Rudolf Steiner
Die Pforte der Einweihung
Rudolf Steiner

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Erstes Bild

Zimmer in rosenrotem Grundton, rechts, vom Zuschauer aus gemeint, die Tür zu einem Versammlungssaal; die Personen kommen aus diesem Saal nach und nach heraus; eine jede verweilt noch einige Zeit in diesem Zimmer. Während dieses Verweilens sprechen sich die Personen über mancherlei aus, was in ihnen durch eine Rede angeregt worden ist, die sie in dem Versammlungssaal gehört haben. (Maria und Johannes kommen zuerst, dann treten andere hinzu. Es ist die gehaltene Rede seit einiger Zeit zu Ende, und die folgenden Reden sind Fortsetzungen von Gesprächen, welche die Personen schon im Versammlungssaal geführt haben.)

Maria:
So nahe geht es mir, mein Freund,
dass ich dich welken seh' an Geist und Seele.
und fruchtlos sehen muss ich auch das schöne Band,
das zehen Jahre uns vereint.
Auch diese inhaltvolle Stunde,
in welcher wir so vieles hören durften,
was Licht in dunkle Seelentiefen strahlt,
sie hat nur Scharten dir gebracht.
Ich konnte nach so manchem Worte,
das unser Redner eben sprach,
im eignen Herzen mitempfinden,
wie tief es dich verwundet.
– – – – – – – – – – – – – –

Ich sah in deine Augen einst:
sie spiegelten Freude nur
an aller Dinge Wesenheit,
und deine Seele hielt
in schönheitvollen Bildern fest,
was Sonnenlicht und Luft,
die Körper überflutend
und offenbarend Daseinsrätsel,
in flücht'gen Augenblicken malen.
Noch war gelenk nicht deine Hand,
in derber Farbenpracht
nicht konnte sie verkörpern,
was lebensvoll vor deiner Seele schwebte.
In unsrer beider Herzen lebte
der schöne Glaube doch,
dass sicher dir die Zukunft bringen müsse
die Kunst der Hand zur frohen,
in des Geschehens Grund
so innig-tief ergossnen Seele.
Und was vom Daseinswesen offenbart
so wunderbar des Geistes Forscherkraft,
es werde Seelenwonnen
aus deiner Kunst Geschöpfen
in Menschenherzen giessen:
so dachten wir in jenen Zeiten.
der Zukunft Heil im Spiegel höchster Schönheit,
entspringend deinem Können:
so malte deiner Seele Ziel die meine sich.
Und nun ist wie erloschen
in deinem Innern alle Kraft,
wie tot ist deine Schaffensfreude,
gelähmt fast scheint der Arm,
der jugendfrisch vor Jahren
den Pinsel kräftig führte.

Johannes Thomasius:
So leider ist es.
Ich fühle wie verschwunden
der Seele früh'res Feuer.
Und stumpf nur schaut mein Auge
den Glanz der Dinge,
den Sonnenlicht verbreitet über sie.
Fast fühllos bleibt mein Herz,
wenn wechselnde Luftstimmung
hingleitet über meinen Umkreis.
Es regt sich nicht die Hand,
zu zwingen in die bleibende Gegenwart,
was flüchtig Elementgewalten
aus Daseinsgründen zaubern vor die Sinne.
Es quillt mir lustvoll
nicht mehr der Schaffenstrieb.
Und Dumpfheit breitet über all mein Leben sich.

Maria:
Beklagen muss ich tief,
dass solches dir erwächst aus allem,
was mir das Höchste,
was Strom des heiligen Lebens mir ist.
O Freund, in jenem Wechselspiel,
das Menschen Dasein nennen,
verbirgt ein ewig geistig Leben sich.
Und jede Seele webt in diesem Leben.
Ich fühle mich in Geisteskräften,
die wirken wie in Meerestiefen,
Und seh' der Menschen Leben
wie Wellenkräuseln an des Wassers Oberfläche.
Ich fühle eins mit allem Lebenssinne mich,
nach dem die Menschen rastlos streben,
und welcher mir nur scheint
des eignen Wesens Offenbarung.
Ich sah, wie oft er sich verband
mit eines Menschen Seelenkern,
zum Höchsten ihn erhebend,
was nur das Herz erflehen kann.
Doch wie er lebt in mir,
erweist als böse Frucht er sich,
berührt mein Wesen sich
mit andrer Menschen Wesen.
Es zeigt sich dies mein Schicksal auch in allem,
was dir ich geben wollte,
der liebend sich mir nahte.
An meiner Seite wolltest du
die Wege wacker gehen,
die dich zu edlem Schaffen führen sollten.
Und was ist nun geworden!
Was stets als reinstes Leben sich mir offenbart,
in seines eignen Wesens Wahrheit,
es war der Tod für deinen Geist.

Johannes:
Es ist so.
Was deine Seele trägt
in lichte Himmelshöhen,
will stürzen mich,
erleb ich es mit dir,
in finstre Todesgründe.
Als du in unsrer Freundschaft Morgenröte
mich führtest zu der Offenbarung,
die Licht verbreitet in den Finsternissen,
die ohne wissend Leben jede Nacht
betritt die Menschenseele;
in welche wandert
des Menschen irrend Wesen,
wenn Todes Nacht zu spotten scheint
des Lebens wahrem Sinn;
und als du wiesest mir
die Wahrheit von der Wiederkehr des Lebens, –
da konnte ich mir denken,
dass ich erwachsen werde
zum echten Geistesmenschen.
Und sicher schien es mir,
dass eines Künstlerauges Schärfe
und alles Künstlerschaffens Sicherheit
mir erst erblühen werden
durch deines Feuers edle Kraft.
Ich liess auf mich nun wirken dieses Feuer,
da raubt' es mir
der Seelenkräfte Ineinanderfliessen;
es presste allen Glauben an die Welt
erbarmungslos mir aus dem Herzen.
Und nun bin ich so weit gekommen,
dass Klarheit mir auch darin fehlt,
ob ich bezweifeln soll, ob glauben
die Offenbarung aus den Geisteswelten.
Und dazu selbst ermangle ich der Kraft,
zu lieben, was in dir
des Geistes Schönheit kündet.

