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15. Über die allgemeinen Grundsätze des Planes einer provinzialständischen Verfassung.

An den Kronprinzen Friedrich Wilhelm.

5. November 1822.

E.K.H. geruhten mir unterm 16./30. Oktober die Abgebung meiner Ansichten über die von einer für Organisation der Provinzialstände niedergesetzten hohen Kommission aufgestellten Grundsätze und über die Art ihrer Anwendung allergnädigst anzubefehlen.

Die Zusage eines verehrten Monarchen, die Hoffnungen eines frommen, treuen Volkes sind also ihrer Erfüllung nahe. Die Entwerfung einer Verfassung ist einem jungen Fürsten anvertraut, den die Vorsehung mit einem ausgezeichneten, lebhaften, kräftigen Geiste, mit einem edlen, religiös-sittlichen Gemüt begabte, der früh unter den Stürmen einer verhängnisvollen Zeit gereift ist und den die Liebe aller umgibt ...

Das allgemein sich aussprechende Verlangen nach Verfassung ist in Deutschland und insbesondere bei den Bewohnern der preußischen Monarchie nicht das Ergebnis des verderblichen, neuerungssüchtigen Zeitgeistes, sondern eine Sehnsucht nach Wiederherstellung alter, wohltätig sich erwiesen habender Institutionen und Abneigung gegen Willkür und Eigenmacht. Denn ständische Verfassung oder Teilnahme der im Lande angesessenen Eigentümer an der Gesetzgebung, Abgabenverwilligung ist unter mannigfaltigen Formen und Veränderungen gleichzeitig mit denen Uranfängen der deutschen Staatenvereine und erhielt sich besonders in denen rheinisch-westfälischen Provinzen bis zum Unglücksjahr 1806 mit voller Lebendigkeit und großem Segen.

Wären aber auch dergleichen nie vorhanden gewesen, so vergrößert sich die Notwendigkeit der Bildung ständischer Institutionen durch die besondere Lage der preußischen Monarchie und die seit dem Jahre 1808 und besonders seit 1810 vorgegangene Veränderung in der Bildung der Verwaltungsbehörden.

Die relative Schwäche der preußischen Monarchie gegen die Nachbarstaaten kann nur durch moralische und intellektuelle Kraft, durch Bereitwilligkeit zu großen Opfern an Gut und Blut in den unvermeidlichen Zeiten der Gefahr ersetzt werden, und dieses Hingeben für das Vaterland wird vornehmlich durch den Gemeingeist erzeugt, der aus der Teilnahme am Gemeindewesen und Mitwirkung zu den Gemeindeangelegenheiten entspringt.

Es lag in der Art der Organisation der preußischen Verwaltungsbehörden vor dem Jahre 1810 ein größerer Schutz gegen Einseitigkeit, durchgreifende Willkür, als in der gegenwärtigen, die zwar kräftiger, konzentrierter wirkt, da die ältere Einrichtung oft unbeholfen war, aber daher auch leicht Gefahr läuft, sich zur Willkür und Einseitigkeit hinzuneigen.

Nach der älteren Einrichtung standen Auswärtiges, Justizdepartement, Kriegskollegium und Generaldirektorium wechselseitig unabhängig nebeneinander, große, allgemeine Maßregeln konnten also ohne Zustimmung mehrerer koordinierter Behörden nicht genommen werden. Die Gesetze wurden in den Gesetzkommissionen vorbereitet, und so erschienen sie selten, aber gerecht und dauernd.

In den Provinzen bestanden fast allgemein neben den Landeskollegien Stände und in Westfalen eine vortreffliche Kommunalordnung, die Erbentage. Die Landräte wurden gewählt. Nach der neueren Organisation der Verwaltungsbehörden haben wir eine zusammenhängende Beamtenhierarchie; sie beginnt mit dem ernannten Bürgermeister und Gemeinderat, setzt sich fort durch den ernannten Landrat, geht durch die Provinzialkollegien zu den Sachministerien über und endigt sich in ein über alle emporragendes Staatskanzellariat.

Dieser kräftigeren, konzentrierteren Organisation der Staatsbehörden verdanken wir allerdings seit dem Jahre 1810 eine Menge tief eingreifender, seit Jahrhunderten bestandene, auf stillschweigende und ausdrückliche Verträge beruhende Verhältnisse abändernder Gesetze und noch mehrere sie wieder begleitende Abänderungen, Deklarationen, Suspensionen usw.

