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IV.

24. April.

In meinem Kummer habe ich eine tiefe große Freude; ich lese Nietzsche, von dem mir zwar schon eine Ahnung aufging, ehe ich nach München kam, die mir nun zur glückseligen Gewißheit wurde: daß er mir Erzieher und Führer werden könne. Nun benutze ich diese Monate, ehe ich in regelmäßiger Tätigkeit gebunden bin – der Reihe nach an Werk für Werk von ihm mit Ehrfurcht heranzugehen.

Ich kann gar nicht beschreiben, welch eine Befreiung und Bestätigung meiner Natur, meines dunklen Werdedranges jedes Wort für mich ist! Das war ja auch immer mein Konflikt mit dem Geliebten: »Nur soweit die Historie dem Leben dient, wollen wir ihr dienen.« »Nur der, der die Zukunft baut, hat das Recht, die Vergangenheit zu richten.« Während sein historischer Sinn Robert so passiv und teilnahmslos für die Gegenwart, so skeptisch für die Zukunft macht. Wenn ich das alles doch einmal mit ihm, dem Geliebten lesen könnte! Ob er dann nicht auch manches bei mir, in meinem geistigen Wesen, besser verstehen und gelten lassen würde??

Inzwischen wartete ich in meiner Einsamkeit ungeduldig auf ihn.

Gestern kam er – mit sehr ernstem, lieben Gesicht: »Du schlechtes Mädel, mir wieder solche Schmerzen zu machen!« Er sah mich mit Tränen in den Augen mit so schmerzlichem Vorwurf an, daß ich schon reuevoll fragte: »Das tue ich wohl öfter?«

»Ja, gewiß tust du das! Nun komm einmal her!«

Ich schlang meine Arme um ihn – bereit, alle Schuld auf mich zu nehmen – und fragte: »War ich denn wirklich so böse? Ich war doch nur so schrecklich traurig!«

Auf einmal spürte ich, wie bei unserer innigen Umarmung – in die ich mich gerade in der Hoffnung geflüchtet hatte, ihm nun endlich sagen zu können, was meinen Kummer und unseren Konflikt verursacht hatte – das sinnliche Verlangen in ihm erwachte, wie er mich mit sanfter Gewalt auf den Diwan niederzuzwingen versuchte.

»Du weißt doch noch gar nicht, worüber ich so traurig war«, wehrte ich erschrocken ab.

»Das ist auch ganz allerlei.«

»Das ist es nicht.«

Aber unter seinen Küssen, seinen Liebkosungen schwand dann allmählich mein Widerstand gegen sein Verlangen.

Mit einem schmerzlichen Stachel im Herzen blieb ich zurück; er mußte sehr bald wieder fort: um seine neuen Freunde in der Pinakothek zu treffen.

»Ich will ihn wieder haben, in meinen Armen halten, mit ihm über alles sprechen können, was mich quält! Ich will ihm nicht nur gehören – wir wollen auch über alles reden, alles klären können, was zwischen uns steht.«

*

Diese kargen Minuten des Zusammenseins im Vergleich zu der tagelangen Trennung sind eine entsetzliche Qual für mich. Ob er das gar nicht begreift? Das müßte er doch verstehen.

*

Als wir uns heute bei Reichmanns trafen, schien er aber – zu meiner schmerzlichen Verwunderung – gar keine Ahnung mehr von einem Zerwürfnis zu haben. Man gratulierte mir dort, daß ich nicht nach Paris ginge. Mein Partner vom letztenmal, ein zarter, verträumter Wiener jüdischer Dichter, Dr. Manes, mit dem ich viel über Jens Peter Jakobsen, den wir beide lieben, sprach, hoffte mich wieder nach Hause begleiten zu können. Auch mit einem holländischen Verleger und seiner Tochter, die viel Interesse an Multatuli haben, kam ich wieder in sehr angeregte Unterhaltung. Nur mit Mühe und List gelang es Robert und mir, den andern beim Abschied auszuweichen. –

Er erzählte gleich wieder so lebhaft und angeregt von seinen letzten Erlebnissen, von einer Verehrerin, der er notgedrungen die Cour mache, als ob gar nichts zwischen uns gewesen, daß ich bald wieder Herzweh hatte.

»Du bist herrlich.« sagte ich bitter, »du redest von allem möglichen. – nur nicht von dem, um das es sich doch in erster Linie handelt.«

»Dann sage es mir.«

»Fällt mir gar nicht ein«, sagte ich schroff.

»Sieh doch einmal die wunderschöne Wolkenwand am Himmel.« –

Ich ging trotzig weiter.

»Du bist ja ganz ungezogen heute – warte nur, wenn ich dich zu Hause hätte, würde ich deinen Trotz schon brechen.«

»Das glaube ich.«

»Sag mal. was würdest du tun, wenn ich dich schlüge?«

»Mich schlagen lassen.«

»So – wirklich?«

»Ja, meinst du, ich würde dich wieder schlagen?!«

»Und wenn es nun Liebe wäre – oder aus Liebe entsprungener Haß – würdest du mich dann noch lieb haben?«

»Es käme darauf an.«

»Ach, du bist ein dummes Mädel – hat das alles nun gar nichts zu deinem Wesen hinzugesetzt?«

»Nein!« Es kam so hart aus gequältem Herzen.

»Komm, setz dich hier einen Augenblick mit mir«, bat er ratlos. »War es denn nicht unsäglich lieb gestern, als ich bei dir war?«

»Nein«, beharrte ich trotzig.

»Ach, und mir war es so unendlich beglückend, wie du da unter mir lagst und atmetest – ich hatte so heißes Verlangen nach dir. Ich war ja gekommen, um mit dir zu reden – und da standest du da und sahst mich mit deinen schönen grauen Augen so voll Trauer und Liebe an – da verlor ich alle Besinnung.«

Wir gingen dann weiter – ich erzählte ihm, daß Fräulein Kessel, eine Kollegin, die auch seine Vorlesungen hört, mich nach seinen Vorlesungen nächstens begleiten wolle.

»Und mit der gehst du lieber als mit mir?«

»Hätte ich ihr sagen können, daß ich mit dir gehe?!«

»Nun, vielleicht kannst du manches von ihr lernen«, neckte er, »sie ist sehr tüchtig und fleißig – und du bist so hochmütig und faul!«

Mein Herz krampfte sich zusammen.

Ich wollte schneller gehen; er faßte mein Handgelenk und hielt mich fest.

»Laß mich, du tust mir weh!«

»Ich will dir weh tun! Heute bist du zu dumm zum Lieben!«

Nun kamen mir die Tränen: »Laß mich, ich kann nicht mehr!«

»Ist das nun nur eine nervöse Überreiztheit oder eine Differenz, die in unseren Naturen liegt?« fragte er erschrocken.

»Das letzte!« sagte ich. »Ich habe so viel daran denken müssen, daß du eine idyllische Natur bist.«

»Und du eine tragische? Aber dazu gehört doch ein großer Schmerz.«

»Nun, der wäre ja bald gefunden. Wir haben uns eben beide geirrt!«

»Du, wenn du das noch einmal sagst! Aber habe ich dich denn mit meiner Natur getäuscht?«

»Nein,« beruhigte ich ihn. »ich wußte es ja alles. Meine Verzweiflung richtet sich ja nur gegen meine eigene Dummheit. Mein Verstand spricht dich ja völlig frei – nur daß es mich so schmerzt – weiter nichts.

Siehst du, ich habe immer das Herz so voll von dir und von dem, was ich dir sagen möchte. Und dann sage ich es dir doch nicht, weil ich fühle, daß du ganz wo anders bist mit deinen Gedanken. Und dann quält es mich so grenzenlos. So wie neulich, wo ich dir ja nur sagen wollte: ich möchte so viel Geld haben, daß ich alle deine Vorlesungen bei dir allein belegen könnte, so daß für andere Menschen gar keine Zeit mehr bliebe!«

Er lachte befreit: »Aber das macht mich ja glücklich, wenn du mir so etwas sagst! Und daß du meine Neckereien so schwer nehmen kannst!

Ich fühle mich dann immer so aus dem Hause herausgeworfen, so als ob ich den Mietskontrakt nicht richtig abgeschlossen hätte – ich werde dich zur Strafe wohl doch noch heiraten müssen«, sagte er. »Drückt das alles nun deine Neigung zu mir nicht herunter?«

Ich sah ihn groß an: »Wie sollte es? Nur daß ich sie als Schmerz empfinde! Nicht mehr nur als Glück. Aber Schmerz und Glück gehören ja wohl zusammen!«

*

Ich stieg langsam und traurig die Treppen zu meiner Wohnung hinauf. Zum erstenmal scheint es mir als eine Unmöglichkeit, daß unsere Naturen sich je einen sollten. Zum erstenmal wünschte ich, er wäre nicht in mein Leben getreten. Sehr traurig, verzweifelt, mich nach ihm gesehnt – dann an ihn geschrieben – langsam – bis spät in die Nacht.

26. April.

»Siehst du, Geliebter, das ist mir deutlich geworden: die Aufopferungstheorie ist nichts für mich – das ist eine Untreue gegen mich, eine Selbstzerstörung, die ich nicht auf mich nehmen kann.

Ich sagte dir neulich: »Ich bin ja auch schon glücklich, wenn du es nur bist« – aber das ist ja doch nicht wahr – nur wenn du es durch mich, in mir bist. In mir führen die Liebe und das Persönlichkeitsbewußtsein einen harten Kampf – ich weiß, es sind mächtige ebenbürtige Gegner, von denen nicht leicht einer den anderen überwinden wird. Als Weib will man sich selig unterordnen – als Persönlichkeit sagt man: »Ich will mein bleiben!« Wie löst man das Problem, ein freier Mensch und ein liebendes Weib zu sein?

