Rudolf Steiner
Die Pforte der Einweihung
Rudolf Steiner

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Drittes Bild

Ein Meditationszimmer. (Benedictus, Johannes, Maria, Kind.)

Maria:
Ich bringe euch das Kind,
Es braucht ein Wort aus eurem Munde.

Benedictus:
Mein Kind, du sollst fortan
An jedem Abend zu mir kommen,
Zu holen dir das Wort,
Das dich erfüllen soll,
Bevor das Seelenreich des Schlafes du betrittst.
Willst du es so?

Kind:
Ich will es so gern.

Benedictus:
Erfülle dein Gemüt an diesem Abend,
Bis dich der Schlaf umfängt,
Mit dieses Wortes Kraft:
»Es tragen Lichtgewalten
Mich in des Geistes Haus.
(Das Kind wird von Maria hinausgeführt.)

Maria:
Und nun, da dieses Kindes Schicksal
In Zukunft fliessen soll
Im Schatten eurer Vaterhuld,
Erbitten darf des Führers Rat
Auch ich, die Mutter ihm geworden,
Wenn nicht durch Blutesbande,
So doch durch Schicksalsmächte.
Ihr wieset mir den Weg,
Den ich es führen sollte
Von jenem Tage an, da ich es fand,
Von seiner unbekannten Mutter
Mir vor die Tür gelegt.
Und wunderwirkend zeigten
Sich an dem Pflegling alle Regeln,
Nach welchen ich ihn führen durfte.
Zutage traten alle Kräfte,
Die in dem Leibe und der Seele keimten.
Es zeigte sich, wie eure Weisung
Entsprossen war dem Reiche,
Das dieses Kindes Seele barg,
Bevor sie baute ihres Leibes Hülle.
Erwachsen sahen wir die Menschenhoffnung,
Die heller strahlte jeden neuen Tag.
Ihr wisst, wie schwer des Kindes Neigung
Ich erst gewinnen konnte.
Es wuchs heran in meiner Pflege,
Und mehr nicht als Gewohnheit
Verband erst seine Seele mit der meinen.
Es stand zu mir, empfindend,
Dass ich ihm reichte, was ihm nötig war
Für Leibeswohl und Seelenwachstum.
Es kam die Zeit, in welcher
Im Kindesherzen sich erzeugte
Die Liebe zu der Pflegerin.
Ein äussrer Anlass brachte solche Wandlung.
Es trat in unsern Kreis die Seherin.
Das Kind war gern um sie,
Und manches schöne Wort
Erlernte es in ihrem Zauberbann,
Da kam ein Augenblick, in dem Begeisterung
Erfasste unsre wundersame Freundin,
Und schauen konnte unser Kind
Der Augen glimmend Licht.
Erschüttert bis ins Lebensmark
Empfand die junge Seele sich.
Sie kam in ihrem Schreck zu mir.
Von dieser Stunde an
War mir das Kind in Liebe warm ergeben.
Doch seit bewusstes Fühlen
Von mir empfing die Lebensgaben,
Und nicht der Trieb allein,
Seit wärmer dieses junge Herz erbebte,
Sobald sein Blick den meinen liebend traf,
Verloren eure Weisheitsschätze ihre Fruchtbarkeit.
Verdorren musste vieles,
Was schon gereift dem Kinde.
Erscheinen sah ich an dem Wesen wieder,
Was an dem Freunde furchtbar sich erwiesen,
Ich bin mir immer mehr ein dunkles Rätsel.
Du kannst mir wehren nicht die bange Lebensfrage:
Warum verderb' ich Freund und Kind,
Wenn liebend ich das Werk versuch'
An ihnen zu verüben,
Das mich die Geistesweisung
Als gut erkennen lässt im Herzen?
Du hast mich an die hohe Wahrheit oft gewiesen,
Dass Schein sich breitet an des Lebens Oberfläche,
Doch muss ich Klarheit haben,
Soll ich ertragen dies Geschick,
Das grausam ist und Böses wirkt.