Maria:
Ich muss seit Jahren es erkennen,
dass meine Art, das Geistesselbst zu leben,
ins Gegenbild sich wandelt,
durchdringt es manches andern Menschen Art.
Und sehen muss ich auch
wie segenspendend sich die Geisteskraft erweist,
gelangt auf andern Wegen sie in Menschenseelen.

(Es treten Philia, Astrid und Luna ein.)

Sie wird im Worte ausgesprochen,
doch wird das Wort zur Kraft
und lenkt in Weltenhöhen
der Menschen Denkungsart.
Es schafft da frohe Stimmung,
wo trüber Sinn erst lebte;
imstande ist es, umzuwandeln
die Flüchtigkeit des Geistes
in würdig ernstes Fühlen;
dem Menschenwesen gibt es sich're Prägung.
Und ich, ich bin ergriffen ganz
von dieser Geisteskraft,
und muss gewahren,
dass Schmerzen und Verwüstung
sie mit sich trägt,
ergiesst aus meinem Herzen sie
in andre Herzen sich.

Philia:
Es war, als ob ein ganzer Chor
(Es treten Professor Capesius und Doktor Strader ein.)
aus Meinungen und Gesinnungen
zusammentönte in dem Kreise,
der eben uns vereinte.
Der Harmonien gab es viele,
doch auch so manche herbe Dissonanz.

Maria:
Wenn vieler Menschen Worte
in solcher Art sich vor die Seele stellen,
dann ist's, als ob
geheimnisvoll dazwischenstünde
des Menschen volles Urbild;
es zeigt in vielen Seelen sich
gegliedert, wie das Eine Licht
im Regenbogen sich
in vielen Farbenarten offenbart.

Capesius:
So hat man denn
in vielen Jahren ernsten Strebens
durchwandert mancher Zeiten wechselnd Wesen,
zu forschen stets nach allem,
was lebte in den Menschengeistern,
die künden wollten Daseinsgründe
und weisen Lebensziele ihrem Wirken.
Man glaubte, in der eignen Seele
des Denkens hohe Macht belebt zu haben
und manchen Schicksals Rätsel.
man konnte meinen, dass man fühle
im Innern alles Urteils feste Stützen,
wenn neu Erlebtes fragend
sich vor die Seele drängt.
Doch wankend wird die Stütze mir bei allem,
was ich schon früher,
und auch in dieser Stunde wieder,
mit Staunen habe hören können
von dieser hier gepflegten Denkungsart.
Und wankend wird sie vollends,
wenn ich bedenke, wie gewaltig
die Wirkung sich erweist im Leben.
So manchen Tag hab' ich damit verbracht:
was ich den Zeitenrätseln abgelauscht,
in solchen Worten auszusprechen,
die Herzen fassen und erschüttern können.
Und froh schon war ich,
wenn nur die kleinste Ecke
im Seelenwesen meiner Hörerschar
ich voll erwärmen konnte.
Und manches schien mir auch erreicht.
Nicht klagen kann ich über Misserfolg.
doch alles Wirken solcher Art,
es konnte mich nur führen
zur Anerkennung jener Meinung,
die so geliebt wird und betont
im Reich der Tatenmenschen:
dass in des Lebens Wirklichkeit
Gedanken nichts als blasse Schatten sind.
Sie könnten wohl befruchten
die Schaffensmächte unsres Lebens;
sie zu gestalten aber
ist ihnen nicht gegeben.
Und längst hab' ich mich abgefunden
mit dem bescheidnen Wort:
wo nur Gedanken-Blässe wirkt,
erlahmt das Leben und auch alles,
was sich dem Leben zugesellt.
Und stärker als die reifsten Worte
mit ihrer inhaltvollen Kunst
erweist im Leben sich
Begabung als Naturgeschenk,
erweist das Schicksal sich.
Die Bergeslast der Überlieferung
und dumpfer Vorurteile Alp,
sie werden stets erdrücken
der besten Worte Kraft.
Was hier jedoch sich zeigt,
gibt viel zu denken Menschen meiner Art.
Erklärlich schien uns solche Wirkung,
wo überhitzter Sektengeist,
die Seelen nur betörend,
sich über Menschen giesst.
Doch hier ist nichts von solchem Geist zu sehn.
Man will nur durch Vernunft zur Seele sprechen.
und doch: man schafft
durch Worte echte Lebenskräfte,
und spricht zum tiefsten Herzensgrund.
Und selbst des Wollens Reich
ergreift das sonderbare Etwas,
das jenen, die gleich mir
in alten Bahnen wandeln,
als blasses Denken nur erscheinen will.
Ich bin ganz unvermögend,
zu leugnen solche Wirkung;
ich kann nur nicht
mich selber ihr ergeben.
Es spricht dies alles zu mir so ganz eigenartig:
nicht so, als ob an mir es wäre,
zurückzustossen das Erlebte;
es scheint mir fast,
als könnte dieses Etwas meine Art
in sich nicht dulden.

