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Antwort auf eine Schrift mit dem Titel »Eine Denkschrift über die armen Einwohner, Händler und Arbeiter des Königreichs Irland«.

Ich habe von Ihnen, wo Sie auch sein mögen, eine Schrift erhalten, die ohne den Namen eines Verfassers oder Druckers gedruckt und mir, wie es scheint, ohne irgend ein besondres Merkmal mit andern übersandt wurde. Sie enthält eine Klage über die Teuerkeit des Korns und einige Vorschläge, wie man es billiger machen soll, die ich nicht billigen kann.

Aber bitte, erlauben Sie mir, ehe ich weiter gehe, Ihnen eine kurze Geschichte der Schritte zu geben, durch die wir in diese hoffnungsvolle Lage gekommen sind.

Es war der schmähliche Brauch nur zu vieler irischer Pächter, ihren Boden durch Pflügen zu ermüden, während sie entweder aus Armut oder Faulheit oder Unwissenheit weder dafür sorgten, ihn so zu düngen, wie sie es hätten tun sollen, noch auch dem geringsten Teil des Ackers Zeit liessen, sich zu erholen; und wenn ihre Pachtfrist beinahe abgelaufen war, pflügten sie, weil sie überzeugt waren, dass der Gutsherr sie nicht erneuern würde, sogar die Wiesen um; dadurch richteten sie einen solchen Schaden an, dass viele Gutsherrn schwer darunter gelitten haben.

Das rief jenes abscheuliche Geschlecht von Viehzüchtern ins Leben, die beim Ablauf der Pacht stets bereit waren, grosse Strecken Landes aufzukaufen; und da der Gutsherr zuvor oft schlecht bezahlt und sein Land bis in die Tiefe ausgenutzt worden war, so liess er sich nur zu leicht in Versuchung führen, wenn sich ein reicher Züchter erbot, ihm sein ganzes Land abzunehmen und die Zahlung sicher zu stellen. Auf diese Weise wurde dann ein ungeheurer Strich Landes, auf dem zuvor zwanzig oder dreissig Pächter lebten, samt all den in ihren Hütten wohnenden Kätnern und Arbeitern, völlig öde; von ein oder zwei Hirten mit ihren Burschen war er leicht zu verwalten; und also raffte der Züchter mit wenig Mühe den Lebensunterhalt von hundert Leuten an sich.

Man muss zugeben, dass die Pächter für ihre Halunkerei, Brutalität und Narrheit nur ihre gerechte Strafe fanden. Aber auch die Gutsherrn sind nicht zu entschuldigen; denn sie sind schuld an der Entvölkerung des Landes, an der ungeheuren Zahl von Bettlern und dem Verlust der wenigen, erbärmlichen Verbesserungen, die wir hatten.

Dass man den Pächtern im Pflügen Beschränkungen auferlegt, ist nur vernünftig; es ist in England Brauch und könnte auch hier leicht eingeführt werden, indem man in die Pachtverträge ein paar Strafbestimmungen aufnähme; aber dass man sie gewissermassen vollständig der Möglichkeit beraubte, ihr Land zu bestellen, zeugt für einen bornierten Mangel an Überlegung.

Hätte man den Pächtern die Beschränkung auferlegt, dass sie nur eine[*] bestimmte Anzahl von Morgen Landes pflügen dürften, und ferner eine Strafe von zehn Pfund für jeden Morgen, den sie mehr pflügten, welche Anzahl man während der drei oder vier letzten Jahre ihrer Pacht noch weiter hätte einschränken können, so wäre all dies Unheil vermieden worden; die Nation hätte eine Million erspart, und das Land wäre um mehr als zweihunderttausend Seelen volkreicher.

