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Elftes Capitel.

Base Ursel hatte an Katharine's Lager in der Kammer gesessen, sorgsam jede Regung des jungen Mädchens beobachtend, das bleich, mit geschlossenen Augen im Halbschlaf, wie es schien, dalag; auch wiederholt ihren Puls gefühlt und die kalten Umschläge auf der Stirn erneuert. Jetzt beugte sie sich wieder über sie hin, horchte auf die ruhigeren Athemzüge, nickte dann zufrieden und murmelte: »Na, das hätte nun weiter nichts zu sagen: jetzt wollen wir einmal nach dem Jungen sehen.«

Sie erhob sich, und verließ so leise, wie es ihre plumpen Stiefel erlauben wollten, die Kammer, ein unwilliges Gesicht schneidend, als die Thür, so sacht sie dieselbe auch zudrückte, ein wenig knarrte. Lambert, der am Heerd gesessen hatte, hob den Kopf und blickte der Eintretenden aus ängstlich fragenden Augen entgegen. Base Ursel nahm an seiner Seite Platz, stemmte die Füße gegen den Heerd und sagte in einem Ton, der ein Flüsterton sein sollte, und bei ihrer tiefen rauhen Stimme doch nur ein dumpfes Knurren wurde:

»Na, Lambert, auf der Seite« – sie machte dabei mit dem großen Kopf eine Bewegung nach der Kammer – »geht es soweit ganz gut. Das Mädchen ist ein braves Kind und wird morgen wieder fest in ihren Schuhen stehen. Wenn wir Frauensleute über Eure Dummheiten immer gleich sterben wollten, hätten wir viel zu thun.«

Lambert ergriff die Hand der guten Frau; Thränen standen ihm in den Augen. Base Ursel wußte nicht, wie es zuging, aber auch ihre Wimpern wurden feucht. Sie athmete ein paar Mal tief, und sagte: »Schäme Er sich, Lambert, Er hat wirklich ein Herz wie ein junges Huhn; und dabei fällt mir ein, daß ich eigentlich den ganzen Tag nichts gegessen habe. Gieb Er mir doch einmal ein Stück Brod und Schinken, oder was Er hat, und wenn noch ein Schluck Rum da in der Flasche ist, so kann es auch nicht schaden; aber thue er zwei Drittel Wasser dazu. Ein ordentlicher Mensch sollte das feurige Zeug gar nicht anders trinken: und nun wollen wir einmal ein vernünftiges Wort sprechen, Lambert. Wir brauchen uns nicht zu geniren: das Mädel schläft so fest, daß sie vor sechs Stunden nicht wieder aufwacht.«

Lambert hatte das Gewünschte aus dem Küchenschrank genommen; Base Ursel rückte ihren Stuhl an den Tisch, und sagte, während sie sich's trefflich schmecken ließ:

»Weiß Er, Lambert, daß das Mädel ein Schatz ist?«

Lambert nickte.

»Und daß weder Er, noch der Konrad, noch irgend ein Mannsbild in diesem irdischen Jammerthal gut genug für das Mädchen ist?«

Lamberts Augen sagten: Ja.

»Ich habe sie mir jetzt erst recht genau angesehen,« sagte Base Ursel, »wie sie so dalag, weiß und blutend wie die Taube heute Morgen. Da ist kein böser oder schiefer Zug in dem ganzen lieben Gesicht: Alles die lautere Reinheit und Unschuld, als hätte Gott der Herr das Himmelsfenster aufgemacht und sie auf die Erde herabgesandt. Ach, du guter Gott! und nun denken zu müssen, daß so ein lieber Engel zu all dem Leid und Kreuz ausersehen ist, welches unser Erbtheil ist von unserer Evamutter an – es ist zu schrecklich! Indessen, Lambert, recht bei Licht betrachtet, kann Er schließlich nichts dafür, denn Er hat die Welt nicht gemacht, und ist, Alles in Allem, ein guter Mensch, ja, ein recht guter Mensch, Lambert, und was Base Ursel thun kann, Ihm den Weg zu Seinem Glück zu ebnen, das soll von Herzen geschehen, Lambert. Ja, wahrhaftig, Lambert, das soll es.«

