Ludwig Steub
Novellen und Schilderungen
Ludwig Steub

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Von allen diesen Dingen wußte Herr Schimmelhauser kein Wort, und wenn auch im goldenen Löwen zuweilen etwas davon verlautete, so klang ihm dieß wie eine unbekannte Sprache, von der er nichts verstand. Er kannte die Frauen nur als rechtsunkundige Personen, die man unter Zuziehung eines Beiständers über die Authentica, si qua mulier und das Senatus consultum Vellejanum unterrichten müsse, und was Liebe und Hochzeit betrifft, so hatte er seine Ansichten darüber lediglich deßhalb in Ordnung gestellt, um der Base, die nun einmal immer wieder auf diese Sachen zurückkam, eine leidliche Antwort geben zu können. Wenn sie ihn also zuweilen befragte, warum er sich denn nicht um ein solides Frauenzimmer umsehe und vorbereitungsweise in Bekanntschaft trete, und wie er es hiemit künftig als Assessor zu halten gedenke, so pflegte er ungefähr zu sagen:

»Warum sollte ich mich verlieben, Base, da ich doch nie zu heirathen gedenke? Sieht man nicht an dem jungen Julius Klopfermann, wie viel ihm seine heftige Verliebtheit zu schaffen macht, so zwar, daß er dadurch sogar zuweilen abgehalten wird, unsere Abendgesellschaft zu besuchen? Auch soll sich ein königlicher Staatsdiener mit Töchtern von gemeinem Stande nicht ehelich zusammengeben, und die Mädchen der Beamten werden ja heutigen Tags nicht mehr erzogen, wie es sich gehört. Seht Ihr nicht, Base, wie sie nur an Tanzen, Singen und Springen, an Musikmachen und Lesen unnützer Bücher ihr Vergnügen finden, und Alles auf die Unterhaltung setzen! Wie sollte ich einer solchen Gesponsin Genüge thun zu ihrem Zeitvertreib, da ich nur zumeist von Rechtsfällen spreche, wovon sie vielleicht nichts zu hören wünschte, sonst aber kaum etwas Neues weiß? Denn wenn ich auch zuweilen, während des Abends, das Zeitungsblatt zur Hand nehme, so würde sie es wahrscheinlich schon zuerst gelesen haben, da sich jetzt das Frauenzimmer bereits auch damit abgibt. Ebenso pflege ich wenig zu Hause zu seyn, da ich unter Tags in der Kanzlei beschäftigt, den Abendtrunk dagegen in anständiger Gesellschaft einzunehmen gewohnt bin. So könnte es denn leicht kommen, daß sie sich anderwärts nach Unterhaltung umsähe, und ich meine Ehehälfte zum Besten eines Dritten alimentiren müßte, welches ganz gegen die Rechtsregel streiten würde, die da will, daß, wer die commoda habe, auch die incommoda trage.«

Derlei Meinungen hatte Herr Johann Baptist Schimmelhauser von der Ehe. –

Unterdessen aber zogen die Jahre bleischwer dahin, und unser Aspirant, der schon zum fünfundzwanzigsten Mal ehrfurchtsvollst »erstorben« war und das dreiunddreißigste Lebensjahr überschritten hatte, wurde einsylbiger, schweigsamer, trüber, obgleich er sich noch hin und wieder einen »lustigen Kerl« nannte. Er blickte immer sehnsüchtiger in die Zukunft, in deren Schooße seine Assessorenuniform liegen mußte, und mit wie unverfänglicher Gutmüthigkeit auch die Base ihre Hülfe ihm unterschob, er fühlte, daß es nachgerade Zeit wäre, sich auf eigenen Füßen zu finden. Die Base sah mit Theilnahme seine Verdüsterung; es wäre ihr fast lieb gewesen, wenn er wieder eine der Passionen seines Flegeljahrs aufgenommen hätte, die sie damals freilich – bis auf das Tanzen – nur mit Achselzucken betrachtet hatte, aber das waren jetzt längst verschollene Neigungen. Sie dagegen hörte nicht auf zu sinnen, wie sein stiller Unmuth ihm abzulisten wäre, und da die Gemälde, welche sie von der Jagd, von Reiten und Tanzen, oder von den Freuden einer soliden Bekanntschaft so reizend entwarf, nichts über ihn vermochten, sie überhaupt den Gedanken, ihn durch eine große Leidenschaft von seinem Grübeln abzuziehen, aufgeben mußte, so wollte sie doch wenigstens noch einen Versuch machen, ihm jene kurzen Stunden zu erheitern, die er unter ihren Augen in ihrem Stübchen zubrachte.