Du bist ein Mensch aus der anderen Welt – aus der alten Welt – dein Lieben, dein Hassen, deine Kunst, deine Religion, deine Sittlichkeit ist eine andere – und wenn du nicht zu mir kommst – ich kann nicht zu dir kommen. Meine Welt muß auch die deine sein – und da ich in die deine weder kann noch will, so mußt du schon zu mir kommen, wenn es dir möglich ist. Ich weiß nicht, ob es Wahnsinn ist, wenn ich das verlange; aber ich würde mich selbst zerstören, wenn ich das verhehlen und verleugnen wollte.

Aber während dich so die eine Hand zurückstößt, streckt sich die andere sehnsüchtig nach dir aus: ich habe dich lieb, – ich will dein sein – und du sollst wachsen und ich will abnehmen. –

Wenn ich weiß, wir sind ganz eins, dann kann ich so tapfer sein und all das Schwere, das uns die Lage auferlegt, mit stolzem Lächeln tragen. Aber so – mit diesem Zwiespalt – nicht wahr, das fühlst du auch, so geht es nicht weiter?! –«

27. April.

Vor der Vorlesung hatte ich ihm den Brief geben können und ging nachher notgedrungen mit Fräulein Kessel fort. Er hatte nur gerade Zeit, mir zu sagen, daß er nachher käme. Professor Lauber stand einige Schritte davon – wir maßen uns mit feindlichem Blick.

*

Als er dann endlich bei mir war, mich an sich zog und mein heißes Gesicht streichelte, wurde das Herz mir warm bei dem unerhörten Glück, ihn endlich wieder einmal für mich, bei mir zu haben.

»Aber ich fühle mich dir ja gar nicht so fremd – nur suche ich mehr die Beziehungen zur Vergangenheit als du.

In der Theorie kann man ja alles gelten lassen – aber in der Wirklichkeit gibt es keine Sprünge. Und dann mußt du ein bißchen Geduld haben – siehst du, mir liegt doch immer auch Agathe auf der Seele – und oft fühle ich es wie Haß gegen sie, daß sie mich an einem vollen Lebensglück hemmt. Und ich kann sie doch nicht verlassen.«

»Nein, nein, du darfst sie nicht verlassen – das würde sie töten.«

»Und jede Nacht träume ich von dir, möchte zu dir, bei dir sein. Und daß ich viel mehr als du die sinnliche Sehnsucht habe« – er zog mich in seine Arme, küßte mich und bat: »Komm mit mir herüber!«

»Ach nein, hast du schon wieder solche Gedanken?«

»Du nicht auch?«

Er zog mich sanft auf den Diwan nieder – zärtlich – bittend. Ich versuchte mich wieder aufzurichten: »Ich will nicht!«

»Und ich kann nicht anders!«

*

Wir saßen in liebem Gespräch beieinander. Das Herz brannte mir ja noch in Schmerz; aber es war doch, als ob eine sanfte, kühlende Hand lindernd über die Wunden striche: ich genoß seine Gegenwart, durfte ihn in meinen Armen halten.

»Liebster, ich ertrage es nicht mehr; ich bin immer so allein!« klagte ich. »Ich will dich wirklich haben, du sollst mir ganz gehören mit deinem ganzen Leben – nicht immer nur eine kurze Stunde!«

»Aber ich habe dich doch auch nicht mehr und öfter!« sagte er erstaunt.

Ja, da liegt eben unser Unterschied: ihm scheint das ganz natürlich und unabänderlich so zu sein – und mich zerstört es fast!

Ich blieb ganz dumm und stumm und glücklich-müde zurück. –

28. April.

Nun habe ich wieder ein großes, tiefes Glück genossen – ich kann es gar nicht beschreiben, wie es mich innerlich erfüllt, mich stärkt und berauscht. Es ist eine so brausende Seligkeit, die mich über alles hinwegträgt, so daß mir selbst mein Liebeskummer klein und unbedeutend daneben vorkommen will. Ich lese Nietzsches »Zarathustra« zum ersten Male. Und wenn man auch ein so gewaltiges Werk noch nicht restlos erfaßt bei einem ersten Studium – das weiß ich –, so fühle ich doch unerhört stark, unmittelbar: das ist eine der größten Offenbarungen der Menschheit! Ich habe gar kein anderes Wort für diesen Seelenrausch.

Und plötzlich ging mir auf, das schien mir ganz gewiß: wenn der Geliebte diesen Geist, diese Wesensart mit der gleichen Inbrunst, mit gleichem Entzücken in sich aufnehmen würde wie ich – würden auch unsere persönlichen Differenzen gelöst sein. Einstweilen macht mich diese Seligkeit, dieser höchste geistige Rausch nur noch einsamer – solange ich es nicht mit ihm teilen kann!

Aber nun besitze ich jedenfalls etwas, woran ich mich in meiner Verzweiflung halten kann: in Nietzsches Welt lebe ich in himmlisch reiner Luft, in wunschlosem Glück. Ja, es scheint mir fast – in schmerzhafter Klarheit: ich könnte noch eher ihn, den Geliebten, diese schmerzensreiche Lust meines Lebens, entbehren als – Nietzsche – die Atmosphäre der Erhebung und Befreiung, die er bringt.

30. April.

Als Robert gestern kam, hatte er mir Süßigkeiten mitgebracht. Ich schüttelte den Kopf: »Das darfst du nicht!« Ich könnte es nicht in Worte fassen, warum mich das eher verletzt als freut.

Er fragte: »Erinnert es dich an Nora?« Es war so drollig, wie er das sagte. Ich mußte lachen und streichelte verzeihend seine Hand.

Er erzählte auch: der Ruf nach Jena, den sein geologischer Freund – ich traf ihn neulich bei ihm – in Aussicht stellen konnte, würde wohl dazu beitragen, seine Ernennung als ordentlicher Professor hier zu beschleunigen. »Übrigens war er entzückt von dir – du wärst ein prächtiger Mensch – ganz im Gegensatz zu Lauber, der sich immer über deinen Radikalismus und dein Selbstbewußtsein ärgert und dein eigentliches liebes Wesen und deinen entzückenden Humor gar nicht versteht. –«

»Siehst du,« fuhr er fort, »es hat mich so viel sicherer gemacht, daß ein Mensch, der mir bis in die Knochen hinein lieb ist, Vertrauen zu mir hat, sich mir gegeben hat. Ich werde all das Schwankende abstreifen, ganz ein Mann werden. Das ist doch ein Glück, daß wir uns haben! Und willst du nicht auch etwas von mir nehmen?«

Während er so neben mir saß und sprach, drückte ich leise meinen Mund in sein Haar.

»Du lieber Herzensmensch du,« sagte er, mit dem Feingefühl für den Seelenzustand eines andern Menschen, wie er es haben kann: »du bist ja in schrecklich lieber Stimmung, so wehmütig, so hold!«

Er küßte mich und dann kam bei ihm gleich wieder die Sehnsucht nach vollem, restlosem Ineinanderströmen – seine Hände zogen mich sanft von meinem Sitz empor: »Komm mit herüber!« – – – – – – – – – – – – – – –

*

Er saß dann neben mir auf dem Diwan, auf dem ich müde und selig lag.

»Weißt du, deine Gegenwart wirkt so verdummend auf mich!« beklagte ich mich heiter.

»Und du siehst so unbeschreiblich lieb aus, wenn du so glücklich bist!«

»Und du bist schrecklich komisch: du küßt mich nur, wenn du mich haben willst!«

»Ja, ich werde gleich wild, wenn ich dich küsse. Wenn ich nur den Duft deines Körpers spüre, steigt gleich das heißeste Verlangen in mir auf. Sehnst du dich denn nicht auch?«

»Ja, aber ich möchte mit dir auch über alles reden dürfen – es soll doch alles zu seinem Recht kommen«, bat ich.

»Aber du willst mir doch nicht das entziehen, woraus ich mir Kraft hole für meine Arbeit?« sagte er bittend, besorgt. »Und glaubst du nicht, daß wir dahin kommen werden, einer die Persönlichkeit des andern ganz zu verstehen und gelten zu lassen? Es ist noch nicht erreicht – ich weiß es – aber liegt es nicht daran, daß du dich nicht aussprichst?«

»Ja – aber ich kann es nicht, wenn ich nicht fühle, daß du von mir hören willst. Siehst du, zum Beispiel vorhin, als ich dir etwas von Nietzsche zeigen wollte und du abwehrtest: ich möchte doch auch meine höchsten geistigen Freuden mir dir teilen können – nicht nur meine sinnlichen – und dafür bleibt uns keine Zeit.

Dabei ist Nietzsche in so vielen Dingen wie eine Rechtfertigung meiner Natur, meiner Anschauung. Entsinnst du dich, wie du oft entsetzt warest, daß ich nicht deine und Professor Laubers restlose Begeisterung für Bismarck teilen kann? Du warst ganz böse neulich, als ich in dem Gespräch mit Lauber sagte, er sei nicht vornehm genug in seinem Wesen, das vor allem auf den Erfolg ausgehe – um meinem Ideal von ›Größe‹ zu entsprechen. Nun finde ich bei Nietzsche zum Beispiel etwas ganz Ähnliches, wie mein eigener Instinkt mir schon gesagt hat: Bismarck sei stark – aber nicht groß!