Strader:
Ich muss im vollsten Sinne mich bekennen
zu euren letztgesprochnen Worten;
und schärfer möchte ich sogar betonen,
dass alle Wirkung auf die Seele,
die wir erblühen sehen aus Ideen,
entscheiden darf in keiner Weise,
was an Erkenntniswert sie bergen.
Ob Wahrheit oder Irrtum
in unsrem Denken lebt,
darüber kann allein nur richten
des echten Wissens Wahrspruch.
Und niemand sollte ernstlich leugnen,
dass solcher Prüfung wohl in keiner Art
gewachsen sich erweisen kann,
was hier nur scheinbar klar sich zeigt
und Lösung höchster Lebensrätsel bieten will.
Es spricht berückend zu dem Menschengeist
und lockt doch nur des Menschen gläubig Herz;
man meint zu öffnen Türen in die Reiche,
vor denen ratlos und bescheiden
die streng bedächt'ge Forschung steht.
Und wer in wahrer Treue
zu dieser Forschung lebt,
ihm ziemt es zu bekennen,
dass niemand wissen kann,
woraus des Denkens Quellen strömen
und wo des Daseins Gründe liegen.
Wenn solch Bekenntnis auch recht hart der Seele wird,
die allzugern ergründen möchte,
was jenseits allen Wissens liegt:
der Denkerseele drängt ein jeder Blick,
ob er nach aussen sich bemüht,
ob man ins Innre ihn gerichtet hält,
des Wissens Grenze doch gewaltig auf.
Verleugnen wir Vernunft
und was Erfahrung uns gewährt,
so sinken wir ins Bodenlose.
und wer vermöchte nicht zu sehn,
wie wenig unsrer Denkungsart
im Ernst sich fügen will,
was hier als neue Offenbarung gilt.
Es braucht fürwahr nicht viel,
zu zeigen, wie so ganz ihr fehlt,
was allem Denken feste Stützen gibt
und Sinn für Sicherheit verleiht.
Die Herzen wärmen mag die neue Offenbarung;
der Denker sieht in ihr nur Schwärmerträume.

Philia:
So sprechen wird wohl stets
das Wissen, das erobert ist
in Nüchternheit und mit Verstand.
Doch andres muss die Seele haben,
die an sich selber glauben soll.
Sie wird wohl stets auf solche Worte hören,
die ihr vom Geiste sprechen.
Was dunkel sie schon vorher ahnen konnte,
erstrebt sie zu begreifen.
Zu reden von dem Unbekannten,
es kann den Denker locken;
doch niemals Menschenherzen.

Strader:
Ich kann empfinden,
wieviel in solchem Einwurf liegt.
Er trifft die blossen Grübler,
die nur des Denkens Faden spinnen
und fragen, was aus dem und jenem folgt,
das sie erst selber sich als Meinung bilden.
Doch kann er mich nicht treffen.
Ich habe nicht Gedanken mich ergeben,
weil äussrer Anlass mich geführt.
Ich wuchs als Kind heran
im Kreise frommer Leute
und sah Gebräuche,
die meinen Sinn berauschten
durch Bilder jener Himmereiche,
die man der Einfalt
so trostesreich zu schildern weiss.
In meiner Knabenseele
erlebte ich die wahrsten Wonnen,
wenn ich im Aufblick schwelgte
zu höchsten Geisteswelten;
und Beten war Bedürfnis meines Herzens.
Im Kloster ward ich dann erzogen,
und Mönche waren meine Lehrer;
und selber Mönch zu werden,
ward meines Innern Sehnsucht
und meiner Eltern heisser Wunsch.
Ich stand schon vor der Priesterweihe.
Es trieb ein Zufall dann mich aus dem Kloster.
Doch dankbar muss ich diesem Zufall sein;
denn meiner Seele war
der stille Friede längst geraubt,
als jener Zufall sie errettet.
Ich war bekannt geworden mit so vielem,
was nicht in eines Mönches Welt gehört.
Naturerkenntnis kam mir zu aus Schriften,
die mir verboten waren.
So lernte ich die neue Forschung kennen;
und schwer nur fand ich mich zurecht.
ich suchte auf so manchem Wege.
Erklügelt wahrlich hab' ich nicht,
was mir als Wahrheit sich gezeigt.
In heissen Kämpfen habe ich
aus meinem Geist gerissen,
was Glück und Frieden mir als Kind gebracht.
Ich kann verstehn das Herz,
das nach den Höhn sich sehnt.
Doch weil als Traum erkannt ich hab,
was mir die Geisteslehre brachte,
musst' sichern Boden ich dann finden,
wie Wissenschaft und Forschung nur ihn schaffen.

Luna:
Ein jeder mag verstehn in seiner Art,
wo Sinn und Ziel des Lebens liegen.
Mir fehlt ganz sicher jede Fähigkeit,
am Wissen unsrer Zeit zu prüfen,
was ich als Geisteslehre hier empfange.
Ich fühle aber klar in meinem Herzen,
dass meine Seele ohne sie ersterben würde,
wie meine Glieder ohne Blut es müssten.
Sie, lieber Doktor, sprechen viele Worte,
um gegen uns zu kämpfen.
Und was Sie eben uns gesagt
von Ihren Lebenskämpfen,
Gewicht verleiht es Ihren Worten
bei jenen Menschen auch,
die unvermögend sind, zu folgen Ihrer Rede.
Ich muss nur stets mich fragen,
(Theodora tritt ein.)
warum gerader Menschensinn
wie selbstverständlich finden muss
das Wort vom Geist,
das stets mit warmem Anteil er ergreifen wird;
und Kälte nur ihn überläuft,
wenn er die Seelennahrung suchen will
aus Worten, wie sie jetzt von Ihnen kommen.

Theodora:
Obwohl auch ich so wohl
mich fühlen muss in diesem Kreise,
erscheinen mir doch fremd die Reden,
die ich hier hören muss.

Capesius:
Warum die Fremdheit?

Theodora:
Ich mag es selbst nicht sagen.
Maria, schildre du es.

