihm und den Staaten so freundschaftlich geteilt wurden. Diese Stellen trugen nicht wenig zum Sturz Marlboroughs bei. Die Sportel[*]n, die in den eroberten Gegenden von ihm und den Holländern erhoben worden und zur Hälfte in seine Tasche geflossen waren, konnten nicht einmal geleugnet werden; und ihre Einziehung zu rechtfertigen, misslang.

Als aber der Krieg in dieser Weise begonnen worden war, traten hier im Lande alsbald Ereignisse ein, die seine Fortführung für jene, die vor allem zu ihm geraten hatten, notwendig machten. Die Whigs hatten um jene Zeit allen Einfluss und alles Ansehn verloren. Die herrschenden Günstlinge hatten stets das sogenannte Toryprinzip mindestens so hoch gehalten, wie unsre Verfassung es ertragen konnte; und die meisten andern, die hohe Ämter inne hatten, standen ganz im Dienst der Kirche. Diese, unter denen mehrere Personen von grösstem Verdienst und höchstem Stand und Ansehn waren, konnten die vielen Beispiele des Hochmuts, der Unverschämtheit, der Habgier und des Ehrgeizes, die jene Günstlinge so früh zu entfalten begannen, nicht ertragen und nicht mit zusehn, wie sie sich anmassten, ganz allein mit der königlichen Gunst zu schalten. Ihre Opposition war jedoch zwecklos; sie hatten mit einer zu grossen Macht zu ringen und wurden bald unter ihr zermalmt. Denn als jene Machthaber erkannten, dass sie in ihren Usurpationen nie Ruhe haben würden, solange noch andre irgend welches Ansehn besassen, begannen sie den entlassenen Whigs Avancen zu machen, die mit allen Vergleichsbedingungen zufrieden sein mussten. So begann jener »Feierliche Bund und Vertrag«, der seither so emsig kultiviert worden ist. Die grossen Geldleute waren den Whigs, die sie zuerst emporgehoben hatten, völlig ergeben. Das Heer, der Hof und die Finanzen blieben unter der alten despotischen Verwaltung. Die Whigs fanden Zutritt zu den Ämtern; sie durften das Parlament leiten, den Grundbesitz niederschreien und die Kirche plagen. Derweilen waren unsre Verbündeten, die genau wussten, dass dieser ganze künstliche Bau im Herzen des Volks keinerlei festes Fundament besass, entschlossen, ihn nach Kräften auszunutzen, solange er sich halten würde. Und da durch unsre flandrischen Erfolge das Ansehn des Generals im Lande sehr hoch stieg, begannen die Holländer ihren allmählichen Druck; sie verminderten ihre Kontingente sie brachen ihre Abmachungen, sie legten Garnisonen in die Städte, die wir für sie eroberten, ohne ihre Truppen zu verproviantieren, und begingen viele andre Übertretungen. All dem mussten wir uns fügen, weil man den General nachgiebig machte, weil die Geldleute im Lande den Krieg liebten, weil die Whigs noch nicht feststanden, und weil jene ungeheure Macht, die auf der angeblichen Notwendigkeit der Verwendung ganz bestimmter Einzelpersonen beruhte, in einem Frieden verloren gegangen wäre. Ich brauche nicht erst hinzuzufügen, dass der Kaiser und andre Fürsten dem Beispiel der Holländer folgten, und zwar aus denselben Gründen, mit demselben Erfolg.

Ich habe hier die Fortdauer des Krieges mit der gegenseitigen Nachsicht unsres Generals und unsrer Verbündeten begründet; denn dabei kamen sie beide gut auf ihre Rechnung; ferner mit den Befürchtungen der Geldwechsler, »ihr Tisch möchte umgestossen werden«; mit den Plänen der Whigs, die von einem Friedensschluss den Verlust ihres Einflusses und ihrer Ämter besorgten, und schliesslich mit den Gedanken derer im Lande, die ihre masslos gesteigerte Macht auf Grund keines andern Rechtes als ihrer eignen Behauptung vom Zwang der Verhältnisse besassen. Dass all das wahr ist, wird sich unstreitig ergeben, wenn man erwägt, wie einstimmig und einmütig all diese Parteien auf das eine grosse Ziel hin arbeiteten.

Als im Oberhaus die Resolution gegen jeden Frieden gefasst wurde, wenn nicht zuvor Spanien für das Haus Österreich zurückerobert worden wäre, sagte der Graf von Wharton Thomas Wharton, später Graf und noch später Marquis von Wharton und Malmesbury hatte eine l[*]ange, meist oppositionelle politische Laufbahn hinter sich; doch stand er in hoher Gunst bei Wilhelm III., den er mit ins Land gerufen haben soll. 1708 war er Lord Statthalter von Irland gewesen, und durch seine Verwaltung hatte er sich Swifts ewigen Hass zugezogen. Swift hat vielleicht niemals etwas geschrieben, was so von Gift starrt, wie sein »Kurzes Charakterbild Seiner Exzellenz T. E. of W., L. L. von J.« (Kurzes Charakterbild Seiner Exzellenz Thomas, Earl of Wharton, Lord Lieutenant von Irland.) dem Hause, es sei freilich unmöglich und undurchführbar, Spanien zurückzuerobern, aber es seien »bestimmte Gründe« vorhanden, weshalb man diese Resolution jetzt fassen müsste. Diese Gründe bedurften keiner Erklärung, denn da der General und das Ministerium es abgelehnt hatten, sehr vorteilhafte Friedensanerbietungen anzunehmen, die nach der Schlacht bei Ramillies gemacht wurden, so waren sie gezwungen, durch ein Geschäft gewisse Leute aufzunehmen, um sich vor den Folgen jenes Fehlers zu schützen. Und also wurden bei der nächsten besten Gelegenheit, die sich bot, es war das aber der Tod des Prinzen von Dänemark, Georg von Dänemark, der Prinz-Gemahl der Königin Anna. die Hauptführer der Partei in mehrere grosse Ämter eingesetzt.

Als dann die Königin nicht mehr imstande war, die Tyrannei und Unverschämtheit dieser undankbaren Diener zu ertragen, die, »je fetter sie wurden, um so mehr ausschlugen«, gerieten unsre beiden fremden Bundesgenossen und unsre Börsenjobber im Lande sofort in Aufregung; sie wandten sich mit Denkschriften und Botschaften direkt an den Thron und wiesen Ihre Majestät gemeinsam an, nur ihren Sekretär und ihren Oberschatzmeister nicht zu wechseln; sie aber hätten aus eben den Gründen, aus denen diese diensteifrigen Zwischenträger ihr Verbleiben im Amt verlangten, niemals in die geringste Vertrauensstellung Eingang finden dürfen; denn was sie taten, war nichts geringeres, als ein Verrat der Interessen ihres Landes an jene Fürsten, die ihrerseits alles tun sollten, was sie tun konnten, um ihnen im Lande die Macht zu erhalten.

So zeigt es sich klärlich, dass man auf allen Seiten verschworen war, die Massregeln fortzusetzen, die den Krieg verewigen mussten; eine Verschwörung, die sich auf das Interesse und den Ehrgeiz aller Parteien stützte, wodurch ein so festes Bündnis zustande kam, dass ich mich nicht wundre, wenn es solange vorhielt, sondern vielmehr erstaunt bin, wie es brechen konnte. Die Umsicht, der Mut und die Festigkeit, die Ihre Majestät bei allen Schritten dieses Wandels bewies, mussten, wenn die Einzelheiten genau berichtet würden, einen leuchtenden Teil ihrer Geschichte ergeben. Und auch ihre Urteilskraft ist nicht weniger zu bewundern; denn sie leitete sie in der Wahl der vielleicht einzigen Personen, die Geschick, Einfluss und Entschlossenheit genug besassen, um ihr als Werkzeug bei der Überwindung so vieler Schwierigkeiten dienen zu können.

Manche möchten ihr Verdienst hierin verkleinern, indem sie anführen, die Rohheit, die Tyrannei, die Bedrückung und der Undank der einstigen Günstlinge seien nicht mehr zu ertragen gewesen. Sie bringen Beispiele dafür bei, wie Ihre Majestät durch all ihre Wohnsitze verfolgt wurde, vor allem zu Windsor. Nachdem der Feind dort jeden Zoll Bodens besetzt hatte, griffen sie schliesslich das Schloss an und stürmten es, wodurch sie die Königin zwangen, gemäss Salomos Rat, der uns sagt, es sei besser auf einem Dache zu leben als in einem grossen Hause mit einem keifenden Weib zusammen, in ein benachbartes Landhaus zu entfliehen. Die das berichten, behaupten, eine so fortgesetzt schlechte Behandlung genüge, um auch den mildesten Geist zu entflammen. Sie werfen den Günstlingen ihren Mangel an Staatsklugheit vor und finden es nicht weiter erstaunlich, dass die Königin die Geduld verlor und sie zu entlassen beschloss. Ich freilich bin andrer Meinung und halte ihr Vorgehn für ganz richtig. Denn nichts bricht auch den tapfersten Geist so leicht, wie eine ununterbrochene Kette von Bedrückungen; ein Unrecht wird am ehesten durch ein zweites verteidigt, und dieses durch ein drittes. Mit Hilfe dieser Schritte wurden die alten Herren des Palastes in Frankreich zu Herren des Königreichs; und mit Hilfe dieser Schritte hätte ein General auf Widerruf zu einem General auf Lebenszeit werden können, und ein General auf Lebenszeit zu einem König. Swift glaubte wie manche andern Leute der Zeit, Marlborough habe Absichten auf die Krone gehabt, und zwar aus reiner Habgier. Ob der Verdacht begründet war oder nicht, bleibt ungewiss. Möglich ist es in anbetracht der damaligen Verhältnisse wohl. Ich muss also dabei bleiben, dass es ein Wunder war, wie Ihre Majestät, auf allen Seiten so belagert, sich befreien konnte.

Nachdem ich so die wirklichen Ursachen, die freilich unter glänzenden Vorwänden versteckt waren, für die lange Dauer des Krieges erwähnt habe, muss ich um Erlaubnis bitten, ein wenig denen Rede stehn zu dürfen, die gegen Jeden Frieden sind, es sei denn einen solchen, den sie einen guten nennen; und sie erklären diesen Ausdruck dahin, dass kein Friede gut sein könne, ohne dass Spanien unverkürzt an das Haus Österreich zurückfalle. Es ist anzunehmen, dass das, was ich über diesen Teil meines Themas zu sagen habe, jene wenig beeinflussen wird, deren besondre Absichten oder Pläne ihnen den Wunsch eingeben, den Krieg noch weiter fortzusetzen. Ich meine den General und unsre fremden Verbündeten, die Schar der einstigen Günstlinge im Lande, die Gesellschaft aller, die mit Papieren handeln, und schliesslich jene Klasse parteisüchtiger Politiker, die so heftig danach strebten, wenigstens unsre Verfassung in Kirche und Staat zu beschneiden. Deshalb werde ich mich an niemanden unter diesen wenden, wohl aber gleichermassen an alle andern, einerlei ob Whigs oder Torys, deren privates Interesse am besten durch die Wohlfahrt ihres Landes verbürgt wird. Und wenn unter ihnen noch Leute sind, die da meinen, wir sollten weiter kämpfen, bis König Karl ruhig auf dem Thron von Spanien sitzt, so glaube ich, dass sie mehrere Punkte nicht gründlich genug überlegt haben.

Denn erstens ist zu beachten, dass jene Resolution gegen jeden Frieden ohne Spanien etwas Neues brachte, was auf den ursprünglichen Streit aufgepfropft wurde, und zwar durch die Intrigen einer Partei unter uns, die ihm die Sanktion eines Parlamentsbeschlusses in Ober- und Unterhaus verschaffte, um jene zu rechtfertigen, deren Interesse in der Fortdauer des Krieges lag. Und wie dieses Verfahren dem Brauch aller Fürsten und Staaten zuwiderlief, deren Absichten offen und ehrenwert waren, so läuft es auch der gewöhnlichen Klugheit und Gerechtigkeit zuwider. Ich kann hinzufügen, dass es auch gottlos war, weil man sich anmasste, die Ereignisse zu lenken, was nur Gottes Hand gegeben ist. Unsre und der Generalstaaten Klagen gegen Frankreich und Spanien sind in unsern beiderseitigen Kriegserklärungen aufgeführt, und unsre Ansprüche im achten Artikel der grossen Koalition präzisiert; aber in beiden wird eines Anspruchs auf Spanien zu Gunsten des Hauses Österreichs keinerlei Erwähnung getan, noch auch ist davon die Rede, ohne diese Bedingung einen Frieden zurückzuweisen. Da ich aus beiden Kriegserklärungen bereits einen Auszug mitgeteilt habe, so werde ich hier eine Übersetzung des achten Artikels der grossen Koalition geben, die diese Frage ohne jeden Zweifel löst.