So wartete sie nur den nächsten Weihnachtsabend ab, und als Vetter Baptist, den die Aussicht auf diesen schönen Abend auch jetzt noch zu entdüstern pflegte, erwartungsvoll in die niedere Thüre trat, fand er statt des Christbaums, der sonst über dem eichenen Tische funkelte, den viereckigen Pfeiler, der in der Mitte das Getäfel der Stube trug, von oben bis unten grün verkleidet mit Tannenreisern, an denen unzählige Lichtchen blitzten und kleines Backwerk und Schnitze von geräucherten Zungen und Schinken in Menge herabhingen. Ein seidenes Halstuch, in geschmackvollen Knoten geschlungen, war wie ein Siegeskranz an einen Zweig in der Höhe gesteckt, und eine neue Weste breitete unten trophäenartig ihre Flügel aus. Eine schöne rothseidene Schnur aber ging von der Decke herunter und verlor sich in zierlichem Bogen mitten im dunkeln Wald des Reisigs.

Baptist schwieg in freudiger Ueberraschung. Er betrachtete vergnügten Blickes die neue Weste und das seidene Halstuch; aber noch mehr beschäftigte ihn die rothe Schnur, die so räthselhaft unter den grünen Aestchen verschwand. Fragend blickte er auf die Base, welche dann bald auch das Räthsel löste, und nach dem Ende der Schnur greifend, aus dem dunkeln Gebüsche einen goldigglänzenden Messingring hervorzog, auf dem in lateinischen Buchstaben die Worte standen: »Zum Vergnügen«. Sie überreichte mit klugem Lächeln dem erstaunten Vetter die strahlende Bescheerung und sagte:

»Hiemit, Herr Baptist, könnt Ihr Euch im Ringspiel üben, welches eine gar schöne Unterhaltung ist und Euch viel Zeitvertreib verschaffen wird. Die Kanzleigeschäfte machen gleichwohl zuweilen etwas tiefsinnig, und da ist's gut, wenn man sich zu zerstreuen sucht. So müßt Ihr Euch denn bemühen, diesen Ring so oft als möglich in jenen eisernen Haken zu schleudern, und wenn Ihr einmal etwas Schönes leistet, so werd' ich's an einem Prämium nicht fehlen lassen.«

Dieser Abend verging, wie alle Weihnachtsabende bei der Base, in sittsamer Vergnügtheit. Seine Gönnerin holte Bier und Wein aus ihrem Keller. Baptist heimste die leckern Früchte ein, die an den Tannensprossen baumelten, und zuletzt mußte er auch noch das Halstuch und die Weste probiren, welche ihm beide sehr gut zu Gesichte standen. Mit dem Ringspiel indessen wollte es heute nicht mehr viel bedeuten; er versuchte es zwar, aber als er um eilf Uhr nach Hause ging, hatte er noch nicht Einmal in den Haken getroffen. So angenehm im Uebrigen die Zeit verflossen war, so schien ihm seine Ungeschicklichkeit doch nahe zu gehen, wenigstens brummte er auf dem Nachhausewege etwas Weniges über Dieses Ringspiel, das er jetzt zu seinem Vergnügen lernen müsse, und behauptete, die Base habe mitunter doch auch ihre seltsamen Einfälle.

Trotz dem ließ ihm aber das Geschenk keine Ruhe: je mehr er darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher wurde ihm, daß etwas Besonderes damit gemeint sey, desto geheimnißvoller schien ihm die Absicht der Geberin. Weste und Halstuch verschwanden ganz neben dem messingenen Ringe, und als er eingeschlafen war, träumte er sogar davon. Da kam es ihm nämlich vor, als stände er in der kleinen Stube des letzten Hauses in der Vorstadt vor dem grünen, hellerleuchteten, geschmückten Pfeiler und hielte den Ring in der Hand und begänne zu spielen. Jetzt zeigte er freilich weit mehr Geschick als im Wachen, aber es schien auch viel mehr darauf anzukommen; er selbst stand im schwarzen Fracke und weißer Halsbinde auf seinem Stande und eine feierliche Stimme zählte die Treffer ab. Der Ring flog und flog, und fehlte nie, und die Stimme zählte fort und fort, von zehn bis auf zwanzig, von zwanzig bis gegen dreißig. Und als der Ring zum dreißigstenmale in den Haken fiel, erscholl die Stimme wie mit Trommetenton, rief ihr »dreißig«, und zu gleicher Zeit erhob sich aus dem Tannengesträuche, wie hinter den Scheiben auf den Schießstätten, wenn der Punkt getroffen wird, eine Fortuna in den Landesfarben und überreichte Herrn Schimmelhauser ein Anstellungspatent. Darüber erwachte er, meinte in der Schlaftrunkenheit, es habe sich wirklich so zugetragen und die Fortuna das Schreiben auf den Tisch gelegt, sprang vom Lager, suchte nach, fand nichts, legte sich wieder nieder, schlief abermals und hörte von Neuem wie im Nachhalle die Stimme zählen, den Ring klingen, die Fortuna aufrasseln – kurz, er hatte die ganze Nacht daran zu träumen.

Andern Tags erzählte er der Base sein Traumgesicht, und diese bestärkte ihn in der Meinung, daß der Traum etwas habe sagen wollen. Er fand auch unschwer die richtige Bedeutung desselben darin, daß dann seine Anstellung nicht mehr fern seyn werde, wenn er mit dem Ringe dreißigmal hinter einander in den Haken getroffen.