Maria:
Die Freundin hat es oft uns dargestellt,
wie sonderbar es ihr ergangen.
Sie fühlte eines Tages sich wie umgewandelt.
Und nirgends konnte sie Verständnis finden.
Ihr Wesen wirkte überall Befremden nur,
bis sie in unsre Kreise trat.
Nicht dass wir selbst begreifen könnten,
was sie mit keinem Menschen teilt;
doch wir erwerben uns durch unsre Denkungsart
die volle Anteilnahme auch für Ungewohntes,
wir lassen jede Art
des Menschenwesens gelten.
Für unsre Freundin gab es
im Leben einen Augenblick,
da sie verschwinden fühlte alles,
was ihrem eignen Lebenslaufe angehört.
Vergangnes war wie ausgelöscht in ihrer Seele.
Und seit sich diese Wandlung eingestellt,
erneuert immer wieder sich die Seelenstimmung.
Sie dauert jedesmal nur kurze Zeit.
im andern Leben ist sie so wie alle Menschen.
Wenn sie in jenen Zustand fällt,
ermangelt sie fast ganz
der Gabe der Erinnerung.
Es ist ihr auch des Auges Kraft genommen,
sie fühlt dann mehr, was sie umgibt.
Sie sieht es nicht.
Dabei erglimmen ihre Augen
in eigenartigem Licht.
Dafür erscheinen ihr Gebilde,
die anfangs traumhaft waren,
die jetzt so klar doch sind,
dass sie als Vorverkündung spätrer Zukunft
nur zu verstehen sind.
Wir haben dieses oft gesehn.

Capesius:
Das ist es eben,
was mir so wenig
gefallen will in diesem Kreise:
dass Aberglaube sich vermengt
mit Logik und Vernunft.
Das war so überall,
wo man auf diesen Wegen ging

Maria:
Wenn ihr so sprechen könnt,
ist euch noch unbekannt,
wie wir zu diesen Dingen stehn.

Strader:
Was mich betrifft,
so muss ich frei gestehn,
dass mir erwünschter ist,
von solcher Offenbarung hier zu hören
als von den zweifelhaften Geisteslehren.
Denn fehlt mir auch
die Lösung für das Rätsel solcher
Träume,
so seh' ich sie als Tatbestand ja doch.
Es gibt wohl keine Möglichkeit,
zu sehen eine Probe
der sonderbaren Geistesart.

Maria:
Vielleicht, sie kommt da eben wieder.
Es schien mir fast,
als ob das Sonderbare jetzt
sich zeigen wollte.

Theodora:
Es drängt zu sprechen mich:
vor meinem Geiste steht ein Bild im Lichtesschein,
und Worte tönen mir aus ihm;
in Zukunftzeiten fühl' ich mich,
und Menschen kann ich schauen,
die jetzt noch nicht im Leben.
Sie schauen auch das Bild,
sie hören auch die Worte,
sie klingen so:
ihr habt gelebt im Glauben,
ihr ward getröstet in der Hoffnung,
nun seid getröstet in dem Schauen,
nun seid erquickt durch mich.
Ich lebte in den Seelen,
die mich gesucht in sich,
durch meiner Boten Wort,
durch ihrer Andacht Kräfte.
Ihr habt geschaut der Sinne Licht
und musstet glauben an des Geistes Schöpferreich.
Doch jetzt ist euch errungen
ein Tropfen edler Sehergabe.
O fühlet ihn in eurer Seele.
Ein Menschenwesen
entringt sich jenem Lichtesschein.
Es spricht zu mir:
du sollst verkünden allen,
die auf dich hören wollen,
dass du geschaut,
was Menschen noch erleben werden.
Es lebte Christus einst auf Erden,
und dieses Lebens Folge war,
dass er in Seelenform umschwebt
der Menschen Werden.
Er hat sich mit der Erde Geistesteil vereint.
Die Menschen konnten schauen ihn noch nicht,
wie er in solcher Daseinsform sich zeigt,
weil Geistesaugen ihrem Wesen fehlten.
Die sich erst künftig zeigen sollen.
Doch nahe ist die Zukunft,
da mit dem neuen Sehen
begabt soll sein der Erdenmensch.
Was einst die Sinne schauten
zu Christi Erdenzeit,
Es wird geschaut von Seelen werden,
wenn bald die Zeit erfüllt wird sein.
(Sie geht ab.)

Maria:
Es ist zum ersten Male,
dass sie vor vielen Menschen so sich gibt,
es drängte sie sonst nur,
wenn zwei bis drei zugegen waren.

Capesius:
Es scheint doch sonderbar,
dass sie wie auf Befehl und nach Bedarf
gedrängt sich fand zu dieser Offenbarung.

Maria:
Das mag so scheinen.
Wir aber kennen ihre Art.
Wenn sie in diesem Augenblick
die Stimme ihres Innern
in eure Seelen senden wollte,
es war aus keinem andern Grunde,
als weil an euch
sich richten wollte dieser Stimme Quell.

Capesius:
Bekannt ist uns geworden,
dass von der künft'gen Gabe,
von der sie sprach wie träumend,
auch oftmals schon berichtet hat
der Mann, von dem man uns gesagt,
dass er die Seele dieses Kreises ist.
Ist's möglich, dass von ihm
der Inhalt ihrer Rede stammt,
und nur die Art aus ihrem Wesen kommt?

Maria:
Wenn so die Sache stünde,
sie wäre uns nicht wichtig.
Es ist jedoch genau der Tatbestand geprüft.
die Freundin war ganz unbekannt
mit unsres Führers Reden,
bevor sie unsren Kreis betrat.
Und auch von uns hat keiner
vorher gehört von ihr.

Capesius:
Dann sehen wir nun eben einen Tatbestand,
Wie sie entgegen dem Naturgesetz
Sich öfter bilden
Und nur als krankhaft gelten können.
Entscheiden über Lebensrätsel kann
Gesundes Denken nur allein,
Und was der wachen Sinnesart entspringt.

