Rudolf Steiner
Die Pforte der Einweihung
Rudolf Steiner

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Viertes Bild

Eine Landschaft, die durch ihre Eigenart den Charakter der Seelenwelt ausdrücken soll. (Es treten auf zuerst Lucifer und Ahriman; Johannes ist, in Meditation versunken, an der Seite sichtbar; das Folgende wird von ihm in der Meditation erlebt. Der Geist der Elemente, Capesius, Strader; die Andre Maria.)

Lucifer:
O Mensch, erkenne dich,
O Mensch, empfinde mich.
Du hast dich entrungen
Der Geistesführung
Und bist geflohn
In freie Erdenreiche.
Du suchtest eignes Wesen
In Erdenwirrnis;
Dich selbst zu finden,
Es ward dir Lohn,
Es ward dein Los.
Du fandest mich.
Es wollten Geister
Dir Schleier vor die Sinne legen.
Ich riss entzwei die Schleier.
Es wollten Geister
In dir nur ihrem Willen folgen.
Ich gab dir Eigenwollen.
O Mensch, erkenne dich,
O Mensch, empfinde mich.

Ahriman:
O Mensch, erkenne mich,
O Mensch, empfinde dich,
Du bist entflohen
Aus Geistesfinsternis.
Du hast gefunden
Der Erde Licht.
So sauge Kraft der Wahrheit
Aus meiner Festigkeit.
Ich härte sichern Boden.
Es wollten Geister
Der Sinne Schönheit dir entreissen.
Ich wirke diese Schönheit
In dichtem Licht.
Ich führe dich
In wahre Wesenheit.
O Mensch, erkenne mich,
O Mensch, empfinde dich.

Lucifer:
Es gab nicht Zeiten,
Da du mich nicht erlebtest.
Ich folgte dir durch Lebensläufe.
Erfüllen durft' ich dich
Mit starker Eigenheit,
Mit Selbstseinsglück.

Ahriman:
Es gab nicht Zeiten,
Da du mich nicht erschautest.
Mich schauten deine Leibesaugen
In allem Erdenwerden.
Erglänzen durft' ich dir
In stolzer Schönheit,
In Offenbarungsseligkeit.

Johannes: (in der Meditation zu sich selbst)
Das ist das Zeichen, von dem Benedictus sprach.
Die beiden Mächte stehen vor der Seelenwelt.
Die eine lebt im Innern als Versucher,
Die andre trübt den Blick,
Wenn er nach aussen ist gerichtet.
Die eine nahm des Weibes Form jetzt an,
Das mir den Seelenwahn vors Auge brachte,
Die andre findet sich in allen Dingen.

(Lucifer und Ahriman verschwinden. Es tritt auf der Geist der Elemente mit Capesius und Strader, die er aus Erdentiefen zur Erdenoberfläche gebracht hat. Es ist zu denken, dass sie die Erdenoberfläche als Seelen sehen.)

Geist der Elemente:
So seid ihr denn am Orte,
Den ihr so heiss ersehnt.
Es machte mir gar schwere Sorge,
Den Wunsch euch zu erfüllen.
In wildem Sturme rasten
Die Elemente und die Geister,
Als ihr Bereich betreten
Ich musst' mit eurem Wesen;
Es widerstrebte euer Sinn
Dem Walten meiner Kräfte.

Capesius: (verjüngt)
Geheimnisvolles Wesen.
Wer bist du,
Der mich durch Geistersphären
In dieses schöne Reich gebracht?

Geist der Elemente:
Mich schaut die Menschenseele,
Erst wenn zu Ende ist
Der Dienst, den ich ihr leiste.
Doch folgt sie meinen Mächten
Durch alle Zeitenläufe.

Capesius:
Es drängt nur wenig mich,
Zu fragen nach dem Geist,
Der mich hierher geführt.
Ich fühle in dem neuen Feld
Erwarmen meines Lebens Kräfte.
Dies Licht, es weitet mir die Brust.
Ich spüre alle Macht der Welt
In meinen Pulsen Schlagen.
Und Vorgefühl der höchsten Leistung
Entringt sich meinem Herzen.
Ich will in Worte wandeln
Des Reiches Offenbarung,
Das herrlich mich erquickt.
Und Menschenseelen sollen
Zu schönstem Sein erblühn,
Wenn ich Begeistrung aus den Quellen,
Die hier mir fliessen,
Eröffnen kann dem Leben.
(Blitz und Donner aus den Tiefen und Höhen.)

Strader: (gealtert)
Warum erhebt die Tiefe,
Warum erdröhnt die Höhe,
Da schönste Hoffnungsträume
Entringen sich der jugendlichen Seele?
(Blitz und Donner.)