Für ein Volk, dem die Wohltat des Handels versagt ist, bleibt es ein Widersinn, dessen sich ein wilder Indianer schämen würde, wenn es seinen Boden so ausnutzt, dass er nichts hervorbringt als eine Ware, mit der Handel zu treiben ihm verboten ist, Lebendes Vieh und Wolle. oder Dinge, an deren Ausfuhr oder Verarbeitung es nicht verdienen kann; zumal wenn wir hinzufügen, dass wir diesen hoffnungsvollen Handel dadurch erkaufen, dass wir unser tägliches Brot von fremden Märkten ins Land holen müssen.

Des Viehzüchters Gewerbe besteht darin, grosse Schaf- oder Rinderherden zu züchten; oder auch beides. Was die Schafe angeht, so ist es hier wie immer: Narrheit kommt stets im Geleit des Eigensinns. Es liegt etwas so Ungeheuerliches darin, in grösserem Umfang als zum eigenen Bedarf mit einer Ware zu handeln, die verarbeitet oder auch nur unverarbeitet ausser in ein einziges Land, ja, ausser nach einigen wenigen Häfen dieses Landes auszuführen uns nicht erlaubt ist – darin, sage ich, liegt etwas so tölpelhaftes, dass es unsrer Sprache an einem Wort fehlt, um es auszudrücken; und das Gute dabei ist, dass wir, je mehr Schafe um so weniger Menschen haben, die die Wolle tragen oder das Fleisch essen könnten. Ajax war wahnsinnig, als er eine Herde Schafe für seine Feinde hielt; wir aber werden nicht eher nüchtern sein, als bis wir ebenso denken.

Der andre Handelsgegenstand des Viehzüchters ist Rindvieh, das Felle, Talg und Rindfleisch für die Ausfuhr abwirft. Lauter gute und nützliche Waren, wenn sie richtig gehandhabt werden. Aber es scheint, dass aus Mangel an Gerberrinde der grössere Teil der Felle roh ausgeführt wird; jener Mangel wird täglich zunehmen, und mich dünkt, der neue Plan, ohne Rinde zu gerben, ist schon erledigt. Unser Rindfleisch, fürchte ich, erregt auf ausländischen Märkten immer noch aus den alten Gründen Abscheu. Doch unser Talg kann nach allem, was ich weiss, gut sein. Aber das ganze Königreich auf Rindfleisch und Hammelfleisch hetzen und dadurch die halbe Bevölkerung, die ihren Anteil essen sollte, vertreiben, den Rest aber zwingen, um Brot, das man dazu essen kann, zuweilen bis nach Aegypten hinauf zu schicken, das ist ein höchst merkwürdiges und sonderbares Stück Volkswirtschaft, das mir nicht in den Kopf geht.

Ich weiss recht wohl, dass unsre Vorfahren, die Skythen, und ihre Nachkommen, unsre Vettern, die Tataren, vom Blut, von der Milch und dem Fleisch ihrer Rinder lebten, und zwar ohne ein Korn Getreide; aber ich gestehe, ich bin so entartet, dass ich mich ohne Brot bei meinen Mahlzeiten nicht behaglich fühle.

Eine oder zwei Wochen lang nahm es mich dabei wunder, dass bei dieser fabelhaften Überfülle an Rindvieh und diesem Mangel an menschlichen Geschöpfen und der Not an Brot und Geld, um es zu kaufen, alles Fleisch ungeheuerlich teuer sein kann; teurer, als man es je in diesem Königreich gekauft hat. Ich hielt es für eine Lücke im Gesetz, dass der Preis des Fleisches nicht wie der des Brotes in gewissen Grenzen reguliert war; aber ich glaube, ich habe den Grund erraten. Kurz, ich denke mir, dass das ganze Königreich mit Gross- und Kleinvieh überfüllt ist; und da man beobachtet hat, dass die armen Iren ihre Eitelkeit darein setzen, lieber zwei magere Kühe zu besitzen als eine fette, wenn ihre Weide sie auch das doppelte kostet, während sie zusammen nur die Hälfte Milch ergeben, so denke ich mir, es werde heute weit schwieriger sein, einen fetten Ochsen oder Widder zu finden, als es wäre, wenn man die Hälfte aller Tiere einfach auf den Kopf schlüge. Denn ich bin überzeugt, dass der Distrikt der verschiedenen Märkte, den man die Fleischbank nennt, so vernünftig ist, wie der Arme es nur wünschen kann; aber es fehlt an der Äusserlichkeit des Geldes, womit man kaufen kann, und an der des Handels oder der Arbeit, durch die man jenes Geld erwirbt.

