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Neunzehntes Kapitel. Hexenprozesse in Deutschland, der Schweiz, Italien, Spanien, England, Schottland und Frankreich bis zu Mitte des sechzehnten Jahrhunderts

Als Innozenzens Bulle erschienen war und bereits blutige Früchte trug, konnte die deutsche Geistlichkeit und die öffentliche Meinung der Nation sich noch nicht sogleich in die Ansichten und Absichten des Heiligen Vaters finden. Zwar hatten Sprenger und Institoris in einer fünfjährigen Wirksamkeit achtundvierzig, ihr Kollege im Wormserbad in dem einzigen Jahre 1485 sogar einundvierzig Opfer den Flammen übergeben Mall. malef. Part. I. Quaest. 1. Kap. 4.; aber noch immer wurde von deutschen Kanzeln herab die Existenz solcher Wesen, die durch geheime Künste Menschen und Tiere beschädigen könnten, kräftig bestritten. Diesen Widerspruch zum Schweigen zu bringen und den dadurch der Gerechtigkeit und dem Glauben zugefügten Schaden für die Zukunft zu entfernen, wurde, wie das kölnische Notariatsinstrument versichert, der Malleus maleficarum geschrieben und die Approbation der kölnischen Theologen gefälscht, in der insbesondere auch das Predigen gegen den Hexenglauben als verwerflich bezeichnet wurde. Der Malleus verfehlte seinen Zweck nicht, die Prozesse kamen allmählich in Gang. Aber dennoch wurden auch jetzt noch Stimmen laut, die gegen die Doktrin des Hexenhammers Verwahrung einlegten. Gegen den Glauben an die leibliche Ausfahrt der Hexen erklärten sich, auf den Kanon Episcopi gestützt, die Juristen Alciatus Parerg. juris, cap. 21. und Ponzinibius; sie betrachteten den Hexentanz für leere Einbildung. Dafür wurde Ponzinibius von dem Dominikaner Bartholomäus de Spina, Sacri palatii Magister zu Rom, bekriegt Ponzinibium de lamiis apologia I. et II. im 2. T. des Mall, malef. Lugdun 1669.. Spina macht besonders geltend, daß der Jurist eigentlich vom Hexenwesen nichts verstehe und, wenn er zum Prozesse hinzugezogen werde, dem Inquisitor, der seine eigene Art zu prozedieren habe, leicht durch unnütze Weiterungen hinderlich werde.

Während sich so die Gelehrten teils billigend, teils mißbilligend oder einschränkend aussprachen, ging die Praxis ihren Gang.

In Deutschland sehen wir anfangs noch die bischöfliche Jurisdiktion mit der weltlichen konkurrieren, ja während des ersten Viertels des sechzehnten Jahrhunderts die delegierte Inquisition ihr Unwesen treiben. Die eilfertige Plumpheit eines niederen bürgerlichen Richters im Gegensatz zu der langsamen Förmlichkeit des Reichskammergerichts zeigt folgender Fall, den wir aus den Originalakten mitteilen. Er ist ohne Zweifel der erste, der im Punkte der Hexerei diesem höchsten Tribunal zur Entscheidung vorlag, und mag wohl, wie so viele Fälle nach ihm, ohne Ende geblieben sein.

Im Dezember 1508 klagte Anna Spülerin aus Ringingen vor dem Stadtammann zu Ulm gegen dreiundzwanzig Einwohner von Ringingen auf Entschädigung (Wandel, Abtrag und Bekehrung, angeschlagen auf zweitausend Gulden) für eine durch deren Schuld erlittene Unbill. Ihrer Erzählung zufolge, die in ihren wesentlichen Punkten durch spätere Zeugenverhöre bestätigt wurde, verhielt sich die Sache folgendermaßen: Als vor einem Jahre ihre Mutter nebst einigen andern Weibern auf Anrufen der Einwohner von Ringingen durch den Vogt von Blaubeuren als Zauberin eingezogen worden, seien ihr, der Tochter, Worte gerechter Entrüstung entfallen, infolge deren ihr Warnungen zugekommen, als wenn sie dadurch sich selbst verdächtig gemacht habe. Eines Morgens habe sie einen großen Auflauf vor ihrem Haus bemerkt, und als sie, um der Gefahr zu entgehen, sich durch die Hintertüre auf das Feld begeben, hätten die von Ringingen sie eingeholt und, ohne über ihre Absicht sich bestimmt auszusprechen, nach Blaubeuren abgeführt. Dort im Gefängnisse habe sie erwartet, daß man sie baldigst etwa ihrer ausgestoßenen Reden wegen zur Verantwortung ziehen und dann wieder entlassen würde. »Aber nyemands were zu Ir komen annders, dann gleich aubents ains Ersamen Rats hie zu Ulm zuechtiger und nachrichter, der hette gegen Ir strenngklich peenlich unmentschlich und unweyplich gehanndelt und von Ir wissen haben wollen, Sy were aine, das Sy sollichs bekennen sollte, Aber alls Sy sich sollichs frey und unschuldig gewißt, hette Sy Ihr selbs kain unwarheit auflegen, noch nichtzit bekennen wollen, sonnder Ir Hoffnung zu Gott dem Allmechtigen gesetzt, nachgennds were Sy in ain annder fanngknus und gemach geführt und abermals nit ain zway drew viermal, Sonnder unmentschlich peenlich gemartert, alle Ire glüder zerrissen, Sy Irer vernunfft und auch Fünff Synn beraupt und entsetzt worden, dann Sy Ir gesicht und gehördt nit mer hette alls vor, So wer Ir auch in sollicher großen Irer unmentschlichen marter begegnet, das Sy besorgte, wi wol Sy kain gründlich wissen, noch das, mangel halb Irer gesicht, nit wol erkennen noch sehen, das von Ir kommen were, das villeicht darauss ain lebennde Seel mugen hett werden, solliche Marter hett dannocht nit gnug sein, noch erschiessen wolln, Sonnder were ain anderer Züchtiger von Tüwingen mit dem Vogt komen, da hett Sy der Vogt bereden wollen, auf sich selbs zubekennen, und Ir selbs ab der Marter zuverhelffen und gleich mit guten worten gesagt, Was Sy sich doch züge, Sy sollte der Sach bekennen, So Sy dann auss diesem Zeitt füre, So sollten und müssten die von Ringingen, nemlich yeder insonnder Ir ain mess fromen lassen, Dartzu Sy geantwurt hette, dass sollte In diser danncken, dann Sy sich unschuldig gewisst hette. Als nun der Vogt nichtzit von Ir bringen mögen, hette er weytter angefanngen und gesagt, wie Ir Muter auf Sy bekennt und verjehen haben sollte, das Sy auch aine were, das hette Sy widersprochen und veranntwurt, Sy wisste wol, das Ir Muter nichtzit args von Ir zu sagen wisste, auch sollichs von Ir nit sagte, So wisste Sy sich auch ganntz unschuldig frey und ledig, were also für und für auf der warheit verharret und darab nit weychen wollen. Alls Sy aber sollichs gesehen, hetten Sy weytter mit der Mutter und mit vil troworten an Sy gesetzt und gesagt, Sy wollen Ir alle Adern im leib zerryssen, und wiewoln Sy mermaln gütigklich gesagt het, was Sy doch zeyhen, ob Sy Sy von der warhait treyben wollten, So hette Sy doch sollichs nit fürtragen, noch fassen mögen, Sonnder hetten Sy für und für gesagt und von Ir wissen haben wollen, Sy were aine, und nie genennt ain unhollden, bis zum letsten. Also hette Ainer unnder den widertailen, so yetzo gegenwürttig alda stünde, gesagt und Sy gefragt, wahin das Hembt vor unnser lieben Frawen in der kirchen zu Ringingen komen were, dann Sy wisste, wer das zerschniten, hette Sy geanntwurt, ob Sy es yemands beschuldigte, und alls der Vogt gesagt, Er hette des wissen und Im sein klains fingerlin gesagt, hette Sy wieder geanntwurt, Ir geschehe damit unrecht, Sy were dess unschuldig, Mit Erbiettung, wa sollichs ain Mentsch von Ir, das Sy das gethan hette, sagte, wollte Sy darumb den tod leiden, aber nyemands hette Sy sollichs ferrer beschuldigen wollen. Mit dem wem Sy von Ir abgeschieden mit dem traw, Sy wollten enmordnens wider komen und mit noch hertter und strennger peen und martter gegen Ir hanndeln, und hetten Sy darauf in ain noch hertter und schwerer fanngknus dann vor, gelegt, in dem alls yedermann von Ir komen were Ir eingefallen und hette bedacht Ir Zuflucht zu nemen zu dem, der Ir helffen mügen het, das wem nemlich Got der Allmechtig und sein gepererin die himelkönigin Marie, hett dieselbigen auss Innigkeit und grundt Irs Hertzen, und in ansehung Irer Unschuld» der gerechtigkait und warhait angerufft, Sy sollicher Irer strenngen hertten fanngknus zuerledigen, und Sy bei der warhait zubehalten. Sollich Ir gebett und auch die verhaissung der wallfarten, so Sy dabey zu Sannt Leonhart und an annder ort gethan hett, were bey Gott dem Allmechtigen erhört, und Sy derselben nacht zwischen der zehennden und Aylfften stund auss sollicher fanngknus erledigt worden. Dem allem nach und die weyl Sy also auf anruffen der von Rynngingen in sollich fanngknus komen, darynn strenngklich peenlich und unmentschlich gemartert, Ir Ire glüder zerrissen, Sy Irer Vernunft und Synn entsetzt, Auch um Ir Er und gefür, und desshalb in gross, unüberwintlich hertzlaid komen und bracht, dadurch Sy sich selbs und Ire klaine kynndlin nicht mer alls dann vor der zeitt geschehen were, Erneren und hinbringen und Ir auch Ir Eelicher Hausswirt nicht mer, alls vor, Eelich beywonnen möchte. So were Ir anruffung und bitt, die von Rynngingen gütlich zuvermögen und daran zu weisen, Ir unb sollich Ir zugefügt erlitten Schmertzen, Marter schmach und schaden, nach Irer Eren notturft wandel abtrag und bekerung zu thun, wa aber das gütlich nit sein mochte, So hoffte Sy Es sollte billich wesen, mit Recht erkannt werden.« Hierauf erwiderten die Verklagten, die Spülerin habe bei der Hinrichtung ihrer Mutter die Drohung ausgestoßen, sie wolle die von Ringingen an Leib und Gut unglückhaft machen. Der Vogt habe sie deshalb gleich damals greifen wollen, doch, da dies Anstand gefunden, den Befehl hinterlassen, man solle das Weib, wenn es solche Drohungen wiederholen würde, ihm zuführen. Da sie von ihren Reden nicht gelassen, so habe man sie nach Blaubeuren gebracht. Für die weiteren Handlungen des Vogts seien sie nicht verantwortlich und darum zur Genugtuung nicht verpflichtet. Nach verschiedenen Verhandlungen erkannte das Gericht zu Ulm den Verklagten den Eid zu, dass sie an der Peen und Marter der Spülerin nicht schuld gewesen und sie bloß ihrer Drohworte wegen auf Befehl verhaftet hätten. Die Ringinger erklärten sich bereit zu schwören; die Klägerin aber appellierte gegen das Urteil an das Kammergericht, wobei insbesondere geltend gemacht wurde, daß hier nichtiglich das juramentum in supplementum probationis erteilt worden sei. Das Kammergericht wies die Sache zu weiterer Verhandlung an das Gericht der Stadt Biberach und gab schon damals eine gute Probe von der Langsamkeit seines Geschäftsganges, durch die es späterhin so berüchtigt wurde. Die in dieser Sache eingereichte Duplik der Appellaten trägt das Präsentatum vom 23. Juni 1518 und ist das jüngste Stück, das sich unter den Akten findet. Wie lange der ganze Prozeß gedauert hat, ob und wie er entschieden ward, bleibt daher im Dunkel; doch ist, was uns hier am meisten angeht, aus den Zeugenaussagen ersichtlich, daß die Appellantin das gegen sie eingeschlagene tumultuarische und grausame Verfahren der Wahrheit gemäß angegeben hatte.