Da man nun eine solche konzentrierte Beamtenhierarchie aufgebaut hatte, so ist es keinem Zweifel unterworfen, die Gesetzgebung und Verwaltung wäre ruhiger, schonender, beratender geworden, hätte man der neuen Maschinerie der Behörden ein Gegengewicht durch ständische Korporationen angehängt.

Überhaupt, es sei die zentralisierende Bureaukratie eingerichtet wie sie wolle, sie sei einzelstehenden Beamten oder Kollegien, Präfekten oder Regierungen übertragen, sie ende in einem Staatskanzellariat oder in mehreren, nebeneinander stehenden Ministerien, so liegen in ihr wesentliche, unzertrennliche Unvollkommenheiten, nämlich

Kostbarkeit,
Einseitigkeit und
Systemsucht,
Schwerfälligkeit und Lähmung der Unterbehörden,
Vernichtung des Gemeingeistes durch Regierungssucht. –

Kostbarkeit sage ich, denn statt daß vieles durch die Mitglieder der Gemeinde, durch die wohlhabenden Eingesessenen des Kreises, der Provinz geschah und geschehen konnte, so wird alles besoldeten, fremden Beamten übertragen, deren Gehälter dennoch nie im Verhältnis sein können zu den wahren oder vermeintlichen Bedürfnissen ihres Standes. Man vergleiche die Verwaltungskosten des Jahres 1806 eines Kreises, eines Amtes in Westfalen mit den gegenwärtigen.

Eine zweite Unvollkommenheit der unbedingten, reinen Bureaukratie ist Einseitigkeit. Z. B. eine aus 10-12 Personen bestehende Provinzialregierung soll die öffentlichen Angelegenheiten, so 4-500 000 Seelen betreffen, von der Geburt an bis zum Kirchhof, von der Hebamme bis zum Gottesacker erkennen, verwalten, leiten, entscheiden; da dieses nun durchaus gründlich unmöglich ist, so entsteht ein Aufgreifen einzelner Gegenstände, die allein mit Gründlichkeit und Besonnenheit behandelt werden können, in Ansehung des übrigen aber eine Schein- und Papiertätigkeit ohne irgendeinen wahren Wert.

Die Mittel- und Unterbehörden müssen ferner gelähmt werden durch ihre notwendige Abhängigkeit von den oberen Behörden, sie muß statthaben als Schutz der Regierten gegen Willkür der Beamten, sie verursacht aber notwendig einen langsamen, mit oft leeren Förmlichkeiten überladenen, unbeholfenen Geschäftsgang.

Die reine Bureaukratie ist auch geneigt zum Wechsel in den Verwaltungssystemen, sie ist gewöhnlich Personen anvertraut, die buchgelehrt oder aktenempirisch sind, dabei an kein Interesse, es sei das der Grundeigentümer oder des Gewerbestandes, gebunden sind, sie schöpfen ihre leitenden Grundsätze selten aus dem wirklichen Leben und sind daher geneigt zur Systemsucht, oder durch allerlei Wind der Lehre bewegt zu werden oder durch die Meinungen einzelner, momentanen Einfluß habender Personen, und so kulminiert heute das Fabriksystem, morgen das der ungebundenen Handels- und Gewerbefreiheit, heute steht man fest bei dem Herkömmlichen, morgen reformiert man rasch bäuerliche Verhältnisse, städtische Zunfteinrichtungen; den achtbaren tüchtigen Bauernstand bedroht die Gefahr, in Tagelöhner und Brinksitzer, den ehrsamen Bürger, in patentisierte Pfuscher verwandelt, und die alten Geschlechter der Grundeigentümer, durch agiotierende Juden verdrängt zu werden.

Die reine Bureaukratie wird ferner dadurch hauptsächlich verderblich, daß sie den Gemeingeist lähmt, der nur durch unmittelbare Teilnahme am öffentlichen Leben sich bildet, zunächst aus der Liebe zur Genossenschaft, zur Gemeinde, zur Provinz entspringt und sich stufenweise zur Vaterlandsliebe erhebt.

Endlich stehen die militärischen und bürgerlichen Institutionen miteinander in Widerspruch, diese lähmen den Gemeingeist, jene setzen ihn voraus, indem sie alle zur Landwehr, alle zum Opfer ihres Gutes und Blutes, zur Verteidigung des Vaterlandes aufrufen.