»Ich danke Euch, Base,« erwiederte Lambert; »ich kann wohl sagen, ich war immer von Eurer Güte überzeugt, und habe stets auf Euch gerechnet; aber ich fürchte, jetzt kann uns Niemand mehr helfen. Wie soll ich mit ihr vor Gottes Altar treten, wenn ich weiß, daß mir der Bruder mein Glück mißgönnt? und wenn ich es könnte, Katharine würde den Gedanken nicht ertragen, daß sie es ist, um derentwillen mir Konrad unversöhnlich zürnt. Sie weiß, wie ich den Jungen geliebt habe, wie ich ihn noch liebe! Ich könnte mein Blut für ihn verspritzen! und er muß sich so von mir, von uns lossagen! und gerade jetzt! gerade jetzt!«

Lambert stützte die Stirn in die Hand; auch auf Base Ursels rauhem Gesicht lag eine tiefe, rathlose Traurigkeit; sie wollte Lambert etwas Tröstliches sagen; aber sie fand nichts. Lambert fuhr fort:

»Ich zürne ihm ja nicht; wie sollte ich auch? Ihr wißt, Base, wir schwankten lange Zeit, ob er nicht anstatt meiner nach New-York gehen sollte, da er sich leichter frei machen kann als ich, und wir es auch für gut hielten, wenn er einmal hinaus unter andere Menschen käme. Da hätte ja er Katharine finden können, und er würde gewiß ebenso gehandelt haben, wie ich, und wer weiß, wie Alles dann sich gefügt hätte.«

Base Ursel schüttelte den großen Kopf.

»Versündige Er sich nicht, Lambert,« sagte sie; »ich habe immer noch gefunden, daß es, Alles wohl erwogen, immer just so hat kommen müssen, wie es gekommen ist. Und damit Punktum.«

»Ich kann mir ja auch nicht denken, es hätte anders kommen können,« erwiederte Lambert; »so wenig, wie ich mir denken kann, daß dies nicht meine Hand ist, und doch möchte ich sie hingeben, könnte ich Konrad dafür wieder gewinnen.«

»Und ich meine beiden Hände und meinen alten Kopf dazu,« sagte Base Ursel, »könnte ich damit bewirken, daß meine vier Jungen da lebendig zur Thür hereinträten. Lambert, Lambert, lasse Er sich sagen: Wenn und Aber sind ganz schöne Dinge; nur muß man sie sich vom Leibe halten, sonst wird man darüber verrückt, Lambert; ich hab's an mir erlebt und meinem Alten.«

»Aber Konrad ist nicht todt,« rief Lambert: »da kann ja nicht alle Hoffnung geschwunden sein. Ich hatte auch den Kopf verloren; ich wußte nicht, was ich sagte, was ich that. Er war ohne das schon unglücklich genug. Ach, Base, ich bin gewiß auch schuld daran; ich möchte ihm das sagen; ich möchte ihm so recht in's Herz reden. Er hat noch immer auf mich gehört. Was meint Ihr, Base?«

»Ja, was soll ich meinen?« erwiederte Base Ursel ärgerlich. »Es ist immer die alte Geschichte. Erst stellt Ihr die Welt auf den Kopf, und dann kommt Ihr gelaufen und schreit: was meint Ihr nun, Base? Bin ich der liebe Gott? es thäte manchmal wahrhaftig noth. Na, Lambert! darin hat Er freilich recht: der Konrad ist noch nicht todt, und so brauchen wir die Flinte auch nicht in's Korn zu werfen. Aber das Kind mit dem Bade ausschütten, das geht nicht, und Oel in's Feuer gießen, macht die Flamme nur größer. Wenn Er zu dem Konrad käme, das würde nimmer gut thun und hieße Feigen sammeln wollen von dem Dornstrauch. Mit der Zeit pflückt man Rosen, Lambert, mit der Zeit.«

Base Ursel wiederholte noch mehrmals die letzten Worte, als wollte sie ihrer Rathlosigkeit damit zu Hülfe kommen.