Seit dem Anfang des sechzehnten Jahrhunderts finden sich in Deutschland, abgesehen von Metz, nur noch vereinzelte Spuren der Amtstätigkeit von mit päpstlichen Vollmachten ausgerüsteten Inquisitoren. Sprenger läßt sich aber noch 1489 in Frankfurt und Köln als Inquisitor in einem Prozeß gegen einen Astrologen nachweisen Hansen, Zauberwahn S. 504. Quellen, 502 ff., und Institoris wirkte noch um 1497 in Bayern, 1500 in Böhmen Riezler, S. 100 ff. eifrig gegen Hexen und Ketzer, wohin er vom Papst Alexander VI. in besonderer Mission entsendet wurde. Ein Hexenprozeß in Basel vom Jahre 1519 wurde wahrscheinlich noch von dem bischöflichen Offizialate geführt Janssen, VIII, S. 566. Fr. Fischer, Die Basler Hexenprozesse in dem 16. und 17. Jahrhundert. Basel 1840, S. 4..

Wie um jene Zeit ein Inquisitor, der Dominikaner Nikolaus Savini, in Deutschland sein Geschäft betrieb, mag uns Agrippa von Nettesheim erzählen: »Als Syndikus zu Metz, – schreibt er Epist, lib. II. 38, 39 et 40. De vanitate scientiarum Cap. 96. K. Binz, Doktor Johann Weyer, 2. Aufl., Berlin 1896, S. 12 ff., – hatte ich (1519) einen harten Kampf mit einem Inquisitor, der ein Bauernweib um der abgeschmacktesten Verleumdungen willen mehr zur Abschlachtung als zur Untersuchung vor sein nichtswürdiges Forum gezogen hatte. Als ich ihm in der Verteidigung der Angeklagten bewies, daß in den Akten kein genügendes Indizium vorliege, sagte er mir ins Gesicht: Allerdings liegt ein sehr genügendes vor, denn ihre Mutter ist als Zauberin verbrannt worden. Ich verwarf ihm dies als ungehörig; er aber berief sich auf den Malleus malleficarum und die peripathetische Theologie und behauptete, das Indizium müsse gelten, weil Zauberinnen nicht nur ihre Kinder sogleich nach der Geburt den Dämonen zu weihen, sondern sogar selbst aus ihrem Umgang mit den Inkuben Kinder zu zeugen und so das Zauberwesen in den Familien zu vererben pflegten. Ich erwiderte ihm: Hast du eine so verkehrte Theologie, Herr Pater? Mit solchen Hirngespinsten willst du unschuldige Weiber zur Folter schleppen und mit solchen Sophismen Ketzer verurteilen, während du selbst mit deinem Satze kein geringerer Ketzer bist, als Faustus und Donatus? Angenommen, es wäre, wie du sagst: wäre damit nicht die Gnade der Taufe vernichtet? Der Priester würde ja vergeblich sagen: Ziehe aus, unsauberer Geist, und mache Platz dem heiligen Geiste, – wenn wegen des Opfers einer gottlosen Mutter das Kind dem Teufel verfallen wäre usw.« Voll Zorn drohte der Dominikaner, daß er Agrippa als Begünstiger der Ketzerei vor Gericht ziehen werde; dieser jedoch ließ sich in seiner Verteidigung nicht beirren. Die Angeklagte wurde befreit, die falschen Ankläger mit einer Geldstrafe belegt und den Inquisitor traf die allgemeine Verachtung, denn Savini hatte von der Gegenpartei Geschenke genommen. Den Feinden war die Wahl zwischen dem Anklage- und dem Denunziationsprozesse gelassen worden; sie hatten den ersteren gewählt, und dennoch hatte der Mönch sich alle Schikanen des damaligen Inquisitionsverfahrens erlaubt.

Die Einführung des Hexenprozesses in den verschiedenen Territorien Deutschlands erfolgte im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert fast überall ganz allmählich, indem man in vielen Landen noch geraume Zeit hindurch, nur im allgemeinen von Zauberei sprach, ohne die Hexerei von ihr zu unterscheiden, so daß sich der Begriff der Hexe erst nach und nach im Volksbewußtsein fester gestaltete« Riezler, S. 141 ff..

In der Mark Brandenburg liegt die älteste aktenmäßige Urkunde über Hexereien aus der Zeit des Kurfürsten Joachim II. (1535-1571) vor, doch sind schon mehrere frühere Fälle bekannt. Bereits 1336 wurden 14 Personen – Luciferianer – in Angermünde dem markgräflichen Vogt zur Verbrennung übergeben Gottfr. Brunner, Ketzer und Inquisition in der Mark Brandenb. im ausgeh. Mittelalter. In. Dis. 1904. Wittenbach, Abh. der Kgl. Akademie der Wissensch., Berlin 1886, III.. 1399 wurde eine Zauberin durch das Berliner Ratsgericht zur Verbrennung verurteilt. Ferner finden Prozesse 1406 und 1423 Berlinisches Stadtbuch, neue Ausg., Berlin 1883, S. 203, 208, 214, 223. Ernst Fidicin, Hist. diplomat. Beitr. z. Gesch. d. Stadt Berlin, 5. Teil, Berlin 1842, S. 426. statt. In dem Dokument Joachims heißt es, daß in Neustadt-Eberswalde Zauberei mit Molken und Bier getrieben sei. Der Kurfürst befahl, darüber ein Erkenntnis der Schöffen in Brandenburg einzuholen. Diese Zauberei mit Bier trat seitdem in der Mark auffallend häufig hervor. So erlitt eine Hexe den Feuertod, weil sie »fliegende Geister« in ein Brauhaus geschickt haben sollte. Im Jahre 1545 kochte ein Weib im Lande Rhinow eine Kröte, Erde von einem Grabe und Holz von einer Totenbahre zu einer »Zaubersuppe« zusammen, die sie in einen Torweg goß, den ein anderer passieren mußte. Auch »Zaubersuppen« kamen seitdem in der Mark öfters vor. Doch erfolgten Hexenprozesse einstweilen nur ganz vereinzelt: 1551, 1553, 1554, 1563, 1569, 1571, 1572, 1576, 1577, 1579. Bei der Hinrichtung einer Zauberin in Berlin im Jahre 1552 trug sich nach einer Chronik ein wunderbarer Vorfall zu: Als die Flamme des Scheiterhaufens emporschlug, flog ein Reiher in die Glut und stieg dann mit einem Stück von dem Pelz der Hingerichteten wieder in die Lüfte. Die zahlreichen Zuschauer waren der Überzeugung, daß dies nur der Teufel gewesen sein konnte. Und von dieser Zeit festigte sich der Glauben an den persönlichen Verkehr des Satans mit dem sich ihm zuneigenden Menschen immer mehr E. Fidicin, Hist.-dipl. Beitr., V. Bd, S. 425 ff.. Im Jahre 1553 sind, wie der Augsburger Prediger Bernhard Albrecht in seiner »Magia« erzählt Leipzig 1628, S. 187., in Berlin zwei Wettermacherinnen eingezogen worden, die einer Nachbarin ein Kindlein gestohlen, es in Stücke zerhackt und gekocht hatten. Sie wurden dabei von der Mutter des Kindes gestört, sonst hätten sie Unwetter erzeugt, daß alle Früchte auf den Feldern hätten verderben müssen. In Küstrin wurde 1559 »ein neuer Profet«, der auf Einflüsterung des Teufels sich damit abgegeben hatte, »die Hexen zu verraten«, öffentlich verbrannt. 1565 werden in der Mark acht Hexen verbrannt.

