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9. Kritik der deutschen Bundesakte.

24. Juni 1815.

Die deutsche Bundesakte ist am 8. Juni durch die Bevollmächtigten der deutschen Könige, Fürsten und Städte unterzeichnet worden. Jedermann, der sein Vaterland liebt und dessen Glück und Ruhm wünscht, ist berufen, zu untersuchen, ob der Inhalt dieser Urkunde entspricht der Erwartung der Nation, der Größe ihrer Anstrengungen, ihrer Leiden, der Tatkraft und Beschaffenheit des Geistes, der sie jene zu machen und diese zu ertragen instand setzte? Ob sie in dieser Urkunde die Gewähr ihrer bürgerlichen und politischen Freiheit findet? Ob die dadurch geschaffenen Einrichtungen dem durch die verbündeten Herrscher in ihren Bekanntmachungen verkündeten Zweck des Krieges entsprechen und den Grundsätzen gemäß sind, welche der Kaiser Die Denkschrift wendet sich an das russische Kabinett. in seinem politischen Betragen gegenüber den fremden Völkern, der Schweiz usw., bekannt hat?

Der Kaiser erklärte bei dem Eintritt mit seinem Heere in Deutschland (April 1813), er beabsichtige, den Fürsten und Völkern Deutschlands zu helfen, um ihre Freiheit und Unabhängigkeit wieder zu erobern, und der Wiederherstellung des alten Reiches einen mächtigen Schutz und eine feste Gewähr zu leihen.

Der Kaiser bestand in seiner Note vom 11. November auf Herstellung eines politischen Systems in Deutschland, welches die innere Ruhe gewährleiste, die Verwendung seiner Kräfte einer zusammengedrängten Leitung unterwerfe und die Mißbräuche der Gewalt verhüte, indem es die Rechte aller Klassen der Gesellschaft durch starke, weise und freisinnige Einrichtungen beschütze.

Unsere neuen Gesetzgeber haben an die Stelle des alten deutschen Reiches mit einem Haupte, gesetzgebender Versammlung, Gerichtshöfen, einer inneren Einrichtung, die ein Ganzes bildete – einen deutschen Bund gesetzt, ohne Haupt, ohne Gerichtshöfe, schwach verbunden für die gemeine Verteidigung. Die Rechte der einzelnen sind durch nichts gesichert als die unbestimmte Erklärung, »daß es Landstände geben solle«, ohne daß etwas über deren Befugnisse festgestellt ist (Artikel 13), und durch eine Reihe Grundsätze (Artikel 18) über die Rechte jedes Deutschen, worunter man die Habeas corpus, die, Abschaffung der Leibeigenschaft ausgelassen hat und welche durch keine schützende Einrichtung verbürgt werden.

Die Bildung des Bundestages, mag er als Bundesversammlung oder als Plenum handeln, gestattet nur schwer eine für alle verbindliche Handlung, da die Fälle, welche Einstimmigkeit erheischen, so zahlreich und so unbestimmt ausgedrückt sind. Sie wird erfordert jedesmal, wo es sich darum handelt:

a) Grundsätze zu geben oder zu verändern, b) organische Bundeseinrichtungen zu schaffen, c) über Rechte einzelner zu beschließen d) oder über Gegenstände der Religion.

Das Recht der Bündnisse einzelner Staaten mit Fremden wird allein durch die Verpflichtung beschränkt, keine Verbindungen einzugehen, welche gegen den Bund oder eines seiner Güter gerichtet sind (Artikel II). Der Deutsche wird also sein Blut vergießen für seinem Lande fremde Streitigkeiten, wenn sein Fürst sich mit Frankreich oder England gegen eine andere Macht verbindet – er wird sogar verpflichtet sein, seinen Landsmann zu bekämpfen, wenn dessen Fürst sich mit dem Gegner verbunden hat.

Von einer so fehlerhaften Verfassung läßt sich ein nur sehr schwacher Einfluß auf das öffentliche Glück Deutschlands erwarten, und man muß hoffen, daß die despotischen Grundsätze, von denen mehrere Kabinette sich noch nicht losmachen können, nach und nach durch die öffentliche Meinung, die Freiheit der Presse und das Beispiel zerstört werden, welches mehrere Fürsten, besonders Preußen, geben zu wollen scheinen, indem sie ihren Untertanen eine weise und wohltätige Verfassung erteilen.

Rußland kann den guten Grundsätzen mehr Kraft geben und ihre Anwendung beschleunigen, wenn es fortfährt, sie in seinen Erklärungen zu bekennen und sie durch seine Gesandten an den deutschen Höfen zu unterstützen. Da es von der Bundesakte Kenntnis nimmt, so könnte es sich über ihre Unvollkommenheiten aussprechen ... und es könnte schließlich auf der Notwendigkeit bestehen, diesen Unvollkommenheiten abzuhelfen, sobald der Bundestag sich versammeln und über die Grundgesetze beraten wird.


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