Der achte Artikel der grossen Koalition:

Wenn der Krieg einmal begonnen ist, so soll es keiner der Parteien mehr zustehn, anders als gemeinsam und im Einverständnis mit allen in Friedensunterhandlungen mit dem Feinde einzutreten. Auch soll kein Friede geschlossen werden, ohne dass man zuvor für Seine Kaiserliche Majestät und für Seine Königliche Majestät von Grossbritannien gebührende und vernünftige Genugtuung erlangt hat, und ohne dass den Generalstaaten ihre Besitzungen, Provinzen, Rechte, ihre Schiffahrt und ihr Handel besonders garantiert werden, sowie ohne ausreichende Vorkehrung, dass die Königreiche Frankreich und Spanien niemals vereinigt werden, oder unter die Herrschaft einer und derselben Person fallen, oder dass ein und derselbe Mann niemals König beider Reiche werden darf; besonders aber, dass die Franzosen niemals Besitz von Spanisch-Westindien erlangen und dass sie keine Schiffahrtsfreiheit besitzen dürfen, zur Erleichterung des Handels, unter welchem Vorwand es auch sei, weder direkt noch indirekt, es sei denn ausbedungen, dass die Untertanen von Grossbritannien und Holland volle Macht haben, die gleichen Privilegien und Rechte, Immunitäten und Handelsfreiheiten zu Meer und zu Lande zu besitzen und zu geniessen, und zwar in Spanien, dem Mittelmeer und in allen Städten und Ländern, die zur Zeit seines Todes im Besitz des verstorbenen Königs von Spanien waren, in Europa sowohl wie anderswo, genau wie sie sie damals besassen und genossen, und wie sie die Untertanen beider Nationen oder einer der beiden Nationen kraft eines vor dem Tode besagten Königs von Spanien erlangten Rechtes hätten besitzen oder geniessen können, es sei auf Grund von Verträgen, Vereinbarungen oder Sitten oder wie auch immer.

Hier sehen wir, dass die Forderungen, auf denen die Verbündeten bei jedem Friedensvertrag bestehn sollten, diese sind: eine gerechte und vernünftige Genugtuung für den Kaiser und den König von Grossbritannien, eine Bürgschaft für den Besitz usw. der Generalstaaten, und eine genügende Vorkehrung, dass Frankreich und Spanien niemals unter demselben Mann als König beider Reiche vereinigt werden dürften. Der Rest bezieht sich auf die Handels- und Verkehrsfreiheit für uns und die Holländer; aber keine Silbe verpflichtet uns, den Herzog von Anjou zu vertreiben.

Um aber zu erkennen, wie diese neue Redeweise: »kein Friede ohne Spanien« zuerst bei uns eingeführt wurde und zuletzt den Sieg erlangte, müssen wir weit zurückgreifen.

Der Erbteilungsvertrag rief das Testament zu Gunsten des Herzogs von Anjou hervor. Denn er drängte Spanien natürlicherweise zur Wahl eines Fürsten, der von einer grossen Macht unterstützt wurde, deren Interesse und Neigung sie verpflichtete, die Monarchie ungeteilt zu erhalten, statt sich ihm zu Gunsten eines andern Hauses zu widersetzen, das dann von einer ganzen Anzahl von Verbündeten Hilfe erwarten musste; die wichtigsten dieser Verbündeten aber hatten bereits über das verfügt, was ihnen nicht gehörte, und die Monarchie Spanien durch einen vorgreifenden Vertrag bereits zerstückelt.

So kam der Herzog von Anjou in den vollen Besitz aller Königreiche und Staaten, die, sowohl in der alten wie der neuen Welt, zu jener Monarchie gehört hatten. Und was auch das Haus Österreich bei uns und den Staaten aus ihren Denkschriften herauslas, es war schon damals nur zu deutlich, dass die Neigungen der Spanier auf des Herzogs Seite standen.

Es wurde jedoch ein Krieg beschlossen, und um ihn energischer führen zu können, wurde eine grosse Koalition gebildet, in der die Ziele, die erreicht werden sollten, klar und deutlich niedergelegt sind, wie ich sie schon zitiert habe. Es gefiel Gott, die Heere der Verbündeten im Laufe dieses Krieges mit bemerkenswerten Erfolgen zu segnen, so dass wir bald in der Lage waren, die Friedensbedingungen zu verlangen und zu erwarten, die wir uns vorgenommen hatten, als wir den Krieg begannen. Aber statt dessen dienten unsre Siege nur dazu, uns zu weiteren, visionären Ausblicken zu verführen; man nutzte die sanguinische Stimmung aus, in die die Nation durch so viele Erfolge gehoben worden war; neue romantische Gesichtspunkte tauchten auf, und der alte vernünftige, nüchterne Plan wurde vergessen.

Das war der Kunstgriff derer im Lande, die gewiss waren, um so reicher zu werden, je ärmer die Allgemeinheit wurde, und die nach den Beschlüssen, die zu fassen die beiden Häuser überredet worden waren, den Krieg in Sicherheit hätten weiter führen können, bis Malz und Land verpfändet gewesen, eine allgemeine Akzise auferlegt und von rotjackigen Steuereinnehmern der dixième denier eingezogen worden wäre. Und das war gerade die Lage, die zu ihren Interessen stimmte.

Das Haus Österreich zollte diesem Plan mit gutem Grunde Beifall; denn alles, was mit fremdem Blut und Geld zu gewinnen war, musste diesem Hause zufallen, und sie liehen der Sache nur ihren Namen.

Die Holländer hätten vielleicht unter ihrer Bürde störrig werden können; aber auch dafür wurde vorgesorgt, und zwar durch einen Grenzvertrag mit den Staaten, der Epitheta verdient, die ich lieber nicht aussprechen will. Aber ich werde ihn vielleicht einmal in einer gesonderten Abhandlung untersuchen. Swift tat das in einer Schrift unter dem Titel: »Einige Anmerkungen zu dem Grenzvertrag.« Die Schrift gehört zu den besten politischen Schriften des Autors.

Durch diesen Vertrag wurde die Grundlage des Krieges im Hinblick auf die Holländer stark verändert. Sie kämpften nicht mehr für ihre Sicherheit, sondern für ihre Grösse; und statt uns abzumühn, um sie zu retten, müssen wir uns an den Bettelstab bringen, um sie furchtbar zu machen.

Wird irgend jemand behaupten, wenn wir zur Zeit des Gertrudenburger Vertrags mit den Friedensbedingungen zufrieden gewesen wären, die wir selbst durch die grosse Allianz vorgezeichnet hatten, dass dann die Franzosen sie nicht bewilligt hätten? Es ist doch klar: sie boten uns viel mehr und viel Grösseres, als wir je zu verlangen dachten, ehe der Krieg begann. Und sie hatten allen Grund, es zu gewähren, wie wir, es zu verlangen, denn die Friedensbedingungen richten sich sicherlich nach dem Verlauf eines Krieges. Aber gewiss kann man aus dem folgenden das eine oder andre entnehmen. Die Verteidiger der Haltung unsrer Bevollmächtigten beim Vertrag von Gertrudenburg legen viel Gewicht auf den Eifer und die Geduld, mit der sie die Franzosen zur Bewilligung ihrer Forderungen zu zwingen suchten; kein Wort aber sagen sie, um diese Forderungen selbst zu rechtfertigen oder es wahrscheinlich zu machen, dass Frankreich sie je hätte bewilligen können. Ein paar der Artikel jenes Vertrags waren so übertrieben, dass wir sie aller menschlichen Wahrscheinlichkeit nach nicht in einem vierzigjährigen Krieg hätten durchsetzen können. Einer widersprach der allergewöhnlichsten Vernunft; denn in ihm behielten die Verbündeten sich das volle Recht vor, alle weiteren Bedingungen zu verlangen, die ihnen angemessen erscheinen würden; und zugleich sollte Frankreich innerhalb eines Monats mehrere seiner stärksten Städte ausliefern. Diese Artikel wurden sehr ernsthaft von unsern und den holländischen Bevollmächtigten unterzeichnet; nicht aber von den Franzosen, obgleich es gegenseitig hätte geschehen müssen; ja, sie wurden sogar von dem Sekretär der Gesandtschaft herübergebracht; und die hiesigen Minister überredeten die Königin zu einer Ratifikation von Artikeln, die nur die eine Seite unterzeichnet hatte. Das war formell wie inhaltlich eine Absurdität, denn die gebräuchliche Formel der Ratifikation lautet nach der Einleitung: »Dieweil unsre Gesandten und die der Verbündeten und des Feindes usw. unterzeichnet haben usw., ratifizieren Wir usw.« Die Persönlichkeit, die die Artikel herüber brachte, Es war Horatio Walpole. erzählte in allen Gesellschaften (und glaubte es vielleicht gar selbst), es sei schade, dass wir nicht mehr verlangt hätten, denn die Franzosen seien nicht in der Stimmung gewesen, uns irgend etwas abzuschlagen. Einer unsrer Bevollmächtigten tat, als läge ihm das gleiche am Herzen, besonders aber, dass wir nicht weitere Garantien für das Kaiserreich am Oberrhein verlangt hatten.

Welchen Zweck konnte dieser Possen haben, wenn nicht den, das Volk zu täuschen und Papiere für die eingeweihten Freunde zu kaufen, die man vorteilhaft wieder losschlagen wollte? Ich habe zu viel Achtung vor der Begabung derer, die an diesen Unterhandlungen teilnahmen, um zu glauben, dass sie einen andern Ausgang erhofften, als wir ihn schliesslich erlebt haben. Man erlaube mir, einmal anzunehmen, dass den Machthabern im In- und Auslande nur die Fortdauer des Krieges am Herzen lag; dann kann ich leicht beweisen, dass ihr Vorgehn nur konsequent war; sonst wäre es ganz unerklärlich und absurd gewesen. Hatten die Leute, die auf so wilden Forderungen bestanden, je das ernsthafte Streben nach einem Frieden? Glaubten sie wirklich, dass die Fortdauer des Krieges für ihr Land besser war, als die geringste Nachgiebigkeit in diesen Bedingungen? War die kleinste Nachgiebigkeit sechs Millionen im Jahr und hunderttausend Menschenleben wert? Gab es keine Mittel und Wege, für die Unantastbarkeit Britanniens und die Sicherheit seines Handels zu sorgen, ohne dass der französische König seine eigenen Waffen ergriff, um seinen Enkel aus Spanien zu verjagen? Wenn diese begabten Staatsmänner wirklich so besorgt waren um unsern Handel, den sie zum Vor[*]wand für den Beginn des[*] Krieges wie für seine Fortdauer genommen hatten, weshalb vernachlässigten sie ihn da so sehr in eben jenen Präliminarien, in denen der Feind so viele Konzessionen machte, und in denen alles, was sich auf Hollands oder der Verbündeten Vorteil bezog, ausdrücklich niedergelegt wurde? Aber alles, was uns anging, sollte einem allgemeinen Vertrag vorbehalten bleiben; es wurde kein Zolltarif mit Frankreich oder den Niederlanden vereinbart; nur die Schel[*]de sollte gesperrt werden, wodurch unser Handel mit Antwerpen vernichtet würde. Unser Handel mit Spanien wurde desselben Weges verwiesen; aber sie werden sagen, das habe nichts zu bedeuten, da das Königreich ja dem Hause Österreich zufallen sollte; und mit König Karl hatten wir schon einen Vertrag geschlossen. Ich habe freilich von einem Vertrag gehört, den Herr Stanhope James, später Earl Stanhope; einer der Generale unter Peterborough in Spanien. über die Regelung unsres Handels in Spanien mit jenem Fürsten geschlossen habe. Aber wie der Vertrag auch gelautet haben mag, zwischen uns und Holland bestand ein andrer, der mit ihm Hand in Hand ging; ich meine den Grenzvertrag, in den eine Klausel eingefügt wurde, nach der alle für Britannien erreichten Vorteile auch Holland zu Gute kommen sollten.

Ein andrer Punkt, den die Gegner jedes Friedens ohne Spanien nicht erwogen haben, ist der, dass sich seit des Kaisers Tod das Angesicht der Dinge in der Christenheit sehr verändert hat. Durch dies Ereignis haben die Ansichten und Interessen mancher Fürsten und Staaten der Koalition eine neue Wendung erhalten, und ich glaube, auch die unsern sollten das tun. Wir haben schon genügend Dummheiten gemacht, indem wir unsre Massnahmen hinsichtlich eines Friedens änderten, während unsre ganze Lage die gleiche blieb; und es ist wirklich zu viel, wenn wir jetzt wieder Dummheiten machen, indem wir jene nicht ändern, während sich die Lage so gewandelt hat.

Es ist zweifellos wünschenswerter, einen Fürsten aus dem Hause Österreich auf dem spanischen Thron zu haben, als einen aus dem Hause Bourbon; aber dass das Kaiserreich und die spanische Monarchie in einer und derselben Person vereinigt werden könnten, das ist eine furchtbare Aussicht, und es läuft jenem klugen Prinzip, auf das sich der achte Artikel der Koalition gründet, genau zuwider. Wir und Holland fürchteten das so sehr, dass nach dem fünfundzwanzigsten Artikel des Trutzbündnisses Seine portugiesische Majestät den Erzherzog nicht als König von Spanien anerkennen sollte, bevor nicht die beiden letzten Kaiser Karl besagte Monarchie zediert hätten. (Anmerkung Swifts zur zweiten Ausgabe.)