Strader:
Doch liegt ein Tatbestand ja vor;
Und wichtig ist gewiss,
Was eben uns gesagt:
Es könnte zwingen –
Verwürfe man auch alles andre, –
An Übertragung von Ideen
Durch Seelenkraft zu denken,

Astrid:
Ach könntet ihr den Boden doch betreten,
Den euer Denken meiden will!
Es müsste schmelzen wie der Schnee im Sonnenlicht
Der Wahn, der fremd und wunderbar,
Ja krankhaft gar erscheinen lässt,
Was solcher Menschen Art uns offenbart.
Es ist bedeutsam zwar, doch seltsam nicht.
Denn klein will mir dies Wunder scheinen,
Betracht' die tausend Wunder ich,
Die täglich mich umgeben.

Capesius:
Ein andres ist es doch,
Das überall Vorhandne zu erkennen,
Ein andres, was man hier uns zeigt.

Strader:
Von Geist zu sprechen
Wird nötig erst,
Wenn Dinge man uns weist,
Die nicht in jenem Kreise liegen,
Der streng umschlossen ist
Durch unsre Wissenschaft.

Astrid:
Das helle Sonnenlicht,
Erglänzend in dem Tau des Morgens,
(Es tritt Felix Balde ein.)
Die Quelle, die aus Felsen rieselt,
Der Donner, der aus Wolken dröhnt,
Sie reden eine Geistessprache:
Ich suchte sie zu kennen.
Von dieser Sprache Sinn und Macht
Ist nur ein schwacher Abglanz
In eurer Forschung zu erblicken.
Ich fand mein Seelenglück,
Als jener Sprache Art ins Herz mir drang,
Die Menschenwort und Geisteslehre
Mir nur gewähren konnten.

Felix Balde:
Das war ein rechtes Wort.

Maria:
Es drängt mich auszusprechen,
Wie sehr mein Herz sich freut
(Frau Balde erscheint.)
Zum erstenmal bei uns zu sehn
Den Mann, von dem so vieles mir bekannt.
Was mir erzeugt den Wunsch,
Recht oft ihn hier zu sehn.

Felix Balde:
Es ist mir ungewohnt,
Mit vielen Menschen zu verkehren;
Und nicht nur ungewohnt.

Frau Balde:
Ach ja, es ist so seine Art.
Sie drängt uns ganz in Einsamkeit.
Wir hören Jahr um Jahr
Kaum mehr, als was wir selber sprechen.
Und käme dieser liebe Mann  
(Auf Capesius zeigend)
Zuweilen nicht in unser Häuschen,
Wir wussten kaum,
Dass ausser uns noch Menschen leben.
Und wenn der Mann,
Der in dem Saale vorhin sprach
Und uns durch seine schönen Worte
So stark ergriffen hat,
Nicht träfe meinen Felix oft,
Wenn dieser sein Geschäft besorgt,
Ihr wüsstet nichts
Von uns verschollnen Leuten.

Maria:
Und der Professor kommt zu euch?

Capesius:
Gewiss, und sagen darf ich wohl,
Ich bin der guten Frau
Zu tiefstem Dank verpflichtet.
Sie gibt mir reichlich,
Was keiner sonst mir geben kann.

Maria:
Und welcher Art sind ihre Gaben?

Capesius:
Berühren muss ich,
Will davon ich erzählen,
Ein Ding, das wahrlich wunderbarer mir erscheint
Als manches, was ich hier gehört,
Weil mehr zu meiner Seele sprechend.
Ich könnte kaum an andrem Orte
Die Worte aus dem Munde bringen,
Die hier so leicht mir werden.
Für meine Seele gibt es Zeiten,
Wo sie wie ausgepumpt und leer sich fühlt.
Es ist mir dann, als ob des Wissens Ouelle
In mir erschöpft sich hätte;
Als ob kein Wort ich finden könnte,
Das wert zu halten wäre Gehört zu werden.
Empfind' ich solche Geistesöde,
Dann flüchte ich in dieser guten Leute
Erquickend stille Einsamkeit.
Und Frau Felicia erzählt
In Bildern wunderbar
Von Wesen, die im Traumeslande wohnen
Und in den Märchenreichen
Ein buntes Leben führen,
Es ist der Ton der Rede
Wie Sagenweise aus den alten Zeiten.
Ich frage nicht, woher sie ihre Worte hat.
Ich denke dann an eines nur mit Klarheit,
Wie meiner Seele neues Leben fliesst
Und wie hinweggebannt
Mir alle Seelenlähmung ist.

Maria:
Dass von der Gattin Kunst
So Grosses zu verkünden,
Es fügt in schönster Art
Zu allem sich harmonisch,
Was Benedictus sprach von seines Freundes
Verborgnen Wissensquellen.

Felix Balde:
Der vorhin eben sprach,
(Benedictus erscheint in der Tür.)
Als wenn in Weltenräumen
Und Ewigkeiten nur sein Geist verweilte,
Hat wahrhaft keinen Grund,
Von meiner Einfalt viel zu reden.

Benedictus:
Ihr irrt, mein Freund,
Unsäglich ist mir wert ein jedes eurer Worte.

Felix Balde:
Es war nur Vorwitz,
Der Trieb zu schwätzen,
Wenn ihr die Ehre mir oft gabt,
So neben euch zu gehn auf unsern Bergeswegen,
Nur weil ihr mir verborgen,
Wieviel ihr selber wisst,
Hab' ich gewagt zu reden.
Doch unsre Zeit ist um,
Wir haben einen weiten Weg
Nach unsrem stillen Heim.