Um nun, geehrter Herr, insbesondere auf Sie und Ihre Denkschrift zurückzukommen, so meinen Sie, es sollten hunderttausend Fässer Weizen eingeführt werden, und denen, die ihn einführen, sollte man eine Prämie von zehntausend Pfund geben. Haben Sie der Nation in den Geldbeutel geschaut? Ich bin kein Schatzkommissionär; aber ich bin ganz sicher, dass das gesamte kurrente Geld Ihnen nicht die Summe zu geben vermöchte, mit der Sie soviel Korn kaufen könnten; denn, nur zu zwanzig Schilling das Fass gerechnet, ergäbe es den Preis von hunderttausend Pfund, zu der für die Prämie noch zehntausend Pfund hinzukämen. Aber Sie wollen Ihr Korn mit andern Waren bezahlen: und wo sind diese Waren? Wenn Sie sie gehabt haben, so sind sie für die Zahlung der Pacht an auswärts wohnende Grundherrn und andre Verpflichtungen in London verpfändet; ganz abgesehn davon, dass in diesem Jahr die Bilanz des Handels ungeheuer zu unserm Nachteil ausfällt. Werden die Ausländer die Papiere unsrer Bankiers annehmen? Ich vermute, sie werden nicht viel mehr dafür geben, als soundsoviel das Buch. Wo sind die reichen Pächter und Kornaufkäufer in einem so schlechten Jahr, in dem so wenig gesät worden ist?

Sie machen sich Sorge um die zwei Schilling für die Prämie, und die zwanzig Schilling des Kaufpreises vergessen Sie; suchen Sie mir den, dann will ich für die Prämie bürgen.

Ihr Plan, eine Steuer zu erheben, um diese Summe aufzubringen, ist ganz visionär; und er verrät einen grossen Mangel an Wissen um die elende Lage dieser Nation.

Tee, Kaffee, Zucker, Gewürze, Wein und fremde Kleider sind die einzelnen Handelsartikel, die Sie für die Erhebung dieser Steuer vorschlagen. Ich will die beiden ersten hingehn lassen, weil sie ungesund sind; auch den letzten, weil ich froh wäre, wenn man sie alle verbrennte: aber ich bitte Sie, uns unsern Wein zu lassen, damit wir unser Elend eine Weile vergessen können; oder Sie müssen Ihren Pächtern erlauben, Gerste zu bauen. Doch ich will Ihnen ein Geheimnis sagen, das ich vor vielen Jahren von den Zollkommissionären in London gelernt habe: sie sagten, wenn eine Ware über einen mässigen Satz hinaus besteuert zu sein scheine, so sei die Folge, dass die Einkünfte aus diesem Handelszweig sich um die Hälfte verringere; und einer dieser Herren sagte mir scherzend, der Fehler, den die Parlamente bei solchen Gelegenheiten begingen, beruhe auf dem Irrtum, dass sie rechneten: Zwei und zwei gibt vier, während, sobald es sich um die Auferlegung von Steuern handelte, zwei und zwei nie mehr ergäbe als eins; das liege an der Verminderung der Einfuhr und der starken Versuchung, hochbesteuerte Waren zu schmuggeln. Wenigstens ist in diesem Königreich, wiewohl die Frauen so eitel und verschwenderisch sind, wie ihre Liebhaber oder Gatten es nur verdienen können, und die Männer ihren Wein von Herzen lieben, die Anzahl beider, die sich solche Ausgaben leisten können, so klein, dass der grössere Teil sie sich versagen muss; und dadurch werden die Zolleinkünfte eher schwinden als wachsen. Aber selbst wenn wir dieses Argument nicht als durchschlagend anerkennen, so entspricht doch die ganz plötzliche Erhebung (denn mit dem Hunger lässt sich nicht scherzen) einer so übernatürlichen Summe, wie einhundertundzehntausend Pfund es sind, der Erhebung von anderthalb Millionen in England; und wie die Dinge augenblicklich li[*]egen, würde eine solche wahrscheinlich auch jenes wohlhabende Königreich in einige Schwierigkeiten bringen.