Dagegen kann man vielleicht einwenden, dass der träge Charakter der österreichischen Fürsten, die elende Wirtschaft in ihrer Regierung, der Mangel an einer Seemacht, die Zerstreutheit ihrer verschiedenen Besitzungen einen Kaiser, wäre er auch zugleich König von Spanien, nie würden furchtbar werden lassen. Dass er sich vielmehr stets auf Grossbritannien werde stützen müssen, und dass uns die Handelsvorteile, die wir durch einen Friedensschluss auf Grund dieser Bedingung gewinnen würden, schnellen Ersatz für die Kriegskosten schaffen müssten.

Statt aller Antwort wollen wir einmal untersuchen, in welcher Lage wir sein müssten, ehe ein solcher Friede durchzusetzen wäre, wenn er überhaupt erreichbar ist. Wir müssen nicht nur gegenwärtig verarmen, sondern noch auf unzählige Jahre hinaus durch weitere Verpfändungen zu Bettlern werden. Man vergleiche eine solche Schwächung mit einem so grossen Machtzuwachs für Österreich, und dann entscheide man, wie sehr ein Kaiser bei einem solchen Stand der Dinge Britannien fürchten oder nötig haben wird.

Man beachte, dass der Vergleich sich nicht bezieht auf einen Fürsten aus dem Hause Österreich, der Kaiser und König von Spanien, und einem Fürsten aus dem Hause Bourbon, der König von Frankreich wäre, sondern auf einen Fürsten aus diesem Hause, der nur König von Spanien wird, und einem aus jenem, der beide Kronen in seiner Person vereinigt.

Welchen Dank können wir erwarten, wenn man uns nicht mehr braucht? Ist alles, was wir bisher für das kaiserliche Haus getan haben, als eine Gunst aufgenommen worden oder nur als das, was seiner augustissima casa gebührte?

Wird das Haus Österreich den geringsten Morgen Landes oder den geringsten Punkt eines überspannten oder gar usurpierten Kronrechts aufgeben, um die Gemüter jener verbündeten Fürsten zu beruhigen, die vor den Folgen dieser Wendung der Dinge erschrecken, wie sie durch des Kaisers Tod eingetreten ist? Niemals; davon sind wir überzeugt. Bilden wir uns also ein, jene Fürsten, die die Übermacht Österreichs ebenso sehr fürchten wie die des Hauses Bourbon, würden mit uns im Bunde bleiben, wenn wir ein System verfolgen, das dem vereinbarten gerade entgegen läuft? Was kann zum Beispiel in solchem Fall der Herzog von Savoyen erwarten? Bleibt ihm dann noch eine andre Wahl, als für Frankreich ein Sklave und ein Grenzstaat zu werden oder im weitesten Sinne ein Vasall des kaiserlichen Hofes? Wird er also nicht von den beiden Übeln das geringere wählen? Indem er sich einem Herrn fügt, der keinen unmittelbaren Anspruch an ihn besitzt und mit dessen Haus er eng verbunden ist? Und nicht dem andern, der bereits mehrere Ansprüche an ihn geltend gemacht hat und ihm droht, ihrer noch mehr geltend zu machen?

Und auch die Holländer sind nicht mehr damit zufrieden, als der Rest Europas, dass das Kaiserreich und Spanien in König Karl vereinigt werden; was sie jetzt auch behaupten mögen. Im Gegenteil, es ist mehreren Personen bekannt, dass die Staaten beim Tode des Kaisers Leopold beschlossen, nie zu dulden, dass jene beiden Mächte je in einer Person vereinigt würden; und das legten sie als einen fundamentalen Grundsatz nieder, nach dem sie zu handeln gedachten. Spanien wurde also von ihnen zuerst aufgegeben; und da sie in jenem Königreich keine Truppen unterhalten, so scheint es, als sehen sie den Herzog von Anjou bereits als rechtmässigen Monarchen an.

Drittens werden die Gegner jeden Friedens ohne Spanien, wenn sie nicht zu denen gehören, die irgendwie ihre Rechnung bei dem Kriege finden, vielleicht ihre Ansicht ändern, wenn sie sich unsre gegenwärtige Lage ein wenig überlegen wollen.

Ich hatte zwei Gründe, wenn ich diese Abhandlung nicht früher veröffentlichte: zunächst wollte ich andern die Bahn frei lassen, die dasselbe Thema recht wohl von allgemeinen Gesichtspunkten wie vom Standpunkt der Vernunft aus hätten behandeln können, wenn ihnen vielleicht auch gewisse Tatsachen unbekannt waren, die ich zu erfahren Gelegenheit hatte. Dann aber sah ich, dass es im Laufe der Erörterung notwendig sein würde, etwas über die Lage zu sagen, in die uns dieser Krieg gebracht hat; zugleich wusste ich, dass eine solche Enthüllung so spät wie möglich gemacht werden musste und zu andrer Zeit nicht nur sehr indiskret gewesen wäre, sondern sogar hätte gefährlich werden können.

Es ist die Narrheit nur zu vieler, das Echo eines Londoner Kaffeehauses für die Stimme des Königreichs zu halten. Die Londoner Kaffeehäuser stecken seit einigen Jahren voller Leute, deren Vermögen von der Bank, von Ostindien oder anderen Papieren abhängt. Jedes neue Papier ist für sie, was das Pfand für den Wucherer ist; sein Mitleid mit dem jungen Erben gleicht genau dem eines Börsenjobbers mit dem grundbesitzenden Landadel. Um den Hof herum werden die gleichen Lokale besucht von stellungslosen Leuten, die also Feinde des gegenwärtigen Ministeriums sind, oder von Heeresoffizieren; kein Wunder also, wenn der allgemeine Schrei an solchen Orten gegen jeden Frieden geht, einerlei, ob mit oder ohne Spanien. Das heisst in andern Worten: Missvergnügte Leute wünschen einen neuen Wechsel im Ministerium; Soldaten möchten gern ihre Ämter behalten, und die Gläubiger haben noch Geld und möchten, dass die Schuldner zu den alten wucherischen Zinsen weiter borgen, solange sie noch eine Sicherheit stellen können.

Um nun also selbst dem unwissendsten Leser einen Begriff von unsrer gegenwärtigen Lage zu geben, ohne ihn oder uns mit förmlichen Berechnungen zu belästigen, so weiss jedermann, dass sich unsre Land- und Malzsteuer auf jährlich etwa zwei und eine halbe[*] Million beläuft. Alle andern Zweige der Kroneinkünfte sind bereits für die Zinsen dessen verpfändet, was wir schon geborgt haben. Die jährlichen Kosten des Krieges betragen in der Regel etwa sechs Millionen. Alles natürlich in Pfu[*]nd Sterling berechnet. Um diese Summe zusammen zu bringen, sind wir genötigt, auf Grund des Staatskredits drei und eine halbe Million aufzunehmen. Im letzten Jahr sind die schätzungsweisen Kosten des Krieges um eine Million höher gewesen, als alle Staatseinkünfte, die das Parlament ersinnen konnte, zu verzinsen vermögen; und also mussten wir ein Defizit von zwölfhunderttausend Pfund auf die verschiedenen Zweige unsrer Ausgaben verteilen. Da haben wir den Beweis, dass, wenn der Krieg noch einen Feldzug dauert, die Unmöglichkeit eintritt, die Gelder für ihn zu finden, ohne dass wir die Malzsteuer verpfänden oder eine ähnliche, gleich verzweifelte Massregel treffen.

Wenn in diesem Winter der Friede geschlossen wird, so haben wir zu erwägen, wie wir imstande sein werden, eine Schuld von etwa fünfzig Millionen zu tilgen; das ist ein Viertel des Kaufpreises der ganzen Insel, wenn man sie losschlagen wollte.

Um uns von dieser ungeheuerlichen Last zu befreien, werden ein paar dieser Jahreseinkünfte verfallen, oder sie werden das Kapital in dreissig, vierzig oder hundert Jahren tilgen; die grosse Masse der Schuld muss allmählich durch die bestmögliche Verwaltung aus dem Rest der Land- und Malzsteuer verringert werden, der übrig bleibt, wenn wir Garden und Garnisonen bezahlt und zur Friedenszeit unsre Flotte unterhalten und verproviantiert haben. Ich bin nicht bewandert genug, um auszurechnen, was da nach diesen notwendigen Ausgaben für die jährliche Tilgung einer so ungeheuren Schuld übrig bleiben wird; aber ich vermute, dass es sehr wenig sein wird. Immerhin ist klar, dass diese beiden Steuern fortbestehn müssen, sowohl, um die Regierungskosten zu bestreiten, wie auch, weil wir kein andres Mittel haben, um das Kapital zurückzuzahlen. Und ebenso müssen all die andern Steuern für die Zinszahlungen bestehn bleiben. Wie lange Zeit dazu nötig ist, einer wie stätigen Verwaltung, eines wie ungestörten Gangs der Geschäfte es, so im Inland wie im Ausland, bedarf, das mögen andre bestimmen.

Manche Leute aber finden das sehr vernünftig; da der Streit sich um den Frieden und die Sicherheit drehte, so sollte die Nachwelt, die an dem Nutzen teil hat, auch einen Teil der Kosten tragen. Als ob beim Ausbruch dieses Krieges die Lage der Dinge eine solche gewesen wäre, wie sie noch niemals da war und nie wieder da sein wird! Es ist wunderbar, dass unsre Vorfahren in all ihren Kriegen nie in eine solche Notwendigkeit geraten sind; dass wir in Griechenland und Rom kein derartiges Beispiel finden; dass ausser vor hundertundzwanzig Jahren Spanien keine Nation Europas je dergleichen gekannt hat; und Spanien hat es damals durch seine eigne Narrheit auf sich geladen und seither ewig darunter leiden müssen. Zweifelsohne werden wir die Nachwelt Weisheit lehren, aber sie wird vielleicht finden, dass sie sie zu teuer bezahlen muss. Ich wünsche nur, dass sie sich an das Geschäft gebunden halte, das wir in ihrem Namen abgeschlossen haben.

Es ist leicht, kommenden Geschlechtern Schulden zu vermachen und zu hoffen, dass sie bereit und imstande sein werden, sie zu bezahlen; wie wir aber auf längere Zeit den Frieden sichern sollten, das ist schwer einzusehn. Wird Menschenart je aufhören, dieselben Leidenschaften zu hegen? Werden Fürsten je keine habgierigen oder ehrgeizigen Pläne mehr haben? Und werden Anlässe zum Streit je ganz verschwinden? Können nicht wir selbst durch den Wandel der Ereignisse und der Zufälle, wie sie in der Welt geschehn, in die Notwendigkeit geraten, dass wir den Händen eben derer, für die wir jetzt unser Land zugrunde richten, Städte entreissen müssen? Auch lässt sich nicht sagen, dass die Staaten, mit denen wir vielleicht Streit bekommen, in der gleichen Lage sein werden wie wir; denn durch die Eigentümlichkeit unsrer Stellung und die Schätzungen unsrer Bundesgenossen sind wir mehr erschöpft als sie oder der Feind; und infolge der Art unsrer Regierung, der Verderbtheit unsrer Sitten und der Parteispaltungen werden wir uns langsamer erholen.

Es wird für unsre Enkel zweifellos ein gewaltiger Trost sein, wenn sie in der Westminster Hall ein paar Fetzen hängen sehen, die uns hundert Millionen gekostet haben; und sie werden die Rückstände bezahlen und wie die Bettler damit prahlen, dass ihre Grossväter reich und mächtig waren.

Ich habe oft über jenen irrtümlichen Begriff des Kredits nachgedacht, den die Fürsprecher des letzten Ministeriums so rühmten. Gründete sich nicht der ganze Kredit auf die von den Landbesitzern erhobenen Gelder, jenen Landbesitzern, die sie so sehr hassten und verachteten? Wird nicht der grösste Teil dieser Gelder vom Wachstum und Erzeugnis des Landes erhoben? Muss nicht die ganze Schuld, müssen nicht die Kosten unsrer Flotte und unsrer Garnisonen nach einem Friedensschluss von der Land- und Malzsteuer bezahlt werden? Wenn sie es Kredit nennen, dass man sich ohne parlamentarische Garantien in zehn Millionen Schulden stürzt, wodurch das Publikum um fast die Hälfte betrogen wird, so muss ich solchen Kredit für gefährlich, ungesetzlich und vielleicht für verräterisch halten. Und nichts hat so viel dazu beigetragen, die Nation zugrunde zu richten, wie ihr gepriesener Kredit. Als ich beim Wechsel des Ministeriums sah, wie dieser falsche Kredit plötzlich sank, da war ich meinesteils sonderbar genug, ein gutes Omen darin zu erkennen. Es war, als hätte der junge verschwenderische Erbe einen neuen Massstab erkannt und beschlossen, für seine Güter zu sorgen, ehe der Stand der Dinge ganz verzweifelt war; und nun hörten die Wucherer auf, ihn wie zuvor mit Geld zu füttern.