Die Mängel können teils gehoben, teils gemindert werden durch Gemeinde-, Kreis- und Provinzialverfassungen, die die Verwaltungskosten vermindern, der Neuerungssucht widerstehen, in den toten Aktenkram Leben bringen, die Selbständigkeit und Beweglichkeit der Provinzialbehörden befördern, indem sie zugleich gegen ihre Willkür schützen und Gemeingeist erwecken und verbreiten.

Um diese großen Zwecke zu erreichen, sind die gegenwärtigen Verhandlungen wegen Bildung von Provinzialständen unter Leitung S.K.H. des Kronprinzen begonnen, die Grundlinien zu einem Organisationsplan von einer hohen Kommission entworfen. Es ist erfreulich, in diesen Elementen des Organisationsplanes zu finden, daß man die Absicht habe, die Zukunft nicht an eine zerstörende und in eitlen Träumen aufbauende Zeit, sondern an eine naturgemäß entstandene, durch Herkommen und Geschichte geheiligte Vergangenheit zu knüpfen; daß das Volk nicht in große, unförmliche Massen zusammengeschmolzen, sondern die Gliederungen, so aus dem Eigentum, dem Gewerbe und der Art des Gemeindeverbandes entstehen, beachtet werden sollen.

Von der richtigen Bildung des Wirkungskreises der Provinzialstände hängt ihre Wohltätigkeit ab; ist er zu ausgedehnt, so entsteht Verwirrung, Lähmung der Kraft und Einheit der Staatsverwaltung; ist er zu beengt, zu wenig selbständig, so löst sich das Ganze in leeres, abgeschmacktes Formenwesen, gleich dem in einem benachbarten großen Staate auf, das für keinen verständigen Mann Interesse hat und Abneigung gegen alle Teilnahme erzeugt.

Allerdings kann die Mitwirkung der Stände bei der allgemeinen Gesetzgebung und Abgabenverwilligung nur beratend sein; ihr Urteil über allgemeine Maßregeln kann sich nach ihrer Stellung im Leben nur auf das Provinzialinteresse beziehen; die Einheit und Kraft der Monarchie würde zerrüttet, wollte man von der Zustimmung der Stände von einigen 20 Regierungsbezirken das Staatseinkommen und die allgemeine Gesetzgebung abhängig machen.

Die Zustimmung der Landstände zu Provinzialgesetzen und Provinzialabgaben scheint mir hingegen eine wesentliche ihnen beizulegende Befugnis; denn deshalb sind sie gebildet und bestellt, dazu sind sie ganz eigentlich berufen, daß sie das Eigentümliche der Landesverfassung und der Landeseinrichtung erhalten, die Zweckmäßigkeit der Provinzialinstitutionen beurteilen, Verbesserungen allmählich einleiten und dem übereilten, zerstörenden und verwirrenden Generalisieren abwehren. Das bloße Beraten artet leicht in leere Formen aus, und alsdann werden die beratenden Korporationen entweder erbittert und mißmutig oder gleichgültig, beides ist für den öffentlichen Geist verderblich.

Das den Provinzialständen eingeräumte Recht der Einwilligung zu Provinzialgesetzen und Institutionen hat sich in der Erfahrung nie nachteilig erwiesen und kann es nicht werden nach der Natur ihrer Zusammensetzung aus Eigentümern, die vermöge ihrer Angesessenheit alles Gute der Gesetzgebung genießen, alles Fehlerhafte büßen, während den unangesessenen Beamten, was er weise beschließt, nicht erfreut, was er töricht anordnet, nicht trifft.

Diese Gründe werden unterstützt durch den guten, treuen, besonnenen, rechtlichen Charakter des deutschen Volkes, durch den dem Landbewohner und Gutsbesitzer natürlichen Hang zur Ruhe und seine Abneigung gegen alles unruhige, wilde Treiben.

Das Bewilligungsrecht der Abgaben zur Bestreitung von Provinzialbedürfnissen kann den Ständen nicht verweigert werden, da sie doch die kompetenten Richter des für das örtliche Erforderlichen und ihm Angemessenen sind.

Das Recht, Beschwerden über provinzielle Gegenstände vor den Thron zu bringen und über Mißbräuche, Unordnungen der Provinzialverwaltung und der Beamten, begreift zugleich in sich das Recht, Anträge auf Verbesserung der provinziellen Gesetzgebung, Anstalten, polizeilichen Verwaltungen zu machen.

Endlich will des Königs Majestät denen Ständen die Verwaltung gewisser Gegenstände überlassen.

Durch diese sehr weise Maßregel können manche Geschäftszweige, so den Ständen ganz übertragen werden, unentgeltlich, andere, an denen sie teilnehmen, wohlfeiler verwaltet werden, und über alle wird sich ein Geist der Milde, der Gesetzlichkeit, der Ordnungsliebe verbreiten.