Von Stendal heißt es: »Besonders waren der Pfarrer zu St. Jakob und früherer Vikar des Domstiftes Johann Wolter mit dem Bürgermeister Jürgen Möring arge Verfolger der Zauberei, deren Spuren sie überall wahrnahmen, wo sich ein Unglück zutrug. Als Georg Möring die Bürgermeisterstelle übernahm (1563), zeigte er dem gleichgesinnten Pfarrer ein Verzeichnis von Hexen und Zauberern, die es auch in Stendal gebe, so lang, wie der Pfarrer später aussagte, daß, wenn er auch sogleich (es war in der Adventzeit) verbrennen zu lassen anfinge und wöchentlich deren zwei oder drei verbrennen ließe, er doch schwerlich vor Ostern mit dieser Strafvollziehung werde fertig werden. Die traurigen Exekutionen kamen wirklich durch den Amtseifer des Pfarrers und Bürgermeisters gutenteils zur Ausführung. Die Untersuchungen aber gingen immer weiter fort, da man der Opfer des Wahnes nicht genug erhalten konnte. Zuletzt wurde der Pfarrer Johann Wolter selbst der Zauberei angeklagt, eines verdächtigen Händeauflegens überführt und nach einem Erkenntnis des Brandenburger Schöppenstuhles vom Mittwoch nach Trinitatis 1579 nach 34jähriger Amtsführung seines Pfarramts entsetzt und mit Staupenschlag des Gerichtes verwiesen.« Vermutlich hatte eines der Opfer den hexenwütigen Herrn als Mitschuldigen bezeichnet Herm. Dietrichs und Ludolf Parisius, Bilder aus der Altmark, Hamburg 1883.

»Auch in Gardelegen wurde durch die Reformation in den gebildeten Volksklassen weder der Aberglaube ausgerottet noch wahre Aufklärung hervorgerufen. Freilich suchte man seitdem den Hauptstolz in der Gelehrsamkeit – man rühmte sich, nur studierte Ratsherren zu besitzen. Aber in den zehn Jahren von 1544 bis 1554 hat der Rat nicht weniger als vierzehn Hexen verbrannt Dietrichs und Parisius, S. 240 ff, II. Bd., S. 15.

»Insbesonders wurden auch die Juden zum höchsten anrüchig wegen allerlei zauberischer, teuflischer Künste.« So fand 1573 der gräßliche Justizmord des Münzmeisters Lippold, des Vertrauten des Kurfürsten Joachim II. in Berlin statt. Sein Nachfolger Johann Georg machte Lippold für die Miß- und Maitressenwirtschaft seines Vaters verantwortlich, und da ihm in bezug auf sein redliches Geschäftsgebaren nicht beizukommen war Dr. A. Ackermann, Münzmeister Lippold, Frankfurt a. M. 1910, S. 51., ging man auf die Zauberei-Anklage über, die jeden ans Messer lieferte. So auch Lippold, dem man abfolterte, was man brauchte, um sein Vermögen einzuziehen und ihn wie die Schuldscheine in seiner Hand unschädlich zu machen. Er wurde in wahrhaft bestialischer Weise an derselben Stelle hingerichtet, wo heute »das Lutherdenkmal den Triumph der Religion der Liebe verkündet Ebenda, S. 63.

In Breslau nimmt das Hexenwerk sehr zeitig überhand. Am 29. Oktober 1456 werden zwei Frauen ertränkt, weil sie mit Liebesbissen, durch die sie ihre Verheiratung herbeiführen wollten, Männer ums Leben brachten. Ein Jahr später büßt eine Frau den Besitz von Zaubermitteln mit dauernder Stadtverweisung Hansen, Quellen, 569.. 1458 verbrennt man in Gnichwitz bei Breslau einen Kirchenräuber. Er hatte von einer Frau Anna zu Troppau Kräuter erhalten, die alle Schlösser aufspringen machen sollten Hansen, 571.. 1481 ertränkt man eine Zauberin, die den Tod eines Mannes verursachte Ebenda, 582.. 1482 und 1485 finden Stadtverweisungen je einer Zauberin statt Ebenda, 583., 1499 müssen zwei Hexen Ebenda, 596., 1503 eine ins Elend Ebenda, 598..

In Friedeberg in der Neumark ließ Kurfürst Johann Georg im Herbst 1594 den Pfarrer nach Küstrin ins Gefängnis führen. Die »armen Leute« zu Friedeberg hatten ihren Seelsorger angeklagt, daß er mit dem Höllenfürsten im Bunde stehe. Der Kurfürst befahl die Tore Friedebergs zu schließen und den Einwohnern Lebensmittel zu bringen, damit nicht auch Fremde vom »Teufel geplagt werden Jansen-Pastor, VIII., S. 739..« In den beiden letzten Dezennien des Jahrhunderts dagegen sehen wir die Hexenverfolgung sich in allen Orten des Landes erheben Von Raumer in den Märkischen Forschungen, Berl. 1841, S. 236 ff. Heffter in der Zeitschrift für preußische Geschichte und Landeskunde, III. Band, Berlin 1866, S. 523 ff., Janssen, VIII., 739 ff..

In Pommern begannen die Hexenbrände bereits in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts. Das älteste Aktenstück über einen Hexenprozeß stammt aus dem Jahre 1538 und führt in das Städtchen Schlawe Dr. Max v. Stojentin, Aus Pommerns Herzogstagen, Stettin 1910, S. 4..

Der dortige Bürgermeister Lindenberg hatte zwei verheiratete Töchter, die Lettowsche und die Ristowsche. Er war in zweiter Ehe mit Jesse N. vermählt. Kurz vor Pfingsten 1538 erkrankte die Lettowsche. Trotzdem sie mit Vater und Stiefmutter keineswegs in Eintracht lebte, erbat sie von ihnen Hilfe für ihr Leiden. Auf Drängen des Bürgermeisters sandte Jesse der Stieftochter durch die Frau des Kleinschmiedes Tönniges Hesse ein dickes schwarzes Bier »Momye«, wahrscheinlich Mumme, das Hesse erst kürzlich aus Stolp mitgebracht hatte. Kaum hatte die Lettowsche den Trank zu sich genommen, brach bei ihr eine Art Raserei aus, die sich aber bald wieder verlor. Während des Fiebers beschuldigten die Kranke und ihre Schwester die Stiefmutter und die Schmiedefrau, durch den »Zaubertrank« die Krankheit verschlimmert zu haben.

Ein Jahr vor diesem Vorfall war bereits in Schlawe eine Anzahl Hexen verurteilt worden; so fielen denn auch diese Anklagen auf fruchtbaren Boden, um so mehr, als die Hesse ohnehin nicht im besten Ruf stand »und seit Jahren mit Frau Lindenberg viel seltsamen Verkehr bei geschlossenen Türen gepflogen hatte«. Die Hesse wurde sofort verhaftet. Die Lindenberg, von tödlicher Angst getrieben, schlich mehrfach des Nachts zu den Fenstern des Gefängnisses, beschwor die Hesse, nichts davon zu verraten, daß sie ihr den Trank für die Stieftochter gegeben, und versprach ihr Befreiung und reichliche Belohnung. Tatsächlich suchte sie die Gefangene zu befreien, doch ohne Erfolg, da deren Mann und der Bruder die Hesse für eine Hexe hielten und ihre Hilfe versagten. In der Hoffnung, durch die vielvermögende Bürgermeisterin gerettet zu werden, nimmt die Hesse zunächst alle Schuld auf sich, gesteht aber dann auf der Folter den wahren Zusammenhang und eine weitere Hexerei. Als Mitschuldige bezichtigte sie die Marie Schwarz aus Malchow und die Lindenberg, die eine ärgere Zauberin sei als sie selbst. Die Bürgermeisterin sah das Henkersschwert über ihrem Haupte und entfloh. Die Hesse wurde verbrannt. Für die Lindenberg traten Gatte und Sippe so nachdrücklich bei Herzog Barnim XI. ein, daß ihr freies Geleite und gerechte Untersuchung zugesichert wurde, die einen glücklichen Ausgang genommen zu haben scheint Max v. Stojentin, Beiträge zur Kulturgeschichte, Weimar 1898, Seite 20 ff.. Die von der Hesse denunzierte Marie Schwarz mußte gleichfalls auf den Scheiterhaufen, ebenso eine von dieser angegebene »olde Drewekische« aus Nehmitz.

Ein Aktenfragment aus dem Jahre 1564 behandelt einen Stettiner Prozeß, dem eine Hirtin, die »blaue Petersche«, anscheinend eine Giftmischerin, zum Opfer fiel Von Stojentin, Herzogstagen, S. 12 ff..

In Neustettin wütete von 1585 bis 1592 der Hexenmeister Landvogt Jakob von Kleist und rottete ganze Familien aus. So wurden ein Mann namens Maurer nebst Frau, Sohn und Tochter verbrannt. Personen aus allen Ständen fielen dem Wahn zum Opfer.

Um 1591 erreichten die Neustettiner Hexenverfolgungen ihren Höhepunkt in dem Verfahren gegen die Frau des ehemaligen Neustettiner Hauptmannes und pommerschen Jägermeisters Melchior v. Dobschütz auf Plosa, Elisabeth von Strantz. »Der umfangreiche, im weiteren Verfolg hochpolitische Prozeß gegen diese Adelige ähnelt in seinen Einzelheiten und Motiven völlig dem, der mehrere Jahrzehnte später gegen Sidonia von Borke geführt wurde. Er nahm einen nicht minder dramatischen Verlauf wie jener« Von Stojentin, Beiträge, S. 31 ff., übertraf ihn aber durch die Bestialität der Richter.

Melchior von Dobschütz, der Günstling des Herzogs Johann Friedrich, war durch die Quertreibereien einiger Hofleute, besonders des damals allmächtigen Peters von Kamecke, in Ungnade gefallen und 1590 aus Pommern verbannt worden. Schon zur Zeit, da Dobschütz noch im Amt war, hatten Zauberweiber auf der Folter auf seine Frau als Genossin bekannt, was wohl darin seinen Grund haben mochte, daß Elisabeth durch ihre Pedanterie und unnachsichtliche Strenge sich den Haß ihrer Mägde und loser Weiber zugezogen hatte. Unglücklicherweise war dem Nachfolger Dobschütz', dem fanatischen Hauptmann v. Kleist, von der Übernahme seines Amtes an das Brotbacken und Brauen mißlungen, so daß Brot und Bier ungenießbar wurden. Da bezichtigte ein im übelsten Rufe stehendes Weib, die Klotzische, auf der Folter Elisabeth von Dobschütz, mittelst eines Pulvers das fürstliche Brau- und Backhaus verzaubert zu haben. Ein kleines Heer von Zeugen wurde gütlich und peinlich vernommen, darunter viele ehemalige Dobschützsche Mägde, wodurch das Material gegen Elisabeth fabelhaft anschwoll und die Anklagen selbst immer ungeheuerlicher wurden. Allmählich verdichtete sich die Anklage sogar dahin, daß die Dobschütz durch einen gewissen Hans Meurer, einen jungen Beutler und ihr Patenkind, der etliche Zeit im Schlosse bedienstet war, nachdem seine Eltern und Geschwister in Neustettin verbrannt worden waren, einen Trunk habe nach Stettin tragen lassen, um durch diesen die Herzogin Johann Friedrich unfruchtbar zu machen. Dadurch war dem Prozeß ein ausgeprägt politischer Charakter gegeben, der die ganze Herrscherfamilie aufs äußerste erregte.