Da die Geldleute den Krieg so sehr li[*]eben, so sollte es mich freuen, wenn sie einen einzigen Feldzug auf ihre Kosten führen wollten; er kommt nicht teurer als sechs bis sieben Millionen, und ich verbürge mich dafür, wenn sie das getan haben, so werden sie nicht in gleicher Weise wie die Grundbesitzer beitragen wollen, sondern sie werden ihr volles Kapital mit den Zinsen verlangen, den Zinsen zu sechs Prozent, von allem Geld, das sie der Regierung je geliehen haben.

Ohne diese Hilfsquelle oder irgend eine andre, die ebenso sehr einem Wunder gliche, ist es nicht möglich, den Krieg im selben Massstab fortzusetzen. Ich habe bereits bemerkt, dass die letzte Zinsendeckung um über eine Million hinter den Verbindlichkeiten zurückblieb, obwohl die in Mitteln und Wegen gewandtesten Leute ihre ganze Erfindungsgabe aufboten. Im nächsten Feldzug also muss das Defizit notwendigerweise noch wachsen. Vielleicht aber werden unsre Verbündeten diesen Ausfall auf unsrer Seite durch grössere Anstrengungen auf ihrer ausgleichen? Ganz im Gegenteil; sowohl der Kaiser wie Holland haben schon in diesem Jahr mehrere Artikel nicht mehr erfüllt; und schon vor längerer Zeit haben sie uns bedeutet, dass sie im nächsten nicht mehr die gleichen Verhältnisse aufrecht erhalten können. Wir haben für Holland eine stolze Grenze erobert, und es hat nichts mehr zu verlangen oder zu wünschen. Der Kaiser aber wird sich, wie sanguinisch er auch gern scheinen möchte, denke ich, lieber mit Neapel, Sizilien, Mailand und seinen andern Erwerbungen begnügen, als dass er sich in einen langen, hoffnungslosen Krieg einlässt, um Spanien zurückzuerobern, wobei ihm seine Verbündeten, die Holländer, weder Hilfe noch Beifall leihen werden. Da wir also ihre Arbeit getan haben, da sie keine Verwendung für unsre Waffen mehr wissen und wir kein Geld für sie mehr besitzen, und da wir schliesslich weder einen Lohn verlangen noch einen Dank erwarten, so sollte man uns in Gnaden entlassen und erlauben, dass wir für uns selber sorgen. Sie sind für einen Frieden reif, denn sie wollen geniessen und bebauen, was wir für sie erobert haben; und auch wir sind reif für den Frieden, denn wir wollen uns, wenn möglich, von den Wirkungen ihrer Ausbeutung erholen. Die ersten Vorschläge Frankreichs sind England gemacht worden, und zwar zu guten und ehrenvollen Bedingungen. Wir, die wir die Bürde des Krieges trugen, sollten vernünftigerweise auch beim Friedensschluss die erste Stimme haben. Wenn wir auf keinen Friedensvorschlag hören, so werden es die andern sicherlich tun; dann werden sie uns auch da den Wind aus den Segeln nehmen, wie sie es im Kriege taten. Wir wissen, dass uns die Holländer verschiedentlich gedroht haben, in getrennte Friedensunterhandlungen einzutreten; und vermöge dieses Arguments sowie anderer mächtiger Motive vermochten sie jene, die damals am Ruder waren, sich ihnen lieber unter allen Bedingungen zu fügen, als einen Krieg zu beenden, der ihnen an Reichtum und Macht alljährlich einen solchen Zuwachs brachte. Wer auch abfällt, der Friedensschluss muss folgen; und dann müssen wir uns mit den Bedingungen begnügen, die es unsern Verbündeten in ihrer grossen Sorge um unsre Sicherheit und unser Interesse beli[*]eben wird, uns zu diktieren. Sie haben keinen Anlass mehr zum Kampf; sie haben ihr Ziel erreicht, und jetzt sagen sie, es sei unser Krieg; also sollte es dem Recht nach auch einen Frieden geben, der unser Friede ist.

Alles was wir durch die verzweifelten Schritte einer Verpfändung unsrer Land- oder Malzsteuer oder die Erhebung einer allgemeinen Akzise erreichen können, ist höchstens die Errichtung eines Zinsfonds, damit wir uns jährlich um vier weitere Millionen in Schulden stürzen dürfen, und das ohne jede Aussicht, den Krieg jemals so günstig zu beenden, wie wir es jetzt vermögen. Und wenn wir die einzigen noch unverpfändeten Einkünfte festgelegt haben, so müssen unsre Nöte notwendig zu ewigen werden.

Wir haben bisher von Auskunftsmitteln gelebt, die auf die Dauer jede Konstitution zugrunde richten müssen, sei es eine Staats- oder eine Leibeskonstitution; und kein Land der Christenheit hatte so wenig Anlass dazu wie wir. Wir haben einen gesunden Leib zu einem schwindsüchtigen gemacht, indem wir ihm statt Nahrung Arznei verabreichten; die Kunst kann uns nicht länger helfen; und wenn wir uns nicht dadurch erholen können, dass wir die Reste der Natur wirken lassen, so müssen wir unweigerlich sterben.

Welche Kunstgriffe hat man angewandt, um das Volk in die starke Täuschung zu versetzen, dass Britannien zugrunde gehn müsse, wenn nicht Spanien für das Haus Österreich gewonnen wird? Da machte man die Sicherheit eines grossen und mächtigen Königreichs, wie es das unsre damals war, von einem Ausgang abhängig, der selbst nach einem Krieg voller wunderbarer Erfolge unerreichbar bleibt! Als ob Fürsten und grosse Minister kein Mittel finden könnten, die öffentliche Ruhe zu sichern, ohne dass sie den Besitz von Königreichen verschieben und einem Volk wider seine Neigung einen neuen Herrscher aufzwingen! Gibt es keine Sicherheit für die Insel Britannien, wenn nicht ein König von Spanien durch die Hand seines Grossvaters entthront wird? Hat der Feind keine Garantiestädte und Häfen, die er uns zur Sicherung unsres Handels geben kann? Kann er uns nicht solche Plätze ausliefern, dass er in eine weit schlimmere Lage geriete, wenn er den Krieg verräterisch erneuern wollte? Der gegenwärtige König von Frankreich hat nach dem Lauf der Natur nur noch wenige Jahre zu leben, Als Swift schrieb, ging der November 1711 seinem Ende zu. Ludwig XIV. starb 1715 und ohne Zweifel würde er seine Tage gern in Frieden beschliessen. In Privatfamilien erlebt man es nie, dass Grossväter allzuviel Einfluss auf ihre Enkel haben, und ich glaube, unter Fürsten haben sie noch viel weniger. Wenn aber die elterliche Macht dahin ist, bleibt es dann wahrscheinlich, das Philipp sich seinem eigenen Interesse und dem seiner Untertanen entgegen wird von einem Bruder leiten lassen? Haben nicht beide Reiche ihre getrennten politischen Grundsätze, die in Friedenszeiten Kraft erlangen müssen? Das sind wenigstens Wahrscheinlichkeiten, und sie kommen jährlich sechs Millionen billiger, als wenn man Spanien zurückerobert oder den Krieg fortsetzt, welche beiden Dinge ganz unmöglich scheinen.

Aber die allgemeine Frage ist die: Wenn wir jetzt Spanien aufgeben, wofür haben wir dann die ganze Zeit her gekämpft? Die Antwort ist bereit: Wir haben zum Verderben der Allgemeinheit und zur Förderung eines Privatinteresses Natürlich Marlboroughs. gekämpft. Wir haben gekämpft: um Reichtum und Grösse einer einzelnen Familie zu erhöhen, um Wucherer und Börsenjobber zu bereichern und den verderblichen Plänen einer Partei Vorschub zu leisten, indem wir das Interesse des Grundbesitzes vernichteten. Die Nation beginnt jetzt, diese Segnungen für keines weiteren Kampfes mehr würdig zu halten, und deshalb wünscht sie einen Frieden.

Aber die Sachwalter der andern Seite schreien, dass wir vor zwei Jahren einen bessern Frieden hätten haben können, als er jetzt betrieben wird. Angenommen, das sei wahr, so behaupte ich, dass wir eben deshalb in wiederum zwei Jahren einen um wiederum ebenso viel schlechtern[*] schliessen würden. Wenn die Machthaber uns damals einen bessern Frieden hätten geben können, um so grösser ihr Verrat und ihr Verbrechen, dass sie es nicht taten! Weshalb bestanden sie da auf Bedingungen, die, wie sie wussten, niemals gewährt werden konnten? Wir geben zu, dass es in ihrer Macht stand, dem Krieg ein gutes Ende zu bereiten, solange die Nation noch einige Hoffnung hatte, sich erholen zu können. Und eben dafür klagen wir sie an als verantwortlich vor Gott, ihrem Lande und der Nachwelt; denn die blutende Not ihrer Mituntertanen wog in der Wage gegen ihre Privatinteressen nicht schwerer als eine Feder.

Wenn wir uns anschicken, die schweren Schulden und die Armut des Landes zu beklagen, so können wir zu unserm Vergnügen manche mit allem antworten hören, was sich nur sagen lässt: sie posaunen dann Englands Macht, Englands Mut, Englands unerschöpfliche Reichtümer aus. Ich habe gehört, wie sanguinisch ein Mann über dieses Thema sprach: er hatte ein gutes, lebenslängliches Amt und hunderttausend Pfund in Staatsschuldenscheinen, und er hiess uns »Mut fassen« und »garantierte uns, dass alles gut gehn werde«. Das ist der Stil wohlhabender Leute, »die andern schwere Lasten auferlegen, während sie selbst, um sie zu tragen, keinen Finger rühren«. Ich habe manche Leute gehört, die so schlechte Rechner waren, dass sie sich einbildeten, die vielen Millionen in Staatsschuldenscheinen und jährlichen Zahlungen seien der Reichtum der Nation! Aber jeder Heller ist für uns verloren, wird ausgestreut über Holland, Deutschland und Spanien; und die Grundbesitzer, die jetzt die Zinsen bezahlen, bezahlen schliesslich auch das Kapital.

Viertens, glaube ich, sind die Gegner jeden Friedens ohne Spanien über den Niedergang Frankreichs und die gewaltigen Folgen unsrer Siege falsch unterrichtet. Was jenen angeht, so ist zuzugeben, dass die Franzosen nach der Schlacht bei Ramillies durch ihre häufigen Verluste so entmutigt waren und sich so ungeduldig nach einem Frieden sehnten, dass ihr König entschlossen war, sich allen vernünftigen Bedingungen zu fügen. Als aber seine Untertanen von unsern übertriebenen Forderungen unterrichtet waren, wurden sie eifersüchtig auf seine Ehre und unterstützten ihn lieber einstimmig auf jede Gefahr hin in der Fortführung des Krieges, als dass sie sich unterwarfen. Dadurch wurde sein Ansehn völlig wieder hergestellt, und die Summen, die er aus Spanisch-Westindien bezog, und die vom Anfang des Krieges an auf vierhundert Millionen Livres (alle in bar) berechnet werden, setzten ihn instand, seine Truppen zu bezahlen. Ausserdem wird das Geld in seinem eignen Lande verbraucht; und er hat seither den Krieg in der sparsamsten Weise geführt, indem er stets in der Defensive blieb und sich nach jedem Feldzug mit uns über eine Stadt verglich, die uns fünfzigmal mehr kostet, als sie wert ist, sowohl ökonomisch wie strategisch gerechnet. Ferner hat er keine Flotte zu unterhalten, abgesehn von ein paar Freibeutern, die er seinen Untertanen stellt, damit sie auf eigne Kosten einen Piratenkrieg führen, an dessen Erträgnis er jedoch teil hat. Der Nutzen ist für Frankreich recht beträchtlich gewesen, unendlich aber der Schaden für uns, nicht nur, weil wir beständig Verluste an unermesslichen Werten erlitten, sondern auch, weil allgemein der Handel, auf den wir so sehr angewiesen sind, entmutigt wurde. All diese Erwägungen, zu denen noch die Verhältnisse der Regierung hinzukommen, in der der Fürst Herr über Leben und Vermögen aller Untertanen eines so gewaltigen Königreichs ist, beweisen, dass jener Monarch noch längst nicht so zugrunde gerichtet ist, wie wir es uns einbildeten, weil wir uns mit solchen Hoffnungen schmeichelten. Eine absolute Regierung kann einen langen Krieg vertragen, aber er hat sich für freie Länder allgemein als verderblich erwiesen.

Die Gegner jeden Friedens ohne Spanien scheinen ferner in der Beurteilung unsrer Siege und der andern Erfolge zu irren, indem sie sie für folgenschwerer halten, als sie wirklich waren.