Es entsteht nunmehr die Frage, welches sind die Verwaltungszweige, so denen Landständen übertragen werden können?

Die Art der Übertragung ist verschieden; es kann ein Zweig der Verwaltung den Ständen ganz übergeben werden, oder die Stände nehmen durch Deputierte teil an Kommissionen, so zugleich aus landesherrlichen Beamten bestehen, oder sie werden in Kenntnis gesetzt von dem Gange eines Zweiges der öffentlichen Angelegenheiten durch regelmäßige Vorlegung der Akten auf den Landtagen.

Nach denen »Allgemeinen Grundsätzen« sollen die Kommunalangelegenheiten den Beschlüssen der Stände überlassen werden. Werden, wie es sehr zu wünschen, die alten Erbentage, Amtskreistage in Westfalen wieder eingeführt und ein ähnliches Institut mit den nötigen provinziellen Abänderungen allgemein gemacht, so kann die Aufsicht auf den Gang ihrer Verhandlungen, die Verwaltung des Gemeindewesens, die Rechnungsabnahme am zweckmäßigsten den mit dem Inneren der Gemeinde, Ämter, Kreise vertrauten Ständen übertragen werden, und diese Aufsicht wird folgenreicher sein, als die der entfernten und fremden Behörden sein kann.

Die Provinzialregierung erhält von ihnen eine allgemeine Übersicht, und so werden sie und die obersten Behörden des Staates von einer Masse von Geschäften entledigt, die oft nur von unwissenden Subalternen auf eine formelle Art behandelt werden und die ihre Aufmerksamkeit von den größeren Angelegenheiten der Staatsverwaltung abziehen.

Es kann ferner die Verwaltung der Feuersozietätssachen denen Ständen übertragen werden, da es eine rein gesellschaftliche Angelegenheit ist, sowie jede Assekuranzanstalt.

An folgenden Verwaltungszweigen können die Stände durch Beiordnung von Deputierten teilnehmen:

Wegebau, Wasserbau, Landarmen, Schulsachen, den Geschäften der Generalkommission für die Gemeinheitsteilung und Anordnung der bäuerlichen Verhältnisse und Katasterwesen.

Sind die Geschäfte besonderen Kommissionen anvertraut, so werden ihnen ständische Deputierte beigeordnet, verwaltet sie die Regierung unmittelbar, so nehmen ständische Deputierte an den diesen Geschäftszweig betreffenden Verhandlungen teil durch Beiwohnung der Konferenzen, der Strombefahrung usw.

Nach den »besonderen Grundsätzen« sollen die Stände aus Ritterschaft, Bürgerstand und Bauernstand zusammengesetzt werden und ihnen in einzelnen Fällen Standesherren noch beigeordnet werden. Die Ritterschaft soll aus allen großen Grundbesitzern ohne Unterschied des Standes bestehen.

Nach den »allgemeinen Grundsätzen« verliert der Adel seine Korporationsrechte, seine erbliche Familien-Provinzial-Standschaft, er wird mit der Masse der größeren Gutsbesitzer zusammengeworfen und erhält nur Wahlfähigkeit.

So wird der Grundbegriff des Adels zerstört, der großen fideikommissarischen Grundbesitz, Geschlechtsalter und sittliche Würde in sich schließt, und seine Ehre vernichtet, dies Band des Geschlechts, das die Achtung für die Vergangenheit an die Hoffnung für die Zukunft knüpft. An ihre Stelle treten materieller Reichtum, Ackerfläche und Kornsäcke, die höchsten Güter des gemeinen, irdischen Menschen.

Ist diese gewaltsame Zerstörung des alten Rechts, der alten Sitte notwendig? Zur Erreichung des Zwecks der landschaftlichen Korporationen unvermeidlich?

Und welchen Eindruck wird sie auf die Mitglieder der alten Ritterschaft machen? Und auf die übrigen Klassen der Eingesessenen?

Diese Maßregel ordnet nicht, sondern zerstört mit einem Streich das seit Jahrhunderten bestandene und erworbene Recht ohne unbedingte Notwendigkeit, sie kränkt tief die Gefühle der Berechtigten, ohne den Zustand der übrigen wesentlich zu verbessern, und steht in geradem Widerspruche mit der von der Kommission zur Anordnung der landständischen Verfassung ausgesprochenen Achtung für das historische Prinzip.