Sie machen sich Gedanken darüber, wie seltsam und überraschend es in fremden Ländern klingen muss, wenn man hört, dass in einem reichen Lande die Armen verhungern usw. Ist das Ihr Ernst? Ist Irland das reiche Land, das Sie meinen? Oder beschimpfen sie unsre Armut? Sind Sie je aus Irland herausgekommen? Oder haben Sie es jemals vor der jüngsten Zeit besucht? Sie haben wahrscheinlich ein gutes Amt und sparen, soviel Sie können, um sich ein hübsches Gut in England zu kaufen. Aber wenn Sie so vertraut von einhundertundzehntausend Pfund reden, die durch eine Steuer auf ein paar Waren einzubringen sind, so erhellt daraus, dass Sie entweder unsre gegenwärtige Lage wirklich nicht kennen, oder nicht kennen wollen; sonst müssten Sie wissen und zu geben, dass man hier ohne eine allgemeine Warensteuer eine solche Summe nicht erheben kann; denn im Verhältnis zu unserm Wohlstand zahlen wir an Steuern schon mehr, als England je während des schlimmsten Kriegsgetümmels gezahlt hat. Und wenn Sie Ihr Korn herübergebracht haben, wer soll es da kaufen? Sicherlich nicht die Armen, die nicht imstande sein werden, auch nur ein Zwanzigstel davon zu erstehen.

Geehrter Herr, im ganzen ist Ihre Schrift ein sehr unverdautes Werk, das mehr Einwände zulässt, als Zeilen vorhanden sind; aber ich glaube, Ihre Absicht war gut, und deshalb kann man Ihnen verzeihen.

Wenn Sie eine allgemeine Naturalsteuer auferlegen wollen, um die Armen mit Kartoffeln und Buttermilch zu unterstützen, bis das neue Korn kommt, so werden Sie vielleicht bessern Erfolg haben, denn das ist wenigstes möglich. Und mir scheint, wenn unsre Brüder in England bei dieser Gelegenheit aus der Million, die sie alljährlich von uns erhalten, einen Beitrag leisten wollten, so würden sie ein Werk ebenso sehr der Gerechtigkeit wie der Wohltätigkeit vollführen. Inzwischen gehn Sie hin und predigen Sie Ihren eignen Pächtern, so schnell, wie sie nur können, zum Pflug zu greifen; und überreden Sie die Gutsherrn Ihrer Nachbarschaft, es mit den ihren ebenso zu machen; sonst müssen Sie mit dem Schuldbewusstsein sterben, dass Sie die Hälfte der Einwohner vertrieben und den Rest in den Hungertod gejagt haben. Ihr Plan, einhundertundzehntausend Pfund zu erheben, ist ebenso eitel, wie der Rabelais, aus dem Hintern eines toten Esels Wind zu pressen.

Aber wozu all diese Sorge um die Armen? Wir brauchen sie nicht, wie das Land jetzt verwaltet wird; sie mögen Tausenden ihrer Führer folgen und ihr Brot im Ausland suchen. Wo der Pflug keine Arbeit findet, kann eine Familie die Aufgabe von fünfzig erfüllen; und die andern neunundvierzig können Sie fortschicken. Ein wunderbares Stück Volkswirtschaft, wie sie bei den weisesten Nationen nie erhört oder Brauch war; denn die hielten irrtümlich die Bevölkerung für den Reichtum eines Landes.

