Rudolf Steiner
Die Pforte der Einweihung
Rudolf Steiner

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Elftes Bild

Der Sonnentempel; oberirdisch, verborgene Mysterienstätte der Hierophanten.

Retardus: (vor ihm Capesius und Strader)
Ihr habt mir bittre Not gebracht.
Das Amt, das euch von mir gegeben war,
Ihr habt es schlecht verwaltet.
Ich fordre euch vor meinen Richterstuhl.

Capesius, ich gab dir hohe Geistesart,
So dass Ideen vom Menschenstreben
Anmutvoll deiner Rede Inhalt waren
Und überzeugend hätten wirken sollen.
Ich lenkte deine Wirksamkeit in Kreise,
In denen du Johannes und Maria trafest.
Du hättest ihre Neigung für das Geistesschauen
Verdrängen sollen durch die Kraft,
Die deine Worte hätten wirken sollen.
Statt dessen übergabst du selbst dich nur
Der Wirkung, die von ihnen kommt.

Dir, Strader, öffnet' ich den Weg
In sich're Wissensbahnen.
Du solltest durch das strenge Denken
Die Zauberkraft der Geistesschau zerstören.
Doch mangelt dir des Fühlens Sicherheit.
Die Kraft des Denkens, sie entwand sich dir,
Wo dir Gelegenheit zum Sieg sich bot.
Es ist mein Schicksal euren Taten eng verbunden.
Durch euch gehn jene beiden Wahrheitsucher
Für alle Zukunft meinem Reich verloren.
Ich muss die Seelen an die Brüder überliefern.

Capesius:
Ich konnte dir ein guter Bote niemals sein.
Du gabst mir Kraft, das Menschenleben darzustellen.
Ich konnte schildern, was die Menschen
Zur einen oder andern Zeit begeistert;
Doch war es mir nicht möglich,
Den Worten, welche das Vergangne malten,
Die Kraft zu geben, Seelen ganz zu füllen.

Strader:
Die Schwäche, welche mich befallen musste,
Sie ist das Abbild nur der deinen.
Du konntest mir das Wissen schenken;
Doch nicht die Kraft, zu stillen alle Sehnsucht,
Die in dem Menschenherzen nach der Wahrheit strebt.
Ich musste stets in meinem Innern
Noch andre Kräfte fühlen.

Retardus:
Ihr seht die Wirkung eurer Schwäche.
Es nahen schon die Brüder mit den Seelen,
In welchen sie mich überwinden werden.
Johannes und Maria folgen ihrer Macht.

(Benedictus mit Lucifer, Ahriman, dahinter Johannes und Maria. Dann Theodosius, Romanus; die Seelenkräfte; Felix und Felicia Balde, die andre Maria; zum Schluss Theodora.)

Benedictus: (zu Lucifer)
Johannes' und Marias Seelen,
Sie haben Raum nicht mehr für blinde Kraft;
Sie sind zum Geistessein erhoben.

Lucifer:
Ich muss die Seelen wohl verlassen.
Die Weisheit, welche sie errungen,
Sie gibt die Kräfte, mich zu schauen.
Ich habe über Seelen nur Gewalt,
So lang sie mich nicht schauen können
Doch bleibt die Macht bestehn,
Die mir im Weltenwerden zugeteilt.
Und kann ich ihre Seelen nicht versuchen,
Wird meine Kraft im Geiste ihnen erst
Die schönsten Früchte reifen lassen.

Benedictus: (zu Ahriman)
Johannes' und Marias Seelen,
Sie haben Irrtums Finsternis in sich vertilgt.
Das Geistesauge haben sie eröffnet.

Ahriman:
Ich muss auf ihren Geist verzichten.
Sie werden sich zum Lichte wenden;
Doch bleibt mir's unbenommen,
Die Seelen mit dem Scheine zu beglücken.
Sie werden nicht mehr glauben,
Dass er die Wahrheit sei,
Doch schauen können,
Wie er sie offenbart.

Theodosius: (Zur andren Maria)
Es war dein Schicksal eng verbunden
Mit deiner höhern Schwester Leben.
Ich konnte ihr der Liebe Licht,
Doch nicht der Liebe Wärme geben,
So lange du beharren wolltest,
Dein Edles aus dem dunklen Fühlen nur
In dir erstehn zu lassen,
Und nicht in vollem Weisheitslichte
Es klar zu schauen dir erstrebtest.
In dunkler Triebe Wesen reicht
Des Tempels Einfluss nicht,
Auch wenn sie Gutes wirken wollen.

Die andre Maria:
Ich muss erkennen, dass ein Edles nur
Im Lichte heilsam wirken kann,
Und wende mich zum Tempel.
Mein Fühlen soll in Zukunft
Dem Liebeslicht nicht seine Wirkung rauben.