Zahllose Zeugen in Polen, Brandenburg, ganz Pommern bis nach Rügen hinauf, wurden verhört, Verdächtige, darunter Hans Meurer, verhaftet und peinlich befragt, ein Steckbrief hinter Elisabeth erlassen und sie endlich in Crossen gefangen genommen. Obgleich schwanger, legte man sie in Neustettin in den Block und bewachte sie Tag und Nacht. Ihrem Hauptbelastungszeugen, Hans Meurer, entlockte man in mehrfacher, stetig gesteigerter Tortur alles, was man wollte und brauchte. Da Elisabeth alle ihr zur Last gelegten Taten, darunter auch Ehebruch und Diebstahl leugnete, wurde sie in der großen Ritterstube in Stettin, wohin man sie inzwischen überführt hatte, in Gegenwart der höchsten Hofbeamten gefoltert und dieser Akt in den darauffolgenden Nächten mehrfach wiederholt. Mit Ekel und Abscheu wies das arme Weib die ihr vorgeworfenen Scheußlichkeiten als Lügen zurück und fügte hinzu: »wan sie ein schelm schelte vnd eine Hure lobete, so wäre sie doch ein ehrlich Kind.« Immer schärfer und schärfer befragt, bekannte sie schließlich mehr als die Richter wollten, nahm aber, in das Gefängnis zurückgebracht, alles wieder zurück. »Sie hätte es wohl gesagt, es aber aus Schmerzen gethan, nicht anders erdenken können, es thete sehre wehe, sie wollte das Sakrament darauf nehmen, daß es nicht geschehen.« »Sie hätte es negst aus Pein gethan.«

Schließlich fällte der Stettiner Schöppenstuhl auf Drängen des Herzogs sein Urteil. Hans Meurer sei mit dem Schwert abzutun, die Dobschütz »mit vorgehenden zweien Zangen gerissen, mit dem Feuer vom Leben zu Tode zu bringen«. Die im Verlaufe des Prozesses in den verschiedenen Urgichten bezichtigten Personen seien einzuziehen und zu inquirieren. Darauf bevölkerten zahlreiche Personen die Gefängnisse.

Am 17. Dezember wurde das Urteil gesprochen. Im Frühjahr des nächsten Jahres wurde die Verurteilte vor den Toren Stettins hingerichtet und verbrannt, trotz der Proteste ihres Gatten und zahlreicher hochstehender schlesischer und brandenburgischer Adelspersonen.

In Jülich-Cleve-Berg (Geldern) begann die systematische Hexen Verfolgung in den Jahren 1499-1502. Nach erfolgten Geständnissen, die auf Zauberei, Teufelsbuhlschaft und Teilnahme an den Hexensabbaten lauteten, wurden während dieser drei Jahre verbrannt: eine Frau in Rheinberg, drei Frauen zu Angermund und Ratingen, zu Viersen zwei Frauen, zu Gladbach drei, zu Ahrweiler eine, zu Grevenbroich eine, zu Erkelenz drei, zu Brauweiler eine, insgesamt fünfzehn Frauen Hansen, Quellen, S. 596, Nr. 176. Zeitschrift für Kulturgeschichte. 5. Band 1898. S. 313. Janssen, VIII., S. 567.. Auch in den Jahren 1509-1515 sah das Herzogtum Jülich verschiedene Prozesse gegen Zauberinnen. Dann wieder 1522-1536 Pauls in den Beiträgen zur Geschichte des Niederrheins, XIII. Düsseldorf 1898. S. 228 ff..

In Jülich-Cleve-Berg und Mark tritt 1516 ganz vereinzelt eine Art von Hexenprozeß hervor W. Crecelius in der Zeitschr. des Bergischen Geschichtsvereins, Band IX, S. 103-110. Troß, Westphalia, III. Jahrg. 1826. S. 11.. Ulant Dammartz, die Tochter angesehener Eltern, war, weil sie zur Verehelichung mit einem jungen Manne ihre Einwilligung nicht geben wollten, in dem Kloster Marienbaum bei Xanten als Novize eingetreten, wo nun alsbald ein Teufelsspuk begann. Ulant Dammartz erscheint als vom Teufel besessen und steckt mit ihrer Besessenheit auch andere Nonnen an, die darunter zum Teile viele Jahre leiden müssen. Endlich wird im Jahr 1516 eine Untersuchung gegen die inzwischen aus dem Kloster Entflohene eingeleitet, die im Hause ihres Vaters verhaftet und nach Dinslaken ins Gefängnis gebracht war. In dem mit ihr angestellten Verhör gesteht sie ohne Tortur folgendes: In ihrem Jammer darüber, daß sie dem Geliebten hatte entsagen müssen, hatte sie den Teufel angerufen. Dieser war ihr alsbald erschienen und hatte sie Gott und der heiligen Jungfrau abschwören und geloben lassen, daß sie ihm treu und hold sein wollte. So oft sie es nun wünschte, kam er, zuweilen mit anderen frischen Gesellen und Jungfern, lauter Dämonen, die alle, wie ihr eigener Buhlteufel irgendein Gebrechen an sich trugen. Dann tanzten sie, ohne daß es von andern Menschen gesehen werden konnte, indem sie ganz still zu stehen schienen. Auch fleischliche Vermischungen kamen vor. Sie vergrub und schändete die in der Kommunion empfangene Hostie, machte blasphemische Eintragungen in das Gebetbuch. Sie schädigte die Nonnen durch Apfel, Feigen und Kuchen, die der Böse vorher bezaubert hatte. Sonst beschränkte sie sich auf den eigenen Verkehr mit dem Buhlteufel, dessen Versuchungen sie mitunter auch widerstand, z. B. als er sie aufforderte, dem eigenen Vater Böses anzutun.

Man sieht, die Zauberin war hier noch keine richtige »Hexe«, und der Prozeß, den man ihr machte, war noch kein richtiger Hexenprozeß im Sinne des Hexenhammers. Die Angeklagte wurde nicht gefoltert, nicht geschoren. Man hielt sie, um sie unschädlich zu machen, lange Zeit im Gefängnis zurück, wobei sie von dem Gefängniswärter zweimal geschwängert wurde Weyer, Praestigiis daemon. 1563. Uli. S. 295 ff., und entließ sie schließlich.

siehe Bildunterschrift

Der Werwolf von Neuses im Markgrafentum Onolzbach anno 1685
Gleichzeitiger Kupferstich

Aber auch in den nächstfolgenden Dezennien blieb das Herzogtum Jülich-Cleve-Berg und Mark von dem Greuel der Hexenverfolgung frei, namentlich auch unter dem Herzog Wilhelm († 1592), der in dieser Beziehung ganz dem Rate seiner einsichtsvollen Ärzte Joh. Weyer aus Grave und Reiner Solmander aus Büderich folgte Wolters, Konrad v. Heresbach, S. 153-155.. Der Glaube an die Wirklichkeit der Hexerei war natürlich auch in Jülich-Cleve vorhanden; allein als das richtigste Verfahren gegen die der Hexerei Angeschuldigten galt nicht die Tortur, sondern die Wasserprobe, deren Vornahme in einem derartigen Falle durch ein herzogliches Mandat vom 24. Juli 1581 ausdrücklich befohlen wurde Wigand, Archiv für Gesch. und Altertumskunde Westfalens, B. VI. Heft 4, S. 417. Erst ganz am Ende des sechzehnten Jahrhunderts nahm die Hexenverfolgung auch hier ihren Anfang. Damals machte namentlich das Verfahren gegen eine ehrbare, vornehme Greisin aus Büderich großes Aufsehen, die während der Tortur starb, und deren Leiche dann durch die Stadt geschleift und zu Asche verbrannt wurde Crevius, Tribunal reformatum, p. 433.. Ferner ein Riesenprozeß gegen dreihundert Frauen, die als Werwölfe Unheil angerichtet haben sollen. Die »Erschröckliche und zuvor nie erhörte newe Zeitung« über diesen Massenmord hat der Briefmaler Georg Kreß in Augsburg herausgegeben.

Im Herzogtum Württemberg hatten bereits zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, nämlich 1505 in Tübingen, wie aus einem Briefe Heinrich Bebels an Petrus Jacobi von Arlon hervorgeht Hansen, Quellen, S. 259., ein Hexenbrand, dann um die Mitte des Jahrhunderts weitere Hinrichtungen durch Feuer stattgefunden, wie sich aus einem Schreiben ergibt, das die herzoglichen Räte am 22. Juni 1563 an einen nicht näher bezeichneten Grafen gerichtet haben. Dieser Graf hatte in Stuttgart angefragt, wie man dort gegen die Hexen verfahre. In ihrer Antwort erklärten die Räte unter anderem, es seien »eine Zeit her gar viele Personen des berührten teuflischen hochsträflichen Lasters des Hexenwerks auch in unsers gnädigen Fürsten und Herrn Fürstentum verdacht, beschreit und angegeben, auch derselben etliche gefänglich eingezogen und hingerichtet worden Paulus, S. 104.

1551 wurde in Eßlingen eine Hexe verbrannt. Ihre Tochter ließ der Rat »durch die Backen brennen und vermauern«.

