Auguste Supper
Herbstlaub
Auguste Supper

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                          Gebet

Die Rose steht im Licht. Die kalte Nacht
Hat ihr ein schimmernd Tröpflein Tau gebracht.
Herr, laß aus meiner Nacht, der langen, stillen,
Auch mir ein Tröpflein Kraft herniederquillen,
Daß ich den Morgen und den heißen Tag
Noch einmal tragen, einmal nützen mag! 48


                  Wandlung

Zur Jugendzeit ist's so gewesen:
Ich konnte jeglich Zeichen lesen,
Nichts war mir unklar, nichts zu schwer.
Nun aber, seit ich älter werde,
Tritt still mit fragender Gebärde
Rätsel um Rätsel an mich her. 49


                    Ausblick

Führt ehrlich Müh'n nicht heut ans Ziel, –
Noch ist kein Grund zum Jammer.
Vielleicht wuchs heut der Hammerstiel
Und morgen saust der Hammer.


                Der Übelstand

Immer bohren und immer grübeln!
Stets im Kampfe mit Sünde und Uebeln.
– Alles recht – jedoch die Tage schwinden,
Herz, wann willst du Zeit zur Freude finden? 50


                  Der Sämann
          Zu der Bronze von Karl Gabriel.

Stät schreitest du in deinen schweren Schuhen
Die Furch' entlang, dein stilles Werk zu tun.
Aus deinen harten Händen strömt und sprüht
Die goldne Flut, aus der uns Brot erblüht.
Ist Arbeit, was du tust? sag: ist's nicht mehr?
Gehst du nicht betend, segnend nicht einher?
Trägst du des Hohepriesters Schild versteckt,
Dort, wo der Kittel kaum die Brust dir deckt?
Füllt nicht der Ewige dir selbst die Hand,
Damit du Leben spendest allem Land? – –
Schreit' aus denn, heilger Mann, im Dienst des Herrn,
Bis dir zu Häupten blinkt der Abendstern. 51


                  In ein Stammbuch

Ein weißes Blatt, ein junges Menschenkind,
Sie harren beide Künftigem entgegen.
Auf beide werden sich die Zeichen legen,
Die in der Welt ringsum gebräuchlich sind.

Beschrieben werden ist kein schlimmes Los.
Wer möchte nicht des Lebens Runen tragen?
Die tiefen Spuren von vollbrachten Tagen,
In denen Gott und Welt sich uns erschloß.

Nur sei die Schrift verschwommen nicht und matt!
Mög' jeder Zug in Kraft und Klarheit leuchten,
So daß voll Dank sich dir die Augen feuchten,
Schaust du im weißen Haar aufs volle Blatt. 52


                          Erst dann

Wer ebne Pfade geht, wird nur bei Nacht
Das Heer der ewgen Sterne leuchten sehen.
Wer aber einstieg in des Leidens Schacht,
Sieht auch um Mittag sie am Himmel stehen. 53


                              Rat

Wenn dich's zu hassen treibt oder zu lieben,
Dann nur nicht halb und nicht lau geblieben!
Ballt sich die Faust – tu sie nicht auf!
Glüht dir das Herz – schütt' kein Wasser drauf!
Halbheit, sie rächt sich, und du wirst müssen
Kraftlos hauen und freudlos küssen. 54


      Auf falschem Weg

Ich habe still gehalten
Dem Leid, Herr, Tag und Nacht.
Ich tat zu deinem Walten
Stumm meine Hände falten, –
Hab ich's nicht recht gemacht?

Wer gab den Rat, den tollen?
O Kind, er riet dir schlecht.
Es harren rings die Schollen,
Die Pflug und Samen wollen.
Du warst ein fauler Knecht. 55


                  Zweifel

Daß der Vogel seine Weisen
Heller schmettre durch das Haus,
Sticht man ihm mit blankem Eisen
Seine klaren Augen aus.

Und nun macht mir's bösen Zweifel,
Nimmer wird es licht in mir:
Lernte man den Brauch vom Teufel?
Oder stammt er, Gott, von dir? – 56


                  Geschlichteter Streit

Weißt du es noch, wie wir uns lachend zankten!
Du wolltest aufwärts nach dem Berge gehen:
Ich aber wollt' im Tal den Friedhof sehen,
Um dessen Mauern sich die Reben rankten.

Wie meine Lippen kaum den Gruß dir dankten,
Als du zuletzt beim Voneinandergehen
Mir lachend wolltest in die Augen sehen,
Ob die nicht doch nach Frieden noch verlangten.

Und nun – der stille Garten liegt dort unten
In tiefer Ruhe. Grauer Nebel Reigen
Wogt ohne Laut in sonnenlosen Stunden

Und nur ein Schluchzen bricht das tiefe Schweigen.
Du hast im Tal die süße Ruh gefunden.
Ich aber muß den steilen Berg ersteigen. 57



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