Julius Stettenheim
Wippchen's sämmtliche Berichte, Band 1
Julius Stettenheim

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6 II.

Herrn Wippchen in Bernau.

Seit dem 3. haben Sie nicht ein einziges Scharmützel von sich hören lassen, denn Ihre Bitte um einen weiteren Vorschuß, den wir Ihnen auch leider geschickt haben, können wir doch unmöglich als einen Schlachtbericht ansehen. So scheinen Sie denn die ganze orientalische Verwickelung als eine Gelegenheit zu benutzen, für unsere Kosten auf dem Lande zu wohnen. Nennen Sie dies our own? Wenn, dann irren Sie sich. Erhalten wir nun nicht umgehend einen der blutigsten Zusammenstöße aus Ihrer geschätzten Feder, so werden wir uns nach einem andern Correspondenten umsehen müssen. Erst gestern hat sich uns einer Ihrer werthen Herren Collegen empfohlen, welcher bereit ist, die Zeile Schlacht für fünf Pfennige zu liefern. Dies geben wir Ihnen zu bedenken und grüßen Sie in Erwartung eines verzweifelten Kampfes

ergebenst

Die Redaktion.

* * *

Bernau, 17. Mai 1877.

Klio, die Meduse der Geschichte, wollte mich diesen Morgen gerade zu einem Bombardement von Widdin begeistern, als 72 Ihr werther Brief eintraf. Es thut mir leid, daß Sie unzufrieden sind. Aber Sie werden auch zugeben müssen, daß ich die furchtbare Macht Rußland's nicht über's Knie brechen kann. Eine Schlacht will geschrieben sein. Ich hatte auch mehrere Gemetzel zu Papier gebracht, aber sie gefielen mir schließlich nicht, weil ich sie nach einem Bericht über die Erstürmung der Düppeler Schanzen verfertigt hatte und nicht recht wußte, wie ich die Insel Alsen placiren sollte. Unmögliches dürfen Sie nicht von mir verlangen: ich kann mich nicht wie Leda in einen Schwan verwandeln und einen Stier entführen. Wir sind Alle nur mehr oder weniger sterbliche Menschen, und Romulus und Remus wurden nicht an einem Tage gebaut. Und was nun mein College betrifft, der Ihnen die Zeile Schlacht für fünf Pfennige liefern will, so ist dies allerdings sehr billig, aber seine Schlachten werden auch danach aussehen: Angriffe dritter Klasse, Mittelsiege, Alfénide-Rückzüge, ausrangirte Gefechte. Reuleaux würde auch von Ihren Kriegsberichten sagen: Billig und schlecht.

Sie werden das einsehen und es wie ich sapienti sat haben, über diesen Gegenstand noch ein Wort zu verlieren.

Ich habe in diesen Tagen viel darüber nachgedacht, wie sich der orientalische Mars am sichersten localisiren ließe. Da entsprang mir, wie Aphrodite aus dem Meerschaumkopfe des Zeus, ein Gedanke: Die Russen ziehen bekanntlich die Unschlittkerzen allen andern Delicatessen vor. Nun müßte ihnen begreiflich gemacht werden, daß man in Deutschland nur 8 noch Stearinlichte brennt. Ich glaube, dies wäre ein Mittel, die Russen fernzuhalten.

Ich lasse nun eine Schlacht folgen, welche ohne Zweifel etwas machen wird. Ich habe sie nach einer gewiß achtungswerthen Quelle, nämlich nach dem bekannten Gedicht unseres geliebten Schiller, »Die Schlacht«, bearbeitet. Etwas Vorschuß könnte mir ferner gleichfalls nicht schaden. Und somit wünsche ich Ihnen zu den Pfingstfeiertagen einen recht trockenen Jupiter Pluvius.

* * *

Mukhaestate, den 11. Mai.

W. Das war ein blutiger Tag! Mit dem ersten Hahnenschrei des Sonnengottes verfügte ich mich auf das zu erwartende Feld der Ehre. Es mochte sechs Uhr sein, als mir ein Blick meiner Cyklopenaugen durch das Fernrohr das Nahen der russischen Armee unter General-Lieutenant Oklobschis verrieth. Der Genannte ist ein Mann, der seit 25 Jahren auf allen Schlachtfeldern zu siegen oder zu sterben wußte. Durch die grüne Ebne schwankte, wie eine Wetterwolke, wahrlich nicht leicht, aber dumpfig, der Marsch. Da jagt, vorüber an hohlen Todtengesichtern, der Major die Front nieder. Halt! tönte das starre Commando. Da stand die Front lautlos. Aber nicht lange. Es begann das Feuer. Die Kugeln fielen wie die Fliegen. Die Stellung der Türken auf den Höhen von Khatzubani schien uneinnehmbar. Der Höchstcommandirende derselben, dem beide Beine abgeschossen waren, stand mit 9 einem Fuß im Grabe, aber er wankte nicht. Nah umarmen die Heere sich. »Gott befohlen, Brüder!« hörte man rufen, »in einer andern Welt wieder!« Da stürmten die Russen hinauf, die Türken hinunter. Es folgte ein mehrstündiges Gemenge der Hand. Hierher, dorthin schwankt die Schlacht. Atropos, die unerbittlichste der sieben Weisen Griechenlands, schnitt tausend Ariadnefaden entzwei. Da sank der Demimond der Türken in den Staub, und die Russen waren Sieger. Der Verlust auf beiden Seiten schwankt zwischen acht Mann und Unzähligen. Ich selbst verlor zwei Bleistifte, begebe mich aber auf das Stantepedeste in die nächste Schlacht.

Während des Kampfes war ich Augen- und Ohrenzeuge einer rührenden Scene. Ein Türke war verwundet. »Und auch Du, Franz?« fragte ihn ein Russe. Der Türke antwortete: »Grüße mein Lottchen, Freund!« Und der Russe versprach es ihm. So sicher sind die Russen, nach Constantinopel zu kommen!


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