Doch die Hexenbrände im großen entfacht der berühmte Dramatiker der Reformationszeit und begeisterte Anhänger Luthers, Thomas Naogeorgus (Kirchmaier) Borinski, S. 66 ff.. Als am 3. August 1562 ein entsetzliches Hagelwetter die Gegend von Eßlingen und Stuttgart auf 18 Meilen im Umkreis verheerte, bezeichnete er auf der Kanzel dies als Hexenwerk. Der Rat ließ daraufhin drei Frauen foltern, wozu er Scharfrichter von Stuttgart, Ehingen und Wiesensteig berief. Da die Frauen trotz schrecklicher Folterqualen ihre Unschuld beteuerten, gab man sie nach viermonatlicher Haft frei. Nun aber erhob Naogeorgus ein großes Geschrei wider den Rat. Sein Gehilfe dabei war der Wiesensteiger Scharfrichter. Er erklärte, diese drei seien nicht die einzigen Hexen in Eßlingen; auch wären sie schon zum Geständnis gebracht worden, hätte man ihn nach seinem Gefallen handeln lassen. Naogeorgus und der Rat gerieten scharf aneinander. Der Prediger erhielt einen Verweis, weil er »Lotterbuben und Henkern mehr glaube als dem Rat«. Aber durch den Prozeß hatte sich nun der Hexenwahn in der Bevölkerung erst recht festgesetzt, so daß sich der Rat genötigt sah, auf neue Klagen gegen andere Frauen einzuschreiten. Im Februar 1563 wurde eine der neuerdings Gefolterten verbrannt Riezler, S. 143. K. Pfaff, Gesch. der Reichsstadt Eßlingen. Eßlingen 1840, 1852, S. 569. L. Theobald, Das Leben und Wirken des ... Thomas Naogeorgus, Leipzig 1908, S. 100 ff.. In Waldsee – im jetzigen württembergischen Donaukreise gelegen – dem Hauptorte der Standesherrschaft Waldburg-Wolfegg-Waldsee, nahmen die Hexenprozesse im Jahr 1515 ihren Anfang, kamen jedoch bis 1585 nur sehr vereinzelt vor. Dagegen verging seitdem kaum ein Jahr, in dem das kleine Städtchen nicht mehrere auf dem Scheiterhaufen endigende Prozesse sah. Dabei ist zu beachten, daß ebenso die Untersuchungsakten ein mit der Zeit mehr und mehr anwachsendes Konglomerat der tollsten Geständnisse erkennen lassen, wie die Urteile des Gerichts allmählich immer grausamer werden C. Haas, »Die Hexenprozesse«, Tübingen 1865, S. 84-102. Janssen, VIII., 682.. Das letzte, uns bekannt gegebene Urteil vom Jahr 1645 befiehlt: Die Verurteilte soll dem Scharfrichter übergeben, an den Richtplatz geführt, und soll »unterwegs zum dritten Male mit glühenden Zangen zu ihr gegriffen, hernach an eine Säule gebunden, daran erdrosselt, hernach verbrannt und die Asche vergraben werden. Gott der Allmächtige wolle ihrer Seele gnädig und barmherzig sein!«

In der Stadt Hannover wurden 1466 Adelheid Wedekind lebendig und die Leiche der »Bußischen«, die man tot gefoltert hatte, auf dem Scheiterhaufen eingeäschert. 1590 folgte die »Vossische«, 1594 der Schwertfeger Heinrich Arendt. 1604 nimmt sich der Rat auf Ersuchen des Grafen Ernst von Schaumburg zweier Hexen, Mutter und Tochter, an, die vor dem Grafen entflohen waren. Für die Atzung, Verhöre, Folterungen hatte der Graf 25 Taler zu zahlen. Für das Holz zum Scheiterhaufen wollte der »Ehrbar Rhath nichts furdern und begehren«.

Im darauffolgenden Jahre wurden die Witwe Blome mit ihrer von ihr selbst angezeigten Tochter Katharina Blome, des Bürgers Medefeld Ehefrau, drei Tage später Katharina Fierken aus Stadthagen verbrannt. Mit ihr kam die Leiche ihrer Lehrerin, der Strackschen, auf den Holzstoß. Diese Strackschen hatte die Tortur »steif und fest« ausgehalten, da entschloß sich der Richter zur Wasserprobe. »An Händen und Füßen gebunden, setzte sie der Scharfrichter in Gegenwart von sieben Amtspersonen aufs Wasser. Sie schwamm, wie sie sich auch bemühen mochte, unterzugehen. Da hat sich's begeben, daß sie sich herumgeschmissen und auf dem Wasser wie ein Hecht etwa vier Ellen lang hingeschossen. Man hörte Krachen im Wasser und Schwirren in der Luft. Meister Christoph (der Henker) wurde durch den Teufel auf einen Weidenbaum geschleudert. Als man die arme Person herauszog, fand man, daß sie tot und ihr der Hals gebrochen war. Die Leiche schleppte man ins Gefängnis zurück und legte sie mit dem Rücken auf Stroh. Doch der Satan drehte sie in der Nacht um, legte sie auf den Bauch »und hat ihr das Angesicht im Nacken gestanden R. Hartmann, Geschichte Hannovers, 2. Aufl, Hannover 1886, S. 199 ff.«.

Die nächsten Opfer, die Wissel und die Hert, lieferte die Denunziation der Prediger Lange und Janns den Richtern in die Hände. Die Hert starb im Gefängnis, die Wissel wurde gegen »Urfeidt« entlassen. In Neustadt an der Leine bei Hannover spielte sich 1523 ein politischer Hexenprozeß ab. Else van Kampe, ihr Sohn Melchior und andere Verwandte waren angeklagt, durch Kurt von Alten in Celle angestiftet worden zu sein, den Herzog Erich von Braunschweig zu »bezaubern und vergeben«. Die van Kampe und die Wantslebische, eine Mitschuldige, büßen mit dem Leben Hansen, Quellen, S. 610, Nr. 232..

Von besonderem Interesse sind die Nachrichten, die über den Beginn der Hexenverfolgung in der Reichsstadt Nördlingen vorliegen Weng, Die Hexenprozesse zu Nördlingen, Nördlingen 1837, 1838 »Hexenprozeß-Drangsal E. E. Raths der freien Stadt Nördlingen« in Hitzigs und Demmes Annalen, B. XXVI, S. 105-125 L. Wächter, Historischer Nachlaß, I. Bd., Hamburg 1838, S. 106 ff. Janssen, VIII, S. 719.. – Hier begann die Furcht vor der Hexerei erst in den Jahren 1588 und 1589 um sich zu greifen, weshalb der Bürgermeister Georg Pferinger mit Hilfe der Doktoren der Rechte Sebastian Röttinger und Conrad Graf und des Stadtschreibers Paul Majer alsbald die Stadt von dem Hexengeschmeiß zu reinigen beschloß. Drei der Hexerei verdächtige arme Weiber wurden auch 1589 gefänglich eingezogen und nach allen Regeln des Hexenprozesses torquiert; allein sie gestanden nichts, wurden unschuldig befunden und mußten entlassen werden. – Unglücklicherweise erregte nun dieses rohe Verfahren des Magistrats den Zorn des Superintendenten zu Nördlingen, Wilhelm Lutz, der zwar an die Wirklichkeit der Hexerei glaubte, aber über die Hexenriecherei und über das Torquieren empört war und den Rat wegen seines ganz unchristlichen Verfahrens gegen angebliche Hexen in zwei Predigten abkanzelte. In einer der Predigten klagte er darüber, daß es des Bezichtigens wegen Hexerei kein Ende nehme. Etliche hätten bei ihm schon ihre Schwiegermütter, ja ihre eigenen Eheweiber angegeben; wohin sollte das noch führen? Dem Rat aber hielt er vor, daß er wohl einige arme Hündlein gefangen habe, aber die rechten wohl durchschlüpfen lassen werde. – Mit diesen Worten fühlte aber der wohlweise Rat seine Ehre angetastet. Daher erteilte er nicht nur dem Superintendenten einen scharfen Verweis dafür, daß er sich in so ungeziemender und höchst bedenklicher Weise zum Verteidiger der Hexen aufgeworfen habe, sondern er beschloß, jetzt gegen diese auf Grundlage eines von dem Stadtschreiber Mayer ausgestellten Gutachtens (worin die Hexerei als ein nur im nächtlichen Dunkel mögliches Verbrechen hingestellt wurde, das darum nur durch eine »heilsame Tortur« ans Licht gebracht werden könnte) mit aller Strenge vorzugehen. Dabei sollte alle Welt sehen, daß er ganz ohne Ansehen der Person verfahre, weshalb er eine Menge alter Weiber, auch aus den angesehensten Familien, verhaften und eintürmen ließ. Unter ihnen befanden sich die Witwen mehrerer Ratsherren, auch die Witwe des erst 1589 verstorbenen Bürgermeisters Gundesfinger. – Das eingeleitete Prozeßverfahren war, da man mit der Folter ganz entsetzlich wütete, ein sehr kurzes, so daß schon im Mai 1590 drei Hexen, acht Wochen nachher wieder drei, sieben Wochen später fünf auf einmal verbrannt werden konnten. Unter diesen befand sich auch die Frau des Zahlmeisters Peter Lemp – ein frommes, edles Weib – deren Prozeß wir, weil er die Art und Weise der Hexenverfolgung zu Nördlingen in das hellste Licht setzt, auch an herzbewegenden Momenten besonders reich ist, eingehender ins Auge fassen wollen.