Frau Balde:
Es war mir rechte Lebsal,
Dass ich einmal bei Menschen war.
Es wird so bald nicht wieder sein. –
Für Felix taugt kein andres Leben
Als das in seinen Bergen.
(Felix und Frau ab.)

Benedictus:
Die Frau hat sicher recht,
Er wird so bald nicht wieder kommen.
Es brauchte vieles,
Ihn diesmal herzubringen.
Und doch ist nicht bei ihm
Der Grund zu suchen,
Dass niemand von ihm weiss.

Capesius:
Mir schien er nur ein Sonderling.
Ich fand ihn redselig
In mancher Stunde,
Die ich bei ihm verbracht.
Doch blieben mir stets dunkel seine sonderbaren Reden,
In denen er zutage brachte,
Was er zu wissen meint.
Er spricht von Sonnenwesen,
Die in den Steinen wohnen,
Von Monddämonen,
Die jener Wesen Werke stören,
Vorn Zahlensinn der Pflanzen redet er.
Und wer ihn hört, der wird nicht lange
In seinen Worten einen Sinn bewahren können

Benedictus:
Man kann auch fühlen,
Wie wenn Naturgewalten in den Worten suchten,
Zu offenbaren sich in ihres Wesens Wahrheit.
(Benedictus geht ab.)

Strader:
Ich ahne schon,
Dass schlimme Tage
In meinem Leben kommen werden!
Seit jener Zeit,
Da mir in Klosters Einsamkeit
Die Kunde solchen Wissens ward zuteil,
Das mich im tiefsten Seelengrunde furchtbar traf,
Ist kein Erlebnls mir so nah' gegangen,
Wie das mit dieser Seherin.

Capesius:
Was hier erschütternd wirken soll,
Vermag ich nicht zu sehn
Ich fürchte, lieber Freund,
Verliert ihr hier die Sicherheit,
Es werde bald euch alles sich
In finstre Zweifel hüllen.

Strader:
Die Furcht vor solchem Zweifel:
Sie quält mich manche Stunde.
Ich weiss sonst nichts
Von Sehergaben durch mich selbst;
Doch oft, wenn Rätselfragen mich gewaltig quälen,
Dann steigt gespenstig mir aus dunkler Geistestiefe
Ein schreckhaft Traumeswesen vor dem Geistesauge auf.
Es legt sich schwer mir auf die Seele,
Und schaurig auch umkrallt es mir das Herz
Und spricht aus mir:
Bezwingst du mich
Mit deinen stumpfen Denkerwaffen nicht,
Bist mehr du nicht
Als flüchtig Truggebild des eignen Wahnes nur.

Theodosius: (der schon früher eingetreten)
So ist das Schicksal aller Menschen,
Die denkend nur der Welt sich nah'n.
Es lebt im Innern uns des Geistes Stimme.
Wir haben keine Macht, die Hülle zu durchdringen,
Die vor den Sinnen sich verbreitet.
Es bringt das Denken Wissen jener Dinge nur,
Die schwinden mit dem Zeitenlauf.
Was ewig ist und geistig,
Im Menscheninnern ist es nur zu finden.

Strader:
Soll eines frommen Glaubens Frucht
Der Seele Ruhe bringen,
Sie kann auf solchen Wegen,
Sich selbst genügend, wandeln.
Doch echten Wissens Kraft
Erblüht auf diesem Pfade nicht.

Theodosius:
Es gibt jedoch nicht andre Wege,
(Es treten Romanus und German ein.)
Im Menschenherzen wahres Geisteswissen zu erzeugen.
Der Hochmut kann verführen,
(Helena tritt ein.)
Der Seele wahres Fühlen
Zu Truggebilden umzuschaffen,
Und Schauen vorzumalen,
Wo Glaubensschönheit nur sich ziemt!
Von allem, was wir hier
Als Wissen aus den höhern Welten
So geistvoll hören konnten,
Gilt eines nur dem echten Menschensinn:
Nur dass im Geisterland
Die Seele heimisch sich erfühlt.

Die andre Maria: (die mit Theodosius eingetreten ist)
Solange nur zu sprechen
Gedrängt sich fühlt der Mensch,
Mag ihm genügen solcher Rede Inhalt.
Im vollen Leben mit all' seinem Streben,
Mit seiner Glückessehnsucht, seinem Jammer,
Bedarf man andrer Nahrung,
Zu reichen sie den Seelen.
Mich hat ein innter Trieb gelenkt,
Den Rest des Lebens,
Der noch mir zugeteilt,
Zu widmen jenen Menschen,
Die des Geschickes Lauf
Gebracht in Elend und in Not.
Und öfter noch war ich genötigt,
Zu lindern Schmerzen in den Seelen
Als Leiden an den Leibern.
Ich fühlte wohl auf vielen Wegen
Die Ohnmacht meines Willens;
Ich muss stets neue Kraft
Mir holen aus dem Reichtum,
Der hier aus Geistesquellen fliesst.
Die warme Zauberkraft der Worte,
Die hier ich höre,
Ergiesst in meine Hände sich
Und fliesst wie Balsam weiter,
Berührt die Hand den Leidbeladnen.
Sie wandelt sich auf meinen Lippen
In rechte Trostesrede
Für schmerzdurchwühlte Herzen.
Ich frage nach der Worte Ursprung nicht.
Ich schaue ihre Wahrheit,
Wenn lebend Leben sie mir spenden.
Und deutlich seh' ich jeden Tag,
Wie ihnen Macht nicht gibt,
Was eignen Willens schwache Kraft vermag,
Wie täglich sie mich neu mir selber schaffen.

Capesius:
Es gibt ja Menschen doch genug,
Die ohne diese Offenbarung
Unsäglich Gutes schaffen?

