Auguste Supper
Herbstlaub
Auguste Supper

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            Gefundene Fährte

In einer unsäglich dunklen Stunde
Hatte ich meiner Seele nicht Acht,
Da hat sie sich auf und davon gemacht
Mit deiner Seele im Bunde.
Nun muß ich suchen auf allen Gassen,
Aber sie will sich nicht finden lassen.
Frierend irr ich vor allen Toren, –
Sie ist verloren.

Bin am Wegrand hingesunken,
Um mich lagerte die Nacht.
Tausend goldne Himmelsfunken
Sind hoch oben aufgewacht.
Meine Augen mußt ich heben
Wie aus einem schweren Traum,
Und ich sah zwei Seelen schweben
Durch den unermeßnen Raum.
Selig zogen sie umschlungen
Jenen goldnen Fernen zu. –
All mein Weinen ist verklungen,
All mein Suchen kam zur Ruh. 58


            Der stolze Platz

Wie bist du stolz, so stolz, mein Schatz!
Es zieht die Welt vorüber
An deinem grünen, stillen Platz
Und du schaust nicht hinüber.

Jüngst kam der Kaiser selbst vorbei
Mit Schranzen und Trabanten,
Du bist trotz Pauken und Geschrei
Nicht einmal aufgestanden.

O, wie ich um den stolzen Platz
Im Tiefsten dich beneide!
Bald komm ich und dann rückst du, Schatz,
Ein wenig auf die Seite.

Dann mag mit ihrer Lust und Pein
Die Welt vorüberbrausen.
Wir bleiben ruhevoll zu Zwein
Im Grünen neben draußen. 59


                        Der Tod

Mir ist der Tod begegnet. Still und schwer
Schritt er mir stundenlang zur Seite her.
Ich sah ihn an in unerhörtem Bangen,
Da blieb mein Blick voll Staunen an ihm hangen.
Er ist nicht das, was man von ihm sich denkt,
Kein Werwolf, der uns jedes Glück benagt,
Kein Ungeheuer, das uns keuchend jagt.
Zwar hielt sein Angesicht er tief gesenkt,
Und eine Larve deckte seine Züge:
Doch sah ich einen Glanz, ein Leuchten quillen
Durch all die dunklen, rätselhaften Hüllen.

Ich schöpfte Atem, und ich bat mit Beben:
Herr, möchtest du nicht deine Larve heben?
Er zog die Hüllen dichter und blieb stumm
Und wandte bald sich ohne Antwort um.
Müd' schritt er fort. Mir schien's, als frag er bange:
Wie lang noch muß ich wandern, Herr, wie lange? – 60


                    Mönchsgruß

Nun schwärmt ihr Träume wie die Vögel aus,
Tragt in den Fängen Beute mir nach Haus.
Mein heißer Blick folgt eurem stillen Zug.
Nehmt in der alten Richtung ihr den Flug?
Ja, was ihr bringt, es stammt auch dieses Mal
Aus einem grünen, weltvergessnen Tal.

Es steigt der Mond. Noch füllt sein bleiches Licht
Die dunkle Schlucht bis tief zum Grunde nicht.
Die Nebel brauen an des Flusses Bord
Und wallen lautlos durch die Wiesen fort.
Aus grauer Dämmrung wundervollem Flor
Ragt dort ein Giebel, ragt ein Turm empor.

Da rauscht die Welle lauter auf im Fluß.
Den alten Mauern gilt ihr Wandergruß.
Sie schäumt ans Ufer, schaut zum Turme her,
Als würde ihr das Weiterziehen schwer.
Vorbei, vorbei! Hier gibt es keine Ruh:
Du mußt, wie ich, rastlos dem Meere zu. 61

Die toten Mönche treten jetzt hervor
In langer Reihe vor des Klosters Tor.
Was schaut ihr alle schweigend ins Brevier?
Habt ihr kein gutes Wort des Grußes mir?
Da aus den Reihen raunt es leis heraus:
»Bald scheint der Mond auch auf dein letztes Haus.« 62


