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13. An Ernst Moritz Arndt.

5. Januar 1818.

Die Frage wegen landständischer Verfassungen wird gegenwärtig von allen Seiten abgehandelt; die Mehrheit will dergleichen Institutionen in das Leben gebracht haben, manche und leider die Machthaber suchen sie zurückzuhalten und zu beseitigen. E. Wohlgeboren ist es nicht unbekannt, zu welcher Partei ich gehöre.

Bei diesem Zustand der Dinge sollten doch alle Freunde einer gesetzlichen Freiheit sich vereinigen, um das gemeinschaftliche Ziel zu erringen und den gemeinschaftlichen Feind zu bekämpfen und nicht untereinander sich veruneinigen, nicht durch Unbesonnenheiten Blößen geben und sich wechselseitig schaden.

Die wahren Widersacher der guten Sache sind das Beamtenheer. Diese wünschen, gut besoldet mit Bequemlichkeit, durch Pensions pragmatiques für das Leben gesichert, ihr geheimnisvolles Schreiberwerk fortzutreiben; sie ahnen es, daß durch eine repräsentative Verfassung für sie eine wahre Verantwortlichkeit, nicht eine Scheinverantwortlichkeit wie jetzt gegen ihre 70 Meilen entfernten, überladenen Oberen, vorhanden sein wird und daß ihre Zahl sich verringern muß. Statt nun die aus diesem Zustand der Dinge entstehenden Hindernisse zu beseitigen, spricht man gegen die Aristokraten, die ohne wahren Einfluß sind, und predigt den reinen Demokratismus, begeht Narrheiten wie die ... Fries, Oken und Jahn und gibt den Widersachern Gelegenheit, das Ganze verdächtig und den Fürsten gehässig zu machen.

So gehen wir blind in der Irre und hetzen uns auf die tollste Art gegeneinander; der eine will das Volk in einen großen Brei auflösen, alle Gliederungen und Absonderungen zerstören, der andere will die Bauern in Tagelöhner, die Bürger in patentisierte Pfuscher und das Ganze in ein Aggregat von Gesindel, Juden, neuen Reichen, phantastischen Gelehrten verwandeln usw.

Der gegenwärtige Moment ist wichtig und verhängnisvoll. Männer wie E. Wohlgeboren, die im Getümmel des praktischen Lebens und in mannigfaltiger Bewegung und Berührung gelebt, sollten ihre Stimme erheben und ihren Einfluß geltend machen.

Wir leben in einer Zeit des Übergangs, wir müssen also das Alte nicht zerstören, sondern es zeitgemäß abändern und uns sowohl den demokratischen Phantasten als den gemieteten Verteidigern der fürstlichen Willkür widersetzen. Beide vereinigen sich, um Zwietracht unter den verschiedenen Ständen der bürgerlichen Gesellschaft zu erregen, in entgegengesetztesten Absichten, die einen, um alle Versuche, eine repräsentative Verfassung zu bilden, zu vereiteln, die andern, um eine unhaltbare ins Leben zu bringen.

Dieser Haß unter den Ständen, unter Bürgern und Adel bestand in den blühendsten Zeiten der deutschen Städte, im 13. und 14. Jahrhundert, nicht; jeder Stand hatte seine Ehre, zwischen ihnen bestand ein wechselseitiges Band der Dienstleistungen, des Umgangs, durch Verfassung und Sitten geknüpft.

Diese Stände müssen nebeneinander bestehen, nicht durcheinandergemengt, ein Geschlechts- und Güteradel, kein Dienstbriefadel, ein tüchtiger Bürger- und Gewerbestand, ein ehrsamer, freier Bauernstand, kein Tagelöhnergesindel; und so steht der alte durch den Lauf der Zeit geschwächte Stand der Freien wieder da, erscheint in der Gemeinde, am Amts- oder Kreistage, auf dem Landtage, auf dem Reichstage zum Beraten und Beschließen und greift in gemeinsamer Not zu Wehr und Waffen.

Ein solcher Zustand der Dinge läßt sich aus dem Bestehenden entwickeln und selbst die alten Benennungen, in jedem Lande einheimisch und bekannt und verständlich, beibehalten, z.B. Erbentag, Kirchspielstag, Amtstag usw.

Auf diese Art wird nicht alles zertrümmert und ein neues aus der Luft gegriffenes Gebäude ohne Festigkeit und Haltung aufgeführt. Gott gebe seinen Segen und schütze sein frommes, mildes und tapferes deutsches Volk gegen Anarchie, Willkür, fremde Invasion.


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