Maria:
Es fehlt an ihnen
Gewiss an vielen Orten nicht.
Doch andres will die Freundin sagen.
Erkennt ihr erst ihr Leben,
Ihr werdet anders sprechen.
Wo Kräfte unverbraucht
In voller Blüte walten,
Wird Liebe reichlich keimen
Bei gutem Herzensgrunde.
Doch unsre Freundin hat erschöpft
Des Lebens beste Kräfte durch die
Arbeitsüberfülle.
Und aller Lebensmut war ihr genommen
Durch schweren Schicksalsdruck,
Den sie erfahren.
Die Kräfte hatte sie geopfert
Der Kinder sorglich Leitung,
Der Mut war hingesunken,
Als Ihr ein früher Tod
Den teuren Gatten nahm.
In solcher Lage schien ein müder Lebensrest
Ihr weitres Los zu sein.
Da brachten Schicksalsmächte sie
In unsrer Geisteslehre Bann,
Und ihre Lebenskräfte
Erblühten noch zum zweiten Male.
Mit neuem Daseinsziel
Kam wieder Mut in ihr Gemüt.
So hat in ihr der Geist ganz wahrhaft
Den neuen Menschen aus erstorbnem Keim geschaffen.
Wenn solcher Schaffenskraft
Der Geist sich fruchtbar zeigt,
Dann scheint die Art erwiesen auch,
In der er kund sich gibt.
Und wenn kein Hochmut in dem Worte liegt,
Und recht im Herzen lebt der Seele höchstes Sittenziel,
Zu glauben auch in keiner Weise,
Dass unser Eigenwerk die Lehre –
Dass nur der Geist
Sich selbst in unserm Innern deutet,
Dann ist es wohl vermessen nicht,
Zu sagen, dass in eurer Denkungsart
Nur blasse Schatten weben
Vom echten Quell des Menschenseins;
Und dass der Geist, der uns beseelt,
Verbindet innig sich mit allem,
Was in den Lebensgründen
Des Menschen Schicksal spinnt.
Die Jahre, seit erlaubt mir ward,
Dem lebensvollen Werke mich zu widmen,
Sind mehr der blutenden Herzen
Getreten mir vor Augen
Und mehr der sehnenden Seelen,
Als mancher Mensch nur ahnt.
Ich schätze eurer hohen Ideen Flug
Und eures Wissens stolze Sicherheit.
Ich liebe, dass zu euren Füssen
Verehrend sitzt der Hörer Schar,
Und dass aus euren Werken
Für viele Seelen strömt
Erhebenden Denkens Klarheit.
Doch scheint mir, dass die Sicherheit
Nur wohnt in diesem Denken,
Solange in sich selbst es bleibt. –
Die Art, der ich gehöre,
Sie schickt in tiefe Wirklichkeiten
Die Früchte ihrer Worte,
Weil sie in tiefen Wirklichkeiten
Die Wurzeln pflanzen will
Es liegt wohl ferne eurem Denken
Die Schrift am Geisteshimmel,
Die mit gewicht'gen Zeichen
Den neuen Trieb verkündet
Am Baum der Menschheit.
Und scheint auch klar und sicher
Das Denken, das in alter Weise lebt,
Es kann des Baumes Rinde pflegen;
Doch reicht es nicht
An seines Markes Lebensmacht.

Romanus:
Ich finde nicht die Brücke,
Die von Ideen
Zu Taten wahrhaft führen könnte.

Capesius:
Man überschätzt auf jener Seite
Die Kräfte der Ideen;
Doch ihr verkennt in andrer Art
Den Lauf der Wirklichkeit.
Es sind Ideen doch wohl sicherlich
Die Keime aller Menschentaten.

Romanus:
Wenn diese Frau des Guten vieles leistet,
So liegt dazu der Trieb
In ihrem warmen Herzen.
Es ist gewiss dem Menschen nötig,
Wenn Arbeit er geleistet hat,
Erbanung zu empfangen von Ideen,
Doch wird allein die Zucht des Willens
Im Bunde mit Geschick und Kraft
Bei allem echten Lebenswerk
Der Menschheit vorwärtshelfen.
Wenn Räderschwirren
Mir in die Ohren tönt,
Und wenn zufriedner Menschen Hände
An Kurbeln ziehen,
Dann fühle ich die Lebensmächte.

German:
Ich habe oft so leichthin ausgesprochen,
Dass ich die Schnurren liebe
Und nur sie geistvoll finde,
Dass sie jedoch für mein Gehirn
Stets bleiben werden guter Stoff,
Die Zeiten hinzubringen,
Die zwischen Arbeit und Vergnügen liegen.
Und jetzt ist mir recht abgeschmackt dies Wort.
Die unsichtbare Macht hat mich bezwungen.
Gelernt hab' ich zu fühlen,
Was stärker ist im Menschenwesen
Als unsers Witzes Kartenhaus.

Capesius:
Und nirgends als nur hier habt ihr vermocht,
Zu finden solche Geisteskraft?

German:
Das Leben, das ich führte,
Es bot mir manche Geisteswerte;
Es lag mir nicht,
Zu pflücken ihre Früchte
Doch diese Denkungsart,
Sie zog mich hin zu sich,
So wenig ich auch selber tat.

Capesius:
Wir haben schöne Stunden hier verlebt
Und müssen dankbar sein des Hauses Leiterin.
(Es gehen alle ab, nur Maria und Johannes bleiben.)

Johannes:
O bleibe eine Weile noch bei mir.
Es ist mir bange – ach so bange.

Maria:
Was ist dir? sprich!

Johannes:
Erst unsres Führers Worte,
Dann dieser Menschen bunte Reden!
Erschüttert bis ins Mark erschein' ich mir.

Maria:
Wie konnten diese Reden
Dein Herz so stark ergreifen?

Johannes:
In diesem Augenblicke
War mir ein jedes Wort
Ein furchtbar Zeichen
Der eignen Nichtigkeit.