Siehst du, das ist es überhaupt, was ich oft mit Schmerzen fühle: daß unsere Weltanschauung eine sehr verschiedene ist.«

»Aber nun laß mich doch erst einmal – du mußt doch fühlen, wie ich ein ganz anderer Mensch durch dich werde. Und nun nimm mich lieber in deine Arme!« bat er.

Das tat ich natürlich: aber ist das eine Antwort?! Ist das eine Lösung?

13. Mai.

Unser Konflikt, der aus der Situation kommt und unter dem ich weit mehr leide als er, wiederholt sich immer wieder: wenn ich ihn ein paar Tage nicht sehe, leide ich entsetzlich unter der Einsamkeit, der Unmöglichkeit, zu ihm zu gehen, bei ihm zu sein. Wenn wir uns nach der Vorlesung oder bei seiner Schwester unter anderen Menschen sehen, leide ich unter der Fremdheit, die wir dort gegeneinander beobachten müssen. Und wenn ich davon ganz traurig und verzweifelt bin und er dann endlich hierher kommt und ich ihm all das, woran ich gelitten, sagen möchte, dann merke ich: er hat gar nicht ebenso gelitten – das verschließt mir dann den Mund. Und dann – so wie er hier neben mir sitzt – kommt über ihn sogleich die körperliche Sehnsucht nach mir, die ich nach ihm natürlich auch habe – deren Erfüllung mich aber nur dann wirklich beglückt, wenn ich zugleich das Bewußtsein unserer seelischen Zusammengehörigkeit habe – so wie es in der unvergeßlichen Osternacht der Fall war. Ich muß, um glücklich zu sein, fühlen: er liebt, er begehrt mich ganz und gar, körperlich und geistig als das Weib und den Menschen, der ich bin.

So, wenn er ohne Rücksicht auf das, was ich fern von ihm seelisch durchlebt habe, mich sogleich in seine Arme zieht, fürchte ich immer, es ist nur das Weib, nur mein Besitz, den er begehrt. Das ist für mich nur ein Teil des Glücks, gibt nicht die volle sinnlich-seelische Harmonie, den Rausch der Seligkeit, die ich brauche – und in glücklichen Stunden mit ihm erlebt habe.

So wenig versteht er im Grunde, was ich meine, was mich drückt, daß er immer wieder, wenn er – statt aller Antwort, statt eines wirklichen Eingehens auf meine Klagen – mich besitzergreifend in seine Arme zieht, dann nachher tröstend und zuversichtlich sagt: »Siehst du, wenn du nun nicht fühlst, wie elementar es mich zu dir hinzieht! Warum warst du denn überhaupt so traurig?«

Dann muß ich in all meinem Kummer über diese Naivität fast lachen.

17. Mai.

Das hat unsagbar wohlgetan: nach der Quälerei der letzten Wochen durfte ich ihn nun wieder einmal einen Abend lang ganz für mich haben – konnten wir einen Nachklang, einen Abglanz unserer Osterzeit genießen! Nicht nur so eine schmerzhaft gehetzte Stunde zwischen zwei Vorlesungen, die mich oft mehr aufwühlt als beruhigt. Unter köstlich blühenden dunkelroten Rosen – die er in verschwenderischer Fülle über uns streute, die uns mit ihrem Duft umschmeichelten – ruhten wir einander – Mann und Weib – am Herzen, wie die ersten Menschen, genossen einander in der Glut der Sinne wie der Zärtlichkeit der Seele. So, so meine ich es, wenn von Liebe überhaupt die Rede sein soll. Zwischen heißen Umarmungen, die sich aus zarten Küssen zur unlösbarsten Verschlingung der Körper, zum Kontakt in allen Nerven steigern, jene Ruhepausen voll innerster Wärme – in denen wir, zärtlich übereinander geneigt, liebevoll miteinander sprechen.

Dieses Gefühl tiefster, innerer Zusammengehörigkeit – wenn zwei Menschen einander in ganzer Liebe besessen haben – dieses Nachklingen vollsten Ineinanderströmens gehört zum Beglückendsten, vermittelt am sichersten das Bewußtsein, geliebt zu werden – für mich jedenfalls. – –

*

»Glaubst du nicht an die Fortdauer der Persönlichkeit?« fragte er einmal.

»Nein« – –

»Aber du kannst doch nicht sterben – du kannst doch nicht zugrunde gehen? Du bleibst doch für immer bei mir?! Du läßt mich doch nie mehr allein?« fleht er zärtlich. »Weißt du, Lauber ist gewiß so gereizt gegen dich und manchmal auch gegen mich, weil er spürt, daß wir etwas haben, was ihm versagt ist. Er kennt nur die ganz primitiv brutale Form, mit diesen Seiten der menschlichen Natur fertig zu werden. Er würde nie eine solche Stunde seelischen Rausches – sinnlicher Seligkeit genießen können!«

»Ich dachte immer, das müßte jeder Mensch können, wenn er nur liebt!«

»Nicht wahr, nun möchtest du doch auch unser sinnliches Glück nicht mehr entbehren?«

»Nein, sicher nicht – aber weißt du, ich finde, Hanna oder Lilli haben mich in gewissem Sinne viel lieber als du!«

»Ja, sie haben dich viel selbstloser lieb, das weiß ich – aber nun laß mich mich einmal erst von dir vollsaugen –«

»Nur muß ich dabei leben können. Ich habe die Wahl, wer von uns beiden zugrunde gehen soll.«

»Ich sehe ein, daß es töricht ist, von dir Gelassenheit zu fordern.«

»Ja, erst müßtest du Lammblut in meine Adern gießen – sonst nicht!« – – – – – – – – – – – – – –

*

»Wie glücklich bin ich bei dir!« sagt er immer wieder. – »Du weißt gar nicht, wieviel eine solche Stunde in deinem Arm bei mir ausgleicht. Wie so ein seliges Zusammensein auf mich wirkt! Nun habe ich doch noch eine ganze Liebe! Als ich mit meiner jungen Leidenschaft zu Agathe kam, hat sie alles, was mit Sinnlichkeit zusammenhängt, als Schmutz angesehen – es war für sie immer im wahrsten Sinne des Wortes eine ›eheliche Pflicht‹, die sie erfüllte.

Und das ist so gut von dir, und ich bin dir so dankbar dafür, daß du mein Verhältnis zu ihr richtig verstehst und mir helfen willst. Denn aus dieser verzweifelten Zwickmühle komme ich nicht heraus: lasse ich sie, so geht sie zugrunde, und sage ich ihr wie es steht, so geht sie auch zugrunde. Und daher kommt es, daß ich oft meine, ich könnte eher dir etwas zumuten, weil ich dich so lieb habe.« – – – – – – –

*

Auch von einer Leidenschaft aus Studententagen erzählte er noch – mir ist das immer so schmerzlich, zu hören, in welcher verzerrten Weise er die »Liebe« kennengelernt hat.

»Ja, du siehst nun, wieviel Schutt auf mir liegt – und daß das alles erst wachsen muß! Wie glücklich alle Lüsternheit von mir gewichen ist«, sagte er dankbar. »Ich weiß ja nun, daß du manche Witze nicht liebst – und daß ich sie deshalb in Zukunft auch nicht lieben werde. Ich kann jetzt so ruhig und unbefangen über diese Dinge reden – und damit vielleicht auch wirken. Heute in der Vorlesung habe ich zum Beispiel über das Geschlechtliche bei Rubens gesprochen, wie es nur darauf ankommt, alles ganz natürlich und rein zu nehmen – und alle haben so verständnisvoll zugehört.«

»Und nicht wahr, das fühlst du doch auch – Liebe ist nur zwischen zweien?« fragte ich.

Er preßte mich inniger an sich: »Wenn ich dich so habe, meine ich immer, wir wären nur ein Mensch!« – – –

Er stand vor mir, um sich zum Fortgehen fertig zu machen – ach, dies entsetzliche Fortgehen!

Menschen, die sich lieben, dürften nie voneinander fortgehen!

Der Mondschein fiel gerade durchs Fenster auf unsere leuchtenden Körper: er streichelte meine Brust, während mein Mund sehnsüchtig den seinen küßte, sich küssen ließ.

Noch einmal wieder flammte heißes Begehren in ihm, in mir auf, ich lag noch einmal in seinen Armen, und er stammelte unter seinen Küssen: »Ach, wenn wir doch verheiratet wären, Liebste! Dann hättest du in vier Wochen ein Kind!« – –

*

29. Mai.

Es sind die letzten Tage vor Hedwigs Abreise. Ich bin nun in den letzten Wochen fast jeden Tag da, um ihr behilflich zu sein, alles behaglich einzurichten, ehe sie geht. Und sie trägt mir so allerhand kleine Pflichten auf für die Zeit ihrer Abwesenheit, die ich nur zu gern erfülle. Für meinen Liebsten ist dies Zusammensein dort so ein wenig Ersatz für die uns fehlende gemeinsame Häuslichkeit – und wenn ich dann einen kleinen häuslichen Dienst für ihn verrichte, ist er hochbeglückt.

Neulich sollten wir nach Hedwigs Vorschlag seine Bibliothek zusammen einräumen. Aber er zog mich gleich so verlangend in seine Arme und küßte mich so wild, daß ich alle Kraft aufwenden mußte, um meine Besinnung zu behalten: »Liebster, so können wir nicht Bücher einräumen.«

»Du hast recht – geh lieber fort – ich bin viel zu sehnsüchtig – es ist zu gefährlich. Kann ich nicht heute abend zu dir kommen?«

»Dann will Fräulein de Jong zu mir kommen.«

Ich ging ein wenig beschämt fort: ist es nicht eine Schande, so zärtlich verliebt zu sein, daß man nicht einmal Bücherschränke miteinander einräumen kann?! Aber ich finde, daß diesmal nicht ich eigentlich der schuldige Teil an diesem Unvermögen bin.