Benedictus:
Es formt sich hier in diesem Kreise
Ein Knoten aus den Fäden,
Die Karma spinnt im Weltenwerden.
O Freundin, deine Leiden
Sind Glieder eines Schicksalsknotens,
In dem sich Göttertat verschlingt mit Menschenleben.
Als auf dem Pilgerpfad der Seele
Erreicht ich hatte jene Stufe,
Die mir die Würde gab,
Mit meinem Rat zu dienen in den Geistersphären,
Da trat zu mir ein Gotteswesen,
Das niedersteigen sollte in das Erdenreich,
Um eines Menschen Fleischeshülle zu bewohnen.
Es fordert dies das Menschenkarma
An dieser Zeiten Wende.
Ein grosser Schritt im Weltengang
Ist möglich nur, wenn Götter
Sich binden an das Menschenlos.
Es können sich entfalten Geistesaugen,
Die keimen sollen in den Menschenseelen,
Erst wenn ein Gott das Samenkorn
Gelegt in eines Menschen Wesenheit.
Es wurde mir nun aufgegeben,
Zu finden jenen Menschen,
Der würdig war, des Gottes Samenkraft
In seine Seele aufzunehmen.
So musste ich verbinden Himmels-Tat
Mit einem Menschenschicksal.
Mein geistig Auge forschte.
Es fiel auf dich.
Bereitet hatte dich dein Lebenslauf zum Heilesmittler.
In vielen Leben hattest du erworben dir
Empfänglichkeit für alles Grosse,
Das Menschenherzen leben.
Der Schönheit edles Wesen, der Tugend höchste
Forderung,
Du trugst als Geisteserbe sie
In deiner zarten Seele.
Und was dein ewig Ich
Ins Dasein durch Geburt gebracht,
Es ward zur reifen Frucht
In deinen jungen Jahren.
Zu früh nicht stiegest du
Auf steile Geisteshöhen.
Und so erstand dir nicht
Der Hang zum Geisterland,
Bevor du voll erfasst
Der Sinne unschuldvolle Freuden.
Erkennen lernte deine Seele Zorn und Liebe,
Als ihrem Denken jeder Trieb
Zum Geist noch ferne war.
Natur in ihrer Schönheit zu geniessen,
Der Künste Früchte pflücken,
Erstrebtest du als deines Lebens Reichtum.
Du durftest heiter lachen,
Wie nur ein Kind kann lachen,
Das von des Daseins Schatten
Noch nichts erfahren hat.
Du lerntest Menschenglück verstehn
Und Leid beklagen in den Zeiten,
Da deinem Ahnen selbst nicht dämmerte,
Zu fragen nach des Glückes und des Leides Wurzeln.
Als reife Frucht von vielen Leben
Betritt das Erdensein die Seele,
Die solche Stimmung zeigt.
Und ihre Kindlichkeit ist Blüte,
Nicht Wurzel ihres Wesens.
Nur diese Seele durfte ich erkiesen
Zum Mittler für den Geist,
Der Wirkenskraft erlangen sollte
Durch unsre Menschenwelt.
Und nun begreife, dass dein Wesen
Sich wandeln muss zum Gegenbild,
Ergiesst aus dir es sich in andre Wesen.
Der Geist in dir, er wirkt in allem,
Was für das Reich der Ewigkeit
An Früchten reifen kann im Menschenwesen.
Ertöten muss er darum vieles,
Was nur dem Reich des Zeitenseins gehören soll.
Doch seine Todesopfer
Sind Saaten der Unsterblichkeit.
Dem höhern Leben muss erwachsen,
Was aus dem niedern Sterben blüht.

Maria:
So also steht's mit mir.----
Du gibst mir Licht,
Doch Licht, das mir die Kraft des Sehens raubt
Und mich mir selbst entreisst.
Bin ich denn eines Geistes Mittler nur
Und nicht mein eigen Wesen,
Dann dulde ich nicht länger die Form an mir,
Die Maske und nicht Wahrheit ist.

Johannes:
O Freundin, was ist dir!
Es schwindet deines Blickes Licht,
Zur Säule wird dein Leib,
Ich fasse deine Hand,
Sie ist so kalt, Sie ist wie tot.