Wenn unsre Heere in Flandern eine Stadt einnehmen, treten die Holländer auf der Stelle den Besitz an, und wir im Lande entzünden Freudenfeuer. Mir hat das getäuschte Volk mitunter Leid getan, wenn ich sah, wie nutzlos es seine Feurung vergeudete. Was haben zum Beispiel wir davon, dass Bouchain genommen ist, um das die kriegerischen Politiker der Kaffeehäuser so viel Lärm machen? Was hilft es, dass die Garnison sich kriegsgefangen gab, und noch dazu unter den Augen des Feindes? Wir sind nicht mehr in der Lage, uns mit dem Ehrenpunkt satt zu machen. Welchen Vorteil haben wir davon, wenn nicht den, noch einmal drei oder vier Millionen ausgeben zu dürfen, um eine weitere Stadt für die Staaten einzunehmen, damit sie ein neues Land für Kontributionen erhalten und dem General seine Sporteln erhöhen?

In jenem zehnjährigen Krieg unter dem verstorbenen König, als unsre Befehlshaber und Soldaten im Vergleich zu den jetzigen noch plump und unerfahren waren, verloren wir genau so viel Schlachten und Städte, wie wir letzthin gewonnen haben, seit jene Herrn ihr Gewerbe besser lernten. Aber wie die Franzosen jetzt, so hielten damals wir aus. Und ihre Erfolge hatten nichts Entscheidendes: sie wurden ebenso müde wie wir, und schliesslich willigten sie in einen Frieden, unter dem wir glücklich genug hätten leben können, wäre ihm nicht jener weise Erbteilungsvertrag gefolgt, der die Flamme, die seither nicht wieder verlosch, von neuem entfachte. Ich kann an der modernen Kriegführung weiter nichts finden, als dass diejenige Seite, die am längsten aushalten kann, den Krieg am vorteilhaftesten beenden wird. In einem enggeschlossenen Lande wie Flandern, wo der Krieg sich in Belagerungen erschöpft, verbraucht das angreifende Herr weit mehr Geld und Leute; und es wird kaum eine Stadt in der gewöhnlichen Form genommen, bei der nicht der Belagerer das sc[*]hlechtere Geschäft macht. Ich habe noch keinen Soldaten gekannt, der nicht behauptet hätte, dass jede Stadt zu nehmen wäre, wenn man nur die Kosten tragen will. Wenn man damit rechnet, dass man soundso viel Blut und Geld opfern muss, so ist alles übrige nach einer regulären, feststehenden Methode zu machen, die nicht versagen kann. Wenn sich der König von Frankreich zur Zeit seiner Grösse vor einer Stadt lagerte, so pflegten oft seine Generale und Ingenieure den Tag zu bestimmen, an dem sie sich ergeben müsste. Der Feind, der all das weiss, hat schon seit Jahren jede Schlacht vermieden, weil er mit ihnen so übel gefahren ist; er hat einen sicherern Weg gefunden, uns zu erschöpfen, und lässt unsern Mut an Steinen und Schutt verpuffen, indem er in jedem Feldzug eine Stadt opfert; er kann es sich besser leisten, sie zu verlieren, als wir, sie zu nehmen.

Schliesslich haben jene heftigen Gegner eines Friedens, durch den nicht Spanien dem Hause Österreich zurückgegeben wird, so scheint es mir, die Wolke noch nicht gesehn, die sich im Norden zusammenzieht, die aufzujagen wir mitgeholfen haben, und die gar bald als Gewitter über unsern Köpfen losbrechen kann.

Der Krieg im Norden ist fast seit unserm Bruch mit Frankreich im Gange. Der Erfolg hat geschwankt; aber die eine Wirkung, die zu fürchten war, blieb immer die gleiche, dass er nämlich uns in seine Folgen hineinreissen würde; und wann das auch geschehe, dann mag unser Erfolg gegen Frankreich noch so gross sein, von dem Augenblick an ist Frankreich im Vorteil.

Dadurch, dass wir uns für den Vertrag von Travendal verbürgten, 1700. Zwischen Schweden und Dänemark. verpflichteten wir uns, den König von Dänemark an jedem Krieg mit Schweden zu hindern. Alle Parteien waren sich damals darüber klar und sprachen es offen aus (selbst die britischen Gesandten taten es), dass diese Verpflichtung vor allem darin bestand, Dänemark an jeder Unterstützung des Königs August zu hindern. Aber selbst wenn das nicht so gewesen wäre, so würde unsre Verpflichtung Schweden gegenüber doch in Kraft bleiben, und zwar auf Grund früherer Verträge mit jener Krone, die alle erneuert und bestätigt wurden durch einen spätern[*], geschlossen gegen das Ende der Regierung des letzten Königs im Haag von Sir Joseph Williamson und Monsieur Lillieroot.

Der Krieg im Norden aber nahm seinen Fortgang, und wenn wir Schweden nicht unterstützten, so waren wir mindestens so gut durch den Krieg, in den wir verwickelt waren, entschuldigt, wie der Schwede, als er dem Kaiserreich, dessen Mitglied er ist, keine Kontingente schickte, durch den Druck, unter dem er litt, entschuldigt war, denn er hatte es mit einem Bund zu tun.

In diesem Kriege war der König von Schweden siegreich; und welchen Gefahren waren wir damals nicht ausgesetzt? In welchen Ängsten schwebten wir! Er marschierte nach Sachsen hinein, und wenn er wirklich im französischen Dienst gestanden hätte, hätte er uns da nicht in die grössten Schwierigkeiten bringen können? Aber der Giessbach nahm einen andern Weg, und er begnügte sich damit, seinem Feind den Vertrag von Alt-Rastadt aufzuerlegen, in dem König August die Krone Polens abtritt, auf jeden Anspruch verzichtet und Stanislaus anerkennt; und dann verlangen er und der König von Schweden beide gemeinsam die Bürgschaft Hollands und Englands. Die Königin freilich gab diese Bürgschaft nicht in aller Form; doch war es ein Schritt daraufhin, wenn die Königin Stanislaus in einem Brief den Titel »König« verlieh. Und ferner wurden im Namen Ihrer Majestät in einer Ratskommission dem schwedischen Gesandten die stärksten Versicherungen gegeben, dass die Bürgschaft schleunigst gewährt werden sollte; inzwischen aber sollte es sein, als wären die Formen schon erfüllt.

1708 unternahm König August den Feldzug in Flandern; welche Massregeln er damals hätte treffen können, und was für Argumente er hätte geltend machen wollen, ist nicht bekannt. Aber unmittelbar darauf durchbricht er alles, was er bisher getan hat, marschiert nach Polen hinein und nimmt die Krone wieder auf.

Nun fürchteten wir, der Friede des Kaiserreichs könnte in Gefahr sein; und deshalb liessen wir uns auf einen Bürgschaftsvertrag für seine Neutralität ein. Der König von Schweden weigerte sich aus mehreren Gründen, sich den Bedingungen dieses Vertrags zu fügen; besonders, weil wir das Kaiserreich wohl verliessen, um Polen und Jütland zu decken, nicht aber, um die schwedischen Gebiete zu decken.

Wir wollen daher überlegen, wie unsre Lage heute ist. Wenn der König von Schweden noch einmal wiederkommt und die Oberhand gewinnt, so wird er sich nicht für verpflichtet halten, auf die Interessen der Verbündeten irgend welche Rücksicht zu nehmen, Nach der Flucht Karls XII. (nach Pultawa) kehrte er wirklich noch einmal zurück, aber 1718 wurde er vor Friedrichshall erschlagen. sondern er wird, nach seinem eignen Ausdruck »seinen Feind verfolgen, wo er ihn findet«. In diesem Fall sind die Bürgen der Neutralität verpflichtet, sich ihm entgegen zu stellen, und wir sind in einen zweiten Krieg verwickelt, bevor noch der erste beendet ist.

Wenn aber die nordischen Bundesgenossen gegen Schweden siegen, wie sollen wir da imstande sein, im Norden das Gleichgewicht der Mächte zu erhalten, das für unsern Handel und auch sonst in vieler Hinsicht für uns so wichtig ist? Was wird aus jener grossen Stütze der protestantischen Interessen in Deutschland werden, die in der Macht besteht, die die Schweden jetzt im Kaiserreich haben? Oder wer soll dafür bürgen, dass jene Fürsten, wenn sie den Norden nach ihrem Sinn aufgeteilt haben, nicht Lust bekommen, nach Süden zu blicken und nach ihren eignen Plänen für uns mit Frankreich Frieden zu schliessen?

Und wenn schliesslich der König von Preussen, der Kurfürst von Hannover und andre Fürsten, deren Gebiete benachbart li[*]egen, gezwungen sind, die Heere, die gegen Frankreich agieren, zu verlassen, so müssen wir in stündlicher Erwartung der Rückberufung jener Truppen leben, die sie uns jetzt zur Verfügung stellen; und diese Rückberufung kann mitten bei einer Belagerung oder am Vorabend einer Schlacht eintreffen. Liegt es also in unserm Interesse, uns auch ferner in einem verderblichen Krieg um unerreichbare Ziele abzumühen, bis einer dieser Fälle eintritt; oder sollen wir vor dem Gewitter Unterschlupf suchen?

Ohne Zweifel könnte auch das gegenwärtige Ministerium (wenn es sich über die Verpflichtungen der Ehre und des Gewissens hinwegsetzen wollte) seinen Vorteil dabei finden, dass es zur Fortsetzung des Krieges riete; genau wie das letzte, wenn auch, da das Königreich so sehr erschöpft ist, nicht mehr in demselben Grade. Sie könnten ihn ja noch fortführen, bis das Parlament einen Frieden wünscht; und inzwischen blieben sie im vollen Besitz der Macht. Deshalb ist es klar, dass ihr gegenwärtiges Verhalten ihrem Lande dienen soll, und zwar ihrem eignen Interesse direkt zuwider, welches Geschrei auch von denen erhoben werden mag, die zu den verworfensten Zwecken Himmel und Erde in Bewegung setzen möchten, um ihre Massregeln zu hemmen. Aber sie halten es für unendlich viel besser, die Bedingungen anzunehmen, die unsern Handel sichern, für die Staaten eine genügende Grenz[*]wehr schaffen, dem Kaiser angemessne Genugtuung gewähren und Europa die Ruhe zurückgeben werden, wenn auch, ohne dass Spanien dem Kaiserreich zufällt: für unendlich viel besser, als so flau weiterzukämpfen in der eitlen Erwartung irgend einer unwahrscheinlichen Wendung, die jene Monarchie dem Hause Bourbon entreissen könnte, um dann schliesslich dadurch, dass einzelne der Verbündeten abfallen, weil wir ganz ausserstande sind, den Krieg fortzusetzen, zu einem noch weit schlechteren Frieden gezwungen zu werden.

Einwände gegen die Abschaffung des Christentums

Ich bin mir wohl bewusst, was für eine Schwäche und Anmassung es ist, gegen die allgemeine Stimmung und Neigung der Welt zu kämpfen. Ich entsinne mich, dass es mit grossem Recht und gerade aus gebührender Rücksicht auf die Freiheit sowohl des Publikums wie der Presse unter mancherlei Strafen verboten wurde, gegen die Union zu schreiben, zu reden oder zu wetten; und zwar, ehe sie noch vom Parlament bestätigt wurde; denn man sah darin die Absicht, sich dem Volksstrom zu widersetzen, und das ist nicht nur töricht, sondern es bedeutet auch einen klärlichen Bruch des grundlegenden Gesetzes, nach dem in der Majorität der öffentlichen Meinung Gottes Stimme zu sehn ist. Ebenso und aus denselben Gründen ist es vielleicht weder ungefährlich noch wohlbedacht, sich in einem Augenblick gegen die Abschaffung des Christentums zu wenden, da alle Parteien sich in diesem Punkt offenbar so völlig einig sind, wie wir aus ihren Handlungen, Reden und Schriften zu schliessen nicht umhin können. Aber wie es kommt, das weiss ich nicht; vielleicht ist die Affektation des Merkwürdigen schuld, vielleicht die Verderbtheit der menschlichen Natur, auf jeden Fall trifft es sich unglücklicherweise so, dass ich nicht ganz dieser Meinung sein kann. Ja, wenn ich auch wüsste, dass der Staatsanwalt meine sofortige Verfolgung anordnen würde, so würde ich dennoch gestehn, dass ich beim gegenwärtigen Stand unsrer innern und äussern Angelegenheiten die absolute Notwendigkeit, das Christentum unter uns auszurotten, nicht einsehn kann.

Das mag vielleicht als ein zu grosses Paradoxon erscheinen, als dass selbst unsre gescheite und paradoxe Zeit es ertragen könnte; deshalb werde ich es mit der grössten Vorsicht und der äussersten Ehrerbietung gegen jene grosse und tiefe Majorität behandeln, die anders empfindet.