Die bisher bestandene Verfassung der ritterschaftlichen Genossenschaft läßt sich aber auf eine Art ermäßigen, die das Bestehende schont und das, was die neuen veränderten Verhältnisse bieten, berücksichtigt und aufnimmt.

Die ritterschaftliche Genossenschaft muß nicht ferner ein durch den Stammbaum spröd abgeschlossener Verein sein, er muß durch Aufnahme neuer Mitglieder an Vermögen, Geist und Leben erfrischt werden können und jetzt und in der Folge alle diejenigen aufnehmen, so eine Standeserhöhung erhalten und ihr Verdienst bewährt haben durch die Erlangung angesehener Militär- oder Zivilstellen, so genau zu bestimmen sind, und damit einen Besitz von bedeutendem Grundeigentum verbinden.

So wird der Adel allen erreichbar und das Ziel des Strebens aller politischen Talente, er kommt in Verein mit allen Ständen, steht nicht mit ihnen im grellen Gegensatz.

Die ständischen Rechte der Korporationen werden ferner in Zukunft ausgeübt teils durch Virilstimmen, so man denen großen adligen Geschlechtern der Provinz beilegt, und hierdurch sichert man den wohltätigen, das Bestehende erhaltenden, das Bewegte besänftigenden Einfluß des großen Eigentums; die übrigen Stimmen sind Kuriatstimmen des Adels, die er durch Wahlen aus seiner Mitte ausübt. Das Verhältnis der Stimmenzahl der adligen Genossenschaft zu der der übrigen Grundeigentümer bestimmt sich nach dem Verhältnis des Wertes der von jeder Abteilung besessenen Gütermassen; dieses Verhältnis wird in den verschiedenen Provinzen der Monarchie sehr verschieden sein.

Die Städte erklären die »allgemeinen Grundsätze« für den anderen Bestandteil des Landtages, die Abgeordneten aus ihrer Mitte sollen das Interesse der Gewerbe und des Handels vertreten. Eine ehrenvolle und wirksame Stelle gebührt ihnen auf den Landtagen sowohl nach der Natur der Sache als geschichtlich.

Man gebe aber in den Provinzen, wo die Städteordnung Anno 1808 nicht eingeführt ist, ein Stadtrecht, dessen wesentliche Teile bestehen in dem Wahlrecht ihrer Obrigkeit, in der Verwaltung ihres Gemeingutes, in der Ausübung der der Stadtgemeinde zustehenden Gemeinheitsrechte, in der Ausübung der städtischen Polizei, denn ohne ein Gemeindeleben bildet sich kein Gemeingeist. Es beleidigt den gesunden Menschenverstand und das Rechtsgefühl, zu sehen, wie man unseren alten, großen Städten, z.B. Köln, Aachen usw., eine städtische Verfassung vorenthält, und daß hingegen in der Kurmark, wo die Städteordnung eingeführt, die Stadt Saarmund, bestehend aus 52 Häusern und 334 Einwohnern, und die Stadt Rhinow, bestehend aus 55 Häusern und 471 Einwohnern, einen größeren Umfang an Korporationsrechten genießt.

Die Zulassung des Bauernstandes zu den Landtagen ist von ältesten Zeiten herkömmlich in den Provinzen Deutschlands, wo der Bauer freier Eigentümer war, z.B. Ostfriesland, Fürstentum Mörs, Württemberg – und da er es in einem Teile der preußischen Monarchie gegenwärtig wird oder in einem andern schon längst ein erbliches, nutzbares Eigentum besitzt, so wird ihm mit Recht die Standschaft zugestanden und ihm ihre unmittelbare Ausübung gegen das Eindringen der Gelehrten oder Advokaten oder Beamten geschützt.

Man suche aber einen sittlichen, achtbaren, selbständigen Bauernstand, wo er vorhanden ist, zu erhalten, wo er fehlt, zu bilden, und untergrabe und verhindere ihn nicht, wie es durch das Edikt d.d. 25. September 1820 geschieht.

Ich vermisse unter den Elementen der Zusammensetzung der Landstände die Kirche.

Sie nahm in allen deutschen Staaten von jeher einen bedeutenden Platz in der Verfassung, er ward ihr auch in den neueren Konstitutionen von Bayern, Baden usw. angewiesen, und er gebührt ihr zu ihrer geistigen Sicherung und Gründung und in Hinsicht auf ihre Würde und ihr Einkommen, das auf Grundeigentum sich gründet und nach den mit dem päpstlichen Hofe Anno 1820 getroffenen Verabredungen sich gründen soll. Die katholische Kirche kann teilnehmen durch das Stimmrecht des Bischofs, die protestantische durch einen auf der Synode gewählten Abgeordneten.