Benedictus:
Mein Sohn, du hast der Proben viel erfahren
Du stehst in dieser Stunde vor der stärksten,
Du schaust der Freundin Leibeshülle,
Vor meinem Blick jedoch
Entschwebt ihr Selbst in Geistersphären.

Johannes:
O sieh! die Lippen regen sich.
Sie spricht –---

Maria:
Du gabst mir Klarheit,
Ja, Klarheit, die in Finsternis
Mich hüllt nach allen Seiten.
Ich fluche deiner Klarheit,
Und dich verfluche ich,
Der mich zum Werkzeug
Der wilden Künste formte,
Durch die er Menschen täuschen will. –
Ich habe keinen Augenblick bisher
An deiner Geisteshöhe zweifeln können,
Doch jetzt genügt der eine Augenblick,
Aus meinem Herzen mir zu reissen jeden Glauben.
Erkennen muss ich, dass sie Höllenwesen sind,
Die Geister, welchen du ergeben bist.
Ich musste andre täuschen,
Weil du erst mich getäuscht!
Ich will dich fliehn in Fernen,
Wohin von dir kein Laut mehr dringt,
Und die doch nah genug,
Dass meine Flüche dich erreichen können!
Des eignen Blutes Feuer,
Du hast es mir geraubt,
Um deinem falschen Gott zu geben,
Was mein sein muss.
O dieses Blutes Feuer,
Es soll dich brennen!
Ich musste glauben
An Trug und Wahn.
Und dass es möglich wurde,
Zum Truggebilde musstest du
Mich selbst erst machen!
Ich musste oft erleben,
Wie meines Wesens Wirkung
Ins Gegenbild sich wandelte.
So wandle jetzt,
Was Liebe war zu dir,
In wilden Hasses Feuer sich.
Ich will in allen Welten
Nach jenem Feuer forschen,
Das dich verzehren kann.
Ich – – – ach – – –

Johannes:
Wer spricht an diesem Ort?
Ich schau die Freundin nicht!
Ich schau ein grausig Wesen.