»Aber die Zeit drängt,« sagte Lambert. »Wer weiß, wie bald wir die Franzosen hier haben! Vielleicht morgen! und morgen sollte unser Hochzeitstag sein! lieber Gott!«

Und er erzählte der Base, was er mit dem Pfarrer verabredet hatte.

»Ja, ja, der Mensch denkt und Gott lenkt,« sagte Base Ursel. »Von morgen kann nun keine Rede sein; so weit ist das arme Ding wohl morgen noch nicht; und was das Andere anbetrifft, da laß Er mich nur sorgen, Lambert. Ob das Mädel zu mir kommt, oder ich zu dem Mädel, das wird sich wohl so ziemlich gleich bleiben, selbst in des Pfarrers Augen, um von dem lieben Gott gar nicht zu reden, der mehr zu thun hat, als daß er sich um solchen Hokuspokus kümmern könnte. Vorläufig bin ich hier; ich hätte gern nach meinem Alten gesehen, der ja heute ganz desperat und heidenmäßig war; aber wenn's so sein muß, bleibe ich auch. Es muß doch Jemand das Regiment führen, wenn Sein Regiment einrückt. Still da, Pluto! was hat denn die Bestie? ich glaube gar, die Bursche kommen schon! Seh Er einmal nach, Lambert; ich werde unterdessen nach dem Mädel schauen; und, Lambert, wenn sie es sind, so behalte Er sie vor dem Hause: die Nacht ist warm und Ihr werdet so wie so Wache halten wollen. Wer schlafen will, kann hier hereinkommen und sich an dem Heerd hinlegen; aber mäuschenstill, das bitte ich mir aus.«

Base Ursel ging in die Kammer, Lambert trat vor die Hausthür, dem noch immer knurrenden Pluto bedeutend, daß er still sein müsse. Er horchte in die Nacht hinein, und jetzt vernahm auch sein Ohr deutlich den Schritt der Kameraden. Bald tauchten die Gestalten aus dem leichten Nebeldunst, der noch immer auf den Wiesen in der Nähe des Baches zog, obgleich der Mond schon in einiger Höhe über dem Walde stand. Es waren ihrer drei. Lambert schlug das Herz. Er erwartete nur Fritz Volz und Richard Herckheimer: war Konrad der Dritte? gewiß, gewiß! es war Konrad, es mußte Konrad sein!

Aber aus Pluto's breiter Brust klang es jetzt wie rollender Donner; sollte das kluge, treue Thier seinen Herrn nicht erkannt haben? Lambert ging in einer ungeheuren Aufregung den Kommenden entgegen.

»Gott zum Gruß, Lambert!« sagte Richard Herckheimers frische Stimme.

»Grüß' Dich Gott, Lambert!« sagte Fritz Volz.

Der Dritte war ein paar Schritte zurückgeblieben.

»Wer ist der Andere?« fragte Lambert mit zitternder Stimme.

»Rath' einmal!« sagte Richard lachend.

»Der verdrehte Kerl!« sagte Fritz Volz.

»Er wollte durchaus mit, obgleich selbst Annchen meinte, er sollte sein Pulver nicht unnöthig verschießen,« sagte Richard.

»Es ist Adam Bellinger?« fragte Lambert.

»Nun, so komm doch heran, Du Hasenfuß,« sagte Fritz Volz.

»Hält er den Hund auch ganz fest?« fragte Adam mit unsichrer Stimme.

Richard und Peter lachten, Lambert konnte nicht einstimmen, wie er es wohl zu jeder andern Zeit gethan hätte. Adam anstatt Konrads! und was konnte den thörichten Menschen zu der nächtlichen Wanderung bewogen haben, wenn nicht der Wunsch, wieder in Katharine's Nähe zu kommen? und was sollten die Freunde von ihm, von Katharinen denken? was würde der schwatzhafte Adam ihnen nicht unterwegs Alles erzählt haben?