Geist der Elemente:
Euch Menschenträumern
Erklingt gar stolz solch Hoffnungswort;
Doch ruft in Weltentiefen
Des irren Denkens Wahn
Solch Echo immerdar.
Ihr hört es nur in Zeiten,
Die euch in meine Nähe führen.
Ihr glaubt der Wahrheit
Erhabne Tempel zu erbauen,
Doch eurer Arbeit Folge
Entfesselt Sturmgewalten
In Urwelttiefen.
Es müssen Geister Welten brechen.
Soll euer Zeitenschaffen
Verwüstung nicht und Tod
Den Ewigkeiten bringen

Strader:
So wäre vor den Ewigkeiten
Ein irrer Wahn,
Was Wahrheit scheint
Dem besten Menschenforschen!
(Blitz und Donner.)

Geist der Elemente:
Ein irrer Wahn,
So lang der Sinn nur forscht
Im geisterfremden Reich.

Strader:
Du magst wohl Träumer nennen
Die jugendfrohe Freundesseele,
Die mit so edler Feuerkraft
Das Ziel sich wacker malt.
In meinem alten Herzen
Erstirbt jedoch dein Wort
Trotz Sturm und Donner,
Die es zu Helfern hat.
Ich rang mich aus dem Klosterfrieden
Zu stolzem Forschersinn.
Ich habe viele Jahre lang
Im Lebenssturm gestanden.
Man glaubt mir, was
Aus tiefstem Wahrheitssinn
Ich Menschen anvertraut.
(Blitz und Donner.)

Geist der Elemente:
Es ziemt dir, zu bekennen,
Dass niemand wissen kann,
Woraus des Denkens Quellen strömen,
Und wo des Daseins Gründe liegen.

Strader:
O dieses Wort, es ist das gleiche,
Das in der Jugend Hoffnungstagen
In eigner Seele mir
So grausig oft erklungen,
Wenn festgeglaubte Stützen
Im Menschendenken wankten.
(Blitz und Donner.)

Geist der Elemente:
Bezwingst du mich
Mit deinen stumpfen Denkerwaffen nicht,
Bist mehr du nicht
Als flüchtig Truggebild
Des eignen Wahnes nur.

Strader:
Schon wieder solch ein schaurig Wort.
Auch dies erklang mir einst
Aus meinem eignen Innern,
Als eine Seherin
Den Kreis des sichern Denkens mir zerstören
Und mich des Zweifels Stachel
Bedrohlich wollte fühlen lassen.
Doch das ist wohl vorbei.
Ich trotze deiner Macht,
Du Alter, der des eignen Wesens Abbild
In des Naturgebieters Maske
So täuschend mir versinnlicht.
Es wird Vernunft dich niederzwingen,
Doch anders, als du meinst.
Hat sie im Menschen erst
Erstiegen ihre stolze Höhe,
Wird sie die Meisterin wohl sein
Und nicht die Dienerin in der Natur.
(Blitz und Donner.)

Geist der Elemente:
Es ist die Welt geordnet so,
Dass Leistung stets verlangt
Die Gegenleistung.
Ich habe euch das Selbst gegeben;
Ihr schuldet mir den Lohn.

Capesius:
Ich will aus meiner Seele schaffen
Der Dinge geistig Ebenbild.
Und wenn Natur, zu Idealen
Verklärt, ersteht in Menschenwerken,
Ist sie belohnt genug
Durch ihre echte Spiegelung.
Und wenn du selber
Verwandt dich fühlst
Der grossen Weltenmutter
Und aus den Tiefen stammst,
Wo Urweltmächte walten,
So lass dir meinen Willen,
Der zu den hohen Zielen
In Kopf und Brust mir lebt,
Den Lohn sein deiner Tat.
Sie hat aus stumpfem Fühlen
Zu stolzem Denken mich gehoben.
(Blitz und Donner.)

Geist der Elemente:
Ihr konntet sehen,
Wie wenig eure kühnen Worte
In meinem Reiche gelten.
Den Sturm entfesseln sie,
Und Elemente rufen sie
Zu aller Ordnung Gegnern auf.

Capesius:
So magst du holen dir
Den Lohn, wo du ihn findest;
Des Menschen Seelentriebe müssen
Auf echten Geisteshöhen
Sich selber Mass und Ordnung geben.
Er kann nicht schaffen,
Wenn seines Schaffens Werk
Die andern nutzen wollen.
Es ist des Vogels Lied,
Das aus der Kehle dringt,
Sich selbst genug.
Und so ist Lohn dem Menschen auch,
Wenn schaffend er
Im Wirken Seligkeit erlebt.
(Blitz und Donner.)

Geist der Elemente:
Es geht nicht an,
Dass ihr den Lohn mir weigert;
Und könnt ihr selbst ihn mir nicht leisten
So sagt der Frau,
Die euren Seelen Kraft verleiht,
Dass sie für euch bezahle.

(Der Geist der Elemente verschwindet.)

Capesius:
Er ist fort.
Wohin wohl wenden wir uns nun?
Zurecht erst uns zu finden
In diesen neuen Welten,
Wird unsre Sorge sein.

Strader:
Dem besten Wege,
Den wir nun treffen können,
Vertrauend folgen
Und unsre Vorsicht brauchen:
Das wird das Ziel uns gehen.