Und doch werden vielleicht die achtsamen Leute freundlichst bemerken, wie sehr sich der Geist einer Nation in einem halben Menschenalter wandeln kann. Ich habe von einigen sehr alten Leuten mit Sicherheit behaupten hören, dass noch zu ihren Zeiten die gegenteilige Anschauung ebenso verbreitet war, wie die andre es jetzt ist, und dass damals der Plan, das Christentum abzuschaffen, als ebenso merkwürdig erschienen und für ebenso absurd gehalten worden wäre, wie es jetzt geschieht, wenn man zu seiner Verteidigung schreibt oder redet.

Deshalb gebe ich offen zu, dass jeder Schein gegen mich ist. Das System des Evangeliums ist nach dem Schicksal andrer Lehrsysteme allgemein veraltet und verbraucht; und selbst die grosse Masse des Volkes, unter der es sein Ansehn am längsten behauptet zu haben scheint, schämt sich seiner heute ebenso sehr wie die Vornehmern; denn die Meinungen steigen ebenso wie die Moden von den Vornehmen zum Mittelstand und von dort zum Volk hinab; und dort fallen sie schliesslich zu Boden und verschwinden.

Hier aber möchte ich nicht missverstanden werden, und deshalb muss ich so kühn sein und einen Ausdruck von den Schriftstellern der andern Partei entlehnen; sie machen einen Unterschied zwischen nominellen und wirklichen Trinitariern. Ich hoffe, kein Leser wird mich für so schwach halten, dass ich mich zur Verteidigung des wirklichen Christentums erhöbe, wie es (wenn wir den Autoren der Zeit glauben dürfen) in primitiven Zeiten der Menschen Glauben und Handlungen beeinflusste. Das wieder aufrichten zu wollen, wäre ein wildes Unternehmen; es hiesse Fundamente umgraben, auf einen Schlag den ganzen Witz und die halbe Gelehrsamkeit des Königreichs vernichten, den ganzen Rahmen und Aufbau der Dinge zerbrechen, den Handel zerstören, die Künste und Wissenschaften mitsamt ihren Professoren auslöschen, kurz, unsre Gerichtshöfe, Börsen und Läden in Wüsten verwandeln; und es wäre genau so absurd wie der Vorschlag des Horaz, 16. Epode. in der er den Römern rät, insgesamt ihre Stadt zu verlassen und in einem entlegnen Teil der Welt einen neuen Wohnsitz zu suchen, um sich dort von der Verderbtheit ihrer Sitten zu heilen.

Deshalb scheint mir diese Warnung an sich völlig unnötig (und ich habe sie nur eingeflochten, um jeder Möglichkeit der Haarspalterei vorzubeugen); denn jeder aufrichtige Leser wird leicht verstehn, dass meine Abhandlung nur der Verteidigung des nominellen Christentums gilt; das andre ist vermöge eines consensus omnium seit einiger Zeit als mit unsrem gegenwärtigen Streben nach Reichtum und Macht ganz unvereinbar beiseite gelegt worden.

Weshalb wir aber darum auch Namen und Titel der Christen abwerfen sollen, ich muss gestehn, das kann ich (in aller Ehrfurcht) nicht einsehn, wiewohl die allgemeine Meinung und Strömung so heftig dafür ist. Da jedoch die Unternehmer der Nation durch diesen Plan so wunderbare Vorteile versprechen, während sie zugleich viele einleuchtende Einwände gegen das System des Christentums erheben, so will ich in Kürze die Beweiskraft beider untersuchen und ihnen gern ihr grösstes Gewicht zuerkennen, um dann die Antworten zu geben, die ich für die vernünftigsten halte. Schliesslich aber will ich um die Erlaubnis bitten, darlegen zu dürfen, welche Nachteile eine solche Neuerung bei dem gegenwärtigen Stande der Dinge vielleicht mit sich bringen könnte.

Zunächst besteht ein grosser Vorteil, den die Abschaffung des Christentums mit sich bringen soll, darin, dass sie die Gewissensfreiheit bedeutend erweitern und befestigen würde; denn dieses grosse Bollwerk unsrer Nation und der protestantischen Religion ist, allen guten Absichten der Gesetzgebung zum Trotz, wie wir es kürzlich an einem schweren Beispiel haben sehn können, immer noch vom Pfaffentrug beschränkt. Denn es wird zuversichtlich behauptet, dass jüngst zwei wirklich hoffnungsvolle junge Herrn von glänzendem Witz und tiefem Urteil, die bei einer gründlichen Untersuchung der Ursachen und Wirkungen und durch die blosse Kraft natürlicher Begabung, ohne dass irgend welche Gelehrsamkeit an ihnen abgefärbt hatte, die Entdeckung machten, dass es keinen Gott gäbe, und ihre Gedanken grossmütig zum Nutzen der Allgemeinheit mitteilten, in beispielloser Strenge und auf Grund ich weiss nicht welchen Gesetzes, wegen Gotteslästerung aus dem Heer verabschiedet wurden. Und wie man weise bemerkte, wenn die Verfolgung einmal beginnt, so weiss kein lebender Mensch, wie weit sie gehn und wo sie enden wird.

Zur Erwiderung darauf scheint mir, vorbehaltlich klügern Urteils, dass gerade dies die Notwendigkeit einer nominellen Religion unter uns beweist. Sehr witzige Leute li[*]eben es, mit den höchsten Dingen frei umzuspringen; und wenn man ihnen nicht erlaubt, einen Gott zu schmähn oder zu verleugnen, so werden sie von Würdenträgern Übles reden, auf die Regierung schelten und unehrerbietige Bemerkungen über das Ministerium machen. Ich denke, nur wenige werden leugnen, dass das von viel verderblichem Folgen ist; wie denn auch Tiberius sagte[*]: Deorum offensa diis curae. Was nun insbesondere die berichtete Tatsache angeht, so scheint es mir nicht gerecht, nach einem einzigen Beispiel zu urteilen, denn vielleicht lässt sich ein zweites nicht anführen; und doch (zum Trost all derer sei es gesagt, die sich vielleicht vor einer Anklage fürchten) wird, wie wir wissen, in jedem Kaffeehaus und jeder Schenke und überall, wo sich die gute Gesellschaft trifft, Millionen von Malen Gotteslästerung begangen. Man muss freilich zugeben, dass es, um noch den mildesten Ausdruck für eine solche Handlungsweise zu benutzen, ein arger Auswuchs der absoluten Macht war, einen freigebornen englischen Offizier zu verabschieden, wenn er nichts als eine Gotteslästerung begangen hatte. Es lässt sich wenig zur Entschuldigung des Generals anführen; vielleicht fürchtete er, es könnte unter den Verbündeten Anstoss erregen, unter denen es nach allem, was wir wissen, wohl die Landessitte sein mag, an einen Gott zu glauben. Doch wenn er, wie einige es getan haben, auf Grund eines missverstandenen Prinzips geltend machte, dass ein Offizier, der sich einer Gotteslästerung schuldig macht, heute oder morgen auch so weit gehn kann, eine Meuterei anzustiften, so kann man diese Schlussfolgerung keineswegs zugeben; denn sicherlich wird der Befehlshaber eines englischen Heers nur wenig Gehorsam finden, wenn seine Soldaten ihn so wenig fürchten und achten wie eine Gottheit.

Es wird ferner gegen die Lehre des Evangeliums eingewandt, sie verpflichte die Menschen zum Glauben an Dinge, die für Freidenker und solche, die alle Vorurteile, wie sie einer beschränkten Bildung in der Regel anhaften, abgeschüttelt haben, zu schwierig seien. Darauf erwidere ich, dass man mit Einwänden, die unehrerbietige Gedanken über die Klugheit der Nation enthalten, vorsichtig sein sollte. Ist es nicht jedem erlaubt, zu glauben, was er will und der Welt seinen Glauben zu verkünden, wann er will, zumal wenn es dazu dient, die Partei zu verstärken, die im Recht ist? Sollte wohl irgend ein gleichgültiger Ausländer, der den jüngst von Asgil, Tindal, Toland, Coward und vierzig andern geschriebenen Plunder läse, auf den Gedanken kommen, dass das Evangelium unsre von Parlamenten bestätigte Glaubensregel sei? Glaubt irgend jemand, oder behauptet er, er glaube, oder wünscht er auch nur, man möge denken, er behaupte, dass er eine Silbe von der ganzen Geschichte glaube? Und wird darum irgend jemand weniger gut aufgenommen, oder muss er sehn, dass sein Mangel an nominellem Glauben ihn irgendwie in der Verfolgung einer Zivil- oder Militärlaufbahn hindert? Und selbst wenn es irgend ein oder selbst zwei schlafende Gesetze gibt, die wider ihn sind, sind sie nicht jetzt bis zu einem Grade veraltet, dass selbst Empson und Dudley, wenn sie noch lebten, die Unmöglichkeit einsehn müssten, sie anzuwenden? Empson und Dudley waren zwei Ratgeber, die durch ihre illegalen Konfiskationen Heinrich VII. zu seinem grossen Reichtum verhalfen.

Es wird gleichfalls geltend gemacht, dass es schätzungsweise in diesem Königreich mehr als zehntausend Pastoren gibt, deren Einkünfte, vermehrt um die der Lord Bischöfe, ausreichen würden, um mindestens zweihundert witzige, vergnügungssüchtige und freidenkende junge Herrn zu unterhalten, lauter Feinde des Pfaffentrugs, der engen Prinzipien, der Pedanterie und der Vorurteile, die eine Zierde für den Hof und die Stadt sein könnten.[*] Und andrerseits könnte eine grosse Zahl körperlich tüchtiger Geistlicher einen brauchbaren Nachwuchs für unsre Flotte und unsre Heere ergeben. Diese Erwägung scheint nicht ohne Gewicht zu sein. Aber immerhin verdienen auch auf der gegnerischen Seite, mehrere Dinge erwogen zu werden. Zunächst, ob man es nicht für notwendig halten wird, dass in bestimmten Landdistrikten, ähnlich denen, die wir Kirchspiele nennen, wenigstens ein Mensch vorhanden sein sollte, der lesen und schreiben kann. Dann scheint mir die Rechnung falsch, dass die Einkünfte der Kirche in diesem Lande bei der jetzigen verfeinerten Lebensweise ausreichen könnten, um zweihundert junge Herrn oder auch nur die Hälfte zu erhalten; das heisst, ihnen eine Rente auszuwerfen, die sie, wie man mit modernem Ausdruck sagt, flott halten würde. Aber noch lauert in diesem Plan ein grösseres Unheil, und wir sollten uns vor der Narrheit des Weibes hüten, das die Henne schlachtete, obwohl sie ihr jeden Morgen ein goldenes Ei gelegt hatte. Denn bitte, was würde im nächsten Jahrhundert aus dem Menschengeschlecht werden, wenn wir uns auf nichts verlassen könnten, als auf die skrofulösen schwindsüchtigen Erzeugnisse, die unsre witzigen und vergnügungssüchtigen Leute liefern, wenn sie sich gezwungen sehn, nachdem sie ihre halbe Kraft, Gesundheit und Habe vergeudeten, ihr zertrümmertes Vermögen durch eine unangenehme Heirat wieder zusammen zu flicken, und so ihrer Nachkommenschaft Fäule und Verfeinerung vermachen? Nun aber hat die weise Gesetzgebung Heinrichs VIII. Der den grösseren Teil der Kircheneinkünfte konfiszierte. zehntausend Menschen in die Notwendigkeit versetzt, mit schmaler Kost und bescheidener Leibesübung zu leben; und sie sind unser grosses Zuchtreservoir, ohne das die Nation in ein oder zwei Menschenaltern zu einem einzigen grossen Hospital werden müsste.

Ein weiterer, angeblich durch die Abschaffung des Christentums zu erreichender Vorteil ist der Gewinn eines vollen Tages auf je sieben; dieser eine Tag ist jetzt völlig verloren, und also ist das Königreich an Handel, Geschäftsabschlüssen und Vergnügen um ein Siebentel ärmer; abgesehn noch davon, dass die Allgemeinheit so viele stattliche Bauten verliert, die jetzt in der Hand der Geistlichkeit sind, und die man in Spielhäuser, Börsen, Markthallen, öffentliche Schlafstätten und andre öffentliche Gebäude verwandeln könnte.