»Höre,« sagte Richard, der, während sie dem Hause zuschritten, Lambert unter den Arm gefaßt hatte, »komme ein wenig zu; ich wollte Dir ein paar Worte sagen. Du mußt nicht böse sein, Lambert, daß wir den Adam mitgebracht haben; aber er wollte sich wirklich nicht bedeuten lassen. Weiß der Himmel, was ihm in seinen Kalbskopf gefahren ist! Aus seinen verrückten Reden wären wir natürlich nicht klug geworden, aber seine Frauenzimmer haben uns das Licht hell genug angesteckt! Daß Dich! Na, Lambert, alter Junge, ich wünsche Dir von ganzem Herzen Glück. Und da kann ich Dir auch sagen, daß mir dabei ein mächtiger Stein vom Herzen gefallen ist. Du weißt, ich habe das Annchen immer gern gehabt, und sie ist mir auch nicht gerade bös gewesen; aber der alte Bellinger hat es sich ja nun einmal in den Kopf gesetzt, daß Du sein dritter Schwiegersohn werden müßtest, und keiner sonst. Nun, wenn Du das fremde Mädchen heirathest, so ist uns Allen geholfen. Darum noch einmal Glück und Segen, Lambert Sternberg, von ganzem Herzen!«

»Das wünsche ich auch Dir,« sagte Lambert.

»Ich weiß es,« sagte Richard; »aber nun müssen wir Deinem Mädchen guten Abend bieten, Lambert; wenn sie halb so schön ist, wie Adam schwört, muß es ja ein wahres Wunder sein. Ist sie drinnen?«

Sie standen vor der Thür; die beiden Andern waren noch immer zurück; Lambert zog seinen jungen Freund neben sich auf die Bank und erzählte ihm in der Kürze Alles, was er ihm früher oder später sicher mitgetheilt hätte, und was jetzt doch keinen Augenblick verheimlicht werden konnte.

»Das ist meine Lage, Richard,« schloß er: »Du kannst Dir denken, wie schwer mir das Herz ist.«

»Wohl kann ich mir's denken,« sagte Richard Herckheimer, Lamberts Hand herzlich drückend: »armer Freund, das ist eine böse Geschichte. Konrad sollte sich wahrhaftig schämen, gerade jetzt sich von Dir loszusagen und den Karren stecken zu lassen, wo selbst Kerle wie Johann Mertens und Hans Haberkorn mit uns an dem selben Strang ziehen.«

»Siehst Du, Richard, das ist es, was mich am meisten betrübt,« sagte Lambert. »Du weißt, wie sie über uns geredet haben im vergangenen Jahr, und daß wir es mit den Franzen hielten und daß Konrad besser indianisch als deutsch spräche, und was des schändlichen Zeugs mehr war. Was werden sie nun erst sagen, wenn sie hören, daß Konrad in dem Augenblick, wo die Gefahr hereinbricht, abermals nicht unter uns zu finden ist!«

»Laß sie sagen, was sie wollen,« sagte Richard.

»Meinen Vater, den Pfarrer und alle Verständigen hast Du immer auf Deiner Seite gehabt und sie werden auch diesmal wissen, woran sie sich zu halten haben. Vielleicht besinnt sich der Konrad auch noch.«

»Das gebe Gott,« sagte Lambert mit einem tiefen Seufzer.

»Und nun will ich Fritz Volz einen Wink geben,« sagte Richard aufstehend, »und dann sollst Du uns sagen, was wir für diese Nacht zu thun haben.«

Richard Herckheimer ging auf die beiden Anderen zu, die noch immer in einiger Entfernung standen, und, wie es schien, in einem Wortwechsel begriffen waren. In demselben Augenblick kam Base Ursel aus der Thür.

»Ist Er's, Lambert?«

»Ja, Base.«

»Und wer sind die Andern?«

Lambert nannte die Freunde.