Aber so behaglich es ist, so viel dort zu sein – so bekommen Robert und ich uns auf diese Weise kaum allein zu sehen.

Das wird mir immer schwer zu ertragen.

Ich selbst habe zwar heroisch ein paarmal, als er kommen wollte, verzichtet – um Hedwig die Freude machen zu können, ihr zu helfen.

Aber mein Lebensmut, meine Zuversicht leidet doch sichtlich darunter, wenn ich mich nicht immer wieder – durch ein Zusammensein bei mir – seiner Liebe von neuem versichern kann.

Hedwig und Robert erklären übrigens, ich sei das Kind des Hauses – ich neckte, ich hätte mir aber gewiß einen anderen Vater als ihn ausgesucht, wenn ich die Wahl gehabt hätte.

Hedwig nannte mich einmal »du« – ich wurde ganz rot darüber.

Aber je liebevoller Hedwig mit mir ist, um so schmerzlicher ist es für mich, daß ich ihr nicht alles sagen kann, daß sie nicht wissen darf, wie es mit uns steht.

Als er mich hernach nach Hause begleitete, fragte er: »Macht dich das Verhältnis zu Hedwig nicht glücklich?«

»Ja – aber das habe ich eigentlich nicht anders erwartet.«

»Übrigens – tut es dir nicht leid, wenn Hedwig jetzt geht?«

»Aber ich bleibe ja nicht allein«, sagte er einfach. – –

*

3. Juni.

Dienstag lag ich auf dem Diwan, als er kam. »Was hast du, Herzblatt?« fragte er besorgt. Ich streckte ihm die Hand entgegen: »O, nichts Gefährliches!«

Er streichelte mich sanft: »Nun, damit müssen wir uns schon abfinden. Mir solchen Schrecken einzujagen! Ich habe dich überall gesucht. – Aber nun schone dich recht!«

»Warum?« fragte ich.

»O!« sagte er mit heißem Blick. »Ich will es einmal auskosten, endlich unsere Liebe ganz genießen dürfen!« – Er beugte sich mit zärtlichen Küssen über mich. Das wildeste Verlangen kam wieder über ihn.

»Und mit der Hoffnung und dem Willen, zu dir zu kommen, daß wir einem Kinde das Leben geben, wäre das nicht wundervoll?« fragte er.

»Ja, gewiß wäre das wunderschön – dann brauchtest du auch nicht mehr mit Katzen zu spielen.«

»Irene, geht es nicht?« fragte er dringlich.

»Ich habe es mir auch immer wieder überlegt – es müßte doch möglich sein – ach!« –

Ich lag da und sah ihn glücklich an: »Weißt du, bei Hedwig bist du manchmal wie ein verwöhnter Junge. Aber bei mir – nicht wahr – da wärst du nicht so? Ich will, daß du ein Mann sein sollst!«

»Nein, bei dir wäre ich nicht so – du kriegtest mich mit deiner Weichheit ganz unter den Pantoffel. – Was bist du für ein ganzer Mensch! Ach, Irene, Irene, wie quälst du mich! Was habe ich für Sehnsucht nach dir!«

»Ja, warum bist du nicht gestern gekommen!«

*

Ich war gestern noch eine Stunde bei Hedwig; mit Robert konnte ich nur eben Gruß und Blick tauschen, ehe er zu seiner Vorlesung mußte. Ich saß mit ihr ein Stündchen auf dem Balkon – sie erzählte aus ihrer Kindheit, von gemeinsamen Jugendfreunden. Der Bruder und sie liebten ein Geschwisterpaar: Hedwig den Bruder – Robert die Schwester, der er einen Ring schenkte, ehe er zur Universität ging. Aber die Freundin hat sich verheiratet – das Warten dauerte ihr doch zu lang.

Mir war ganz wehmütig zumut – ich meinte, wir wollten gar nicht Abschied nehmen. Hedwig freut sich so auf ihre vier Wochen Musik und eigenes Leben – wir so auf unsere vier Wochen Liebe!

5. Juni.

Vorgestern ist Hedwig gereist; aber unser Zusammensein, auf das wir uns so unsinnig freuten, hat einen schweren Mißklang ergeben – ich verstehe gar nicht, warum das so sein mußte, wieso meine zärtlichen Klagen so zerstörend haben wirken können!

Nach Hedwigs Abreise hatte Robert in heißer Ungeduld versucht, noch denselben Abend zu mir zu kommen – aber das Haus unglücklicherweise schon verschlossen gefunden.

Nun kam er am Freitag, als ich mit heftiger Migräne auf dem Sofa lag. Ich hätte wohl den Gang zu Hedwig noch nicht machen dürfen, mich mehr schonen sollen während dieser letzten Tage.

Aber als er nun da war – glückselig – mit einem ganzen Arm voll dunkelglühender Rosen –, da brachte ich es nicht übers Herz, ihn zu enttäuschen, ihm zu sagen, daß ich mich so wenig wohl fühle, daß ich kaum sprechen konnte.

Und er war so erfüllt, so benommen von seiner Sehnsucht, seinem Verlangen, daß er gar nicht fühlte, als er mich in seine Arme zog – daß ich im Augenblick nur seinem Willen nachgeben – kaum selbst mitgenießen konnte. – – – –

»Wenn man nun zusammen einschlafen und morgen früh zusammen aufwachen könnte«, meinte er dann lieb.

Und während er mich in seinen Armen hielt, plauderte er kindlich glücklich: von Sonne und Himmel und Blumen – und daß er nichts fühle und wisse, als daß er ein warmes, junges Leben bei sich habe. Von dem kleinen Bruder jener mir so unsympathischen Generalstochter erzählte er – der so an ihm hänge – ich dachte schmerzlich an den eigenen verstorbenen Bruder – den ich über alles geliebt habe – hatte rasende Kopfschmerzen und glühende Sehnsucht, daß er sich endlich auch einmal um mich bekümmern solle.

Ich hatte das Gefühl: ich bin ein Ding, an dem er sich freut wie an einer Blume oder am blauen Himmel – aber nach dem Menschen in mir – was der getan, was der erlebt in all den Tagen und Stunden seiner Abwesenheit – danach fragt er mit keinem Wort.

Er nimmt, er begehrt meinen Leib – ja –, aber meine Seele, dies arme, zuckende Ding, zertritt er achtlos dabei.

Gerade weil ich ihm zuliebe meine eigenen Schmerzen so ganz zu unterdrücken versucht hatte, schmerzte mich so tief, daß er so gar nicht nach mir, nach meinem Empfinden zu fragen schien.

Ich hatte still dagelegen und zugehört. Dann brach es plötzlich heraus, stockend, ungefüge, in schmerzlichem Stammeln, aber unaufhaltsam: daß ich Liebe brauche, viel mehr Liebe – daß ich darauf brennend, sehnsüchtig warte, bis ich an der Qual dieses Wartens fast ersticke.

»Meinst du, das lumpige bißchen Liebe, das ich dir bis jetzt gezeigt, das sich unter dem Druck der Verhältnisse hat hervorwagen dürfen, das sei meine Liebe – so liebte ich?! Und das andere, das unter eisernem Druck gehalten wird, ist in furchtbarer Spannung – ich weiß nicht, wie lange ich noch Herr darüber bleibe. Nimm dich in acht, wenn das die Dämme durchbricht!« – –

Er hatte wie versteinert vor Entsetzen diesen leisen, leidenschaftlichen Worten gelauscht – jetzt richtete er sich wie von einem Schlage getroffen auf. Ich sah in ein ganz verändertes, verstörtes Gesicht.

»Also der Traum ist auch aus, daß aus meinem Leben noch etwas werden, daß ich noch einmal glücklich sein könnte – vorbei – vernichtet – alles!«

Ich war wie gelähmt vor Schrecken: wie konnte er mich nur so furchtbar mißverstehen!

»Ich genüge dir also nicht, und ich kann dich doch nie entbehren. Ich war doch so glücklich bei dir – und nun fühlst du dich nicht mehr frei. Für deine Zukunft wäre es dann besser gewesen, wir wären nur Freunde geblieben – aber dann wären wir doch nie so gute Freunde geworden. Aber du sollst dich nicht für mich aufopfern. Ich liebe dich immer – in jeder, auch der banalsten Situation; ich bin ja glücklich bei dir, du hast dann eben nicht das, was du suchst. Man liebt, was man hat; man begehrt, was man nicht hat.«

Ich stand diesem Ausbruch verständnislos gegenüber: ich hatte ihm meinen Schmerz geklagt, mich von ihm nicht restlos aufgenommen zu fühlen. Ich hatte gehofft, daß er seine Vergeßlichkeit, gar nicht nach meinem Befinden gefragt zu haben, erkennen, mich mit ein paar lieben Worten trösten und seiner vollen Liebe wieder versichern würde. Dann wäre alles gut gewesen.

Und nun statt dessen diese völlige Verzweiflung! Ich begriff seine Auffassung gar nicht: er hatte doch gar keine Ursache, traurig zu sein! Ich begriff nur, daß jetzt er unglücklich war. Mein Herz war so viel leichter, seit ich mich ihm gegenüber einmal ausgesprochen. Nun konnte er nicht mehr atmen vor Traurigkeit: »Es ist wie ein Fluch auf mir, daß ich gerade dem liebsten Menschen mit meiner Natur nicht recht bin.«

Ich warf mich über ihn in leidenschaftlichem Schmerz über diese Verwirrung, schlang die Arme um ihn – gab ihm die liebsten Namen und sagte: »Nicht, daß ich das wirklich glaube, was du sagst, sondern daß du es auch nur einen Augenblick denken kannst, macht mich so traurig!«

Ich weinte, rang verzweifelt die Hände; er hatte keine andere Antwort auf das alles als – ich möchte ihn lassen.

