Rudolf Steiner
Die Pforte der Einweihung
Rudolf Steiner

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Fünftes Bild

Ein unterirdischer Felsentempel, die verborgene Mysterienstätte der Hierophanten. (Benedictus, Theodosius, Romanus, Retardus; Felix Balde, die andre Maria. Johannes in Meditation, wie im vorigen Bilde.)

Benedictus: (im Osten)
Die ihr Gefährten mir geworden
Im Reich des ewig Seienden,
Ich bin in eurer Mitte jetzt,
Die Hilfe mir zu holen,
Der ich von euch bedarf
Zum Schicksalsfaden eines Menschen,
Der Licht von hier empfangen soll.
Er ist geschritten durch die Leidensproben
Und hat in bittrer Seelennot
Den Grund gelegt zur Weihe,
Die ihm Erkenntnis geben soll.
Erfüllt ist nun die Sendung,
Die mir obliegt als Geistesbote,
Der dieses Tempels Schätze
Zu Menschen bringen soll.
An euch, ihr Brüder, ist es jetzt,
Mein Wirken zu vollenden.
Ich habe ihm gezeigt das Licht,
Das ihn geführt
Zum ersten Geistesschauen.
Doch soll aus Bild
Ihm Wahrheit werden,
Muss euer Werk
Zu meinem Werke kommen.
Mein Wort, es ist aus mir allein;
Durch euch ertönen Weltengeister.

Theodosius: (im Süden)
Es spricht die Kraft der Liebe,
Die Welten bindet
Und Wesen mit dem Sein erfüllt.
Es fliesse Wärme in sein Herz.
Er soll begreifen,
Wie er dem Weltengeist
Sich naht durch Opferung
Des Wahnes seiner Eigenheit
Du hast entbunden jetzt
Sein Schauen aus dem Sinnesschlaf;
Die Wärme wird den Geist erwecken
Aus seinem Seelenwesen.
Du hast das Selbst gezogen
Aus seiner Leibeshülle;
Die Liebe wird die Seele festigen,
Dass sie zum Spiegel werden kann,
Aus dem geschaut muss werden,
Was in der Geisteswelt geschieht.
Die Liebe wird die Kraft ihm geben,
Sich selbst als Geist zu fühlen,
Und so das Ohr ihm schaffen,
Das Geisterworte hört.

Romanus: (im Westen)
Auch meine Worte sind
Nicht eignen Wesens Offenbarung;
Es spricht der Weltenwille.
Und da gebracht du hast
Den Menschen, der dir anvertraut,
Zur Kraft, im Geist zu leben,
So soll die Kraft ihn führen
Durch Raumesgrenzen und durch Zeitenenden.
In jene Sphären soll er gehen,
Wo Geister schaffend handeln.
Sie sollen ihm sich offenbaren
Und Taten von ihm fordern.
Er wird sie willig tun.
Der Weltenbildner Ziele,
Sie werden ihn beleben;
Und Urbeginne sollen
Durchgeistern ihn.
Die Weltgewalten werden
Durchkraften ihn;
Die Sphärenmächte
Durchleuchten ihn;
Und Weltenherrscher
Befeuern ihn.

Retardus: (im Norden)
Ihr musstet seit dem Erdbeginn
In eurer Mitte mich ertragen.
So muss in eurem Rate
Auch heute meinem Wort
Gehör gegeben sein.
Bis ihr vollführen könnt,
Was ihr so schön besprochen,
Ist wohl noch eine Weile Zeit.
Noch hat die Erde selbst
Durch nichts uns angekündigt.
Dass sie Verlangen trägt
Nach neuen Eingeweihten.
So lange nicht betreten haben
Den Raum, in welchem wir beraten,
Die Wesen, die noch ungeweiht
Den Geist entbinden können
Aus Sinnes-Wirklichkeiten,
So lange bleibt mir's unbenommen,
Zu hemmen euren Eifer.
Erst müssen sie uns Botschaft bringen,
Dass neue Offenbarung
Der Erde nötig scheint.
Ich halte euer Geisteslicht
Deshalb zurück in diesem Tempel,
Auf dass nicht Schaden
Statt Heil es bringe,
Wenn es die Seelen unreif trifft.
Ich gebe aus mir selbst
Dem Menschen jenen Teil,
Der ihm die Sinneswahrheit
Als Höchstes lässt erscheinen,
So lang die Geistesweisheit
Sein Auge blenden könnte.
Der Glaube mag auch ferner
Zum Geist ihn führen;
Und seines Wollens Ziele,
Sie können durch Begierden,
Die blind im Finstern tasten,
Gelenkt noch weiter werden.