»Was will denn der Adam?« sagte Base Ursel; »der Kerl ist wohl ganz närrisch geworden. Na, Lambert, das ist seine Sache; aber morgen schickt Er mir den albernen Menschen wieder fort; wir können hier keine unnützen Esser brauchen. Für heute mag er hereinkommen mit den Andern. Die Katharine ist wieder auf; sie sagt, es sei jetzt keine Zeit zum Kranksein. Darin hat sie freilich recht, und so steht sie denn am Feuer und kocht Seinen Leuten eine Abendsuppe, als wenn nichts vorgefallen wäre: das Prachtmädel! Ich werde nun nach Hause gehen, und Lambert, was Ihm der Pfarrer gesagt hat, das ist ja gewiß gut gemeint, aber im Grunde doch nur dummes Zeug. Er ist ein ehrbarer Mensch und das Mädel nicht leichtfertig; und der liebe Gott wird wissen, was er davon zu halten hat.«

Lambert eilte an Base Ursel vorüber in's Haus, Katharine kam ihm entgegen, den Kopf mit einem Tuch umwunden, bleich, aber auf den Lippen ein holdes Lächeln.

»Du darfst mich nicht schelten,« sagte sie; »ich that nur, der Base zu Gefallen, als ob ich schliefe; ich habe Alles gehört: ich konnte nicht ruhig liegen bleiben, während Du so viele Gäste hast. Mir geht es wieder ganz gut.«

Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust und flüsterte:

»Und Du liebst mich, trotzdem, Lambert, nicht wahr?«

Lambert hielt das holde Mädchen fest umschlungen, als sich ein lautes Ehem! vernehmen ließ, und Base Ursel in die Thür trat, von den drei jungen Männern auf dem Fuße gefolgt.

»So, Ihr jungen Leute,« sagte Base Ursel, »kommt herein, und eßt Euer Abendbrod, notabene, wenn's fertig sein wird; und dies ist hier meines Lambert liebe Braut Katharine, und nun steht nicht da herum wie Lots Salzsäule, und, Adam Bellinger, Er kann auch wohl Seinen Mund zumachen, es fliegen Ihm keine gebratenen Tauben hinein; es giebt heute Abend nur eine Suppe, wobei Er schon selber die Hände wird regen müssen, die Er gelegentlich mal aus den Taschen nehmen kann. – So, Richard Herckheimer, das ist recht, daß Er der Jungfer gleich die Hand bietet; Er ist immer der Manierliche, das hat Er von Seinem Vater. Und nun will ich fort. Behüt' Dich Gott, Katharine, und Ihm Lambert, und Euch Alle; ich komme morgen wieder her, und vielleicht gleich mit meinem Alten. Jetzt soll sich Niemand weiter um mich kümmern: hört Ihr? Base Ursel weiß allein nach Hause zu finden.«

Sie hatte, während sie so sprach, ihr Gewehr umgehangen, Katharine herzlich geküßt und den jungen Männern der Reihe nach die Hand geschüttelt. Dann schritt sie zum Hause hinaus in die wehende Nacht.

Die drei Gäste athmeten sichtlich auf, als die gestrenge Base Ursel den breiten Rücken gewandt hatte, und ihr kräftiger Schritt draußen nicht mehr gehört wurde; aber es dauerte doch eine geraume Zeit, bis sie einigermaßen frei um sich zu blicken und zu reden wagten, so freundlich auch Katharine zum Sitzen einlud und versicherte, daß die Suppe bald fertig sein werde. Richard Herckheimer sagte zu Fritz Volz: »Aber so setze Dich doch, Fritz!« blieb aber selber stehen, und Fritz Volz stieß Adam Bellinger in die Seite, und fragte ihn, ob er denn nicht sehe, daß er der Jungfer im Wege stände? Dabei rieben sie sich die Hände, als ob sie ganz und gar durchgefroren wären, trotzdem wenigstens auf Adams Stirn die hellen Schweißtropfen perlten: und, wenn sie ein Wort sprachen, thaten sie es im Flüsterton, als würde die dampfende Suppe, die Katharine jetzt auf den Tisch setzte, ihre letzte Mahlzeit sein.