Wenn ein so elender Stand der Dinge es zuliesse, könnte ich, scheint mir, ein boshaftes Vergnügen darin finden, nach all den Warnungen, die ich seit vielen Jahren auf meine eigne Gefahr der Allgemeinheit erteilt habe, nun zu sehn, wie in jedem einzelnen Punkt die Folgen und Ereignisse eintreffen. Ich mache keinen Anspruch auf Scharfsinn: was ich schrieb, war nicht viel mehr als das, worüber ich mit mehreren Personen gesprochen habe, die stets meiner Meinung waren. Und für jeden gewöhnlichen Menschenverstand war es klar, dass die und die Folgen aus den und den Ursachen entspringen müssten: der hübsche Lauf der Dinge, die auf Grund der Parteiwut ihren Anfang nahmen: einige opferten die Allgemeinheit der Wut, andre dem Ehrgeiz: in jedem Teil des Landes herrschte ein Geist der Spaltung und Bedrückung, und die Gutsherrn hetzten, statt sich um das Wohl ihrer Pächter zu kümmern oder ihr Land zu bebauen, in Streitfragen der Whigs und Torys, der Hochkirche und der Niederkirche widereinander: Streitfragen, die sie so wenig angingen wie der lange und berühmte Zank der Streichriemen für Rasiermesser; derweilen wurde der Ackerbau völlig entmutigt, und also die Hälfte der Pächter und Arbeiter an den Bettelstab oder in die Verbannung getrieben. »Die Weisheit schreiet in den Strassen: Denn ich habe euch gerufen: ich habe die Hand ausgestreckt, und niemand hat hingesehn; aber ihr habt all meines Rates nicht geachtet und wolltet nicht meinen Tadel; drum will ich eures Unglücks lachen und spotten, wenn eure Furcht kommt.«

Ich bin jetzt fertig mit Ihrer Denkschrift und entschuldige Ihre Irrtümer offen, weil Sie als Fremder zu schreiben scheinen und als Mann eines Landes, dem man die Freiheit lässt, die Wohltaten der Natur zu geniessen und die Vorteile, die Gott ihm im Boden, im Klima und in seiner Lage verlieh, nach Kräften auszunutzen.

Da ich aber unter dem Titel: »Ein kurzer Überblick über die Lage Irlands« vor nicht allzu langer Zeit eine Schrift hinausgeschickt habe und von einem Einwand höre, weil manche glauben, ich habe das Andenken des verstorbenen Lord Oberrichters Whitshed nicht milde genug behandelt, so will ich die Gelegenheit ergreifen, mich über diesen Punkt auszusprechen; denn wahrscheinlich wird sich mir keine weitere mehr bieten. Whitshed, der die beiden Anklagen gegen die Drucker Swifts (Edward Waters und John Harding, siehe die Tuchhändlerbriefe) eingeleitet hatte, war inzwischen gestorben; Swift hat ihn nie vergessen und bis in seine spätesten Schriften hinein finden sich gelegentliche Anspiegelungen auf den Richter; über seine Devise dichtete er ein Couplet voll bittersten Hohns. Ich stelle demnach das Postulatum auf, und ich denke, es wird mir von allen Seiten zugestanden werden, dass nie ein so kleines Geschöpf von so geringer Geburt und so geringem Geist je die Ehre hatte, seinem Lande und jeder Art von Tugend ein grösserer Feind zu sein als er, und antworte dann: Ob es nun zwei verschiedene Göttinnen gibt, die man Fama nennt (und manche Autoren behaupten das), oder ob eine und dieselbe Göttin nur in zwei verschiedene Trompeten stösst, gewiss bleibt dieses eine, dass Leute, die sich durch ihre Halunkerei ausgezeichnet haben, einen eben so guten Anspruch auf einen Tusch aus der richtigen Trompete besitzen wie jene, die wegen ihrer Tugenden berühmt sind, auf einen Tusch aus der andern; und wenn er ihnen verweigert wird, können sie sich mit gleichem Recht beklagen. Demgemäss sind auch die Namen der berühmtesten Verbrecher der Nachwelt treulich überliefert worden. Und wiewohl die Persönlichkeit, die wir hier im Auge haben, in einem dunklen Weltwinkel lebte, so hätten doch seine Talente auf der edelsten Schaubühne mit genügendem Glanz zu strahlen vermocht.