Romanus:
Wir mussten seit dem Erdbeginn
In unsrer Mitte dich ertragen.
Doch ist die Zeit nun abgelaufen,
Die deinem Wirken zugemessen.
Es fühlt in mir der Weltenwille,
Dass jene Menschen nahen,
(Felix Balde erscheint in seiner irdischen Gestalt, die
andre Maria in Seelenform aus dem Felsen.)
Die ungeweiht, aus Sinnenschein
Den Geist entbinden können.
Zu hemmen unsre Schritte
Ist dir vergönnt nicht länger.
Aus freiem Willen werden sie
Sich unserm Tempel nahen
Und dir die Botschaft bringen,
Dass sie mit uns vereint
Am Geisteswerke helfen wollen.
Sie fanden sich bis jetzt
Dazu noch nicht bereit,
Sie hingen an dem Glauben,
Dass Seherkräfte von Vernunft
Getrennt sich halten sollen.
Sie haben nun erkannt,
Wozu Vernunft den Menschen führt,
Wenn sie vom Schauen abgesondert
In Weltentiefen sich verirrt.
Sie werden zu dir sprechen
Von Früchten, die aus deiner Kraft
In Menschenseelen reifen müssen.

Retardus:
Ihr, die ihr unbewusst
Mein Schaffen habt gefördert.
Ihr sollt mir weiterhelfen.
Wenn ihr euch ferne haltet allem,
Was nur in mein Gebiet gehört,
So wird auch eurem Wirken
Der Raum gewahrt stets bleiben,
Wie ihr bisher ihn hattet.

Felix Balde:
Mir hat befohlen eine Kraft,
Die aus den Erdengründen
Zu meinem Geiste spricht,
Zu gehen an den Weiheort.
Sie will durch mich euch künden
Von ihrer Sorge, ihrer Not.

Benedictus:
Mein Freund, so sage uns,
Was du in deinen Seelengründen
Vom Kummer in den Erdentiefen
Erkundet hast.

Felix Balde:
Das Licht, das in den Menschen
Als Frucht des Wissens leuchtet,
Es soll zur Nahrung werden
Den Mächten, die im Erdendunkel
Dem Weltengange dienen.
Sie müssen nun seit lange schon
Der Sättigung fast ganz entbehren
Denn was in diesen Tagen
Erwächst in Menschenhirnen,
Es dient der Erdenoberfläche,
Doch in die Tiefen dringt es nicht.
Es spukt ein neuer Aberglaube
In klugen Menschenköpfen.
Sie richten ihren Blick in Urbeginne
Und wollen in den Geistersphären
Gespenster sehen nur,
Erdacht aus Sinnenwahn.
Der Händler hielte sicher geistverworren
Den Käufer, der ihm sagen wollte.
Es kann im Tal der Nebeldunst
Sich zu dem baren Gelde ballen;
Du aber sollst bezahlt
Mit diesem Gelde sein.
Der Händler will Dukaten nicht
Aus Nebeldunst erwarten.
Doch durstet er
Nach Lösung höchster Daseinsrätsel,
So nimmt er ganze Weltenbaue
Aus Urweltnebeln willig hin,
Wenn Wissenschaft als Zahlung
Zum Geistbedarf sie reicht.
Der Lehrer, der erführe:
Es wollt' ein Laienwicht
Ganz ohne Prüfung selber sich
In Wissenshöhen heben,
Er würde mit Verachtung drohn.
Doch Wissenschaft bezweifelt nicht,
Dass ungeprüft und geistesleer
Das Urwelttier zum Menschen
Aus eigner Kraft sich wandeln könne.

