Julius Stettenheim
Unter vier Augen
Julius Stettenheim

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Bei General Tschernajeff.

Zehn Minuten später stand ich vor dem russischen General Tschernajeff.

Er war eben angekommen und packte seine Ehrensäbel aus. Bekanntlich war ihm nach jedem Siege, den er seine Feinde über sich erringen ließ, ein solches Schwert überreicht worden. Ich zählte 36. Es mochten aber wohl noch weniger sein.

Als ich eintrat, machte er rasch Kehrt und stand erst still, als er sah, daß ich kein Türke sei.

Nachdem ich ihm gesagt hatte, was mich zu ihm geführt, erzählte er mir seine Erlebnisse von Prag bis Paris. Seine Reise glich einem Triumphzuge. Auf jeder Station empfingen ihn die Eisenbahnbeamten und Kofferträger der Stadt, fast überall waren Bahnhöfe errichtet und wurden ihm Bier, Cognac, kurz Alles, was er verlangte, überreicht. Er schien sichtlich zufrieden.

49 Sind Sie, Herr General, mit Ihrer Mission in Serbien ebenso zufrieden?

Durchaus, antwortete er. Ich führte die serbische Armee von einem Siege der Türken zum andern und ließ die Feinde, wenn sie mich verfolgten, nicht zur Ruhe kommen.

– Schlugen sich die Serben gut?

Vortrefflich, besonders vortrefflich schlugen sie sich seitwärts in die Büsche und alle Gedanken an die Vertreibung der Türken aus dem Kopf. Mit großem Elan trieben sie die Feinde hinter sich her und gaben, wenn sie in Gefangenschaft geriethen, keinen Pardon.

– Und weshalb ist der Fürst Milan nicht König geworden?

Aus Bescheidenheit. Als ich ihm nach einem seiner glorreichsten Vormärsche gegen Belgrad die Krone auf's Haupt setzen wollte, erklärte er, daß er schon genug auf den Kopf bekommen habe.

– Sie glauben natürlich, daß Rußland einen Krieg unternehmen wird. Wird es siegen?

Bei jeder Niederlage der Türken.

– Und werden Sie ein Commando in der russischen Armee übernehmen?

Die Türkei wünscht dies.

Während wir also plauderten, betrachtete ich den 50 General genauer. Er ist ein, wie Diejenigen behaupten, die ihn auf dem Rückzug gesehen haben, rascher Vierziger und hat zwar Haare in Serbien lassen müssen, doch ist er kein Kahlkopf. Er ist auch durchaus nicht mager, im Gegentheil haben ihn die Serben dick bekommen. Seine Stirn würde eine sehr hohe zu nennen sein, wenn ihm nicht die Haare bis fast an die Augen gewachsen wären. Ich betrachtete den Feldherrn mit Interesse als einen Mann, der sich so manches Czechenlied hatte um die Ohren sausen lassen und im dichtesten Ehrensäbelregen nicht gewankt hatte.

Ich empfahl mich, ohne freilich über die russischen Pläne beruhigt zu sein. Ich mußte mir sagen, daß Rußland doch nicht eher ruhen würde, bis die Türkei sich gezwungen sieht, die Cultur und die Civilisation nach Rußland zu bringen.


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