Er hatte sich in der ersten Woche schon dergestalt in diese Vorstellung eingelebt, daß er zur großen Freude der Base dem Spiele alle seine Liebe widmete; denn jetzt schien es ja nur von seinen Fortschritten abzuhängen, den lang erschmachteten Moment langsamer oder schneller herbeizuführen. So kam er schon im ersten Vierteljahre fast auf ein Dutzend Treffer, und die Base unterstützte seinen Eifer dadurch, daß sie zuweilen für eine schöne Leistung ein Paket Rauchtabak aussetzte. Manchmal ging es dann allerdings auch wieder rückwärts, auch kamen volle Wochen, wo er keinen Fortschritt machte; aber dessen ungeachtet ließ er sich die Zuversicht nicht rauben, daß er über's Jahr am Ziele seyn werde. Nach dem alten Sprüchworte aber, daß oft im Augenblicke eintrifft, was im Jahre nicht erwartet wird, wollte er gleichwohl seine Vorkehrungen treffen, und so schrieb er an einen alten Schulkameraden, der unterdessen bei der Regierung in der Hauptstadt Registrator geworden war, und bat ihn, er möchte sich die Mühe nicht reuen lassen, und wenn einmal das Regierungsblatt mit seiner Ernennung erschienen sey, dem Postbuben, der die Ordinari brachte, Nachricht davon geben. Dem Postillon aber, welcher alle Tage vor drei Uhr an dem Häuschen seiner Base vorbeirollte, trug er strengstens auf, wenn ihm der Herr Registrator gesagt, daß das Regierungsblatt im Felleisen sey, so solle er von Ferne schon den lieben Augustin blasen auf seinem Posthorn, außerdem aber nichts, damit er nicht irre werde.

Unterdessen aber übte sich Herr Schimmelhauser tagtäglich, lernte den richtigen Handgriff und den rechten Schwung und traf hin und wieder schon neunzehn oder zwanzigmal in den Haken. Deßwegen nahm er denn jetzt auch eine neue Regel an und spielte jedesmal nur so lange, als er traf, legte aber den Ring still zur Ruhe, wenn er gefehlt hatte; »denn,« sagte er zur Base, die ihn öfter fortzuspielen bat, »denn es würde doch nichts bedeuten, im Traume ging's auf's erstemal.« Hiedurch wurde denn freilich wieder viele Zeit seines Nachmittagbesuches verfügbar, allein Vetter Baptist brachte jetzt ein neues Geschäft mit, das ihn mit freundlicher Anziehungskraft festhielt. Sein vorzüglichstes Denken und Sinnen war nämlich immer die künftige Anstellung, und wenn er nachgerade auch zu wissen glaubte, wovon sie abhing, so blieb ihm das Ereigniß selbst räthselvoll genug; denn über Monat und Tag des Eintreffens konnte er ja auch jetzt immer nur erst unsichere Vermuthungen wagen. So faßte er denn den Gedanken, dieser Erscheinung mit einer Art von Wahrscheinlichkeitsberechnung, und zwar nicht allein für sich, sondern auch in Beziehung auf die Andern auf den Leib zu gehen, und er freute sich gar mächtig, wie er, wenn einmal die Formel gefunden, jene Hunderte von jungen Juristen überraschen würde, die bisher über diese wichtigste ihrer Angelegenheiten in pfadloser Finsterniß getappt.

Baptist machte sich nun allererst daran, die nöthigen Materialien zu sammeln, und bat sich von seinen Kollegen die Listen der Praktikanten, aller seiner Vor- und Nachmänner, nicht allein seines Regierungsbezirkes, sondern, wenn er sie erhalten konnte, auch der übrigen aus. Dann forschte er mit einer Neugier, welche Alle, die ihn kannten und die Ursache nicht wußten, in Erstaunen setzen mußte, nach ihren Noten im Assessorexamen oder in der Praxis. Als er seine Sammlung für vollständig genug hielt, um eine Berechnung darauf bauen zu können, ging er ernstlich mit sich zu Rathe und fiel dann darauf, eine durchschnittliche Praxis des Vorbereitungsdienstes zu sieben Jahren anzunehmen, für die guten Noten einen verhältnißmäßigen Zeitabzug, für die schlechten eine ungemessene Aufrechnung eintreten zu lassen und so für jeden einzelnen Fall die Epoche festzustellen, die den Aspiranten mit dem staatsdienerlichen Degen umgürten sollte.