Theodosius:
Warum eröffnest du den Menschen
Nicht deines Lichtes Quellen,
Das in so hellem Strahl
Dir aus der Seele leuchtet?

Felix Balde:
Mich nennen Grübler und Phantast,
Die guten Willen haben.
Den andern aber gelte ich
Als dumpfer Tropf,
Der unbelehrt von ihnen
Der eignen Narrheit folgt.

Retardus:
Du zeigst, wie unbelehrt du bist
Schon durch die Einfalt dieser Rede.
Du weisst nicht, dass gescheit genug
Ein Mann der Wissenschaft,
Um solchen Einwand sich auch selbst zu machen.
Und macht er ihn sich nicht,
So kennt er auch den Grund.

Felix Balde:
Ich weiss ganz gut,
Dass er gescheit genug wohl ist,
Den Einwand zu verstehn;
Doch sicher nicht gescheit genug,
An ihn zu glauben.

Theodosius:
Was soll geschehn,
Den Erdenmächten jetzt zu geben,
Was sie so nötig haben?

Felix Balde:
So lang auf Erden
Gehör nur jene Menschen finden,
Die ihres Geistes Ursprung
Sich nicht entsinnen wollen,
So lange werden hungern
In Erdentiefen Erzgewalten.

Die andre Maria:
Ich hör' aus deinen Worten, Bruder Felix,
Dass du die Zeit als abgelaufen denkst,
Da wir dem Erdendasein dienen sollten,
Um ohne Weihe durch das Weisheitslicht
Aus eignen Lebensgründen Geist und Liebe
Im Dasein zu beleben.
In dir erhoben sich die Erdengeister,
Um ohne Wissenschaft dir Licht zu schaffen.
In mir hat Liebe walten dürfen,
Die in dem Menschensein sich selbst bewirkt.
Wir wollen ferner im Verein mit jenen Brüdern,
Die in dem Tempel leisten Weihedienste,
In Menschenseelen fruchtbar wirken.

Benedictus:
Wenn ihr euch eint mit uns,
So muss das Weihewerk gelingen.
Die Weisheit, die ich meinem Sohn erteilt,
Sie wird in ihm zur Macht erblühn.

Theodosius:
Wenn ihr euch eint mit uns,
So muss die Opferlust erstehn.
Die Liebe wird dann warm durchwehn
Des Geistessuchers Seelenleben.

Romanus:
Wenn ihr euch eint mit uns,
So müssen Geistesfrüchte reifen
Und Taten keimen, die im Geisteswirken
Erwachsen aus der Seelenschülerschaft.

Retardus:
Wenn sie sich mit euch einen,
Was soll mit mir geschehen!
Es werden meine Taten
Dem Geistesschüler fruchtlos sein.

Benedictus:
Du wirst zu andrem Sein dich wandeln,
Da du dein Werk getan.

Theodosius:
Du wirst in Opfern weiterleben,
Wenn du dich selber opferst.

Romanus:
Du wirst in Menschentaten fruchten,
Wenn ich die Früchte pflegen kann

Johannes: (Wie im vorigen Bilde aus der Meditation)
Es zeigten sich dem Seelenauge
Die Brüder in dem Tempel.
Sie glichen an Gestalt den Menschen,
Die ich im Sinnenschein schon kenne.
Nur Benedictus auch an Geist.
Der ihm zur Linken stand,
Ist jenem Manne gleich,
Der nur durch Fühlen sich dem Geiste nähern will.
Der dritte glich dem Menschen,
Der nur in Kurbeln und im äussern Werk
Die Lebensmächte gelten lässt.
Der vierte ist mir unbekannt.
Die Frau, die nach des Gatten Tod
Dem Geisteslicht sich zugewandt,
Ich sah sie hier in ihrem tiefsten Wesen.
Und Felix Balde kam,
Wie er im Leben ist.

(Vorhang fällt langsam.)


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