So riß er sich los.

Heute fühle ich mich im Grunde so froh und körperlich so frisch wie immer nach unserem Zusammensein, und so frei und erleichtert, daß ich ihm einmal alles sagte. –

Ich verstehe nur gar nicht, warum er so verzweifelt war? Wie kann ihn das traurig machen, daß ich noch mehr Liebe will – immer mehr?! Ist das nicht natürlich, selbstverständlich in jedem echten menschlichen Verhältnis – daß man sich immer mehr, immer besser und tiefer lieben lernen muß – gerade durch solche Konflikte hindurch? Wie kann er deshalb so verzweifelt sein? Aber vielleicht war er müde und angegriffen und hat mich nur momentan so mißverstanden? Wenn er kommt, will ich es ihm noch einmal erklären und ihn fragen – es ist furchtbar, zu denken, daß er sich noch immer quält. – – – – – – – – – – – – – –

7. Juni.

Sonntag sollte ich zu Tisch bei ihm sein; wir wollten vorher zusammen arbeiten. Aber als ich nun wirklich da war, sein ernstes, müdes Gesicht sah und sein Wesen so fremd und zurückhaltend war, als er mir kühl die Hand gab, steif mir gegenüber Platz nahm und mit mir Rembrandtwerke durchsah, da fehlte mir der Mut, auf das Traurige zurückzukommen.

Erst als wir zu Tisch gingen und er mich freundlich, gastlich umsorgte, gewannen wir allmählich die Freiheit, über die Katastrophe von Freitag abend zu sprechen.

»Du hast als die subjektiv-idealistische Natur, die du bist, in dem ersten Menschen, der dir begegnet ist, das Ideal gesehen,« meinte er, »und nun läßt du es ihn büßen, daß er das nicht ist, was du suchst. Aber ich habe dich doch nie über mich täuschen wollen. Und doch – alle unsere Verschiedenheiten, die uns jetzt so quälen, würden sich ausgleichen, wenn wir eine volle Lebensgemeinschaft, Kinder und Ehe haben könnten.«

»Und ich könnte mir sogar denken, daß ich dabei glücklich würde«, sagte ich heroisch – trotz Zweifel und Unruhe, ob ich damit auch die Wahrheit sage. Denn es schnürt mir die Brust zu, zu denken, ich müßte dann völlig auf die künstlerische Entwicklung verzichten.

Während unseres Plauderns nach Tisch hatte er ein wenig nervös zwischen seinen Kunstwerken herumgeordnet – seine berühmte Sammlung, die er von einer Indienfahrt mitgebracht hat, deren Betrachtung uns beide sehr angeregt hatte.

Auf einmal trat er zu mir heran und nahm meine Hände: »Komm, mein Liebstes.«

Ich ließ mich still, lieb erschrocken zu seinem Diwan führen: »Siehst du, hier habe ich immer so sehnsüchtig an dich gedacht«, sagte er und legte mich sanft nieder. – – – –

»Hat es mir nun eigentlich geschadet, wie ich mein Leben vorher geführt habe?« fragte er nachdenklich, während er mich noch fest in seinen Armen hielt.

»Meinst du nicht, daß es anders wäre, wenn du, wie ich, die Liebe zum erstenmal erlebtest?«

»Ja, das glaube ich wohl auch!«

»Weißt du, daß es heute ein Vierteljahr ist, daß wir unseren Bund schlossen?« fragte ich.

»War das ein Glück für mich – und was liegt jetzt alles schon dazwischen! Ach, nicht unsere verschiedenen Anschauungen, unsere verschiedenen Jahre trennen uns!« meinte er traurig. »Ich bin alt und du bist jung – und du magst recht haben, daß mir die frische, naive Leidenschaft fehlt. Ich bin seitdem so zerschlagen – ich könnte jetzt keine Krankheit aushalten, und wenn mich Agathe nicht brauchte – –!«

Ich lehnte mich an ihn bei diesen traurigen Worten und weinte.

»Aber du verstehst mein Wesen auch nicht richtig,« sagte ich, »sonst würdest du wissen, wie es gemeint war. Ich kann mich doch so schwer äußern dir gegenüber – und wenn ich dann zu fühlen glaube, daß du stärker das Weib als den Menschen in mir liebst, dann schmerzt mich das tief. Kannst du mir nicht sagen, was dich eigentlich so hoffnungslos traurig macht?«

»Ach, gerade dieser Zusammenstoß hat doch gezeigt, daß es nie etwas Ganzes werden kann, solange Agathe da ist – und wenn wir uns ohne Rücksicht auf sie befreien wollten, dann würde uns der Gedanke an sie nicht zum Glück kommen lassen.«

»Aber wir sind doch schon glücklich gewesen, trotz alledem,« sagte ich, »denk' nur an jenen Sonntagabend vor drei Monaten – oder an unsere letzte Osternacht – oder an jenen anderen Abend neulich. Das Schlimmste ist vielleicht, daß du nicht an das Glück glaubst!«

»Man braucht ja nicht glücklich zu sein«, sagte er bitter. »Oh, diese Grausamkeit: mir die Fata Morgana des Glücks noch einmal zu zeigen und mich dann aus meiner seligsten Stunde, aus meinen sieben Himmeln zu werfen!«

Ich begriff noch immer nicht; aber ich stand auf, drückte seinen Kopf an mein Herz, umschlang ihn mit weichen Armen und sprach lieb und tröstend – ich hätte alles gegeben, ihn noch einmal so glücklich wie früher zu sehen.

»Nun kommst du mir vor wie mein allerältester Freund«, sagte er gerührt.

»Das bin ich doch auch.«

»Nein,« lächelte er, »du bist mein jüngster. Ach, Irene, was für ein lieber, prächtiger Mensch bist du doch! Ein Mensch! Bin ich denn kein Mensch?« fragte er schmerzlich. Ich sah ihn in heißem, wortlosem Schmerz über seine Verzweiflung an sich selbst an: »Liebster!«

10. Juni.

Innerlich bin ich ganz einsam – ich habe keinen Menschen, mit dem ich über das Schwere, das auf mir liegt, die Verwirrung, in der ich stehe, zur Klärung kommen kann.

Denn meinem Liebsten gegenüber darf ich nicht sprechen – sonst kommt gleich solch ein Unglück heraus, wie ich es jetzt angerichtet habe. Jede Frau, die liebt, würde mich verstehen, meine ich. Nur ein Mann kann das so grausig-grauenvoll mißverstehen. Wie ist es nur möglich, daß man sich so liebt, wie wir beide es tun – er in seiner Art mich – ich in meiner Art ihn – und daß wir uns doch so viel Schmerzen zufügen?

Nun, wo ich gesehen habe, wie ich ihm weh tat, wie er meine Klage um mehr Liebe aufnahm – nun meine ich, ich wäre schon vollkommen glücklich, wenn es mir nur gelingen würde, ihn wieder so froh zu machen, wie er vor diesem Unglücksabend war.

Gestern hatte ich ihm eine Nachbildung des Christus von Michelangelo gekauft – von dem ich weiß, daß er ihn liebt. Er stand ganz glücklich davor und zog mich sanft in seine Arme.

»Etwas Lieberes hätte es jetzt nicht geben können – die Idee hat dir ein guter Gott gegeben.«

Er zog einen Stuhl heran, mich an beiden Händen auf seinen Schoß und betrachtete es andächtig.

»Du siehst so angegriffen aus,« sagte ich besorgt, »ich schicke dich bald fort, du sollst dich hinlegen.«

Er nickte: »Dies ist eine liebe, symbolische Gestalt für uns: daß aus dem Schweren Gutes kommen soll – mein Herzblatt, Liebes, Gutes!«

Ich kniete einen Augenblick neben seinem Stuhl, wie ich es liebe, und schmiegte mich an ihn: »Nicht wahr, nun bist du mir nicht mehr böse?« –

14. Juni.

»Das war herrlich!« Ich trat mit vor Freude geröteten Wangen ins Zimmer, in dem er seit einer Stunde auf mich wartete.

»Hör' mal, ich glaube gar, du kämst zu spät zum Standesamt.«

»Ach, bitte, sei nicht böse, daß du auch einmal« – ich unterstrich dieses » auch« – »hast warten müssen. Aber ich war in der Kunstausstellung, in der Sezession, und habe so viel Schönes gesehen; ich bin noch ganz glücklich davon. Es lebe die Kunst!«

Er zog mich sehnsüchtig auf seinen Schoß und sah mich mit einem Gemisch von Freude und Melancholie an: »Wie froh du aussiehst, wie du strahlst!«

»Aber warum hast du mich denn nicht mitgenommen?« fragte er vorwurfsvoll.

Ich sah ihn lächelnd an: »Ach, dahin paßt du ja gar nicht!«

Ich war so übermütig heute, fühlte mich so befreit und erlöst – einmal wieder ich selbst zu sein, durch diese aktive Freude an der Kunst wie erlöst vom Druck der persönlichen Schmerzen. Mein Liebster war ganz erstaunt über meine heitere Stimmung; so hatte er mich lange nicht mehr zu sehen bekommen.

»Bändige, zähme mich doch!« rief ich ausgelassen. Er sah mich nachdenklich an: als empfände auch er nun schärfer, schmerzlicher als bisher den Unterschied unserer Naturen, unter dem bis vor kurzem ich allein so gelitten habe.