Ich hoffe, man wird mir ein hartes Wort verzeihn, wenn ich das eine einfache Sophisterei nenne. Ich gebe gern zu, dass in unvordenklichen Zeiten eine alte Sitte bestanden hat, nach der das Volk sich an jedem Sonntag in den Kirchen versammelte, und dass auch die Läden noch häufig geschlossen sind, und zwar, wie man sich denken kann, um das Andenken jenes alten Brauchs zu erhalten; wie sich aber das dem Geschäft oder dem Vergnügen hindernd in den Weg stellen sollte, ist kaum einzusehn. Und wenn die Männer des Vergnügens wirklich an einem Tag in der Woche gezwungen sind, zu Hause zu spielen statt im Schokoladenhaus? Die wenig zahlreichen Schokoladenhäuser waren damals die eleganten Stelldicheins der Londoner Spieler. Sind nicht die Schenken und Kaffeehäuser geöffnet? Kann es einen gelegeneren Tag geben, um eine Arzneidosis einzunehmen? Wird am Sonntag weniger geprügelt als an andern Tagen? Ist er nicht der Tag, an dem die Kaufleute ihre Wochenabrechnung aufstell[*]en und die Anwälte ihre Akten vorbereiten? Aber gern wüsste ich, wie man behaupten kann, die Kirchen dienten nicht ihrem richtigen Zweck? Wo finden mehr Verabredungen und galante Stelldicheins statt? Wo wird mehr Wert darauf gelegt, mit dem grössten Kleiderprunk in der vordersten Loge zu sitzen? Wo sieht man mehr geschäftliche Zusammenkünfte? Wo wird so oft ein Handel abgeschlossen? Und wo ist ein Schläfchen so bequem und so verlockend?

Ein Vorteil aber, der aus der Abschaffung des Christentums erwachsen soll, ist grösser als alle, die vorangehn: dass sie nämlich alle Parteien unter uns gänzlich beseitigt, indem sie jene trennenden Unterscheidungen der Hochkirche und Niederkirche, der Whigs und Torys, der Presbyterianer und der anglikanischen Kirche aufhebt, die jetzt gegenseitig bei allen öffentlichen Angelegenheiten als Hemmschuhe wirken, weil sie nur zu leicht den eignen Vorteil oder die Unterdrückung ihrer Gegner über das dringendste Staatsinteresse stellen.

Ich gestehe: wäre es sicher, dass durch dieses Auskunftsmittel der Nation ein so grosser Vorteil erwüchse, so würde ich mich fügen und schweigen. Aber will hier irgend jemand behaupten, wenn durch eine Parlamentsakte die Wörter »Huren, Trinken, Betrügen, Lügen und Stehlen« aus der englischen Sprache und den englischen Wörterbüchern verbannt würden, dass wir dann am nächsten Morgen alle keusch und mässig, ehrlich und gerecht und wahrheitsliebend erwachen mussten? Ist das eine richtige Folgerung? Oder wenn uns die Ärzte verböten, die Wörter »Pocken, Gicht, Rheumatismus und Gallenstein« auszusprechen, würde das wirken, wie ebenso viele Talismane, die die Krankheiten selbst vernichteten? Wurzeln Partei und Spaltung in der Menschen Herzen nicht tiefer als Phrasen, die der Religion entlehnt sind? Ruhen sie nicht auf festeren Grundlagen? Und ist unsere Sprache so arm, dass wir keine andern Namen für sie finden können? Sind »Neid, Hochmut, Habgier und Ehrgeiz« so schlechte Namengeber, dass sie keine Bezeichnungen für ihre Besitzer zu liefern vermögen? Werden nicht die Wörter Heiduken und Mameluken, Mandarinen und Paschas, oder irgend welche beliebig gebildeten andern dienen können, um jene, die im Ministerium sitzen, zu unterscheiden von denen, die gern darin sässen, wenn sie es nur könnten? Was zum Beispiel ist leichter, als die Redeweise zu wandeln und statt des Wortes Kirche in der Politik die Frage aufzuwerfen, ob das »Monument« in Gefahr sei? Weil die Religion uns am nächsten lag, als es galt, ein paar bequeme Phrasen zu schaffen, ist darum unsre Erfindungskraft so unfruchtbar, dass wir keine andern finden können? Nehmen wir beispielshalber einmal an, die Torys wären für Margarita, die Whigs für Frau Tofts, die »Unechten« für die Valentini, Margarita: Francesca Margherita de l'Epine, eine damals berühmte Sängerin; auch von Swift in seinem »Tagebuch für Stella« erwähnt. Frau Tofts, eine englische Sängerin, die ebenfalls in der italienischen Oper sang. Die Valentini, die dritte Rivalin des Kreises. Die »Unechten«, engl. Trimmers, was wörtlich Aufputzer oder Putzmacher bedeutet, jene Mittelspartei unter Karl II., die zwischen der Krone und den Parteigängern der protestantischen Linie vermitteln wollte. würden nicht die Namen »Margaritianer«, »Toftianer« und »Valentinianer« recht erträgliche Unterscheidungsmerkmale ergeben? Die Prasini und Veniti, zwei höchst bösartige Parteien in Italien, begannen (wenn ich mich recht entsinne) mit Farbenunterschieden in ihren Bändern; und wir könnten ebenso gut um die Würde des Blau und des Grün streiten und Hof, Parlament und Königreich ebenso gut unter diese Farben teilen, wie unter beliebige Kunstausdrücke, die der Religion entlehnt sind. Und deshalb, scheint mir, ist dieser Einwand gegen das Christentum nicht stichhaltig, und die Aussicht auf einen so grossen Vorteil, wie ihn uns seine Abschaffung bringen soll, fällt hin.

Ferner wird der Einwand erhoben, es sei eine sehr absurde, lächerliche Sitte, dass man eine ganze Klasse von Menschen dulde, ja, sogar anstelle und besolde, damit sie an einem der sieben Tage gegen die Gesetzmässigkeit all jener Methoden brülle, die man bei der Jagd nach Grösse, Reichtum und Vergnügen am meisten benutzt und die an den sechs andern Tagen den beständigen Brauch aller lebenden Menschen bilden. Aber dieser Einwand ist, scheint mir, eines so verfeinerten Zeitalters wie des unsern ein wenig unwürdig. Wir wollen die Sache in aller Ruhe besprechen: ich berufe mich auf die Brust jedes gebildeten Freidenkers, ob er nicht auf der Jagd nach der Befriedigung irgend einer herrschenden Leidenschaft stets in dem Gedanken, dass sie etwas Verbotenes war, einen wundervollen Ansporn gefunden hat; und gerade deshalb, um nämlich diesen Geschmack zu kultivieren, hat die Weisheit der Nation, wie wir sehn, mit ganz besondrer Sorgfalt Vorkehrung getroffen, dass die Damen mit verbotner Seide, die Herrn mit verbotnem Wein versehn werden. Und wahrlich, es wäre zu wünschen, dass, um die Genüsse Londons zu steigern, noch ein paar Verbote mehr erlassen würden; denn aus Mangel an solchen Hilfsmitteln beginnt die Stadt, wie ich höre, bereits schlaff und widerstandsunfähig zu werden, so dass der Spleen täglich grausame Einfälle unternehmen kann.

Es wird dem Publikum auch als ein grosser Vorteil hingestellt, dass, wenn wir die Lehre des Evangeliums einmal abgeschafft haben, natürlich jede Religion auf ewig verbannt sei; mit ihr also auch jene schweren Vorurteile der Erziehung, die unter den Namen »Tugend, Gewissen, Ehre und Gerechtigkeit« den Frieden der menschlichen Seelen so leicht stören und deren Begriffe zuweilen während eines ganzen Lebenslaufs durch rechte Vernunft und Freidenkerei kaum auszurotten sind.

Hier bemerke ich zunächst, wie schwer es ist, eine Phrase loszuwerden, wenn die Welt sie einmal li[*]eb gewonnen hat, und sei auch der Anlass, der sie zuerst schuf, längst hinfällig geworden. Seit mehreren Jahren genügte es, dass jemand eine hässliche Nase hatte, damit die tiefen Denker der Zeit es so oder so fertig brachten, die Ursache in den Vorurteilen seiner Erziehung zu sehn. Aus dieser Quelle sollten all unsre törichten Begriffe von Gerechtigkeit, Frömmigkeit und Vaterlandsliebe, all unsre Anschauungen von Gott oder einem künftigen Leben, von Himmel, Hölle und dergleichen stammen. Und früher mag dieser Angriff vielleicht nicht ganz ohne Sinn gewesen sein. Aber durch einen vollständigen Wandel in den Erziehungsmethoden hat man so gründlich dafür gesorgt, diese Vorurteile zu beseitigen, dass (ich sage es zu Ehren unsrer gebildeten Neuerer) die jungen Herrn, die jetzt auf dem Schauplatz stehn, an diesen Dingen nicht im geringsten mehr abgefärbt haben und keine Faser solchen Unkrauts mehr verraten; und also fällt der letzte Vorwand, aus diesem Grunde das nominelle Christentum abzuschaffen, völlig hin.

Im übrigen lässt sich vielleicht darüber streiten, ob die Verbannung jeglicher Religionsbegriffe unter dem Volk angebracht wäre. Nicht als ob ich im geringsten der Meinung jener bin, die da glauben, die Religion sei eine Erfindung der Politiker, um den unteren Teil der Welt durch die Furcht vor unsichtbaren Mächten in Scheu zu halten – es sei denn, die Menschheit wäre damals sehr viel anders gewesen als jetzt. Denn ich halte die grosse Masse unsres Volks hier in England für ebenso grosse Freidenker, das heisst, für ebenso verlässliche Ungläubige, wie es nur irgendwer von höchstem Rang sein kann. Aber mir scheint, ein paar zerstreute Begriffe von einer höhern Macht sind für das niedre Volk von merkwürdig grossem Nutzen, denn sie ergeben ein ausgezeichnetes Mittel, um kleine Kinder zur Ruhe zu bringen, wenn sie eigensinnig werden, und in langweiliger Winternacht bilden sie ein treffliches Thema für Spässe.

Schliesslich wird es als ein besondrer Vorteil hingestellt, dass die Aufhebung des Christentums sehr dazu beitragen würde, die Protestanten zu einigen; und zwar, weil sie die gemeinsamen Punkte vermehren müsste, sodass man allerlei Nonkonformisten aufnehmen könnte, während sie jetzt um einiger weniger Zeremonien willen ausgeschlossen bleiben, die alle Parteien eingestandenermassen für unwesentlich halten. Nur diese Aufhebung werde den grossen Zielen des Strebens nach Einigung entsprechen, weil sie ein weites, edles Tor auftue, durch das alle eintreten können; während das Schachern mit den Nonkonformisten und die Winkelzüge um die eine oder andre Zeremonie immer nur ein paar Pförtchen auftäte und auch die nur angelehnt liesse, so dass nicht mehr als einer zur Zeit eintreten könnte, und auch das nur, indem er sich bückte und seitwärts vorschöbe und sich recht dünn zusammenzöge. Man vergesse nicht, dass Swift trotz all seiner Intellektualität ein unerbittlicher Verfechter der Hochkirche war und blieb; er widmete den Nonkonformisten eine nie ebbende Feindschaft.

Auf all das erwidere ich dies: Es gibt einen Lieblingshang der Menschheit, der sich meist den Anschein gibt, als sei er ein Diener der Religion, wiewohl sie weder im Verhältnis der Eltern noch einer Patin noch auch einer Freundin zu ihm steht; ich meine den Geist der Opposition, der längst vor dem Christentum lebte und auch leicht ohne es existieren kann. Wenn wir zum Beispiel untersuchen, worin die Opposition der Sektierer unter uns besteht, so finden wir, dass das Christentum nichts damit zu tun hat. Schreibt etwa das Evangelium irgendwo einen steif gestärkten, gedrückten Gesichtsausdruck, einen hölzernen, formellen Gang, eine Abweichung in Manieren und Haltung und eine affektierte Redeweise vor, die sic[*]h von dem vernünftigen Teil der Menschheit völlig unterscheidet? Wenn aber das Christentum seinen Namen nicht hergäbe, um in die Lücke einzuspringen und solchen Grillen Beschäftigung oder Ablenkung zu verschaffen, so würden sie notwendigerweise ihre Kraft in Übertretungen der Landesgesetze oder in der Störung des öffentlichen Friedens ausgeben. Jeder Nation ist eine bestimmte Menge von Enthusiasmus zuerteilt worden; und wenn der keinen geeigneten Abfluss findet, so bricht er aus und setzt alles in Flammen. Wenn die Ruhe eines Staates dadurch erkauft werden kann, dass man den Leuten ein paar Zeremonien vorwirft, die sie verschlingen dürfen, so ist das ein Kauf, den kein Verständiger ablehnen würde. Mögen die Hetzhunde sich mit einem ausgestopften Schafsfell amüsieren, wenn es sie nur davon abhält, die Herde zu zerreissen. Die ausländische Einrichtung der Klöster scheint in einer Hinsicht ein Ausfluss grosser Weisheit zu sein; denn es gibt wenig Perversitäten menschlicher Leidenschaften, die nicht zu irgend einem von ihnen ihre Zuflucht nehmen könnten, um sich Luft zu verschaffen; denn sie sind Asyle für die Spekulativen, die Melancholiker, die Hochmütigen, die Schweigsamen, die Politiker und die Verdriesslichen; dort können sie sich selber freien Lauf lassen und die schädlichen Partikelchen verpuffen. Wir aber sind hier auf dieser Insel gezwungen, für eine jede Gattung eine eigne Religionssekte zu gründen, um sie ruhig zu halten. Und wenn das Christentum je abgeschafft wird, so muss die Gesetzgebung ein andres Auskunftsmittel finden, um sie zu beschäftigen und zu unterhalten. Denn was nützt es, wenn wir ein noch so grosses Tor auftun, während doch stets eine Anzahl übrig bleibt, die ihren Stolz und ihr Verdienst darein setzt, nicht einzutreten?