Das war aber nur die Kindheit seiner Lehre. Er fand bald, daß sich auf diese Sätze nur höchst trügliche Schlüsse bauen ließen; denn Mancher, der seiner Berechnung nach über ein Decennium hinausgeworfen wurde, war schon in den ersten Jahren Assessor geworden, und Mancher, der es hätte in den ersten Jahren werden sollen, lebte im achten oder neunten noch in seliger Erwartung. Wenn daher seine Berechnung auch zuweilen eintraf, wie er denn sogar einmal die Freude genoß, den Cyklus eines Bekannten bis auf die Woche und fast bis auf den Tag berechnet zu haben, so stellten sich doch so viele Unregelmäßigkeiten ein, daß er nach neuen Gesetzen forschen mußte. In diesen Tagen warf er nun zufällig einst einen Blick in den Kalender, auf dessen Zeichen er sich sonst nicht übel verstand, und plötzlich war es ihm, als ob er den Versuch machen sollte, ob denn die Anstellungen am Ende nicht von astronomischen Einflüssen abhängig seyen. So kam er darauf, eine Analogie zu finden zwischen jenen ihm bisher unerklärlichen Erscheinungen und den Schalttagen, wobei er freilich einräumen mußte, daß die Intercalaranstellungen eben so häufig seyen, als die Schalttage selten.

Oft sogar, in einer oder der andern Epoche, schienen jene milchstraßenartig durch das Regierungsblatt zu ziehen, und die berechenbaren Erscheinungen traten fast ganz zurück. Nun wurde es also seine Aufgabe, die zyklische Wiederkehr jener Epochen selbst zu erforschen, und da fielen ihm denn die Wendekreise des Krebses und des Steinbockes ein, und er glaubte wirklich durch lang fortgesetzte Beobachtungen in seinen astronomischen Annalen – den Praktikantenlisten und den Regierungsblättern – gefunden zu haben, daß die Sonne der Anstellung ebenfalls diese Gesetze anerkenne, und sich epochenweise in der intercalirenden vorwärtsspringenden Manier des Steinbocks oder in der stillen, rückwärtsgehenden Weise des Krebses verhalte. Für die Theorie mochte diese Entdeckung ein großer Fortschritt seyn, aber für die Praxis war nichts damit gewonnen, ja die Bestimmung der einzelnen Fälle war eher schwankender geworden; denn um jetzt ein Horoscop zu stellen, mußte man vorerst wissen, daß die Sonne zur Zeit des Eintreffens im Krebse stehen würde – die Steinbockanstellungen schienen noch immer völlig räthselhaft – und diese Gewißheit war durchaus nicht mathematisch herzustellen, da alle Berechnungen über die Dauer und Wiederkehr dieser Perioden noch zu keinem Resultate geführt hatten.

Auf diesem Punkte stand die neue Wissenschaft des Herrn Schimmelhauser, als er eines Abends im goldenen Löwen den Assessor die gewagte Meinung äußern hörte, der Praktikant Schnellfischer habe seine frühe Anstellung seinen Connexionen zu verdanken. »Connexionen?« fragte Schimmelhauser. »Was hat denn der junge Mann für eine Note?«

»O, mein Gott,« fiel der leichtsinnige Herr von Stritzel lebhaft ein, »ich muß lachen, so oft ich von den Noten höre. Dem Minister sein Vetter hat die letzte Note im Examen, ist doch vier Wochen darnach angestellt worden, der arme Teufel, weil man ihn mit den fünftausend Gulden, die seine Güter tragen, nicht verhungern lassen kann. Und in meinem Fach – der Forstpraktikant Eichelhuber ist ein ganz besonderer Lutheraner gewesen – hab' ihn oft plärren hören am Sonntag in seiner Kirche – ist schnell katholisch worden und gleich auch Forstmeister. Jetzt fängt er die Moosschnepfen mit dem Rosenkranz und schneidet den Namen Jesu in alle Zwetschgenbäume. Der Geometer Winkelhauser hat die alte Tochter vom Direktor Simpelmaier geheirathet – das ist ein Jugendfreund von einem Hochgestellten, den ich auch noch nenne, wenn ich einmal Zeit habe. Ach, was die beiden Biedermänner in ihrer Jugend, so lange es die Knochen ausgehalten, für Unschuld und Tugend, für Religion und Sittsamkeit geleistet haben – ach, das glaubt man nicht – man dürfte es vielleicht auch gar nicht sagen. Jetzt ist der Geometer Bauinspektor und hat gleich Urlaub bekommen auf anderthalb Jahr, damit er zuerst noch den neuen Baustyl studiren kann. Jetzt wird er wahrscheinlich auch lernen, wie man einen Ziegelstein und ein Chokoladetäferl auseinanderkennt; denn bisher hat er's kaum gewußt. Und im letzten halben Jahre sind ja fast nur lauter Cavaliere im Regierungsblatt gestanden, gleichsam als sollten die Andern, die studirt haben, lauter Pflasterer werden. Drum muß ich lachen, wenn einer sich was einbildet auf seine Note. Da sollte man lieber die ausgezeichneten Männer, welche unglücklicher Weise die letzte Note haben, die bekehrten Ketzer, die Barone und die Schwiegersöhne, die sollte man alle Jahre zuerst vorweg versorgen und die gemeinen Leute sollte man nachher würfeln lassen, um das, was überbleibt – da hätte es doch Jeder in der eigenen Hand.«