                Abendgebet

Er war im Grunde kein übler Mann.
Aber höret, wie's gehen kann:
Einmal fand er – er ging gebückt –
Eine Münze, ein seltenes Stück,
War wohl tausend Dukaten wert.
Nun denkt ein jeder, der Finder habe
Mit dieser unverhofften Gabe
Dankbar sich etwas Gutes getan. – –
Gott bewahre – der dumme Mann
Suchte von da an mit Müh und Beschwerde
Immer nach Münzen auf der Erde.
Niemals strafft' er forthin den Rücken,
Ward ein Krüppel von lauter bücken.
Und ein paarmal in blinder Gier
Kam er vom Weg und erstickte schier
In dem Sumpf, in den er geraten
Bei seinem Suchen nach Dukaten.
Schwer ward sein Schuh von klebriger Last,
Denn er durchstapfte jeden Morast,
Bis er, als endlich der Tod ihm winkte,
Einsam, voll Mühsal zu Grabe hinkte. 63

Seit ich dies Schicksal mit angesehn,
Bet' ich ein Sprüchlein beim Schlafengehn:
»Schicke mir, Gott, doch ja mein Glück
Nicht als ein lumpig Dukatenstück!
Nicht auf die Gasse hingestreut
Lasse mich finden, was mich freut.
Lieber die Haut von den Knochen schinden
Laß mich, als Reichtum im Drecke finden.
Laß mich nach Wolken und Sternen greifen
Und auf alles Gemünzte pfeifen.
Laß mich in leichten und reinen Schuh'n
Feste Schritte auf Erden tun.
Laß mich, was schmutzig und krumm, verachten
Und nach den saubersten Pfaden trachten. –
Bin ich so aufrecht des Wegs gegangen,
Laß mich auch aufrecht zu Grab gelangen.
Gib dann noch, daß des Hügels Schollen
Nicht so ganz trocken hinunter rollen,
Und daß die liebe, deckende Erde
Nicht just von Nesseln zerfressen werde.
Laß, wenn es sein kann, in blühenden Rosen
Auf meinem Hügel die Winde kosen.«
    Dies ist mein Sprüchlein, das für die Nacht
    Ich mir im stillen zurecht gemacht. 64


                    Am Futterplatz

Am Futterplatz balgt sich der gierige Schwarm,
Sie drängen und zerren und flattern.
Sie streiten und schreien die Köpfe sich warm,
Bis sie sich ein Bröckchen ergattern.

Und ist dann die Tafel, die reichliche, leer,
Dann drehn sie die Hälse und warten.
Sie schauen zum Fenster und betteln um mehr
Und schimpfen und lärmen im Garten.

Nur einer sitzt schweigend zur Seite am Hag,
Schaut nicht nach gespendeten Bissen.
Vom Betteln und Streiten und Köpfedrehn mag
Der stille Geselle nichts wissen.

Sei du mein Herzbruder, du schweigender Wicht!
Auch ich mag nicht betteln und lungern.
Wo alle sich mästen, da schmeckt es mir nicht.
Viel lieber dann einsam verhungern. 65


                    Perlenfischer

»Wohin, ihr Männer, zu so früher Stund?«
»»Wir suchen Perlen auf des Meeres Grund.««
»Was schreitet ihr so schwer, so finster aus?«
»»Nicht jeder kommt von solchem Gang nach Haus.««
»Und ist der Perlen Glanz, den ihr begehrt,
Den hohen Einsatz eures Lebens wert?«
»»Uns lockt kein Glanz, ach nein, wir brauchen Brot,
Sonst leiden Weib und Kinder bittre Not.««
»Ich weiß, ich weiß. Wo Perlenglanz sich bricht,
Dort wohnen die, die Perlen suchen, nicht.«
Wir schau'n uns an. Wir lachen hart und schwer.
Einförmig in der Ferne dröhnt das Meer. 66


    Zu einem siebzigsten Geburtstag

Was siebzig Jahre wohl für Den bedeuten,
Von dem wir wissen, daß er immerdar
Ins Zeitenlose zeitenlos wird schreiten,
Der ist und sein wird, weil er ewig war? –

Drum weg mit Zahlen, die wie Wolkenschatten
Verdunkelnd über unsern Köpfen stehn!
Wir sind von seinem Stamme, und wir hatten
Von je ein Recht, in ew'gem Licht zu gehn. 67



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