Capesius:
Mich dünkt, man sollte
Vom Ziele lieber schweigen.
Es wird sich finden,
Wenn mutig wir gehorchen
Dem Trieb der innern Wesenheit.
Und mir sagt dieser Trieb:
Das Wahre sei dir Führer;
Entfalte starke Kräfte
Und forme sie in edler Art
In allem, was du wirkst,
Und deine Schritte müssen
Ans rechte Ziel gelangen.

Strader:
Doch darf vom Anbeginn
Bewusstsein rechter Ziele
Ermangeln nicht den Schritten,
Die Menschen Nutzen bringen
Und Glück erschaffen wollen.
Wer nur sich selber dienen mag,
Er folgt allein dem Herzensdrang;
Wer andern aber helfen will,
Muss sicher wissen,
Was seinem Leben nötig ist.
(Die andre Maria wird – ebenfalls in Seelenform – sichtbar.)
Doch sieh, welch sonderbares Wesen!
Es ist, als ob der Fels
Es selbst geboren hätte.
Aus welchem Weltengrund
Erstehen solche Wesen?

Die andre Maria:
Ich ringe mich durch Felsengründe
Und will der Felsen eignen Willen
In Menschenworte kleiden;
Ich wittre Erdenwesenheit
Und will der Erde eignes Denken
Im Menschenkopfe denken.
Ich schlürfe reine Lebenslüfte
Und bilde Luftgewalten
In Menschenfühlen um.

Strader:
Dann kannst du uns nicht helfen.
Was in Natur verbleiben muss,
Ist fern dem Menschenstreben.

Capesius:
Ich liebe deine Sprache, Frau,
Und möchte gerne übersetzen
In meine Art die deine.

Die andre Maria:
Mir wird so sonderbar
Bei euren stolzen Reden.
So wie ihr selber sprecht,
Ist unverständlich meinem Ohr.
Doch lasse ich erst eure Worte
Aus meinem Wesen anders tönen,
Verbreiten sie sich über alle Dinge,
Die meinen Umkreis füllen,
Und deuten ihre Rätsel.

Capesius:
Ist Wahrheit deine Rede,
So wandle uns
Die Fragen nach den rechten
Lebenswerten in deine Sprache,
So dass Natur uns Antwort gebe.
Denn unvermögend sind wir selbst,
Die grosse Mutter so zu fragen,
Dass sie uns hören kann.

Die andere Maria:
Ihr seht in mir die niedre Schwester nur
Des hohen Geisteswesens,
Das jenes Reich bewohnt,
Aus dem ihr eben kommt.
Sie hat dies Feld mir angewiesen,
Dass hier ich ihren Abglanz
Für Menschensinne zeige.

Capesius:
So sind dem Reiche wir entflohn,
Das unsre Sehnsucht stillen könnte?

Die andre Maria:
Wenn ihr den Weg zurück
Nicht wieder findet,
Gedeiht ihr nimmermehr.

Capesius:
Und welcher ist der rechte Weg?

Die andre Maria:
Es gibt der Wege zwei.
Erwächst mir meine Kraft zu ihrer Höhe,
So können alle Wesen meines Reichs
In hehrster Schönheit strahlen.
Es glänzt dann funkelnd Licht
Von Fels und Wasser;
Der Farben reichste Fülle
Verbreitet sich im Umkreis,
Und Heiterkeit der Wesen
Erfüllt die Luft mit frohen Tönen.
Ergibt sich eure Seele dann
Den reinen Wonnen meines Seins,
So schwebet ihr auf Geistesflügeln
Im Weltenurbeginne.

Strader:
Das ist kein Weg für uns.
Er heisst in unsrer Sprache Schwärmerei.
Wir wollen auf dem Boden bleiben,
Nicht in die Wolkenhöhen fliegen.

Die andre Maria:
Und wollt ihr wandeln den andern Weg,
Ihr müsst verzichten
Auf euren stolzen Geist.
Vergessen, was Vernunft gebeut,
Natursinn erst erobern eurem Wesen,
In Mannesbrust die Kindesseele,
Von des Gedankens Schattenbildern unberührt
Natürlich walten lassen.
So kommt ihr zwar nicht wissend,
Doch sicher zu des Lebens Quellen.
(Die andre Maria verschwindet)

Capesius:
So sind wir doch
Auf uns nur selbst zurückgewiesen.
Und haben bloss gelernt,
Dass uns geziemt zu wirken
Und in Geduld die Früchte zu erwarten,
Die aus dem Wirken reifen.

Johannes: (wie aus der Meditation; er ist hier wie auch im
folgenden abseits sitzend und
gehört nicht selbst in die Handlung hinein):
So finde ich im Seelenreich
Die Menschen wieder, die bekannt mir sind:
Den Mann, der von Felicias Geschichten sprach –
Nur konnt' ich hier ihn schauen,
Wie er in jungen Jahren war;
Und jenen, der als junger Mann
Zum Mönche sich bestimmt –
Als alter Mann erschien er mir.
Der Geist der Elemente war bei ihnen.

(Vorhang)


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