»Aber,« sagte Herr Schimmelhauser sich selbst vergessend, »da könnte man ja gar nichts mehr berechnen!«

»O, edler Freund!« erwiederte Herr von Stritzel, »mit dem Einmaleins ist da ohnedem nichts auszurichten. Aber Connexionen, wenn du hättest, mein Schimmelhauser, oder Baron wenn du wärst, oder Schwiegersohn, oder lutherisch, daß du dich bekehren könntest, da wärest du in vierzehn Tagen vielleicht Regierungsrath.«

»So, so!« sagte Baptist, »da könnte ich übrigens noch am ehesten lutherisch werden. Das Beichten und die Fastenspeisen möcht' ich leicht entbehren – Cavalier dagegen und Schwiegersohn, ich wüßte nicht, wie das zu machen wäre.«

Dieses Gespräch, das sich noch länger fortspann, eröffnete unserm Freund eine neue Welt von Anschauungen. Er erkundigte sich weiter, forschte und erfuhr zu seiner Beschämung, daß außer den Noten und Wendekreisen noch gar manche Elemente Einfluß hätten, die ihm bisher unbekannt geblieben, wie z. B. vor Allem diese Connexionen, worunter man Verbindungen mit hochgestellten Personen verstehe, oder auch der Patriotismus, was die richtigen politischen Ansichten bedeute, oder gute Sitten, worunter allerlei begriffen sey. Herr Schimmelhauser lauschte in größter Ueberraschung diesen Offenbarungen, beschloß aber auch gleich sie nutzbringend zu machen, und fragte unter Zuhandnahme der letzten Regierungsblätter bei Allen, die etwas davon wußten, aufs Angelegentlichste darnach, was dieser oder jener der jüngst Angestellten für Connexionen, was für Patriotismus, was er für gute Sitten habe, ob er von Adel, Schwiegersohn, lutherisch sey, notirte sich auch gleich die Erhebungen, und trug sie, schwarz auf weiß nach Hause, sinnend, vergleichend, rechnend.

Jetzt kam es also darauf an, für diese Einflüsse die Ziffer zu finden. Dieß kostete eine Unzahl von Gleichungen, die immer und immer mit andern Unterstellungen wiederholt wurden und immer keine Ergebnisse lieferten, die für alle Fälle paßten, obgleich unser Freund auch die Durchschnittsdauer der Vorbereitungszeit einer neuen Prüfung unterworfen und gefunden hatte, daß sie nicht, wie er bisher angenommen, sieben runde Jahre, sondern sieben Jahre und hundert dreiundsiebzig Tage betrage, obgleich er jetzt endlich auch für besonders ausgezeichnete Schnellanstellungen die Kategorie der Kometen eingeführt. Schimmelhauser fand sich in einem schrecklichen Irrsal von schwankenden Ziffern, von unbekannten Momenten und rätselhaften Einflüssen, und wenn er früher nur mit Noten gerechnet hatte, so hatte er jetzt nicht allein diese, sondern auch Intercalarzeiten und Wendekreise, Connexionen, Adel, Schwiegersohnschaft, Conversionsfähigkeit, Patriotismus und gute Sitten in den Calcul zu ziehen, der, je näher er ihn dem Ziel glaubte, desto unsicherer wurde. Unwirsch schlug er sich oft vor die Stirne und blickte mit großen Augen gegen den Himmel – was er sonst nie gethan hatte – so daß die Base sich an solchen Zeichen entsetzte und bald anfing, mehr von dieser Zerstreuung zu fürchten, als sie je von seinem stillen Gram besorgt hatte. Oefter und öfter sprach sie ihm zu, von den überschwierigen Intercalarzeiten, den unbegreiflichen Wendekreisen, von dem unberechenbaren Patriotismus, den geheimnißvollen Connexionen, und den allem Calcul widerstrebenden guten Sitten, von diesen und allen andern Bedingungen abzulassen, für sich und seine Duldungsgefährten die endliche Erlösung in Ruhe zu erwarten und vor der Hand sein Glas Bier in aller Gemütlichkeit zu trinken; aber er war taub für ihren guten Rath. »Es muß noch heraus,« sagte er, »es muß Gesetze geben, nach denen die Staatsdienstaspiranten ihre Bahnen abmessen; denn das werdet Ihr doch nicht läugnen wollen, Base, daß sie natürliche Körper sind, und wenn Ihr so viel einräumt, so müßt Ihr auch zugeben, daß sie ihren Gesetzen unterworfen sind, denn die Natur hat ihre festen Normen.«

So rechnete er fort und fort, alle Tage anderthalb Stunden, legte für jeden der erkundschafteten Concurrenten einen eigenen Bogen an, und ein eigenes Heft für den generellen Calcul, hatte schon ganze Bücher Papier verschrieben und kam immer nicht darauf. Was bei zweien und dreien eingeschlagen hatte, das erwies sich am vierten als falsch; was bei diesem und einem andern als nöthige Annahme sich aufdrang, das paßte für die Uebrigen nicht. Ein Anderer wäre verzweifelt, Herr Schimmelhauser rechnete aber nur immer emsiger. Manchmal traten dann auch neue Phasen ein, aber nur um das Chaotische seiner Emulationen zu vermehren; einmal wollte er den Glauben an die Wendekreise fahren lassen, ein andermal den Gedanken an einen Einfluß der Noten; aber mit dem nächsten Regierungsblatt wollte es ihn gar wieder anwandeln, als habe er wahrscheinlich noch lange nicht Alles hereingezogen, was die Erscheinung bedinge, und zuletzt wollte er sogar auch dem Mondscheine eine Einwirkung übertragen, und war eifrigst bemüht, die Modalitäten und die ihnen entsprechenden Ziffern zu ergründen.

