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Antwort auf den »Craftsman«.

Geehrter Herr!

Ich verabscheue es, Ihre Aufsätze zu lesen, denn ich bin nicht Ihrer Ansicht, und ich kann es nicht ertragen, mich überzeugen zu lassen. Dennoch liess ich mich bewegen, Ihren Craftsman, Der Craftsman (wörtlich etwa »Handwerker«, »Künstler« oder »Meister«) war eine seinerzeit berühmte Zeitschrift, die gegründet wurde zu dem ausdrücklichen Zweck, Walpole, den damaligen Premierminister, zu stürzen. Der Begründer war ein ehemaliger Parteigänger Walpoles, Pulteney, mit dem Swift ein freilich nicht sehr enges Freundschaftsband verknüpfte; heute noch bekannt ist ausser Swift, der Pulteney gelegentlich mit Ratschlägen an die Hand ging, und zweimal Aufsätze der Zei[*]tschrift zum Ausgangspunkt eigener satirischer Ausfälle nahm, vor allem der zweite Mitherausgeber, Bolingbroke, der seine »Briefe eines gelegentlichen Mitarbeiters« beitrug. Der Titel enthält natürlich eine ironische Beziehung auf den derzeitigen »Meister« Walpole. Ueber Bolingbroke siehe die Vorbemerkung zum »Appendix« dieses Bandes und Band III und IV, passim. vom 12. Dezember zu lesen und ich ersehe daraus, dass Sie ein ebenso grosser Feind dieses Landes wie Ihres eigenen sind. Es beliebt Ihnen, Anmerkungen zu einem Plan von mir zu machen, in dem ich vorschlug, die Kinder irischer Eltern zum Vorteil der Allgemeinheit auszunutzen, damit sie ihr nicht mehr zur Last fallen; und Sie wagten es, zu behaupten, dass Ihr eigener Plan, nicht mehr zu erlauben, dass unsre papistischen Eingebornen für den Dienst irgend eines fremden Fürsten angeworben werden, weniger grausam sei.

Vielleicht, geehrter Herr, haben Sie noch von keinem Königreich gehört, das sowohl in seiner Einfuhr wie seiner Ausfuhr so unglücklich ist wie dieses. Wir führen gewisse Waren ohne jeden inneren Wert ein, die herzurichten, zu säubern und zu polieren uns jährlich mehr als vierzigtausend Pfund kostet, ohne dass sie uns auch nur einen Heller Verdienst bringen; und wir führen jährlich für mehr als siebenhunderttausend Pfund andre Waren aus, für die wir keinen einzigen Farthing als Entgelt erhalten; denn selbst das Geld, das wir für die Briefe zahlen, wenn wir über diese Geschäfte unterhandeln, wandert wieder nach England. Und jetzt, da sich die günstigste Gelegenheit bietet, einen Handel zu eröffnen, durch den diese Nation jährlich viele tausend Pfund ersparen wird und an dem auch England fabelhaft verdienen muss, beliebt es Ihnen, sich unaufgefordert, zudringlich und arglistig mit den frivolsten Argumenten einzumischen!

Es ist bekannt, dass vor sechzig Jahren die Ausfuhr lebenden Viehs nach England für beide Königreiche von grossem Nutzen war, bis dieser Handelszweig durch eine Parlamentsakte auf Ihrer Seite abgeschnitten wurde, die zu bereuen Sie Grund genug gehabt haben. Ueber die betreffenden Gesetze siehe die Einleitung dieses Bandes. Deshalb flochten Sie auch, als Ihrem Parlament eine weitere Akte unterbreitet wurde, die die Ausfuhr lebender Menschen in irgend ein fremdes Land verbot, klugerweise eine Klausel ein, dass sie mit eigenhändig unterschriebener Erlaubnis Seiner Majestät doch zulässig sein sollte; und dafür sind wir, ebenso wie für viele andre, Irland gewährte Wohltaten der englischen Gesetzgebung unendlich dankbar. Und doch versuchen Sie, Herr D'Anvers, Das Pseudonym des Herausgebers. dem wir niemals etwas zu Leide taten, diese Gunst und Gnadenbezeigung zu verhindern. Es ist das, diese Behauptung will ich gern vertreten, ein klärliches Zeichen Ihrer Unzufriedenheit mit Seiner Majestät, eine Verletzung Ihrer Pflicht dem Ministerium gegenüber, ein arglistiger Versuch, dieses Königreich zu unterdrücken und ein verräterisches Attentat zur Beschränkung des Handels und der Fabrikation in England.