»Ja, ja, du bist jung, und ich fühle mich jetzt manchmal so alt«, sagte er bedrückt.

Auf dem Tischchen neben dem Diwan, auf dem meine jeweilige Lektüre zu liegen pflegt, sah er »Ulrich von Hutten« von D. Fr. Strauß.

»Liebst du Ulrich von Hutten?« fragte er; »ich mache mir gar nichts aus ihm.«

»Ich doch.«

»Warum denn?« –

»Es ist eine Lust zu leben, denn die Geister sind erwacht.«

Er kam zu mir heran und schlang den Arm um mich.

»Siehst du, nun mag ich ihn auch gern – ich kann dir doch sehr gut nachempfinden.«

»Gewiß, das kannst du anderen Menschen auch«, sagte ich ruhig.

»Du bist schrecklich verwöhnt,« meinte er, »das ist mir gar nicht angenehm.«

»Warum denn nicht?«

»Dann muß ich dich ja auch verwöhnen!«

»Gewiß mußt du das!« lachte ich.

»Aber wer verwöhnt mich denn?«

»Ich natürlich!«

Er küßte mich dankbar: »Das ist die liebe Weichheit, die ich so brauche!« – – – –

20. Juni.

Nun ist es in den letzten Tagen immer hin und her gegangen: das, was schon immer so schmerzhaft war: die erzwungene Fremdheit draußen, die so bitter ist, die meinen Stolz so verletzt – wird mir jetzt zur Qual. Er überlegt wohl nicht, daß ich ihn immer erwarte, daß ich vom Verkehr mit anderen Menschen ganz abgeschnitten bin, weil ich doch nicht will, daß mir ein anderer gleichgültiger Besuch das für mich so seltene Glück seiner Gegenwart rauben soll. Aber dadurch wird mir meine kleine Wohnung zum Gefängnis, die mir nur lieb ist um der Augenblicke willen, wo ich ihn hier habe. –

Ich begreife oft nicht, wie es möglich gewesen ist, daß ich mein Leben, mein freies, selbstgeschaffenes Leben – in diese Qual habe hineinbringen können. Denn wie ich nun auch vorwärts spähe, um mich zu retten, um nicht zu unterliegen – eines weiß ich genau: Schmerz, unendlicher Schmerz wird es immer und auf jeden Fall sein.

Es hatte mich so gequält, daß er Dienstag, als wir uns vor der Vorlesung einen Moment sprachen, nichts sagte, wann er käme. Er merkte während der Vorlesung, wie traurig ich dasaß und kam ganz aus dem Text.

Hernach kam er zu mir heran und sagte: »Jetzt tu mir den Gefallen und komme auf eine Stunde mit in eine Konditorei –« Er mußte später zu einer Sitzung.

»Nein, nein,« sagte ich, »dann wollen wir auch konsequent sein – du arbeitest, und ich gehe ebenfalls an meine Arbeit.«

»Also soll ich gehen?« fragte er noch einmal.

Ich konnte nichts mehr sagen – ich ging schmerzdurchwühlt fort und dachte: wenn er dich lieb hat, kommt er heute abend noch nach der Sitzung – aber er kam nicht, auch den Mittwoch nicht. Ich bäumte mich auf im Schmerz der Sehnsucht: »Lieber ein Ende, als länger dieses entsetzliche Warten ertragen.«

Als er dann am Donnerstag kam, war ich zum erstenmal starr vor Schmerz.

»Ich glaube, wir müssen ein Ende machen.«

»Aber das ist doch eine Torheit, jetzt auseinanderzulaufen – in allem Schmerz ist es doch ein Glück, daß wir uns gefunden haben. Ich bin selbst so elend und trostbedürftig – leg' einmal deine Hand an meine Stirn«, bat er.

Ich rührte mich nicht, und er lehnte müde den Kopf an meine Brust. Allmählich löste sich dann die Starrheit und der Schmerz, mit dem ich mich jeder Berührung entzogen hatte. Wir hielten uns traurig und schweigend umfangen. Ich sagte ihm, wie mich dies Wartenmüssen demütige, zur Verzweiflung treibe – diese grauenvolle erzwungene Passivität für meine so ganz auf Handlung, auf Überwindung von Hindernissen gestellte kampffrohe Natur.

»Aber wie kann dich das so verletzen?« tröstete er, »das ist doch etwas so Natürliches, daß eine Frau auf ihren Mann wartet! Nein, nein, lassen kann ich dich nicht, ich brauche dich! Wenn du es nicht selbst fühlst, was du mir bist! Ich darf dich ja gar nicht noch lieber haben – was soll dann aus Agathe werden? Fühlst du es gar nicht?«

»Nein,« sagte ich, »bei mir würde sich das alles ganz anders äußern.«

»Du kannst höchstens meinen, ich solle dir meine Liebe noch mehr zeigen.«

»Diese Nacht habe ich von dir geträumt«, erzählte ich; »es war wie ein Märchen – ich hatte so furchtbare Angst, du wärst verschwunden, und dann lief ich durch einen finsteren Wald – tief in der Nacht – um dich zu suchen – mit bloßen Füßen – nur um bei dir zu sein.«

Er hatte glücklich lächelnd zugehört: »Siehst du, in all meinem Elend bin ich doch ein reicher Mensch.«

*

Er hatte ein paar Tage zu großer Erschöpfung wegen keine Vorlesungen halten können und schrieb mir, ich möchte doch Sonntag zu Tisch kommen, damit er mich sehen könnte.

Ich verspätete mich ein wenig. – »Ich dachte schon, du kämst nicht«, schalt er zärtlich.

»Weißt du, was ich möchte – was ich mir ausgedacht habe?« erzählte er. »Wir müßten miteinander große, weite Reisen machen – ich möchte dir Italien, die Niederlande – alle Herrlichkeiten der Natur – alle Kunstschätze der Welt zeigen. Früher hat es mir auch Freude gemacht, meine Wohnung zu schmücken – aber seit ich fühle, daß es nicht auch zugleich die deine sein kann, ist sie mir so gleichgültig geworden!«

*

Aus seinen Lebenserfahrungen zu lernen, sei sehr schwer, meinte ich; sie kämen aus der im Grunde unveränderlichen Natur des Menschen. Jeder Mensch habe sein typisches Erlebnis, das immer wiederkehre.

»Dann sei man keine Persönlichkeit, wenn man nicht lerne«, tadelte er mich.

»Aber ich habe mir von Kind auf nie denken können, daß ein anderer Mensch so heiß und ausschließlich lieben würde wie ich. Für mich ist also dies Erlebnis, daß ich noch ›mehr Liebe‹ begehre, etwas ganz Selbstverständliches. Was soll ich daraus lernen? Selber auch weniger zu lieben? Das will ich ja gar nicht«, sagte ich.

»Aber wenn es Untreue wäre, was wir zu beklagen hätten, wäre es doch noch schmerzlicher«, erwiderte er. »Und Agathe nimmt dir nach der Seite der Leidenschaft gar nichts. Du weißt, daß alles, was ich darin habe, dir gehört!«

Ich stand auf: »Im Grunde glaube ich ja das alles doch nicht, womit wir uns quälen – weil ich sonst nicht existieren könnte!«

»Ja,« sagte er, »vielleicht ist es wirklich Torheit, sich so zu quälen – es liegt wohl in meinem körperlichen Zustand!

Gib mir zwanzig Jahre zurück, und du sollst nichts zu klagen haben. Eine mehrjährige Ehe mit einer sinnlich ungeliebten Frau hat doch manches in mir erschöpft. Ich muß immer an das Wort denken: ›Ein Mann, der seine Frau nicht geistig und sinnlich befriedigt, verdient nicht, ihr Mann zu sein.‹ Das Fazit bleibt bei dir –. Und wenn du gelassener wärest – wir könnten so glücklich sein!« – –

Er nahm mich fest in seine Arme und beugte sich in heißen Küssen über mich.

»Aber ich weiß nun schon bald, was Glück ist«, sagte er.

Ich bat ihn, wegen seines nervösen Zustandes einmal den Arzt zu konsultieren. Ich verstehe gar nicht, wie er da zögern und sagen kann, er fürchte sich, unter den Pantoffel zu kommen, wenn er meiner Bitte folgt. Sehr lieb trennten wir uns. – – – – – – – – – – – – – – – –

*

Montag, den 25. Juni.

Das wäre beinahe wieder eine Katastrophe geworden – gestern – Gott sei Dank nur beinahe! – Das kam so: es war Sonntag – alle Welt draußen und freute sich an dem köstlichen Sonnenschein. – Ich saß den langen Nachmittag allein und wartete auf ihn. Sonst bin ich immer an schönen Tagen mit Freunden herausgefahren in die entzückende Umgebung von München; wieviel schöne, frohe Stunden habe ich da mit Lilli, Hanna und anderen Freunden verlebt! Am Starnberger See oder in den Bergen. – Nun stand ich tatenlos am Fenster, sah voller Bitterkeit zum strahlenden Himmel hinauf und horchte auf jeden Laut, der in die tiefe Stille des Sonntagnachmittags hineinklang.