Mittlerweile war Herr Schimmelhauser etliche vierzig Mal »erstorben« und siebenunddreißig Jahre alt geworden, und Weihnachten war wieder herangekommen. Am Vorabende dieses Festes saß der Vetter bei der Base und rechnete, ging dann in die Kanzlei und arbeitete, ging nach Hause und schrieb, ging wieder zur Base und freute sich an den neuen Angebinden, Alles wie sonst; aber in der Nacht hatte er einen Traum. Er sah sich wieder wie in jener Christnacht vorm Jahre in schwarzem Fracke und weißer Halsbinde mit dem glänzenden Ringe in der Hand, und es kam ihm vor, als spiele er wieder und treffe unausgesetzt, und daneben hörte er zum zweitenmale jene feierliche Stimme, die bis auf dreißig zählte, worauf dann abermals jene landesfarbige Fortuna in die Höhe fuhr und ihm jenes ersehnte Anstellungspatent wirklich überreichte, mit einem feierlichen Spruche, über dem der Glückliche erwachte. »Gratulire, Herr Schimmelhauser, zum Christkind!« sagte er zu sich selber. »Der heutige Nachmittag scheint ein gewisses Regierungsblatt bringen zu wollen, in welchem ein gewisser Schimmelhauser Assessor wird.« In ganz heiterer Stimmung zog er sich an, ging in die Kirche, in die Kanzlei, zu Tisch und dann zur Base.

Heute war ihm die Zeit, bis er das kleine Vorstadthäuschen betreten konnte, länger geworden, als je. Kaum eingetreten, riß er auch seine Hefte heraus und setzte sich darüber. Er fing an zu rechnen, nahm die Durchschnittsdauer der Aspirantenlaufbahnen als Basis, setzte einen Krebsstand der Sonne voraus, brachte den Mangel der Connexionen, des Adels, der Schwiegersohnschaft, der Conversionsfähigkeit, das Vorhandenseyn des Patriotismus und der guten Sitten in Anschlag, ließ seine Note gelten, was sie nach einzelnen bewährten Fällen gelten konnte, rechnete, rechnete abermals und zum dritten Male, und siehe da, es fand sich, daß sich heute seine Praktikantenlaufbahn schließen müsse.

»Victoria,« rief er der Base zu, »meine Planetenbahn ist zu Ende, und heute werde ich wirklicher Assessor! Ich habe mich ganz deutlich herausgerechnet und habe auch wieder einen Traum gehabt. Es kann nicht fehlen.«

Die Base war mehr geneigt, auf seine Visionen ein Gewicht zu legen, als auf die Rechnung, hörte übrigens seiner Erzählung aufmerksam zu und meinte wohl auch, jetzt könne der Assessor nicht mehr lange ausbleiben. Herr Schimmelhauser ging nun aber zur schwierigsten und zuverlässigsten Probe seiner Erwartungen, zum Ringspiel, über. Es verdient hier bemerkt zu werden, daß bis dahin achtundzwanzig Treffer das höchste war, wozu er es gebracht hatte, und dieß war ungefähr vor einem Vierteljahre vorgekommen, zu einer Zeit, als eine Assessorstelle in Schierlingsstetten leer gewesen, auf die der Ring also wünschelruthenmäßig hingedeutet. Seitdem war er immer wieder nur in den Anfängen der Zwanziger geblieben; heute aber fiel der Ring achtundzwanzigmal in den Haken.

»Achtundzwanzigmal,« rief Baptist laut aus, »achtundzwanzig, Base! 's ist wieder etwas ledig, aber ich krieg's gewiß wieder nicht.«

Der Ring flog abermals.

»Neunundzwanzig!«

»Neunundzwanzig!« wiederholte die Base.

»Herr Gott!« rief der Vetter, »das muß etwas bedeuten. Bestimmt lieg' ich im Kabinet zur Unterschrift, bin vielleicht schon unterschrieben; denn wie ich sehe, habe ich ja auch den schwarzen Frack und die weiße Halsbinde an, wie im Traume. Aber, liebe Base, seyd doch so gut, und holt mir, da es so wichtig ist, noch eine Halbe. Ich muß einen frischen Trunk zu mir nehmen, ehe ich den letzten Schuß thue.«

Der Trunk war gethan und Schimmelhauser griff wieder in großer Bewegung nach dem Ringe.