Unser treuester und bester Bundesgenosse, der Allerchristlichste König, Der König von Frankreich. hat sich dem Gesetz gemäss Seiner Majestät Erlaubnis erwirkt, ein paar tausend gesunder, junger, lebender Männer aus diesem Lande auszuführen, um seine irischen Regimenter zu ergänzen. Der König von Spanien hat, wie Sie selbst versichern, um die gleiche Gunst nachgesucht, und er scheint einen mindestens ebenso guten Anspruch zu haben. Wenn wir nun annehmen, dass diese beiden Potentaten zusammen auch nur sechstausend Mann nach Frankreich und Spanien zu bringen wünschen, und wenn wir den Unterhalt eines grossen, hungrigen Iren in Nahrung und Kleidung auch nur auf fünf Pfund für jeden Kopf berechnen, so werden hier der Nation jährlich schon dreissigtausend Pfund rein erspart; denn ausser Betteln, Rauben oder Stehlen können die Leute zu Hause keine Beschäftigung finden. Wenn aber erst dreissig, vierzig- oder fünfzigtausend (die wir so gut entbehren könnten) zum gleichen Zweck ausgeschickt würden, welche ungeheure Wohltat wäre das für uns! Und wenn die beiden Fürsten, in deren Diensten sie ständen, zufällig miteinander im Kriege lägen, wie schnell würden da diese Rekruten vernichtet! Und welche Fülle von Freunden würde dem Prätendenten dadurch entgehn, und welche Fülle papistischer Feinde würden alle echten Protestanten los! Man rechne hinzu, dass infolge eines solchen Brauchs der irische Boden, dem es an Händen fehlt, ihn zu bebauen, als Weideland benutzt werden muss; und dadurch würden die Preise der Wolle, der rohen Felle, der Butter und des Talges so sehr sinken, dass die Engländer alles für ihr eigenes Gebot haben könnten, um uns Weizen dafür zu schicken, Weizen für unser Brot, Gerste für unser Bier und Hafer für unsre Pferde, ohne dass wir selbst die geringste Mühe davon hätten.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich in aller Demut einen Plan darlegen, der meiner Meinung nach den wahren Interessen beider Königreiche am besten entsprechen würde. Denn obgleich ich England, meiner teuren Heimat, die zärtlichste Kindesliebe entgegenbringe, so kann ich doch nicht leugnen, dass auch diese edle Insel grossen Anteil an meiner Zuneigung und Achtung hat; auch kann ich nicht sagen, wie sehr ich wünsche, sie in Handel und Wohlstand noch mehr emporblühn zu sehn, als sie es schon in ihrer gegenwärtigen glücklichen Lage tut.

Das nutzbare Land dieses Königreichs wird, denke ich, gewöhnlich auf siebzehn Millionen Morgen berechnet, und ich schlage vor, die ganze Summe in Weideland zu verwandeln. Nun hat man durch die Erfahrung herausgefunden, dass ein Züchter mit seiner Familie zweitausend Morgen beaufsichtigen kann. Also lassen sich sechzehn Millionen und achthunderttausend Morgen von achttausendvierhundert Familien beaufsichtigen; und der Rest von zweihunderttausend Morgen wird für die Hütten, die Ökonomiegebäude und Kartoffelfelder mehr als ausreichen; denn dass alles Korn aus England zu uns geschickt werden muss, steht fest.