Rebekka Lemp war, in Abwesenheit ihres Mannes, auf die durch die Folter erpreßten Angaben anderer Angeklagten hin, schon im April 1590 verhaftet worden. Mit blutendem Herzen hatten es die sechs Kinder mit angesehen, wie die liebe Mutter gepackt und in den schrecklichen Turm abgeführt wurde. Daher schickten sie ihr nicht lange nachher folgenden Trostbrief zu: »Unseren freundlichen, kindlichen Gruß, herzliebe Mutter! Wir lassen Dich grüßen, daß wir wohlauf sind. So hast Du uns auch entboten, daß Du wohlauf seiest, und wir vermeinen, der Vater wird heute, will's Gott, auch kommen. So wollen wir Dich's wissen lassen, wann er kommt, der allmächtige Gott verleihe Dir seine Gnade und heiligen Geist, daß Du, Gott woll', wieder mit Freuden und gesundem Leib zu uns kommest. Gott woll', Amen. – Herzliebe Mutter, laß Dir Beer kaufen und laß Dir eine Salfan backen und Schnittlein, und laß Dir kleine Fischlein holen und laß Dir ein Hühnlein holen bei uns, und wenn Du Geld darfst, so laß holen; hast's in Deinem Säckel wohl. Gehab Dich wohl, herzliebe Mutter. Du darfst nicht sorgen um das Haushalten, bis Du wieder zu uns kommst etc.«

Zu den leiblichen Nöten, unter denen die Unglückliche in dem scheußlichen Gefängnis zu leiden hatte, kam nun auch die ihre Seele folternde Sorge, daß ihr zärtlich geliebter Mann sie für schuldig halten möchte. Daher schrieb sie ihm, als sie seine Rückkehr erfuhr: »Mein herzlieber Schatz, bis ohne Sorge. Wenn auch ihrer Tausend auf mich bekenneten, so bin ich doch unschuldig; oder es kommen alle Teufel und zerreißen mich. Und ob man mich sollt' strenglich fragen, so könnte ich nichts bekennen, wenn man mich auch zu tausend Stücke zerriß. Vater, wenn ich der Sach' schuldig bin, so laß mich Gott nicht vor sein Angesicht kommen immer und ewig. – Wenn ich in der Noth muß stecken bleiben, so ist kein Gott im Himmel. Verbirg doch Dein Antlitz nicht vor mir; Du hörst ja meine Unschuld, um Gottes Willen, laß mich nicht in der schwülen Noth stecken.«

Indessen nahm der Prozeß gegen Rebekka Lemp in üblicher Weise seinen Anfang. Zweimal überstand sie die Tortur, ohne sich schuldig zu bekennen; bei der dritten verschärften Folterung begann sie jedoch zu verzagen. Sie bekannte sich zu einigen der geringeren Anschuldigungen; so auch bei der vierten Tortur. Da war es aber, daß sie heimlich an ihren Mann folgenden Brief schrieb: »Mein auserwählter Schatz, soll ich mich so unschuldig von Dir scheiden müssen, das sei Gott immer und ewig geklagt! Man nöthigt Eins, es muß Eins ausreden, man hat mich so gemartert, ich bin aber so unschuldig als Gott im Himmel. Wenn ich im Wenigsten ein Pünktlein um solche Sache wüßte, so wollte ich, daß mir Gott den Himmel versagte. O Du herzlieber Schatz, wie geschieht meinem Herzen! O weh, o weh meine armen Waisen! Vater, schick mir Etwas, daß ich sterb; ich muß sonst an der Marter verzagen. Kommst heut nicht, so thue es morgen. Schreib mir von Stund an. O Schatz, Deiner unschuldigen Rebecka! Man nimmt mich Dir mit Gewalt! Wie kann's doch Gott leiden! Wenn ich ein Unhold bin, sei mir Gott nicht gnädig. O wie geschieht mir so unrecht. Warum will mich doch Gott nicht hören? Schick mir Etwas, ich möchte sonst erst meine Seele beschweren usw.«

Der Mann aber kannte sein Weib, weshalb sein Glaube an ihre Unschuld durch nichts erschüttert wurde. Daher machte er mit einer Eingabe an den Rat den Versuch, das geliebte Weib aus den Händen der Peiniger zu befreien. Er richtete an den Rat die Bitte, »meine großgünstigen gebietenden Herrn wollen fürnehmlich und erstlich dahin sehen, daß sie mit allem Ehesten gegen die mißgünstigen – Personen, die sie freventlich – angegeben habe, möge confrontirt und hierbei Bescheid und Antwort gegeneinander angehört werden. – Ich hoffe und glaube und halte es für gewiß, daß mein Weib Alles, dessen man sie bezüchtigt, – nicht einmal Zeit ihres Lebens in Gedanken gehabt, vielweniger denn, daß sie solches mit Werk und in der That sollte jemals auch nur im Geringsten gethan haben. Denn ich bezeuge es mit meinem Gewissen und mit vielen guten, ehrlichen Leuten, – daß – mein Weib zu allen Zeiten gottesfürchtig, stets züchtig, ehrbar, häuslich und fromm, dem Bösen aber jederzeit abhold und feind gewesen, Ihre lieben Kinder hat sie gleichfalls – neben und sammt mir treulich und fleißig nicht allein in ihrem Katechismo, sondern auch in der heil. Bibel, insonderheit aber in den lieben Psalmen Davids unterrichtet und unterwiesen, also daß, Gott sei Dank! ich, ohne Ruhm zu vermelden, kein durch Gottes Segen mit ihr erzeugtes Kind habe, das nicht etliche Psalmen Davids auswendig wüßte und erzählen könnte. Überdieß kann aber auch Niemand, – Niemand sage ich, – mit Grund der Wahrheit darthun und erweisen, daß sie irgendeinmal einem Menschen – auch nur den kleinsten Schaden am Leibe oder sonst hätte zugefügt oder man deßhalb eine Vermuthung auf sie gehabt hätte.« Daher glaubte der Zahlmeister die Gewährung der Bitte erwarten zu dürfen, daß man sein liebes Weib ihm entweder gleich zurückgeben, oder wenigstens durch Gegenüberstellung mit den Anklägern ihr eine ehrliche Defension gewähren möchte. – Allein es half alles nichts; vielmehr ging der Rat, um das Material zu einem Todesurteil zu erhalten, jetzt nur noch fürchterlicher mit der Folter gegen das arme Weib vor, bis man die gewünschten Geständnisse hatte. Alsdann wurde sie mit zwei anderen Hexen rasch am 9. September 1590 verbrannt.

Immer schrecklicher wütete nun das Gericht gegen die Weiber zu Nördlingen. Für die Menge der Verhafteten fanden sich kaum die nötigen Haftlokale vor, und der »Peinmann« sah seiner Arbeit kein Ende.

Da geschah es im Oktober 1593, daß auch die Frau des Gastwirts zur Krone, Maria Holl, aus Ulm gebürtig, auf Grund der Angaben einer Gefolterten ins Gefängnis und alsbald zur Folterbank geführt wurde. Was vor ihr keine Gefolterte imstande war, das vermochte sie. Standhaft ertrug sie alle wiederholten und mit satanischer Grausamkeit immer von neuem wiederholten und mit jeder Wiederholung auch immer noch verschärften Torturen, ohne sich ein Schuldbekenntnis abmartern zu lassen; und als in dieser Verlegenheit zur Torquierung der Seele gegriffen wurde – indem der Rat ihr gemein vorspiegelte, daß ihre Verwandten und Freunde, ja selbst ihr Ehemann sie für schuldig hielten, – da hielt das heldenmütige Weib auch diese Marter aus.

Nach völlig glaubhaftem Bericht wurde gegen Maria Holl die Tortur sechsundfünfzigmal »mit der ausgesuchtesten Grausamkeit« angewendet Janssen, VIII., S. 720. Riezler, S. 150, 169..

Jetzt aber sah sich der Rat im Gedränge. An dem stahlfesten Heldensinn des Weibes hatten alle sonst sicher treffenden, zermalmenden Mittel ihre Kraft verloren, und das Volk, in dessen Augen die Gequälte längst vollkommen gerechtfertigt war, begann seinen Zorn und Unwillen über die nun jahrelang andauernde Brennerei laut und unverhohlen zu äußern. Aber freilassen wollte man die Gefolterte nicht, um sich nicht vor der Bürgerschaft eine Blöße zu geben. Der Rat von Nördlingen stand ratlos da, – als die Sache plötzlich eine neue Wendung erhielt, indem die Verwandten der Maria Holl in Ulm die Hilfe der Ulmer Gesandtschaft zu Regensburg anriefen. Durch Vermittelung der Nördlinger Abgeordneten zu Regensburg richteten daher die Ulmer Gesandten an den Rat das Ersuchen, die Gefangene »ohne Entgeld und mit unverletzter Ehre« auf freien Fuß zu setzen. Dies hatte zur Folge, daß man die nun elf Monate lang Inhaftierte glimpflicher behandelte, indem man sie soweit mürbe gemacht zu haben glaubte, daß sie bei gütlichem Zureden sich zum Geständnis herbeilassen würde. Allein die Kronenwirtin blieb standhaft, der Rat wußte wiederum nicht, was zu tun sei, und die Ulmer erhielten keine Antwort. Da aber erließen die Ulmer Abgeordneten auf nochmaliges Bitten der Verwandten unter dem 18. September 1594 ein abermaliges Schreiben an den Rat zu Nördlingen, worin sie insbesondere folgendes sehr bestimmt erklärten: Sie (die Gesandten) hätten nach ihrer Zurückkunft in ihrer Vaterstadt fleißig Bericht eingezogen und erfahren, daß sie (die Verhaftete) als eine Ulmer Bürgerstochter jederzeit gottesfürchtig, ehrlich und ohne verdächtigen Argwohn dessen, was man sie beschuldigt, sich erhalten habe. Ihr verstorbener Vater, vieljähriger Diener des Rats und Amtmann auf dem Lande, habe sie mit ihren Brüdern und Schwestern in der Furcht Gottes, des Allmächtigen, erzogen, und erstere seien von ihren Oberen zu ehrlichen Dingen gebraucht worden. Sie könnten sich daher des Argwohns nicht erwehren, daß besagte Frau durch mißgünstige Leute (von denen auch anderen Orts die Obrigkeit übel verleitet und übereilt worden sei) angegeben worden. Auf erneutes Ansuchen der Freundschaft, und weil die Frau nun elf Monate enthalten werde, hätten sie diese Fürbitte ergehen lassen, deren Schluß so lautet: »Darum an E. E. W. nochmals unsere freundliche und dienstwillige Bitte, es wolle ein E. E. W. nunmehr selbst diesen Sachen endlich ab- und zur Ruhe helfen, sie, die gefangene Frau, solcher ihrer Haft ohne ferneren Verzug und Aufhalt, ohne Entgeld und ihrer Ehren halben unverletzt, ledig und auf freien Fuß stellen und sie ihrem Ehewirt, auch ehrlicher Freundschaft solches unseres Bittens freundlich und dienstlich genießen lassen.«

Somit war also jetzt wiederholt ein Reichsstand für das heldenhafte Weib eingetreten! Darüber war nicht so leicht hinauszukommen. In seiner Not forderte daher der Rat den Rechtsgelehrten Sebastian Röttinger auf, sich über das, was dem Andringen der Ulmer gegenüber mit der Kronenwirtin anzufangen sei, gutachtlich zu äußern. – Röttinger erklärte, nach den bei allen Gerichten anerkannten Grundsätzen könne man die Verhaftete nicht weiter torquieren und könne sie auch nicht für immer im Gefängnis zurückhalten. Man möchte sie daher unter allerlei Beschränkungen entlassen, d. h. sie vor allem nur von der Instanz entbinden. Der Verhafteten sei zu eröffnen, daß man diese Gnade nur um der gegen sie eingelegten Fürbitte willen ihr zuteil werden lasse, daß sie aber vor der Entlassung aus dem Gefängnis eine ihr noch vorzulegende Urfehde zu unterschreiben habe, und daß sie nach der Entlassung ihr Haus niemals weder bei Tage noch bei Nacht verlassen dürfte. – Die Unglückliche unterzeichnete die Urfehde und ging im Februar 1595 aus der Gefängnishaft in einen immerwährenden Hausarrest über! Das war der Ausweg, den man gefunden hatte! Sie und die Ihrigen riefen späterhin nochmals die Ulmer Gesandtschaft zu Regensburg mit der Bitte an, dahin wirken zu wollen, daß eine angemessene ehrenvolle Freisprechung erfolge und der Hausarrest aufgehoben werde. Gern entsprachen die Ulmer auch diesem Gesuch, jedoch, wie es scheint, ohne Erfolg, da die Akten wohl die Ulmer »Fürschrift« vom 28. September enthalten, dagegen über eine auf diese bezügliche Entschließung des Rats nichts mitteilen.

