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Nachwort

König Wenzel ward nach diesen Geschichten gar bös geängstigt von seinem Gewissen. Da baute er auf den Rat kluger Leute das große Kloster Königsaal nahe bei Prag und übergab es Mönchen, damit sie beteten für das Heil seiner Seele Tag und Nacht. Dieses taten die Mönche getreulich und schrieben Jahrbücher und lobten darinnen König Wenzel gar sehr als einen weisen Mann, als einen frommen Mann. –

Von den beiden Söhnlein des Zawisch hörte man nichts mehr.

Herr Witigo und Herr Wok aber kehrten der Heimat den Rücken und gingen ins Elend nach Polen. Und es begab sich nach zehn Jahren, daß die Polen Herrn Wenzel zu ihrem Könige machten. König Wenzel zog in sein neues Reich und ließ seine Widersacher unterwerfen. Da wurden auch die Brüder des Zawisch belagert in ihrer Burg; sie mußten sich ergeben nach kurzer Frist und wurden enthauptet.

Also verging das Geschlecht des Herrn Budiwoj.

Aber auch das Geschlecht König Wenzels verging auf immer, als nach einem halben Menschenalter sein Sohn, der dritte Wenzel, unter den Streichen eines Mörders zusammenbrach. –

Lange noch blühte die rote Rose in Böhmen, und es wuchs ihr auch noch manch ein scharfer Dorn im Laufe der Zeiten. Jahrhunderte kamen, Jahrhunderte gingen, der alte Stamm wurde morsch, und sieben Jahre vor dem großen Kriege trugen sie den Letzten aus dem Geschlechte der Rosenherren in die neue Gruft nach Witingau.

Andere Geschlechter setzten sich auf die Schlösser der Witigonen, nahmen den Zins von den Waldbauern, jagten in den unergründlichen Forsten am Moldaustrome.

Droben aber, im alten Stifte des Grafen Wok, des Wuchtigen, unter dem gigantischen Hochaltare, der seine goldstrotzenden, verschnörkelten Holzmassen bis zur gewölbten Decke emporstreckt, sitzen in großer, vermauerter Gruft die meisten aus der Sippe der Witekskinder versammelt um die Helden Wok und Budiwoj; in starrer Ruhe sitzen sie auf ihren Stühlen, ein grausiger Totenkonvent, und harren der Urständ. – Durch die bunten Fensterscheiben des Chores blitzt die Sonne, an den Säulen und Wänden steigt der blaue Weihrauch empor, das Glöcklein am Altare klingt, die Orgel braust, die ernsten Mönche in ihren weißen Kutten und schwarzen Skapulieren versammeln sich zu feierlichen Exerzitien wie vor einem halben Jahrtausend, auf den Knieen liegt die Menge und betet um Glück und Seligkeit wie vor einem halben Jahrtausend, – und drunten, bedeckt von den kühlen Steinplatten, sitzen sie da, sie, die einst so wuchtig über die Erde geschritten waren: Ihre Augen sind geschlossen, ihre Leiber sind vertrocknet, die einen halten sich wohl aufrecht in ihren Stühlen, andere sind wohl längst zusammengesunken, leise rieselt der Staub aus ihren vermoderten Prunkgewändern, aus ihren schlichten Kutten, aus ihren dunkeln Harnischen – sic transit gloria mundi – – die Welt vergeht mit ihrer Pracht. – – –

Mache dich einmal auf ins böhmische Waldland! Geh auf dem uralten, verlassenen Saumpfade aus der Krummenau nach Rosenberg und über den Hügel nach Hohenfurt, klopfe an bei den freundlichen Mönchen und bitte, daß man dich führe in den ehrwürdigen Kapitelsaal:

Dort fällt durch schmale, spitzbogige Fensterlein und durch eine zierliche Rosette mildsanftes Licht, und im Dämmerscheine ragt heute noch wie vor sechshundert Jahren, als die Witigonen standen im Halbkreise hinter Herrn Zawisch, die schlanke Säule, die das Gewölbe trägt.

Laß dich führen von deinem Gastfreunde und tritt vor die Wandnische, in der die Mönche von Hohenfurt einst mit Ehren die Ruhestätte bereitet haben dem müden Haupte des Größten aus dem Stamme der roten Rose, dem Haupte des Witigonen Zawisch!


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