Diese achttausendvierhundert Familien können nach der Zahl der vorhandenen Häuser in die vier Provinzen verteilt werden; und wenn wir einheitlich acht Personen auf die Familie rechnen, so wird sich die Einwohnerzahl auf siebenundsechzigtausendundzweihundert Seelen belaufen. Hinzurechnen müssen wir ein stehendes Heer von zwanzigtausend Engländern; mit ihren Dirnen, ihren Bastarden und Stallburschen werden sie, nach reichlicher Schätzung die Zahl nahezu verdoppeln; und sie werden völlig genügen, um das Land zu verteidigen und abzuweiden, sowie auch, um unsre Nachbarn reich zu machen, den Papismus zu verjagen und den Prätendenten fern zu halten. Und damit es dem Heer nicht an Arbeit fehle, denke ich, wäre es sehr klug, es zur Einziehung der öffentlichen Steuern für seinen eigenen Sold und für die Zivilliste zu verwenden.

Ich möchte ferner den Rat geben, dass alle Eigentümer dieser Ländereien beständig in England leben, damit sie sich bilden und für Ämter tauglich werden. Aus Furcht aber vor einem Wachstum der Eingeborenenzahl in dieser Insel müsste je nach der Zahl der jährlichen Geburten alljährlich ein Schub ausgeführt werden, wenn irgend ein Fürst die Transportkosten übernehmen will; oder aber man müsste ihn in die englischen Besitzungen auf dem amerikanischen Kontinent überführen, wo sie einen Schutzsaum zwischen Seiner Majestät englischen Untertanen und den wilden Indianern bilden könnten.

Ich rate ferner dazu, dass keinerlei Waren von den Erzeugnissen dieses Königreichs in irgend ein Land ausser nach England ausgeführt werden dürfen, und zwar unter der Strafe des Hochverrats; und all die benannten Waren müssen im Naturzustande versandt werden: die Häute roh, die Wolle ungekämmt, der Flachs auf dem Halm; nur Fisch, Butter, Talg und was sonst auf dem Transport verderben würde. Umgekehrt aber dürften Waren unter der gleichen Strafe hierher nur aus England eingeführt werden: England müsste verpflichtet sein, uns zu einem von ihm bestimmten Preise fertige Kleider und ebenso den Soldaten und ihren Dirnen Hemden und Röcke herüberzuschicken; ferner alle Eisen-, Holz- und Tonwaren und jeglichen Hausrat, der für die Hütten der Züchter notwendig ist; nicht zu vergessen die genügende Menge von Gin und andern Spirituosen für die, die es sich leisten können, sich an den Feiertagen zu betrinken.

Über die Zivilverwaltung und die Organisation der Geistlichkeit habe ich noch nicht genügend nachgedacht, und also kann ich wenig darüber sagen; nur ist es inbezug auf die letztere klar, dass die Zehntenzahlungen für die Verteidigung spekulativer Religionsanschauungen, die für alle echten Protestanten eine so unerträgliche Bürde sind, ebenso wie auch für die meisten Geistlichen, durch dieses Auskunftsmittel sehr vermindert werden; denn Schlachtrinder zahlen dem geistlichen Tagelöhner so wenig wie eingeführtes Getreide; und also kann von den fleissigen Hirten und Schäfern ein jeder unter seinem eigenen Brombeerenstrauch und auf seinem eigenen Kartoffelbeet sitzen, wodurch diese glückliche Insel zu einem neuen Arkadien werden wird.

Ich schlage ferner vor, dass in Irland keinerlei Geld gebraucht werden darf, ausser solchem aus Leder, das ebenfalls in England geprägt und von dort eingeführt werden muss; die Steuern aber sind von den Waren zu erheben, die wir nach England ausführen, und dort zu Seiner Majestät Nutzen zu Geld zu machen; und die Pacht an die Gutsherrn ist in gleicher Weise zu entrichten. Das wird zu keinerlei Beschwerlichkeiten führen, denn wir erleben es schon jetzt, wie leicht es durchführbar ist, ohne Geld zu leben; und mit jedem Tage werden wir uns mehr davon überzeugen. Aber ob auch fernerhin Papier diese Lücke ausfüllen soll oder ob wir besser alle aufhängen, die das Bankiergewerbe treiben, das muss (wiewohl ich mehr zu dem letzteren neige) der Erwägung weiserer Politiker überlassen bleiben.