So waren die vier Schreckensjahre von Nördlingen, 1590-1594, verlaufen, von denen der Zahlmeister Peter Lemp in seiner Nördlinger Chronik sagt, daß man gesehen, wie während ihnen der Verstand in Nördlingen spazieren gegangen sei. Fünfunddreißig Weiber waren während dieser vier Jahre in der kleinen Stadt in Asche verwandelt worden.

In Dillingen bereiteten 1587 die Jesuiten sieben Hexen zum Tode vor Riezler, S. 203 ff.. In Donauwörth gingen die Hexenverfolgungen Hand in Hand mit der kirchlichen Restauration, die Herzog Maximilian nach der Schlacht am Weißen Berge rücksichtslos durchführte. Am 29. November 1608 wurde eine Schustersfrau hingerichtet, die während einer Prozession ein Unwetter gemacht haben sollte. Anna Pucherin, die reiche Witwe eines Kaufmanns, gestand auf der Folter ihre Buhlschaft mit dem Teufel, den sie als schönen, munteren Jüngling schildert, die Teilnahme an Hexentänzen, Wettermacherei und alles, was man sonst wissen wollte. Sie mußte auf den Scheiterhaufen, ihr Vermögen wurde eingezogen. Zugleich mit der Pucherin wurden zwei weitere Hexen verurteilt. Eine wiederholt gefolterte Frau wurde freigelassen, jedoch erst, nachdem man sie in München nochmals auf Befehl des Herzogs peinlich befragt hatte. Die Rückkehr nach Donauwörth indes wurde ihr verboten. Um dieselbe Zeit ließ der Statthalter Bemelding in seiner Pflege Wemding zehn Hexen verbrennen Riezler, S. 203 ff..

In Nürnberg, wo Hans Sachs die weit über seine Zeit erhabenen Worte sang:

»Des teuffels eh und reutterey
Ist nur gespenst und fantasey ...
So du im Glauben Gott erkennst
So kann dir schaden kein Gespenst Werke, herausgegeben von A. von Keller, Tübingen 1870 ff., 5. Bd., S. 287 ff.«

ist ein wirklicher Hexenbrand in dieser Zeit nicht nachweisbar. Vom Jahre 1505 berichtet allerdings der Chronist Heinrich Deichsler recht ausführlich von einer Zauberin in Schwabach bei Nürnberg, die auf der Folter ihre Teufelsbuhlschaft gestand, dann aber ihre Aussagen zurücknahm, trotzdem aber verbrannt wurde Die Chroniken der fränk. Städte: Nürnberg, 5. Bd, Leipzig 1874, S. 340.. Die 1591 in Malefizbüchern genannten Unholden sind weder in den Aufzeichnungen des Scharfrichtermeisters Franz, noch sonst in Urkunden erwähnt; die Eintragung ist also sehr fraglicher Natur. »Einige milder bestrafte Zauberinnen trifft man in den Jahren 1434, 1468 und 1659, wovon sie die erstere an einen Stock bei der Pegnitz stellten, ihr eine bemalte Inful aufsetzten und einen Teil der Zunge abzwickten, die andere auf eine Leiter banden und kurze Zeit an ein am Markt errichtetes Kreuz hingen, hierauf brandmarkten und davonjagten, die letzte endlich vor die Kirchentüre stellten und auswiesen Dr. jur. Herm. Knapp, Das alte Nürnberger Kriminalrecht, Berlin 1896, S. 274.. 1608 enthauptet man einen Söldner, weil er einen Bund mit dem Teufel geschlossen Knapp, ebenda, S. 301..

In Osnabrück fand wohl 1501 der erste Hexenbrand statt. Von da ab war ein Menschenalter hindurch Ruhe. Genauere Nachrichten liegen dann wieder von 1561 vor. Nach dem Erlöschen der Pest bestiegen in diesem Jahre sechzehn Frauen den Holzstoß. Zweiundzwanzig Jahre später begann Bürgermeister Hammacher, der in Erfurt und Wittenberg studiert hatte, ein systematisches Würgen, dem im Laufe eines Vierteljahres innerhalb des Weichbildes von Osnabrück 121, in Iburg 20, in Vörden 14 Menschen zum Opfer fielen. 1585 verbrannte man wieder einige »Molkentoversche«, d. h. Milchzauberinnen, 1589 an einem Tage vier L. Hoffmeyer, Geschichte der Stadt und des Regierungsbezirkes Osnabrück, Osnabrück 1904 S. 102.. Von 1585-1589 wurden in Osnabrück insgesamt 157 verbrannt Neues vaterl. Archiv oder Beyträge zur allseit. Kenntniß des Königreichs Hannover, Lüneburg 1824, II. Bd, S. 291., 1590 weitere zehn.

Im Orte Ohsen und in Buxtehude kommen 1580 Hexenprozesse vor Archiv 1824. S. 299 ff.. Bei der großen Hexenverfolgung vom Jahre 1617 in Vörden wurden vier »Zaubersche« von dem leibhaftigen Teufel im Kerker umgebracht. Einer der »dreier Balbiere«, die die Leichname zu untersuchen hatten, schrieb: »Wie der Meister (Henker) seine Instrumente herfür gelangete und sie (die Hexe) auf die Folter gebracht, daß sie torquiert werden sollte, ist sie vor der Tortur, wie sie ausgezogen, tot geblieben, daß der Hals sich hat hin- und herumwerfen und biegen lassen, wie der Scharfrichter solches den umstehenden Herren Verordneten demonstriert hat.« Den Vorwurf, die armen Geschöpfe zu hart angegriffen zu haben, widerlegten bereitwilligst die eingeholten Gutachten der Juristenfakultäten von Wittenberg und Helmstädt Mitteilungen des Histor. Vereins zu Osnabrück. 10. Jahrg. S. 98 ff..

Nach einigen Jahren der Ruhe begannen in der schrecklichsten Epoche des Dreißigjährigen Krieges in Osnabrück die Verfolgungen aufs neue. 1636 wurden 34 meist alte Frauen und 4 Männer hingerichtet. »Unter den angeschuldigten Frauen befanden sich auch zwei aus den vornehmsten Ständen: die Gattin des Apothekers Ameldung und die 82jährige Mutter des vormaligen Bürgermeisters Modemann. Beide Frauen waren durchaus unbescholten, besonders Frau Ameldung lebte als Gattin und Mutter in den glücklichsten Verhältnissen. Ihre Amme, selber der Hexerei geständig, gab dem Untersuchungsrichter die gewünschten Antworten auf die Fragen: »Welches Mädchen ihre Frau mit zum Tanze gebracht, ob es nicht ihre eigene Tochter gewesen? Wie es zugegangen, daß ihre Frau und die Witwe Modemann fast täglich in Ohnmacht fielen und fast eine Stunde ohne Besinnung lägen? Ob nicht ihre Frau den Buhlen oft in Gestalt einer schwarzen Katze und wohl in der Kirche auf dem Schoß gehabt?« Nach zu ihren Ungunsten ausgefallener Wasserprobe gestanden dann die beiden Frauen. Die beiden Gatten appellierten an den König von Schweden als den Landesherrn. Als dessen Befehl eintraf, unter Androhung der härtesten Strafe, das Verfahren einzustellen, war das Urteil bereits gefällt und vollzogen. Im nächsten Jahre fanden mit der Richtung von acht Frauen die Hexenbrände in Osnabrück ihr Ende.

Zu Braunsberg im Ermelande wurden, soweit nachzuweisen, wegen Hexerei Angeklagte, bis über die Mitte des 16. Jahrhunderts nur mit Kirchenbußen und Verbannung bestraft. Erst 1605 wurde in der Altstadt die erste Hexe, 1610 eine andere in der Neustadt verbrannt J. A. Lilienthal, Die Hexenprozesse der beiden Städte Braunsberg, Königsberg 1861. S. 70 ff., S. 83 ff.

In Erfurt kamen Hexenbrände in den Jahren 1530, 1538 und 1550 vor Jaraczewski, Zur Geschichte der Hexenprozesse in Erfurt und Umgebung, Erfurt 1876, S. 25 ff. A. B. Richard, Licht und Schatten. Lpzg. 1861, S. 146, in Wittenberg wurden 1540 vier Personen an einem Tage den Flammen übergeben Janssen, VIII., S. 592 ff..

Im Breisgau wurden einem fliegenden Blatt zufolge im Jahre 1576 »in etlichen Städten und Flecken an die 136 Unholden gefangen und verbrennt«. Nach einer anderen »Neuen Zeitung« desselben Jahres waren es aber nur 55 Janssen, VIII., 681..

Zu Freiburg wurde eine Schweizer Landstreicherin im Jahre 1546 als Hexe gerichtet. Im Jahre 1599 verurteilte das städtische Gericht 18 Freiburger zum Feuertod. Im Jahre 1613 wurde ein Student der Freiburger Universität von einem Pfarrer dem Senat als Hexenmeister angezeigt und von der Anstalt verwiesen H. Schreiber, Geschichte der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i. Br. 2. Bde. Freiburg 1857, 1859. II. 125..