Nachdem ich so die wichtigsten Einwände gegen das Christentum und die Hauptvorteile, die man uns von seiner Abschaffung verspricht, erwogen habe, will ich jetzt mit der gleichen Ehrfurcht und dem gleichen Vorbehalt klügeren Urteils dazu übergehn, ein paar Nachteile zu erwähnen, die daraus erwachsen könnten, wenn man das Christentum aufhöbe. Denn an sie haben jene Pläneschmieder vielleicht nicht genügend gedacht.

Zunächst bin ich mir wohl bewusst, wie leicht die witzigen Jünger des Vergnügens über den Anblick so vieler Pastoren mit schmutzigen Säumen, die ihnen etwa in den Weg laufen und ihre Augen beleidigen, murren und sich entrüsten müssen; aber zugleich bedenken die weisen Reformatoren nicht, welch ein Vorteil und Glück es für witzige Leute ist, wenn sie stets Gegenstände ihrer Verachtung und Geringschätzung haben, an denen sie ihre Talente üben und schärfen können, so dass ihre Laune nicht nötig hat, über andre ihresgleichen oder gar über sie selber herzufallen; zumal es hier ohne die geringste, denkbare Gefahr für sie selbst geschehn kann.

Und um noch einen parallelen Gedankengang zu verfolgen: wie finden, wenn das Christentum einmal aufgehoben worden wäre, die Freidenker, die Leute der unbedingten Vernunft und die Männer der tiefen Gelehrsamkeit je wieder ein in allen Punkten so darauf berechnetes Thema, dass sie an ihm ihre Talente entfalten? Welcher wunderbaren Erzeugnisse des Witzes würden wir beraubt werden! Der Erzeugnisse derer, die ihren Genius durch beständige Übung auf Spott und Schmähung wider die Religion eingeschult haben und also nimmermehr imstande wären, in einem andern Thema zu glänzen oder sich auszuzeichnen! Wir klagen täglich über den Verfall des Witzes unter uns, und sollten wir freiwillig das grösste, vielleicht das einzige Thema beseitigen, das uns noch bleibt? Wer hätte je in Asgil einen Mann von Geist, in Toland einen Philosophen vermutet, wenn nicht der unerschöpfliche Gegenstand des Christentums ihnen bereitwilligst ihr Material geliefert hätte? Welches andre Thema aus der ganzen Kunst oder Natur hätte Tindal den Ruf eines tiefsinnigen Autors eingetragen oder ihm Leser verschafft? Nur die kluge Wahl des Themas ziert den Schriftsteller und zeichnet ihn aus. Denn wären auch hundert solcher Federn zugunsten der Religion in Tätigkeit getreten, sie wären alle sofort in Schweigen und Vergessenheit versunken.

Auch halte ich es nicht für unmöglich und meine Befürchtungen nicht für unbegründet, wenn ich besorge, dass die Abschaffung des Christentums vielleicht die Kirche in Gefahr bringen könnte oder mindestens dem Senat die Mühe auferlegen würde, einen neuen Schutzbeschluss zu befassen. Ich möchte, dass man mich nicht missverstehe; ich denke nicht daran, zu behaupten oder zu glauben, dass die Kirche gegenwärtig oder beim jetzigen Stande der Dinge in Gefahr wäre; aber wir wissen nicht, wie bald es dahin kommen mag, wenn das Christentum aufgehoben wird. So einleuchtend der Plan auch scheint, vielleicht lauert hinter ihm doch ein gefährliches Streben. Nichts kann landeskundiger sein, als dass die Atheisten, Deisten, Sozinianer, Antitrinitarier und die andern Unterabteilungen der Freidenker wenig Eifer für die gegenwärtigen geistlichen Institutionen zeigen. Sie haben sich ausgesprochenermassen für die Widerrufung der Testakte erklärt, Die Testakte, erlassen 1673, ein Gesetz, das von jedem Beamten den Testeid verlangte, der sich gegen die Lehre von der Transsubstantion wandte. Swift war stets ein scharfer Gegner der Aufhebung dieser Akte. Die Frage war für Irland insbesondere 1708 aktuell geworden, weil das damalige Whigministerium (Godolphin) sehr geneigt war, die Aufhebung durchzusetzen; zuvor aber wollte man die Wirkung an Irland erproben. In Irland hatten sich eben die Presbyterianer aus Anlass bedrohlicher Gerüchte von einem geplanten Einfall in England durch loyale Haltung ausgezeichnet, und der damalige »Speaker« des irischen Unterhauses, Brodrick, der spätere Lord Middleton, agitierte in London für die Aufhebung. Swifts Stellung wird durch seine Worte charakterisiert, diese Methode (nämlich die, eine gesetzgeberische Handlung an Irland zu erproben) gleiche dem Verfahren eines vorsichtigen Arztes, der eine neue Arznei zunächst einem Hund eingäbe, ehe er sie menschlichen Wesen verordnete. Er schrieb damals den »Letter concerning the sacramentel Test«, der ihn um jede Aussicht brachte, durch das bestehende Whigministerium je zu einem seinen Fähigkeiten entsprechenden Amt zu gelangen.
Es ist natürlich Unsinn, wenn zugleich behauptet wurde, diese Stellungnahme bedeute einen Abfall von seiner politischen Partei. Denn Swift ist im letzten Grunde niemals Parteimann gewesen. Er war, politisch betrachtet, vielfach der Freund seiner Freunde, vor allem aber ein Mann der Kirche. Wenn er zu den Torys »überging«, so geschah es nur, weil er von ihnen mehr für die Kirche erhoffte. Von diesen Dingen wird übrigens im 3. Bande dieser Ausgabe ausführlich die Rede sein. Swifts Campagne gegen die Aufhebung der Testakte, die er 1731 von neuem begann, als eine dahin gehende Vorlage im Irischen Parlament zur Beratung stand, trug viel zum Sturz des Entwurfs bei. Das Gesetz ist erst 1828 gefallen.
sie verhalten sich sehr gleichgültig gegen alle Zeremonien und treten nicht für das jus divinum des Episkopats ein. Deshalb kann man hierin einen ersten politischen Schritt sehn, die Verfassung der bestehenden Kirche zu ändern und an ihrer Stelle das Presbyterianertum aufzurichten; doch mögen ihn die Leute, die am Ruder sind, des genauern[*] erwägen.

Schliesslich scheint mir nichts klarer, als dass wir durch dieses Auskunftsmittel geradenwegs dem Übel in die Arme laufen werden, das wir vor allem vermeiden wollen, und dass die Abschaffung der christlichen Religion der schnellste Weg zur Einführung des Papismus sein wird. Und ich neige dieser Anschauung um so mehr zu, als wir ja wissen, wie sehr es von jeher bei den Jesuiten Brauch gewesen ist, Abgesandte mit der Anweisung herüberzuschicken, dass sie sich als Mitglieder der verschiedenen unter uns herrschenden Sekten verkleiden sollten. So wird berichtet, dass sie zu verschiedenen Zeiten als Presbyterianer, Anabaptisten, Independenten und Quäker aufgetreten sind, je nachdem, wer von diesen am meisten in Ansehn stand. Und seit die Mode aufgekommen ist, die Religion abzuschaffen, haben die papistischen Missionare nicht verfehlt, sich unter die Freidenker zu mischen. Unter ihnen ist Toland, das grosse Orakel der Antichristen, ein irischer Priester und Sohn eines irischen Priesters; und der höchst gelehrte und scharfsinnige Verfasser eines Buches mit dem Titel: »Die Rechte der christlichen Kirche« Tindal: Swift kritisierte das oben genannte Buch in einer besonderen Schrift: »Anmerkungen zu einem Buch mit dem Titel: »Die Rechte der christlichen Kirche usw.««[*] Das Buch war scheinbar ein Angriff gegen den Katholizismus, in Wahrheit aber gegen das Christentum überhaupt. Nach einer Anekdote sagte Tindal, als er an seinem Werk arbeitete (das übrigens einen grossen Erfolg hatte und in weniger als einem Jahr drei Auflagen erlebte), zu einem Freund, er schreibe an einem Buch, das »die Geistlichkeit rasend machen« würde. wurde im geeigneten Augenblick mit dem römischen Glauben versöhnt; und wie es sich an hundert Stellen in seiner Abhandlung zeigt, ist er noch immer sein echter Sohn. Vielleicht könnte ich der Zahl noch ein paar andre hi[*]nzufügen; aber die Tatsache ist ohnehin unbestreitbar, und die Leute schliessen ganz richtig. Denn angenommen, das Christentum werde abgeschafft, so werden die Leute doch niemals ruhn, bis sie eine andre Methode der Anbetung gefunden haben, die ebenso unfehlbar den Aberglauben erzeugen wird, wie all das im Papismus enden muss.

Und wenn es also, allem, was ich gesagt habe, zum Trotz, dennoch für notwendig gehalten wird, einen Gesetzentwurf für die Abschaffung des Christentums einzubringen, so möchte ich in aller Demut eine Verbesserung vorschlagen; man möge nämlich an Stelle des Wortes Christentum das Wort Religion im allgemeinen setzen, denn mir scheint, dadurch werden all die guten Ergebnisse, die die Erfinder versprechen, viel leichter erreicht werden. Denn solange wir einen Gott und seine Vorsehung am Leben lassen, nebst all den notwendigen Folgerungen, die wissbegierige und forschungseifrige Leute aus solchen Voraussetzungen ziehen werden, treffen wir die Wurzel des Übels noch nicht, und wenn wir die gegenwärtige Lehre des Evangeliums noch so energisch vernichten. Denn was soll die Gedankenfreiheit nützen, wenn sie keine Handlungsfreiheit im Gefolge hat, die doch das einzige Ziel aller Einwände gegen das Christentum bleibt, stehe dieses Ziel scheinbar auch in noch so grosser Ferne? Und deshalb sehn die Freidenker das Christentum als eine Art Gebäude an, in dem alle Teile so aufeinander ruhn, dass der ganze Bau, wenn man auch nur einen einzigen Nagel herauszieht, zu Boden stürzen muss. Das fand einen glücklichen Ausdruck in den Worten jenes Mannes, der von einem Text gehört hatte, den man zum Beweis der Dreieinigkeit anführte und der in einem alten Manuskript anders lautete. Er griff diesen Wink auf und schloss vermöge der blitzschnellen Ableitung eines Kettenschlusses höchst logisch: »Aber wenn es so ist, wie Sie sagen, so kann ich in aller Ruhe weiter huren und trinken und dem Pastor Trotz bieten.« Daraus, und aus vielen ähnlichen Beispielen, die ich leicht anführen könnte, erhellt meiner Meinung nach nichts klarer, als dass sich der Streit nicht gegen einige besonders schwer verdauliche Punkte der christlichen Lehre richtet, sondern gegen die Religion im allgemeinen; denn da sie der menschlichen Natur Einschränkungen auferlegt, hält man sie für die grösste Feindin der Gedanken- und Handelsfreiheit.

Wenn man es aber schliesslich immer noch als für Kirche und Staat vorteilhaft ansieht, dass das Christentum abgeschafft wird, so scheint es mir doch, als sei es geratener, die Ausführung des Plans auf eine Zeit des Friedens zu verschieben und nicht in der gegenwärtigen Lage unsre Verbündeten vor den Kopf zu stossen; es trifft sich leider so, dass sie alle Christen sind; und viele von ihnen sind vermöge der Vorurteile ihrer Erziehung so bigott, dass sie eine Art Stolz in diesen Namen setzen. Wenn sie uns verleugnen und wir auf ein Bündnis mit dem Türken rechnen sollen, so werden wir sehn, dass wir in einem grossen Irrtum befangen sind. Denn erstens haust er in zu grosser Ferne, und er ist fast immer in Kriege mit dem persischen Kaiser verwickelt; und zweitens würde sich sein Volk noch mehr über unsern Unglauben entrüsten, als unsre christlichen Nachbarn. Denn die Türken beobachten nicht nur streng die Regeln ihres Gottesdienstes, sondern, was noch schlimmer ist, sie glauben auch an einen Gott; soviel verlangt man nicht einmal von uns, wenn wir den Namen Christen auch beibehalten.

Doch um zum Schluss zu kommen. Welche grossen Vorteile für den Handel sich manche auch von diesem Plan versprechen, so fürchte ich doch sehr, dass sechs Monate nach Erlass des Gesetzes über die Ausrottung des Evangeliums die Bank von England und die Ostindische Kompagnie um mindestens ein Prozent fallen werden. Und da das fünfzigmal mehr ist, als die Weisheit unsrer Zeit für die Erhaltung des Christentums je aufs Spiel zu setzen für geraten hielt, so ist auch kein Grund vorhanden, weshalb wir uns so grosse Verluste auferlegen sollten, einzig, um es vernichten zu können.


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