Benedictus:
Der Freundin Seele schwebt in Höhen,
Sie liess ihr sterblich Scheinbild
An diesem Ort zurück uns nur.
Und wo ein Menschenleib
Vom Geist verlassen wird,
Ist Raum, den sich
Des Guten Widersacher sucht,
Um einzutreten in das Reich der Sichtbarkeit.
Er findet eine Leibeshülle,
Durch die er sprechen kann.
Es sprach ein solcher Widersacher,
Der mir zerstören will das Werk,
Das mir obliegt
Für vieler Menschen Zukunft
Und auch für dich, mein Sohn.
Und könnt' ich halten jene Flüche,
Die unsrer Freundin Hülle eben sprach,
Für andres als Versucherlist,
Du dürftest mir nicht folgen.
Des Guten Widersacher war an meiner Seite;
Und du, mein Sohn,
Hast stürzen sehn in Finsternis,
Was zeitlich ist an jenem Wesen,
Dem deine ganze Liebe strahlt.
Weil Geister dir so oft
Aus ihrem Mund gesprochen,
Ersparte dir das Weltenkarma nicht,
Den Höllenfürsten auch
Durch sie zu hören.
Nun darfst du erst sie suchen
Und ihres Wesens Kern erkennen.
Sie soll dir Vorbild jenes höhern Menschen sein,
Zu dem du dich erheben sollst.
Es schwebet ihre Seele in die Geisteshöhen,
Wo Menschen ihres Wesens Urform finden,
Die in sich selbst sich gründet.
Du sollst zum Geistgebiet ihr folgen,
Und schauen wirst du sie im Sonnentempel.
Es formt sich hier
In diesem Kreise
Ein Knoten aus den Fäden
Die Karma spinnt
Im Weltenwerden.
Mein Sohn, da du bis jetzt gehalten dich,
Wirst du auch weiterdringen.
Ich sehe deinen Stern im vollen Glanze.
Es ist nicht Raum im Sinnensein
Für Kämpfe, welche kämpfen Menschen,
Die nach der Weihe streben.
Was Sinnensein an Rätsel hat,
Die mit Verstand zu lösen,
Was solches Sein erzeugt in Menschenherzen,
Es mag durch Liebe oder Hass entstehen
Und sich entladen noch so schauervoll:
Dem Geistessucher muss es werden
Ein Feld, auf das er unbeteiligt
Den Blick von aussen richten kann.
Ihm müssen Kräfte sich entfalten,
Die nicht auf diesem Feld zu finden sind.
Du musstest dich durch Seelenprüfung ringen,
Die dem nur werden kann,
Der sich gerüstet
Für solche Mächte findet,
Die Geistes-Welten angehören.
Und wärest du von diesen Mächten
Nicht reif befunden zum Erkenntnisweg,
Sie hätten dir das Fühlen lähmen müssen,
Bevor du wissen durftest,
Was dir bekannt nun ist geworden.
Die Wesen, die in Welten-Gründe schauen,
Sie führen Menschen,
Die zu den Höhen streben,
Zuerst auf jenen Gipfel,
Wo es sich zeigen kann,
Ob ihnen Kraft gegeben,
Bewusst zu schauen Geistessein.
Die Menschen, welchen solche Kräfte eigen sind,
Sie werden aus der Sinnenwelt entlassen;
Die andern müssen warten.
Du hast dein Selbst bewahrt, mein Sohn,
Als Höhenkräfte dich erschütterten,
Und als dich Geistesmächte
In Schauer hüllten.
Und kraftvoll hat dein Selbst sich durchgekämpft,
Auch als in eigner Brust die Zweifel wühlten
Und dich den dunklen Tiefen überliefern wollten.
Du bist mein wahrer Schüler
Erst seit der inhalsvollen Stunde,
Wo du an dir verzweifeln wolltest,
Wo du dich selbst verloren gabst,
Und wo die Kraft in dir dich dennoch hielt.
Ich durfte dir an Weisheitsschätzen geben,
Was Kraft dir brachte,
Dich selbst zu halten,
Auch da du selbst an dich nicht glaubtest.
Es war die Weisheit,
Die du errungen,
Dir treuer als der Glaube,
Der dir geschenkt.
Du bist als reif befunden.
Du darfst entlassen werden.
Die Freundin ist vorangeschritten,
Du wirst im Geist sie finden.
Ich kann dir noch die Richtung weisen:
Entzünde deiner Seele volle Macht
An Worten, die durch meinen Mund
Den Schlüssel geben zu den Höhen.
Sie werden dich geleiten,
Auch wenn dich nichts mehr leitet,
Was Sinnesaugen noch erblicken können.
Mit vollem Herzen wolle sie empfangen:

Des Lichtes webend Wesen, es erstrahlet
Durch Raumesweiten,
Zu füllen die Welt mit Sein.
Der Liebe Segen, er erwärmet
Die Zeitenfolgen,
Zu rufen aller Welten Offenbarung.
Und Geistesboten, sie vermählen
Des Lichtes webend Wesen
Mit Seelenoffenbarung;
Und wenn vermählen kann mit beiden
Der Mensch sein eigen Selbst,
Ist er in Geisteshöhen lebend.

O Geister, die erschauen kann der Mensch,
Belebet unsres Sohnes Seele.
Im Innern lasset ihm erstrahlen,
Was ihm durchleuchten kann
Die Seele mit dem Geisteslicht.
Im Innern lasset ihm ertönen,
Was ihm erwecken kann
Das Selbst zu Geistes Werdelust.

(Geistesstimme hinter der Bühne):
Es steigen seine Gedanken
In Urweltgründe.
Was als Schatten er gedacht,
Was als Schemen er erlebt,
Entschwebet der Gestaltenwelt,
Von deren Fülle
Die Menschen denkend
In Schatten träumen,
Von deren Fülle
Die Menschen sehend
In Schemen leben.

(Der Vorhang fällt.)


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