Maria:
Es war gewiss bedeutsam,
In kurzer Zeit ergiessen sich zu sehn
Soviel von Lebenskämpfen
Und Menschenwesenheit
In dies Zusammenspiel der Reden.
Doch ist es ja die Eigenart
Des Lebens, das wir führen,
Des Menschen Geist zum Sprechen zu erwecken.
Und was sich sonst begibt in langer Zeiten Lauf,
Enthüllt sich hier in wenig Stunden.

Johannes:
Ein Spiegelbild des vollen Lebens,
Das mich so klar mir selbst gezeigt.
Die hohe Geistesoffenbarung
Hat mich dazu geführt, zu fühlen
Wie Eine Seite nur des Menschen
So mancher in sich birgt,
Der ganz sich glaubt als Wesenheit.
Die vielen Seiten zu vereinen
In meinem eignen Selbst,
Betrat ich kühn den Weg,
Der hier gewiesen ist.
Er hat ein Nichts aus mir gemacht.
Was ihnen fehlt,
Ist mir bewusst.
Bewusst ist mir jedoch nicht minder,
Dass sie im Leben stehen
Und ich im wesenlosen Nichts.
Es zogen ganze Lebensläufe
Bedeutsam sich in kurze Reden hier zusammen.
Doch auch des eignen Lebens Bild
Erstand in meiner Seele.
Es malte sich die Kindheit
Mit ihrer frohen Lebensfülle,
Es malte sich die Jugendzeit
Mit stolzen Hoffnungen,
Die in der Eltem Herzen
Die Gaben ihres Sohnes weckten.
Die Träume einer Künstlerschaft,
Die Leben waren in den frohen Tagen,
Sie tauchten alle mahnend
Aus Geistestiefen auf.
Und jene Träume auch,
In welchen du mich sahst
In Farben und in Formen wandeln,
Was dir im Geiste lebt.
Und Flammen sah ich züngeln,
Die Jugendträume und auch Künstlerhoffnung
In nichts verwandelten!
Ein andres Bild entwand sich dann
Dem furchtbar öden Nichts:
Ein Menschenwesen war's,
Das sein Geschick an meines hat
In treuer Liebe einst gebunden.
Es wollt' mich halten,
Als ich vor Jahren wieder
In meine Heimat kam,
Gerufen zu der Mutter Leichenfeier
Ich riss mich los.
Denn mächtig war die Kraft,
Die mich in deine Kreise
Und nach den Zielen zog,
Die hier verkündet werden.
Kein Schuldgefühl verblieb
In mir aus jenen Tagen,
Da ich zerriss ein Band,
Das Leben war der andern Seele.
Und auch die Botschaft, die mir kam,
Dass langsam welkte jenes Leben
Und endlich ganz erlosch,
Liess fühllos mich bis heute.
Bedeutsam sprach in jenem Saale
Vorhin der Führer nun,
Wie wir verderben können,
Wenn wir nicht richtig streben,
Das Schicksal jener Menschen,
Die liebend uns verbunden.
O, grässlich klangen wieder
Die Worte aus dem Bilde;
Und dann ertönte es von allen Seiten –
Es war wie schauervoller Widerhall:
Du hast sie hingemordet.
So ward die inhaltschwere Rede
Den andren Menschen Anlass,
In sich zu schauen;
In mir jedoch erzeugte sie
Bewusstsein schwerster Schuld.
Ich kann durch sie erkennen,
Wie irrend ich gestrebt.

Maria:
In diesem Augenblick, o Freund,
Betrittst du finstre Reiche.
Da kann dir niemand helfen
Als der allein, dem wir vertraun.
(Helena kommt zurück. Maria wird abgerufen.)

Helena:
Zu bleiben drängt es mich
Noch eine kurze Zeit bei dir,
Des Blick so kummervoll
Seit vielen Wochen ist.
Wie kann das Licht,
Das herrlich strahlt,
Verdüstern deine Seele,
Die mit der stärksten Kraft
Allein nach Wahrheit strebt?

Johannes:
Und dir hat Freude nur
Dies Licht gebracht?

Helena:
Nicht Freude nur von jener Art,
Die früher mir bekannt.
Doch jene Freude,
Die in den Worten keimt,
Durch die der Geist
Sich selbst verkündet.

Johannes:
Ich sage dir jedoch,
Dass auch zermalmen kann,
Was schaffend wirkt.

Helena:
Es muss ein Irrtum sich mit List
In deine Seele schleichen,
Wenn dieses möglich ist.
Und wenn dir Sorgen
Statt freier Seligkeit
Und kummervolle Stimmung
Statt Geisteswonnen
Erfliessen aus der Wahrheit Quellen.
So suche nach den Fehlern,
Die deine Wege stören.
Wie oft wird uns bedeutet,
Gesundheit nur ist unsrer Lehre wahre Frucht,
Und Lebenskraft erblüht aus ihr.
Wie sollte sie das Gegenteil in dir bezeugen!
Ich seh' die Früchte an so vielen,
Die, mir vertrauend, sich vereinen.
Die alte Lebensführung wird
Der Seele fremd und fremder;
Es öffnen neue Quellen sich dem Herzen,
Das sich dann selbst erneut.
Der Blick in Daseinsgründe,
Er schafft Begierden nicht,
Die Menschen quälen können.
(Sie geht ab.)

Johannes:
Dass Sinne Wahn nur künden,
Wenn Geist-Erkenntnis als Genossin
Sich ihnen nicht verbündet,
Ich brauchte viele Jahre,
Um dies verstehn zu können.
Dass selbst der höchsten Weisheit Worte
in deinem Wesen Seelenwahn nur sind,
Das zeigt ein einziger Augenblick.

(Vorhang)


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