Adam Bellinger war nicht ganz gewiß, ob dies nicht für ihn der Fall sein werde. Fritz Volz hatte ihm vorhin auseinandergesetzt, daß die Hauptsache sei, fleißig gegen den Feind zu patrouilliren, und daß Adam, wenn er doch einmal so darauf brenne, sich mit den Franzosen zu messen, damit den Anfang machen müsse. Nun sei es allerdings kein Spaß, zur Nacht in den Wäldern umherzulaufen, wenn hinter jedem Baum ein Franzose stehen könne; aber Adam werde die Kerle schon Mores lehren. Adam hatte behauptet, er sei gekommen, das Blockhaus gegen einen etwaigen Angriff vertheidigen zu helfen, nicht aber, sich bei Nacht und Nebel im Walde von den Franzosen todtschießen und von den Indianern scalpiren zu lassen. Darüber waren sie denn in Streit gerathen, der vorhin unterbrochen war und jetzt von dem neckischen Fritz, wenn auch mit einiger Schüchternheit, wieder aufgenommen wurde. Er wünschte von Adam zu wissen, woran er in der Nacht einen Baumstamm von einem Indianer unterscheide? und Richard fragte, wie er sich zu verhalten gedenke, wenn er plötzlich von hinten an seinen langen, gelben Haaren gefaßt und zu Boden gerissen würde? Adam wurde durch diese und ähnliche heikle Fragen der beiden Quälgeister in grenzenlose Verlegenheit gesetzt und lachte laut, während er dem Weinen nahe war, bis sich Katharine in's Mittel legte und meinte: ein muthiger Mann werde in dem Augenblicke der Gefahr das Rechte treffen, wenn er es auch vorher nicht angeben könne.

»Ja wohl,« sagte Adam, »das junge Frauenzimmer hat in ihrem kleinen Finger mehr Verstand als Ihr in Euren Köpfen; ich werde schon wissen, was ich zu thun habe.«

Er begleitete diese muthigen Worte mit einem so dankbar zärtlichen Blick auf Katharine, daß die beiden lustigen Schelme in ein lautes Lachen ausbrachen, und selbst über Lamberts ernstes Gesicht ein Schimmer von Heiterkeit zog.

»Laßt es gut sein,« sagte er, »Adam wird seine Schuldigkeit thun, so gut wie wir Anderen; und nun ist es Zeit, daß wir die Wache für die Nacht abtheilen: je zwei für zwei Stunden, und Adam und ich, wir wollen den Anfang machen. Gute Nacht, Katharine!«

Er reichte Katharine die Hand; die Anderen folgten seinem Beispiel; als Lambert aber mit Adam das Haus verließ, kamen ihm Fritz Volz und Richard Herckheimer nach.

»Wir wollen auch lieber draußen bleiben,« sagte Richard. »Fritz kann, wie ich aus Erfahrung weiß, das Schnarchen nicht lassen, und das möchte Katharine stören, die gewiß des Schlafes bedarf.«

Fritz Volz sagte: er könne das Schnarchen schon lassen, aber Richard nicht das Schwätzen, und da sei es allerdings besser, daß sie hier vor der Thüre campirten.

»Ihr guten Jungen,« sagte Lambert.

»Was da gut!« sagte Richard eifrig; »ich würde die ganze Nacht auf dem Kopfe stehen, weint ich wüßte, daß Katharine darum besser schliefe.«

»Und ich würde mich da in den Creek hineinlegen bis an den Hals,« sagte Fritz Volz.

Adam seufzte und blickte zu dem Mond hinauf, der hell und groß über dem Walde schwebte.

»Komm, Adam,« sagte Lambert, »wir wollen unsere Runde antreten.«

Sie machten sich, von Pluto begleitet, auf den Weg.

Die beiden Andern streckten sich, in ihre Decken gehüllt, die Büchsen im Arm, vor der Thür in den trockenen Sand, Fritz Volz ohne zu schnarchen, Richard Herckheimer ohne zu schwatzen, Beide zu den blitzenden Sternen aufschauend und in Gedanken verloren, die Gustchen und Annchen Bellinger glücklicherweise verschwiegen blieben.

Katharine war noch nie so treu und gut bewacht worden, wie in dieser Nacht.



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