Julius Stettenheim
Unter vier Augen
Julius Stettenheim

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Bei Cremer.

Kaum war Don Cremer aus dem schönen Land des Weins und der Gesänge zurückgekehrt, so eilte ich in das Bureau der »Germania«. Mich trieb nicht nur die Pflicht, sondern auch die Neugierde, den Mann zu sehen, der unter dem Namen Sancho Cremer in der Geschichte des Don Carlos de la Mancha bis in dessen spätestes Exil fortleben wird.

Mit welchen Gefühlen ich das Haus Nr. 25 in der Stralauer Straße betrat, das vermag ich nicht zu sagen. Mein Herz bebte. In einigen Minuten sollte ich dem wohlbehalten zurückgekommenen Mann gegenübersitzen, der uns unter den Carlisten gestohlen werden konnte!

Cremer empfing mich sehr freundlich, und ich begann: Edler Don, Sie kommen aus Spanien und haben Don Carlos von Angesicht zu Angesicht gesehen –

100 Flüchtig, versicherte Cremer.

Natürlich flüchtig, gab ich zu. Aber ich bin nicht gekommen, die Summe des Fersengeldes, welches er gegeben, zu erfahren, noch eine Beschreibung des Hasenpaniers, welches er ergriffen, von Ihnen zu hören, obschon ich Sie darum beneide, daß Sie mit eigenen Augen das Pech, welches er gegeben hat, und die eleganten Hosen gesehen haben, in welche sein Herz gefallen ist.

Ich hätte auch wenig Zeit, sagte Cremer, indem er ein Medaillon mit der Asche der Sohlen küßte, welche dem Don Carlos unter den Füßen zu brennen pflegten, ich schreibe jetzt eben die actenmäßige Darstellung der Affaire Schmidt, durch welche ich klar beweise, daß der Hauptmann Schmidt wirklich ein Spion war und erschossen werden mußte.

Ich erklärte, daß gerade diese Documente mich zu ihm geführt hätten, und bat ihn um einige Details.

Cremer verdrehte mehrmals höchst kunstvoll die Augen, faltete Beine und Hände und sagte: Die liberale Schand- und Sudelpresse hat die Erschießung Schmidt's einen Mord genannt. Ich schwöre Ihnen bei Allem, was dem Don Carlos heilig ist, daß es kein Mord war. Ich habe den Vorfall genau untersucht, ich sprach selbst mit Don Gaunerio de 101 Schufterle, welcher einen Mann, Namens Don Briganto, gesprochen, dessen Onkel, Señor Domingo Vagabundo, in der Nähe gewesen ist, als der Hauptmann Schmidt dem Feinde mit seinem weißen Schleier Zeichen gab.

Sind diese Leute glaubwürdig? fragte ich. Cremer sprang auf und rief: Mein Herr, es sind Carlisten!

Ich war vollständig beruhigt.

Cremer fuhr fort: Schmidt, so wird behauptet, sagte, er habe dem Feinde keine Zeichen gegeben, es sei ein Irrthum, deshalb suchte ich den Don Canaillo, einen der durch und durchtigsten carlistischen Ehrenmänner, auf. Ich traf ihn auf dem Ablaßmarkt in Estella mit Señor Bandito de los Bagajos und dem Priester Santo Basilio, und diese drei Herren erklärten eidlich, Schmidt habe zwar nicht mit dem Hutschleier, jedoch mit dem Taschentuch Zeichen gegeben. Damit noch nicht zufrieden, eilte ich zu dem Alcalden Baarzahlez, und dieser zeigte mir ein Protokoll, aus welchem hervorging, daß Schmidt mit Schleier und Taschentuch Zeichen gegeben hatte. Also mußte Hauptmann Schmidt erschossen werden! Dieses werde ich nun in aller Ausführlichkeit auseinandersetzen und damit beweisen, daß Don Carlos ein Ehrenmann ist. Abgemacht, und wer daran zweifelt ist, ein Narr, ein 102 Quatschkopf, ein Rüpel, ein Maskenschwein, ein Liberaler, ein Galgenvogel –

Ich entfernte mich, und noch auf der Treppe hörte ich den künftigen Volksvertreter weiterschimpfen.


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