Dafür aber, dass ich einen Toten genannt habe, ist der ehrliche Grund der beste. Er war mit der Macht bewaffnet, er hatte das Schuldbewusstsein und den Willen, Böses anzutun, wenn er auch nicht herausgefordert worden war; das erhellt daraus, dass er zwei Drucker, die weder Gott, noch den König, noch ihn oder die Allgemeinheit beleidigt hatten, den einen bis in seinen Tod, den andern bis in sein Verderben hinein verfolgte.

Welche Ermunterung ist das für das Laster! Wenn ein schlechter Mensch am Leben und im Besitz der Macht ist, so wagen wir ihn nicht anzugreifen; und wenn er der Welt oder seiner eigenen Schurkereien müde ist, so hat er nichts zu tun, als zu sterben, und sein Beruf wäre sicher? Diese ausgezeichneten Kasuisten kennen gerade genug Lateinisch, um den sehr törichten Lehrsatz: de mortuis nil nisi bonum gehört zu haben. Wenn also Sokrates und sein Ankläger Anytus zufällig zusammen gestorben wären, so hätte die Barmherzigkeit der Überlebenden sie entweder verpflichtet, den Mund zu halten oder beiden den gleichen Namen zu geben. Nur dann ist ein Angriff auf Tote ein Verbrechen, wenn der geringste Zweifel bestehn bleibt, ob die Anklage wahr ist; aber wenn jemand ganz offen verworfen ist und alle Scham verloren hat, so hat er keinen Grund, sich beschwert zu fühlen, wenn sein Andenken angegriffen wird. Wer etwas berichtet oder sonst irgendwie veröffentlicht, was möglicherweise falsch sein kann, der ist ein Verleumder: hic niger est, hunc tu, Romane, caveto. Selbst die geringste Entstellung oder Übertreibung der Tatsachen verdient bis zu einem gewissen Grade den gleichen Tadel; aber in diesem Fall muss ich mich sehr täuschen, wenn ich nicht noch durch Abschwächung gefehlt habe.

Ich sehe jetzt das Bild einiger Menschen vor mir (ich weiss nicht, aus welchem Teil der Welt), die jeden Augenblick ihres Lebens und jede Wendung ihrer Gedanken (und wahrscheinlich auch ihrer Träume, wenn sie schlafen) auf die verabscheuungswürdigsten Handlungen und Pläne verwenden, die sich jedes Unheils und Ärgernisses und jeder Verleumdung freuen, obwohl der Hass und die Verachtung der ganzen Menschheit gegen sie steht, vor allem aber derer, die ihrer eigenen Partei und ihrer eigenen Familie angehören; Menschen, deren hassenswerte Eigenschaften an Vollkommenheit mit einander wetteifern: in deren Brust Habgier, Brutalität, Parteigeist, Hochmut, Bosheit, Verräterei, Lärmbegierde, Schamlosigkeit, Borniertheit, Unwissenheit, Eitelkeit und Rachsucht jeden Augenblick um den Vorrang streiten. Solche Geschöpfe sind nicht zu bessern, und eine Besserung auch nur zu versuchen, ist weder geraten noch ungefährlich. Wenn aber ihr Andenken auch fault, so mag es doch für die Überlebenden von einigem Nutzen sein, es zu riechen, während es verfault.

Ich verbleibe, geehrter Herr,
Ihr ergebener Diener
A. [*]B.

Dublin, den 25. März 1728.


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