Die Stände bilden nach den »allgemeinen Grundsätzen« eine unteilbare Versammlung. Die Teilung der landständischen Versammlung nach ihren verschiedenen Elementen in mehrere Kammern ist in ganz Deutschland von ältesten Zeiten herkömmlich. Ich halte es nicht für ratsam, eine altherkömmliche, durch die Erfahrung bewährte Form zu beseitigen.

Die allgemeinen Schlußbemerkungen sind höchst weise, sie sichern durch Bildung der Majorate für den Adel, durch Erhaltung der Bauernhöfe in angemessener Höhe, durch Zurückführung der Gewerbefreiheit in gesetzmäßige Grenzen den Adel gegen seine Auflösung und einen würdigen, achtbaren Bürger- und Bauernstand gegen das Herabsinken zu einem mit Kummer und Nahrungssorgen kämpfenden Pöbel, den eine durch Mangel und Bedürfnis auf das höchste aufgereizte Gewinnsucht zur Gleichgültigkeit gegen das Edle und Sittliche und zum Laster und Verbrechen verführt. Unsere neueren Gesetzgebungen über bäuerliche Verhältnisse, unbedingte Gewerbefreiheit, Gerechtsame der Juden führen zuletzt zu diesen verderblichen Resultaten.

Den Wert der Zünfte beurteilte man einseitig aus dem staatswirtschaftlichen Gesichtspunkte, ob sie die Gewerbstätigkeit begünstigen. Es mag allerdings in ihren Einrichtungen manches, das freie Spiel der produktiven Kräfte Störende gelegen haben, zum Teile konnte es aber gehoben werden, und zum Teil hat diese freie Tätigkeit auch ihre Nachteile: Mißverhältnis der Produktion zur Konsumtion und übermäßige Entwicklung der eigensüchtigen Triebe. Der Staat ist aber kein landwirtschaftlicher und Fabrikenverein, sondern sein Zweck ist religiös-sittliche, geistige und körperliche Entwicklung; es soll durch seine Einrichtungen ein kräftiges, mutiges, sittliches, geistvolles Volk, nicht allein ein kunstreiches, gewerbefleißiges gebildet werden. Das Bürgertum wird aber besser entblühen aus Zünften, die durch gemeinschaftliches Gewerbe, Lebensweise, Erziehung, Meisterehre und Gesellenzucht gebunden sind, als aus den topographischen Stadtvierteln, wo Nachbar mit Nachbarn in keiner Verbindung steht, sondern alle durch den Egoismus aller auseinander gehalten werden. In den »allgemeinen Grundsätzen« finde ich der Gemeinde- oder Kommunalverfassung nicht erwähnt. Sie steht jedoch in der engsten Verbindung mit der landständischen Verfassung. Ist sie so gebildet, daß sie ein freies Leben, eine lebendige Teilnahme an der Gemeindesache bei dem einzelnen erweckt, so enthält sie die reinste Quelle der Vaterlandsliebe, sie bindet an den väterlichen Herd, an die Erinnerungen der Jugend, an die Eindrücke, so die Ereignisse und die Umgebung des ganzen Lebens gelassen. Die Gemeindeverfassung sichert die wahre, praktische Freiheit, die täglich und stündlich in jedem dinglichen und persönlichen Verhältnisse des Menschen sich äußert, und schützt gegen amtliche Willkür und Aufgeblasenheit.

Aber solche Wirkungen können sich nur dann äußern, wenn das Gemeindeeigentum und die Gemeindeangelegenheiten der Verwaltung der Gemeinde und ihrer selbstgewählten Vorsteher unter Aufsicht der Landstände überlassen werden, die Gemeinde selbst aus tüchtigen, angesessenen Mitgliedern besteht und sie gegen das Eindringen von christlichem und jüdischem Gesindel geschützt wird. Geschieht aber von allem diesen das Gegenteil, überträgt man die Gemeindesachen ernannten, fremden Beamten, ordnet man ihnen nur ein Schattenbild von Gemeindevorstand bei, wälzt man auf Kommunalkassen eine Menge fremdartiger Ausgaben, läßt man es zu, daß Gesindel sich in die Gemeinden dränge, so entsteht statt Liebe zur Gemeinde Abneigung gegen alle Teilnahme an Gemeindeangelegenheiten.


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