»Also, woll's Gott, zum letztenmale!« – Der Ring löste sich aus seiner Hand, flog in schönem Bogen auf den Pfeiler zu – er hat's, er hat's – der Haken klingt, der Ring dreht sich, drin hängt er.

»Dreißig, dreißig!« schrie der Glückliche, und zu gleicher Zeit hörte man von Ferne, wie ein Posthorn lieblich sang: »Ei, du lieber Augustin.« – »Nun, Base, reißt die Thüre auf! ich bin Assessor!«

Er stürzte hinaus; der Postbube kam in starkem Trabe herangefahren, winkte fröhlich mit dem Schnupftuch und rief vorbeirollend: »Ich hab's, ich hab's!« Herr Schimmelhauser setzte sich in Bewegung, nahm die Schöße seines Fracks in die Hände und raunte dem Postillon im gestreckten Lauf nach, so daß seine Taschen, worin er Pfeife und Tabaksbeutel verwahrte, hinten entsetzlich aneinander schlugen. Dabei hörte er nicht auf zu rufen: »Hast du's, hast du's?« und der Bube antwortete eben so oft: »Ich hab's, ich hab's!« und weil Jeder früher in den Posthof einlaufen wollte, so schlug der Eine immer hitziger auf sein Pferd los, während der Andere immer größere Sprünge machte, wobei sie sich immer anlachten und zuriefen.

Diese Erscheinung erregte in der Hauptstraße, durch welche sie rannten, ein ungewöhnliches Aufsehen. Da man Herrn Schimmelhauser seit seinen Jünglingsjahren stets nur im ruhigsten Schritte hatte durch die Gassen wandeln sehen, so entstand in allen, die ihn jetzt wie einen Bolzen dahinfliegen sahen, der Gedanke, es müsse etwas Großes sich ereignet haben. Alle Fenster gingen auf und wer nicht durch Unverschiebliches verhindert war, eilte der Post zu, um die Neuigkeit zu erfahren. Auch die Schule war um diese Nachmittagsstunde geschlossen worden und die Jugend folgte in Schaaren den angeseheneren Leuten.

So drängten sie alle zusammen, gespannt und der Dinge gewärtig, in den Posthof, wo sie den Herrn Praktikanten wieder fanden, halb erlegen von seinem Laufe, in den Armen des Postmeisters, der ihm unaufhörlich gratulirte. Vor ihm stand der Postillon und feierte das Ereigniß, indem er seine Peitsche einmal um das andere über dem Haupte des Glücklichen mächtig knallen ließ. Mitunter klopfte er sich fast hochmüthig auf die Brust und rief: »Sind schon Viele in die Stadt gefahren, hat's doch noch keiner gebracht, als ich.« Herr Schimmelhauser, der allmälig den Athem wieder ruhiger kommen fühlte, hob das Regierungsblatt, das er mittlerweile erhalten hatte, von Zeit zu Zeit hoch in die Luft, und lispelte Anfangs leise, dann deutlicher: Assessor!

Es bedurfte aber nur dieses einzigen Wortes, um die versammelte Menge über die interessante Lage aufzuklären, in welcher sich Herr Schimmelhauser befand. Die Männer des Städtchens umringten ihn glückwünschend, händeschüttelnd und behaupteten, so hätte es noch Keiner verdient, während die Jugend ihn mit Erstaunen, ja mit Bewunderung ansah. So hatte der neue Assessor Mühe zu Worte zu kommen und zu sagen:

»Ich danke, meine lieben Herren, aber die Hauptsache ist jetzt, daß es die Base zur rechten Zeit erfährt, denn sonst nimmts sie's übel und dann ist der heutige Tag verpfuscht. Wenn nur einer da wäre,« sprach er ungehört weiter, »der ihr die Botschaft langsam beibrächte, denn ich fürchte immer, die große Freude möchte ihr schädlich werden.«

Nachdem er so gesprochen, schlug er den Weg zur Vorstadt ein. Wer bisher um ihn gewesen, begleitete ihn, wer die neue Mähr erst jetzt erfuhr, der schloß sich dem Zuge an. So kamen sie zum Hause der Korbmacherin, welche ahnungsvoll zu Hause geblieben war. Sie hatte nicht gewagt, dem Vetter in seinem Laufe zu folgen, weil sie dachte, am Ende möchte es etwa nur ein loser Streich des Postbuben seyn und sie zum Gespötte der Städter werden. Nun aber war's ihr wonnige Gewißheit, und um auch die letzten Zweifel zu heben, gab ihr Baptist fröhlich die Hand und sagte:

»Ja, Base, jetzt bin ichs, gerade wie es nach der Planetenberechnung hat herauskommen müssen.«