Robert war auf einem Diner – bei einem Bankier Oppenheimer, dessen Sohn seine Vorlesungen hört, dessen Tochter für ihn schwärmt. Am Abend wollte er zu mir kommen. Bis zu der angegebenen Stunde hatte ich zu arbeiten versucht – dann ging es nicht mehr. Ich wanderte im Zimmer umher, ordnete dies, änderte jenes, nahm wieder die Arbeit vor – sah nach der Uhr. Nun war es schon eine halbe Stunde später. Da hörte ich Schritte auf der Treppe – mein Herz klopfte. Gott sei Dank, da war er! Ich lauschte – aber die Schritte verloren sich wieder. Ich ging zum Fenster: da unten in dem kleinen Garten spielten ein paar Kinder – ihr fröhliches Lachen tat mir fast weh. Aus dem geöffneten Fenster des Nebenhauses klang Gesang – eine prächtige Männerstimme – irgend etwas Sentimentales, Aufwühlendes! Ich biß die Zähne zusammen: verschwor sich denn heute alles gegen mich? Dieser Gesang, diese schwermütige Melodie – wie konnte man da seine Fassung behaupten?

Ich schloß eilig das Fenster und übersah noch einmal den kleinen Tisch, den ich für uns beide gedeckt – die Erdbeeren, die er so liebt. Ich spürte Lust zu essen: warum kam er denn immer noch nicht? Er wußte doch, daß ich wartete! Oder war vielleicht etwas Schlimmes geschehen? War er krank? Er sah jetzt immer so blaß und angegriffen aus. Gott, daß ich nicht gleich hinkonnte und sehen, wie es ihm ging!

Da klingelte es: mit einem leisen Schrei unendlicher Dankbarkeit flog ich hinaus. Draußen stand ein fremder Mann, der nach einer Familie fragte, die im Hause nebenan wohnte. Ich starrte ihn an wie ein Gespenst – dann gab ich ihm mühsam Bescheid. Kopfschüttelnd stieg der Mann die Treppe hinab.

Ich sank, am ganzen Körper zitternd, erschöpft auf das Sofa. Es dämmerte – drüben sah man zwischen den Bäumen einen rosigen Schein – da ging die Sonne unter. Es wurde dunkler. Ich war noch immer allein und ein Stöhnen rang sich mir aus der Brust, wie das eines verwundeten Tieres. Wie, wie sollte ich es mir erklären? Entweder war er krank – und ich durfte nicht zu ihm – oder – aber es war doch nicht möglich, daß er mich so marterte, wenn es ihm möglich war, es zu ändern?

Ich sprang auf und ging in das Schlafzimmer, wo ich die fiebernde Stirn in kaltem Wasser kühlte. Ich wurde etwas ruhiger und sah nach der Uhr: nein, nun konnte er wohl kaum noch kommen! Es litt mich nicht mehr im Zimmer. Ich nahm Hut und Handschuhe und ging hastig ein paar Straßen entlang; ich mußte mir wenigstens Bewegung machen – ich erstickte sonst daran. Dann kehrte ich zurück – und eine große, wahnsinnige Hoffnung beflügelte meine Schritte. Aber auch jetzt noch keine Spur von ihm. Da warf ich mich, tödlich ermattet, halb besinnungslos vor Schmerz, auf den Diwan, und es stieg wie ein Fluch auf aus meiner gemarterten Seele: auf die Stunde, die uns zueinander geführt – auf ihn, der mir diese Qualen bereitet!

Da klingelte es draußen – ich streckte wie abwehrend die Hand aus: natürlich war es wieder irgend etwas Fremdes, Gleichgültiges – ich hoffte nun nicht mehr. Aber nun war er es, erhitzt, atemlos. Er sah mich an, wie ich mir im Zimmer zu schaffen machte – irgend etwas ganz Sinnloses; ich wußte selbst nicht mehr, was ich tat.

»Willst du mir nicht guten Tag sagen?«

»Würdest du einen fremden Menschen, dem du eine bestimmte Zusage gegeben, so warten lassen?« fragte ich zurück.

»In diesem Falle hätte ich es gemußt,« sagte er, »ich trage nicht die Schuld daran. Wie du weißt, war ich bei Oppenheimers draußen in Tutzing – wir machten eine Segelpartie und wurden durch schlechten Wind länger zurückgehalten, als wir erwartet hatten. So fuhr mir der Zug davon. Ich habe mich die ganze Zeit schon um dich gesorgt, wie du nun wieder warten müßtest, wo ich nun weiß, wie du darunter leidest!«

Ich sah ihn an, der jetzt traurig dasaß:

»Irene, wenn du das nicht verstehst!«

Bei dem weichen Klang löste sich die Starrheit – ich flog leidenschaftlich an seinen Hals.

»Daß ich gerade dem liebsten Menschen immer mit meiner Natur so weh tun muß«, bedauerte er.

Nun wurde es noch ein sehr lieber Abend. Ich kniete neben seinem Sessel und schmiegte mich an ihn.

»Ich fühle mich so alt, und doch kann ich mich so freuen, daß du mich so lieb hast! Aber du bist jung – du brauchtest einen andern Menschen, du liebes, kleines Mädel!« –

»Ich bin kein kleines Mädel!« widersprach ich gekränkt. Sein kleines Mädel sein – das wäre Qual, kein Glück!

»Nein, das bist du auch nicht – du bist ein Weib, das einen mit zärtlicher Liebe ganz umfängt und umstrickt. Und alle diese Szenen machen dich mir nur noch lieber. Wenn ich an dich denke, meine ich immer, die Welt ist doch etwas wert – und ich kann dann um so viel besser arbeiten und schaffen. Den Vorteil haben sie dann in meinen Vorlesungen davon.«

»Ja, aber ich möchte ihn auch haben. Oder ist das zuviel verlangt?« – – – – – – – – – – – – – –

*

Wie er nun schon ist: so von Stimmungen getrieben und so unberechenbar – mein Liebster – nun kam er gleich heute vormittag, als ich noch eifrig bei meiner Arbeit saß und gar nicht an ihn dachte, noch ihn erwartete. Er schien sehr froh gestimmt, neckte mich, kommandierte und befahl in herrischem Liebesspiel – und ich ließ es mir lachend gefallen. Er zog mich sehr übermütig, sehr siegesgewiß in seine Arme, auf seinen Schoß: »Wirst du nun bald deine törichten, modernen Ideen aufgeben?«

»Ich denke nicht daran – du hast mir bis jetzt kein Wort gesagt, das mich überzeugt hätte. Du kennst ja das alles – vor lauter historischer Weisheit – die moderne Kunst und Philosophie und die sozialen Bewegungen noch gar nicht. – Wenn du erst einmal zum Beispiel Nietzsche mit mir lesen würdest, wie ich dich so oft gebeten oder in eine Versammlung von Arbeitern gingest, dann würdest du vielleicht auch bei mir manches anders beurteilen. Und sieh dir doch erst auch die moderne Kunst an, studiere die Bilder, dann wirst du auch da manches gelten lassen.«

»Aber wenn ich es dir nun beweise, daß das alles unmöglich ist: die soziale Umgestaltung, die Gleichberechtigung der Frau, die Abschaffung der Kriege und was du alles sonst noch verlangst?!«

Ich lachte nur.

Ich lag in seinen Armen, und er beugte sich über mich und küßte mich – und küßte mich.

Dienstag, den 3. Juli.

Heute gestand er, daß er wieder mit ganz wertlosen Menschen die Zeit – die kostbare Zeit, die uns zu unserm Glück so oft fehlt! – verloren habe, anstatt zu arbeiten. Ich kann es ertragen, ihn fern zu wissen bei seiner Arbeit – aber dies ruft immer tiefe Bitterkeit bei mir hervor.

»Versprich mir«, bat ich.

»Was denn?«

»Es nicht mehr zu tun – mir zuliebe!«

»Du bist ein schrecklich guter, lieber Mensch,« sagte er ernst, »warum liebst du mich denn überhaupt, wenn du so alle meine Fehler kennst?«

Ich schwieg. Warum? Gibt es da ein »Warum«? Warum hat von all den Männern, die mir begegnet sind, nur dieser eine bisher mich magisch-unwiderstehlich angezogen – warum ist mir nur seine Nähe so schmerzhaft lieb? Warum konzentriert sich für mich in ihm aller geheimnisvolle Reiz einer schmerzensreichen Leidenschaft? Warum?! Wer kann das beantworten? Vielleicht, weil ich alles für ihn getan, mich mit Leib und Seele gegeben habe – weil ich durch ihn leide – weil ich die Liebe liebe? – – – – – – – – – – –

*

Gestern ist Lilli mit ihren Eltern an die Nordsee gereist. Ich war Sonntag noch einmal zu Tisch dort – Robert war bei seiner Generalswitwe eingeladen, die, zu meiner Beruhigung, mit ihrer Tochter auch in dieser Woche verreist. So konnte ich ohne Sorge bis gegen Abend bei Lilli sein.

Dr. Walker war auch dort. Er ist Professor geworden. Lilli muß ihrer Angegriffenheit wegen nach Tisch ruhen; die Eltern entschuldigten sich ebenfalls für ein Stündchen. Professor Geyer bat Walker, mich ein wenig im Garten umherzuführen. Mir bangte vor diesem Alleinsein; denn Lilli, mit der ihn eine herzliche Freundschaft verbindet, hatte mir gesagt, es schiene ihr, als ob er sich noch nicht entschließen könne, innerlich ein Ende mit mir zu machen; aber ich wollte nicht feige sein. In seiner Lage wäre es mir auch lieber, einmal sprechen zu können. Walker sprach denn auch – unter anderem direkt von Robert.