Zu einem noch eifrigeren Verfechter dieses Plans macht mich mein Wunsch, mit unsern Nachbarn und Brüdern in Freundschaft zu leben, denn wir haben zu diesem gesegneten Zweck bereits nutzlos alle andern Mittel versucht; und nach der Reihe von Massregeln zu urteilen, die seit ein paar Jahren getroffen worden sind, sollte es scheinen, dass wir uns darin alle einig sind.

Dieses Auskunftsmittel wird aus mehreren Gründen für beide Königreiche von grossem Vorteil sein. Denn England hat einen gerechten Anspruch darauf, dass sich die Wage des Handels mit der ganzen Welt zu seinen Gunsten neige; und daher sollten unsre Vorfahren und wir, die wir dies Königreich für England erobert haben, ihm auch in Hingebung und Dankbarkeit den ganzen Nutzen dieser Eroberung überlassen; zumal die Eroberung friedlich und ohne Blutvergiessen vor sich ging, nämlich durch eine Vereinbarung zwischen den irischen Fürsten und Heinrich II.; wonach sie ihm, wenn auch nicht die gleiche Huldigung erwiesen, die die deutschen Kurfürsten dem Kaiser erweisen, so doch etwa die gleiche, die er dem König von Frankreich für seine französischen Besitzungen erwies.

Infolge dieses englischen Anspruchs kann jenes Königreich mit vollem Recht den Vorteil verlangen, dass all unsre Waren im Rohzustande von seinem Volk verarbeitet werden, das dann eine genügende Menge für unsern Gebrauch fertig hierher zurücksenden wird.

Das wird auf der andern Seite für unsre Einwohner, die Viehzüchter, sehr von Vorteil sein; denn ihre Zeit und Arbeitskraft wird vollauf von der Bestellung ihres Bodens, vom Füttern ihres Hornviehs, vom Scheren ihrer Schafe und von der Versendung ihrer schlachtfertigen Ochsen in Anspruch genommen werden; zu solchen Beschäftigungen sind sie von der Natur vorbestimmt, da sie von den Skythen abstammen, deren Lebensweise sie noch immer so sehr li[*]eben. Virgil beschreibt sie:

Et lac concretum cum sanguine bibit equino; das heisst auf Englisch: Buttermilch, vermischt mit Pferdeblut, wie sie es sich früher gleichfalls bereiteten; bis sich unter der Form der Verfeinerung zu Anfang des letzten Jahrhunderts die Üppigkeit einzuschleichen begann; denn hinfort nahmen sie statt des Pferdebluts das ihres Hornviehs, und also wurden sie weniger kriegerisch als ihre Vorfahren.

Wiewohl ich vorschlug, dass die Soldaten auch Steuereinnehmer sein sollten, so meinte ich damit doch nicht, dass etwa diese Steuern in Gold oder Silber gezahlt werden müssten; sie sind in Waren zu zahlen, wie alle andern Pachtsummen. Denn dass Pächter ihre Zahlungen in barem Geld leisten, ist etwas sehr neues in der Welt, was in früheren Zeiten sehr wenig bekannt war, ja, selbst heutzutage ausser in dieser Insel und den südlichen Teilen von Britannien noch in keinem Lande allgemeiner Brauch ist. Aber zu meiner grossen Genugtuung sehe ich wieder bessere Zeiten kommen; die alte Art bricht sich jetzt in vielen Gegenden von Connaught wie auch in der Grafschaft Cork wieder Bahn; dort werden die Gutsherrn ihre eignen Pächter, und sie verteilen soundso viel Vieh unter ihre Hörigen, die soundso viel Butter, Pelle oder Talg zu liefern und ihre Stückzahl doch zu erhalten haben; dann bringen sie die Waren nach Cork oder andern Seestädten und verkaufen sie dort an die Händler. Seit dieser Erfindung ist kein ruinierter Pächter mehr zu sehn; aber das Volk lebt von Kartoffeln und Buttermilch, und beide Waren sind im Auslande nicht verkäuflich.


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