Theodosius:
Durch deine Einsicht gibst du mir die Kraft,
Marias Seelenlicht den Weg zur Welt zu bahnen.
Es musste stets die Macht verlieren
An Seelen deiner frühern Art,
Die Licht mit Liebe nicht verbinden wollen.

Johannes: (Zur andren Maria)
Ich schau' in dir die Seelenart,
Die auch im eignen Innern mich beherrscht;
Den Weg zu deiner höhern Schwester,
Ihn konnte ich nicht finden,
So lang in mir der Liebe Wärme
Vom Liebeslicht getrennt sich hielt.
Das Opfer, welches du dem Tempel bringst,
In meiner Seele soll es nachgebildet sein.
In ihr soll Liebeswärme sich
Dem Liebeslichte opfern.

Maria:
Johannes, du erwarbest dir im Geisterreich
Erkenntnis jetzt durch mich;
Du fügst zur Geist-Erkenntnis Seelensein,
Wenn du die eigne Seele findest,
Wie du die meine hast gefunden.

Philia:
Es wird aus allem Weltenwerden
Die Seelenfreude sich dir offenbaren.

Astrid:
Es wird dein ganzes Sein
Die Seelenwärme jetzt durchleuchten können.

Luna:
Du wirst dich selber leben dürfen,
Wenn Licht in deiner Seele leuchten kann.

Romanus: (zu Felix Balde)
Du hieltest dich dem Tempel lange fern;
Du wolltest nur Erleuchtung anerkennen,
Wenn eigner Seele Licht sich offenbarte.
Die Menschen deines Wesens rauben mir die Kraft,
Mein Licht zu geben Erdenseelen.
Sie wollen nur aus dunklen Tiefen schöpfen,
Was sie dem Leben bringen sollen.

Felix Balde:
Es hat der Menschenwahn nun selbst
Aus dunklen Tiefen mir das Licht gewiesen
Und mich den Weg zum Tempel finden lassen.

Romanus:
Dass du den Weg hieher gefunden,
Kann mir die Kraft verleihn,
Johannes und Maria
Den Willen zu erleuchten,
Dass er nicht blinden Mächten folge,
Dass er aus Weltenzielen
Sich seine Richtung gibt.

Maria:
Johannes, du hast dich nun selbst
Im Geist an meinem Selbst geschaut;
Du wirst als Geist dein Sein erleben,
Wenn Weltenlicht in dir sich schauen kann.

Johannes: (zu Felix Balde)
Ich schau' in dir, mein Bruder Felix,
Die Seelenkraft, die mir im eignen Geist
Den Willen hielt gebunden.
Du hast den Weg zum Tempel finden wollen;
Ich will in meinem Geist der Willenskraft
Den Weg zum Seelentempel weisen.

Retardus:
Johannes' und Marias Seelen
Entringen meinem Reiche sich.
Wie sollen sie nun finden,
Was meiner Macht entspringt?
So lang im eignen Innern
Des Wissens Gründe ihnen fehlten,
Erfreuten sie sich meiner Gaben;
Gezwungen seh' ich mich,
Von ihnen abzulassen.

Frau Balde:
Dass ohne dich der Mensch
Zum Denken sich befeuern kann,
Ich habe dir's gezeigt.
Aus mir entströmt ein Wissen,
Das Früchte tragen darf.

Johannes:
Es soll dies Wissen sich dem Licht vermählen.
Das aus des Tempels vollem Quell
Den Menschenseelen leuchten kann.

Retardus:
Capesius, mein Sohn,
Du bist verloren;
Du hast dich mir entzogen,
Bevor des Tempels Licht dir leuchten kann.

Benedictus:
Er hat den Weg begonnen.
Er fühlt das Licht
Und wird die Kraft gewinnen,
In eigner Seele zu ergründen,
Was ihm Felicia bis jetzt erzeugen muss.

Strader:
Verloren scheine ich allein.
Ich kann die Zweifel selbst nicht bannen,
Und wiederfinden werde ich doch sicher nicht
Den Weg, der zu dem Tempel führt.
Theodora (erscheinend):
Aus deinem Herzen
Entschwebt ein Lichtesschein,
Ein Menschenbild entringt sich ihm.
Und Worte kann ich hören,
Die aus dem Menschenbilde kommen;
Sie klingen so:
Ich habe mir errungen
Die Kraft, zum Licht zu kommen.«
Mein Freund, vertraue dir!
Du wirst die Worte selber sprechen,
Wenn deine Zeit erfüllt wird sein.

(Vorhang fällt.)


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