»Ich verstehe, daß Frauen durch sein schönes, vornehmes Äußere, durch das Ästhetisch-Feinfühlende seines Wesens angezogen werden. Ich weiß zwar nicht, ob all die Frauengeschichten, die man sich von ihm erzählt, zutreffen. Nur, daß eine Frau wie Sie, Irene, seinem Einfluß lebenslang unterliegt, glaube ich nicht. Aber wenn es auch sieben Jahre dauert, bis Sie sich meiner erinnern – meiner Freundschaft bedürfen: wenn Sie mich rufen, komme ich – auch in sieben Jahren. In einigen Monaten gehe ich fort von hier nach Göttingen; ich weiß nicht, ob ich noch einmal Gelegenheit haben werde, es Ihnen zu sagen. Vergessen Sie es nicht!«

Er hatte ruhig, würdig gesprochen – so lieb hat er mich also, so vertraut er meiner Natur! Daß er Robert scharf beurteilt, falsch sieht, ist begreiflich. Wie gut muß er sich in sein Wesen eingefühlt haben, um es auch in seinem Reiz zu würdigen. Ich war zu erschüttert, um ihm viel antworten zu können! Wie furchtbar ist es doch, daß man nicht da lieben kann, wo man will, wo es für beide scheinbar so leicht und einfach und beglückend wäre!

»Ich danke Ihnen für alles – für das Vertrauen – ich vergesse es nicht!« – –

Ich war noch nicht lange wieder von meinem Besuch bei Lilli zurück – da kam Robert.

Nun, wo ich durch die Ereignisse des Tages selbst innerlich beschäftigt gewesen war, konnte ich ihn ruhig und heiter empfangen – trotz dieser Gesellschaft, aus der er kam, die ich für ihn gar nicht liebe. Denn mir scheint, sie weckt in ihm all die Eigenschaften, unter denen ich leide! Ein wenig Frivolität, die mir unbegreifliche Ehrfurcht vor Titeln, Geld und Stellungen – die Eitelkeit, sich von allerhand Frauen den Hof machen zu lassen – ihnen den Kopf zu verdrehen – ohne ernsteren Hintergrund – das alles ist eine mir feindliche Welt.

Halb ernst, halb scherzend hielt ich mich ein wenig von ihm fern, als er von seiner Gesellschaft erzählte. Ich wirke wie ein Reinigungsbad nach all den frivolen Gesellschaftsmenschen, meinte er, und sähe so lieb aus.

»Also doch ›Seife‹!« sagte ich ironisch und konstatierte:

»Siehst du, nun sind wir so gut miteinander ausgekommen, weil wir uns in diesen Tagen so wenig gesehen haben.«

Ich schickte ihn früh fort, weil er noch eilige Korrekturen für seine Rembrandtarbeit lesen mußte.

5. Juli.

Ganz unerwartet kam er früh am Vormittag, um ein Buch zu holen, das er brauchte. Vielleicht auch war es ein Vorwand, mich zu sehen. –

Eine zärtliche Umschlingung, ein Kuß – »so habe ich dich doch wenigstens eben gesehen, Liebste«, sagte er. »Aber ich dachte, du wolltest am Nachmittag kommen«, sagte ich betrübt.

»Ach du, ich weiß nicht, wie ich mit den Korrekturen zur Rembrandtarbeit fertig werden soll – der Drucker hat schon wieder gemahnt.«

Ich blieb mit einem etwas bitteren Gefühl der Enttäuschung zurück.

Am Nachmittag kam er unerwartet dennoch und brachte eine sehr hübsche Teekanne und zwei Tassen mit. So dann und wann zur Verschönerung der Häuslichkeit hier beizutragen, läßt er sich – trotz meiner Abwehr – nicht nehmen, und ich wage es, bei seiner Freude daran, nicht mehr, ihn darum zu schelten.

»Die Sehnsucht hat mich nun doch noch einmal hergetrieben – obwohl es unvernünftig ist bei meiner Arbeitslast«, sagte er. »Es ging mir nicht aus dem Sinn, wie du dastandest heute morgen in dem leichten, hellen Morgenkleid, das dich so gut kleidete.«

Und seine Hände griffen zärtlich nach mir.

Wie wir plaudernd nebeneinander saßen und er von Hedwigs baldiger Rückkehr berichtete, da kam auch wieder das Verlangen über ihn, mich ganz zu besitzen.

Ich ließ ihn lange bitten heute; am Ende gab ich seinem dringenden Flehen doch nach. Aber immer noch habe ich die Scheu ihm gegenüber nicht völlig überwunden: ich hätte ihn gern wild, heiß, leidenschaftlich-innig an meine Brust gedrückt, ganz fest, ganz unablösbar – aber ich wagte es nicht. Ich hielt meine Arme sehnsüchtig um ihn geschlungen – aber nur so von ferne.

Das ist furchtbar, daß ich es ihm manchmal gar nicht sagen, gar nicht zeigen und er mir doch wieder nicht so ins Herz sehen kann, um zu wissen, wie mir zumute ist.

»Du bist ein liebes Weib; aber du hast mich gar nicht so zärtlich genommen, wie ich wollte«, beklagte er sich heute nachher. »Du solltest dich so an mich drängen!«

Ich weiß es: ich habe oft so schreckliche Angst, ihm das volle Maß meiner Sehnsucht zu zeigen – wie gelähmt bin ich dann von dieser Scham der Zurückhaltung – die mich selber vielleicht am meisten quält.

Heute hemmte mich, daß ich fürchtete, es könne vielleicht nur meine Enttäuschung vom Vormittag gewesen sein, die ihn hergetrieben – daß er mir – nicht sich zuliebe gekommen wäre.

Es bedarf schon eines so beglückenden dauernden Zusammenseins wie in den Tagen unserer Reise, der Gewißheit völliger Verschmelzung der geistig-seelischen Liebe mit dem körperlichen Verlangen – das erst löst den Rausch in mir aus, der mich bis ins tiefste Herz wie in jedem Nerv mit ihm vermählt – beseligt und beglückt.

10. Juli.

Hedwig ist wiedergekommen, recht erholt und erfrischt. Sie hat in ihrer Musik viel dazu gelernt – ihr alter Lehrer hat sie in ihren Plänen, Konzerte zu geben, als Künstlerin aufzutreten, ein neues, eigenes Leben zu beginnen, sehr ermutigt.

Übrigens fragte Hedwig, die mich wirklich in ihr Herz geschlossen zu haben scheint, ob ich einverstanden sei, wenn wir uns duzen.

Hedwig ist sehr glücklich, wieder bei dem vergötterten Bruder zu sein. Am liebsten möchte sie jeden Tag etwas mit Robert und mir unternehmen. So machen wir schöne Spaziergänge zu dreien; gestern waren wir in der Sezession.

Ich fühle mich angesichts der Kunst, meiner Kunst, innerlich so frei und stark und froh: es ist solch eine Erlösung, einmal wieder ich selber, ganz unabhängig zu sein. Die Gefühlsabhängigkeit von einem geliebten Menschen ist, neben dem Glück, das darin liegt, doch auch – zuweilen – eine schreckliche Qual.

Wie ich es genoß, bei Klingers L'heure bleue, bei Hofmanns Seebildern, bei den Schotten, bei der Wahrhaftigkeit von Alberts und Liebermann zu sein – und den Geliebten oft für ein paar Minuten ganz vergessen hatte, kam er mir immer sehnsüchtig nach und bat schmerzlich: »Ach, bleib doch einmal bei mir.«

Vor einer plastischen Gruppe: vor Sindings »Zwei Menschen«, die in unlösbarer Verschlungenheit ein volles menschliches Glück in höchster Leidenschaft und Keuschheit darstellen – so heiß und keusch zugleich wie alle große Liebe und große Kunst ist – trafen sich unsere Augen in einem langen innigen Blick.

Übrigens haben wir jetzt endlich angefangen, gemeinsam Nietzsche zu lesen. Er soll mich rechtfertigen, für mich sprechen, wo ich selbst es in meiner Schüchternheit nicht kann.

Aber Robert ist ungeduldig, daß es Hedwig oft nicht versteht und sagt ihr das manchmal ein wenig deutlich. Das tut mir sehr leid; denn es schmerzt sie ohnehin ein wenig, zwischen dem einzigen Bruder und mir oft ein innigeres geistiges Band zu empfinden.

»Warst du wirklich sehr böse über mich?« fragte er, als er Dienstag hierher kam.

»Nein, böse nicht, aber es tut mir leid für sie; du hättest es ihr nicht so hart sagen dürfen.«

»Aber sie versteht es doch gar nicht – das ist manchmal so schwer für mich. Die Stunden könnten so schön sein. Du hast ein sehr liebes Verständnis dafür.«

Mich kränkt die Herablassung, die unbewußt in dieser vermeintlichen Anerkennung liegt: wie würde es ihm sonderbar erscheinen, wenn ich ihm sein »liebes Verständnis« für Rembrandt oder Goethe bescheinigen wollte! Aber ich hüte mich, etwas darüber zu sagen.

Ich bin ja schon glücklich, daß wir überhaupt versuchen, einen gemeinsamen, geistigen Boden zu finden, daß er sich die Zeit nehmen will, in meine geistige Welt – die Weltanschauung, die mir die verwandteste ist, einzudringen.

Denn sich gemeinsam über große Gedanken, Schönes in der Kunst freuen zu dürfen, innerlich reicher zu werden, das ist auch eine Zusammengehörigkeit, eine der besten, die es geben kann. Ich will sogar gern dafür die heiß ersehnten Küsse und Umarmungen hergeben – das eine oder andere Mal – wenn es sein muß, um diese geistige Gemeinschaft mehr zu haben. Ich empfinde es als ein Zeichen der Vertiefung seiner Liebe, daß er meiner Bitte nun nachgekommen ist. Ich bin sehr dankbar dafür. Mir ist, als müßte nun alles gut werden! – –

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