Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 1
Julius Stettenheim

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Vorwort an den Herausgeber.

So mag es denn sein! Sie wollen meine sämmtlichen Kriegsberichte herausgeben, und ich weiche der Gewalt. Contre la force il n'y a pas des juges à Berlin! Aber ich kann nur wiederholen, was ich Ihnen noch nicht zu sagen den Muth hatte: Der Tag, an welchem das Buch erscheint, wird einer der unglücklichsten Capuas meines Lebens sein!

Denn ich bin nicht zum Kriegsberichterstatter geboren. Meine Amme umstanden die Musen, und früh schon regte sich in mir der Pegasus. Ich bin – verzeihen Sie das harte Wort! – ein Dichter. Wenn andere Knaben ihre Schularbeiten spielten, floh ich der Brüder wilden Reihn und dichtete mich satt. Oft drohte mein Vater, mir Papier und Dinte höher zu hängen, wenn ich mir die Leier nicht aus dem Kopf schlüge, und nur allzuhäufig mußte ich die ganze Schwere des Lehrers fühlen, wenn ich meine Schulhefte vollgesungen hatte, oder irgend eine Frage in gebundener Zunge beantwortete. So durchlebte ich dornenvolle Kinderschuhe!

Trotzdem wuchs mit meinen Jahren der Hang zur Poesie. Ich dichtete fern vom Geräusch meines Vaters weiter, ich dichtete sogar aus dem Schlaf. Aber als ich endlich einem Buchhändler einen Band meiner Gedichte anbot, sagte derselbe: »Herr Wippchen, Sie schreiben eine gute Hand, wollen Sie Buchhalter bei mir werden?«

Mir fiel das Herz aus den Wolken, und ich eilte als geschmolzener Ikarus aus dem Laden. Ich hatte noch nicht zu Mittag gespeist. Ich hatte Hunger. Das Messer stand mir auf den Hacken. Ein Ertrinkender, griff ich zum Strohhalm, der mir zufällig gebraten in den Mund flog: ich zog die Hippokrene aus und wurde Journalist.

Denn Sie suchten grade einen Berichterstatter für die im Orient ausbrechende Bellona, ich stellte mich Ihnen vor, Sie gewannen mich. Da haben Sie die Geschichte meiner Biographie.

Und nun soll ich, der einst mit tausend Masten den Parnaß erklimmen wollte, still auf gerettetem Boot vor die Menschen hintreten und sagen: Hier bin ich, der Kriegsberichterstatter Wippchen!

Ob Sie begreifen, was das heißt? Mir stehen bei diesem Gedanken die Träume meiner Jugend zu Berge.

Aber es soll ja sein, und nun habe ich auch kein Erbarmen mehr mit mir, nun bitte ich Sie: Lassen Sie mich, bis mir eine bessere Zukunft lacht, die ganze Prosa meines tiefen Falls fühlen und schicken Sie mir einen Vorschuß von 50 Mark auf das Honorar der ersten Auflage. Ich werde es ohne Murren ertragen, ich bin nichts mehr als eine entlaubte Säule, die von verschwundener Pracht zeugt.

Bernau, im März 1878.

Wippchen.


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