Die Base stand vor den Augen der angesehenen Bürger, welche ihren armen Vetter bis in ihre entlegene Stube begleitet hatten, so verschämt, daß sie keine Worte fand, um ihren Empfindungen Ausdruck zu geben. Verlegen ging sie aber an den Schrank, öffnete und hob einen Uniformshut heraus, den sie lange vorher in ihrer Liebe auf der Versteigerung gekauft hatte, die nach des Aktuars Schlingelmann Hinscheiden gehalten worden war. Den hatte sie bereit gelegt für den großen Tag, wo ihr Vetter ihn selber würde tragen dürfen, aber ihm hatte sie nie ein Wort davon gesagt. Rasch schritt sie nun auf den Assessor zu, gab sich einen Schwung und setzte ihm den Hut auf den Kopf, indem sie unter Thränen sprach: »Gesegn' es Gott!«

Mittlerweile hatten sich auch der Dekan und der Bürgermeister auf der Gasse begegnet, und da in der Stadt Alles wußte, daß der neue Assessor jetzt bei der Korbmacherin draußen sey, waren sie unverweilt dahin gegangen. Auch sie traten glückwünschend ein und der Bürgermeister meinte, es sey eine Ehre für die ganze Bürgerschaft, daß jetzt einmal ein Bürgerssohn königlicher Beamter geworden, und nur zu bedauern, daß der alte Schimmelhauser diesen Tag nicht mehr erlebt. Der Herr Dekan aber sagte, es wäre unmöglich gewesen, wenn nicht eine höhere Hand es gemacht hätte. –

Indessen mahnten gewichtige Stimmen, es sey wohl Zeit auch ins königliche Landgericht zu gehen, um dem Herrn Landrichter die Botschaft und das Regierungsblatt zu überbringen. Man fühlte, daß dies vor Allem geschehen müsse, und so zog Herr Johann Baptist Schimmelhauser, schon von ferne kennbar durch den neuen Uniformhut, geführt von dem Dekan, welcher links und dem Bürgermeister, welcher rechts ging, in würdigem Schritte aus der Vorstadt in die Stadt. Die andern Bürger wandelten hinter den drei Honoratioren und nach ihnen trippelte fröhlich die heitere Jugend. Die Knaben jubilirten und schrien Vivat; ja selbst die Mädchen hüpften zuweilen einzeln über den Bürgermeister oder den hochwürdigen Dekan vor, nickten Herrn Schimmelhauser ins Gesicht und sagten lächelnd: Wünsch' Glück, Herr Assessor!

Der Herr Landrichter hatte wohl schon etliche Zeit vorher die Kunde vernommen, allein da es ihm in seiner Pflicht zu liegen schien, das Ereigniß durch eine, wenn auch kurze Rede zu feiern, so war er des kleinen Zeitvorsprungs ziemlich froh und ging mit großen Schritten in seiner Kanzlei auf und ab, einen kleinen Leitfaden über Redekunst in der Hand, denkend, sinnend, grübelnd.

Endlich nahte der Zug. Der Gerichtsvorstand trat in feierlicher Weise ihn zu empfangen auf die Vortreppe seines Amtsgebändes und sprach kurz aber erhebend zu den Versammelten, während Herr Schimmelhauser in weihevoller Beklommenheit unter dem Uniformshute zuhörte:

»Schon längst ist es mir in meinen Träumen vorgegangen, daß wir am Vorabend wichtiger Ereignisse stehen. Wer hätte es je gedacht, daß ein Bürgerssohn aus diesem unbedeutenden Städtchen der Collega eines königlichen, ja überhaupt nur eines Landrichters werden könnte? Und was sehen wir jetzt, meine geliebten Zuhörer! Steht er nicht vor uns, der vor Kurzem noch geprüfter Rechtspraktikant war, steht er nicht vor uns, wie er leibt und lebt und auch bereits in seinem Uniformhute? Er aber verdankt das Glück nur seiner Ausdauer, denn wie hätte das Auge des allegeliebten Landesfürsten auf ihn fallen können, wenn nicht seine Zeit gekommen wäre, welche alle Schmerzen heilt? Und wie oft geschieht es nicht, daß das Talent schon früh ausgeht und doch bis zum Abend seines Lebens keine Anerkennung findet? Du aber, hochgeehrte Schuljugend, nimm Dir ein Beispiel an dem, was Du heute siehst! Euch Knaben wird es ein Sporn seyn, eure Schritte zu verdoppeln, um recht bald dasselbe hohe Ziel zu erreichen, und ihr, geliebte Mädchen, werdet euch einst glücklich schätzen, in den Armen eines solchen Mannes zu ruhen. Sie aber, Herr Assessor, Johann Baptist Schimmelhauser, treten Sie jetzt mit beiden Füßen herein in den Kreis der Würdenträger, denen die wohlverdiente Aufgabe geworden ist, ein unkultivirtes Volk zu den höchsten Gütern der Wissenschaft und der Kunst durch Lehre und eigenes Beispiel zu erziehen. Und nun thun wir, was uns nach unsern schwachen Kräften noch übrig bleibt, bringen wir ein Hoch dem Allerhöchsten aus, denn man mag sagen, was man will, er ist denn doch der Landesvater!«


 << zurück weiter >>