In der Landvogtei Ortenau begann der Hexenreigen im Juli 1557, wo eine Hexenmeisterin und ihre Schülerin verurteilt wurden Franz Volk, Hexen in der Landvogtei Ortenau. Lahr 1882. S. 9 ff.. Zwölf Jahre später werden Wolf Lenz, seine Mutter und die Margarete Ketter von Urloffen »meniglich zu einem Exempel dem Nachrichter an die Hand gegeben, auf die gewöhnliche Richtstätte geführt und mit dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet und also ihr Leib, Fleisch, Geblüt und Gebein zu Asche verbrannt«. Weitere Prozesse folgen 1573, wo eine Frau auf die Aussage ihres Sohnes verbrannt wird, 1574, 1575, 1595, 1599, 1603.

Aus Speier wird nur ein Hexenbrand gemeldet. Er fand im Jahre 1581 statt Th. Horcher, Das Strafrecht der freien Reichsstadt Speier, Breslau 1900, S. 74..

In Mecklenburg gab es bereits in den Jahren 1336, 1403, 1417 und 1496 Hexenprozesse. »Solche Fälle scheinen aber nur sehr vereinzelt vorgekommen zu sein«, sagt der mecklenburgische Historiker Boll E. Boll, Gesch. Mecklenburgs, I. Neubrandenburg 1855. S. 284.. Erst in der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts nahmen sie im ganzen Lande überhand.

In der im Jahre 1552 veröffentlichten Kirchenordnung wird die Bestrafung des Zaubers als Pflicht der weltlichen Obrigkeit hingestellt, und daß nur das Feuer dieses Verbrechen sühnen kann, geht aus den Polizeiordnungen von 1562 und 1572 hervor. Allerdings soll dieses nur angewandt werden, wenn der Zauberer »Leuten Schaden und Unglück zufügen würde« D. Schröder, Kirchen-Historie des evangelischen Mecklenburgs. Rostock 1788. II. S. 318, III. 139 bei Paulus, S. 121.. Daß dies stets der Fall war, dafür sorgte schon die Folter. So züngelten denn allenthalben die Flammen an den Hexen hinan. In einer Schrift vom Jahre 1577 erzählt der Braunschweiger Prediger David Bramer, er sei »vor etzlichen Jahren« im Lande Mecklenburg angestellt gewesen, wo »damals viele Zauberinnen und Wettermacherinnen verbrannt worden«.

In der vornehmsten Stadt des Landes, in Rostock, werden im Jahre 1584 siebzehn Hexen und ein Hexenmeister verbrannt, und im gleichen Jahre kommt in Schweriner Akten sechzehnmal die Formel vor, »ist dies Weib mit dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet« C. Beyer, Kulturgesch. Bilder aus Mecklenburg. Berlin 1903. S. 34..

Doch auch Landstädtchen, wie z. B. Crivitz, »zeigten ihr sonstiges Elend auch in den schmutzigsten Hexenverfolgungen, besonders unter Sorge und Streit um die Hinrichtungskosten« Beyer, ebenda, S. 34..

In Rottenburg am Neckar brannte man am 12. Juli 1583 zwölf, am 7. April 1585 neun Hexen. Die Anzahl der Hexen wurde schließlich so groß, daß der Stadtrat anfing »müde zu werden, solche Leute zu justifizieren, sorgend, daß, wenn man weiter fortfahren sollte, fast keine Weiber mehr übrig bleiben sollten«. »So weit«, schreibt der Barfüßermönch Malachius Tschamser, »kam die teuflische Bosheit bei diesen leichtgläubigen Leuten; allein kein Wunder: der Teufel hatte sie schon in Luthero verblendet« W. Westenhofer, Die Reform. Geschichte von einer Barfüßerin. Leipzig 1882, S. 87..

Zu Freudenberg in der Grafschaft Löwenstein-Wertheim wurden am 23. Okt. 1591 gleichzeitig sechs Frauen und zwei Männer hingerichtet. Zu einer der Angeklagten sagte der Amtmann während der Folter: »Du mußt bekennen, und sollte ich drei Vierteljahr mit dir umgehen. Da friß Vogel oder stirb!« Janssen, VIII., 727.

In Gelnhausen hatten die Hexenbrände 1584 begonnen. Ein besonders absonderlicher Prozeß spielte sich dort im Jahre 1597 ab. In diesem Prozesse »hat man bei aller Kunstsinnigkeit, die dem Satanus sunst bei dem Hexengeschwürm zu eigen, doch zum erstenmal aus dem wahrhaftigen Zeugnis der Unholdin erlebt, daß er gar in Gestalt von Flöhen und Würmern sich leibhaftig sehen läßt und agiert«. Klara Geißlerin, eine neunundsechzigjährige Taglöhnerswitwe, war von einer der Hingerichteten beschuldigt worden als »eine Buhlerin, so es zu gleicher Zeit mit drei Teufeln zu tun und viele Hundert unschuldige Kinder ausgegraben, auch viele Menschen gemordet« habe. Daumenschrauben und Fußschienen ließen sie nun gestehen, daß sie das Blut gestohlener Kinder – »habe wohl bei 60 gemordet« – trinke, mit dem Teufel, der in Katzengestalt stets um sie sei, als Katze verwandelt, nachts über die Dächer fahre und sich erlustige. Dann nannte sie etliche zwanzig andere Unholdinnen, mit denen sie bei den Tänzen gewesen sei. Nach der Folter widerrief sie alles, wurde aufs neue gemartert und gestand das alte und noch viel mehr, um später wieder alles als unwahr zu bezeichnen. Sie wurde »dermaßen unsinnig, daß sie Richter und Knechte vor Gottes Gericht rief«. Bei der dritten, mehrstündigen Folter gab sie zu, über 240 Personen »gemördert« zu haben. Sie »habe aus den Teufeln an die 17 Kinder geboren«, die sie alle umgebracht, ihr Fleisch gegessen und ihr Blut getrunken habe und viel ähnliches mehr, bis sich der Teufel ihrer erbarmte, da es die Menschen nicht taten. »Der Teufel hat ihr nichtes mehr offenbaren lassen wollen und deshalben (während der Folter) den Hals umgedreht«, lautete das Gerichtserkenntnis. In den Jahren 1596 und 1597 waren in diesem Reichsstädtchen 16 Hexen zu Feuer oder Schwert verurteilt worden Janssen, VIII., 727 ff..

In Göttingen war der Magistrat seit dem Jahre 1561 fast unaufhörlich mit Hexenprozessen beschäftigt. »Die Zauberinnen bekannten, wie gewöhnlich eine auf die andere, und die Inquisitores verfuhren so scharf, daß fast kein Weib für der peinlichen Frage und dem Scheiterhaufen sicher war« Zeitschr des Harzvereins, 3. 798.. In Osnabrück begann das Hexenbrennen im Jahre 1583 unter der Leitung des Bürgermeisters Hammacher, der in Erfurt und Wittenberg studiert hatte, in so großem Stil, daß in drei Monaten allein 121 Personen aus Osnabrück den Holzstoß besteigen mußten. Dabei loderten rings um Osnabrücks Weichbild noch die Flammen. In Iberg fanden 20, in Verden 14 den Tod.

Von 1585 bis 1589 wurden in Osnabrück insgesamt 157 verbrannt, »aber 4, so die Schönsten, hat der Teufel lebendig davon weggeführt in die Luft, ehe sie ins Feuer gekommen sind«. Wer sich da wohl Teufelsmasken vorgebunden haben mochte? Über Wittenberg lag Janssen aus dem Jahre 1540 ein Holzschnitt vor, nach dem an einem Tage vier Personen eingeäschert wurden Janssen, VIII., S. 593.. Von katholischen Priestern, die dem Hexenwahn zum Opfer fielen, teilt Dr. Hennen aus der Diezöse Trier folgende mit: Pastor Johann Weltroch zu Mehring, 1588, Dechant Schweich zu Longuich, 1589, Dechant Christian zu Waldrach, 1590, Dechant Peter Homphaeus zu Pfalzel, 1591, Johann Malmunder, Abt zu St. Martin, 1590, J. N. Kapellan zu Trittenheim, 1592, Mathias N., Pastor zu Bescheid, 1593, Pastor Jost zu Büdelich, 1593 und noch andere mehr Dr. Hennen, Ein Hexenprozeß aus der Umgebung von Trier, 1572. Wendel, 1887, S. 11..

siehe Bildunterschrift

Hexen im Bistum Trier zu Anfang des 17. Jahrhunderts

Von Westfalen ist aus der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts nur ein Hexenprozeß überliefert, der sich 1466 in Siegen abspielte. Am 26. Februar 1514 wurden in Recklinghausen bei Dortmund elf »molkentoverschen«, die ein Jahr vorher einen Sturm erregt haben sollen, »umbracht«, d. h. »mit vuer« verbrannt. Um dieselbe Zeit saßen in Dortmund drei Hexen gefangen; sie gingen aber schließlich frei aus Hansen, Quellen, S. 607..

Am 24. Juli 1522 wurden in Dortmund die Leichname von Johann Dietel und Didrich Venijn, zweier Mordbrenner, die sich dem Teufel verschrieben hatten, verbrannt. Sie hatten sich im Gefängnis erwürgt, wenn ich die altplattdeutsche Stelle in Dietrich Westhoffs Chronik richtig lese Chroniken der deutschen Städte, 20. Bd., Leipzig 1887, S. 399, 414..

In den südlichen Teilen des kurkölnischen Herzogtums Hannover begannen die Hexenprozesse erst mit dem Jahre 1584. Sie wüteten besonders in den Jahren 1590 bis 1595. »Als im März 1592 viele Hexen eingezogen werden mußten und viel Böses und Mordtaten bekannten, wurde allen Pastoren zum höchsten befohlen und eingebunden, gegen die Zauberei auf der Kanzel zum heftigsten zu predigen.« Gegen Ende des Jahrhunderts hören die Verfolgungen auf, um etwa ein Vierteljahrhundert später wieder mit Nachdruck einzusetzen.

In der hinteren Grafschaft Sponheim war 1586 eine Frauensperson eingezogen worden, die der Zauberei angeklagt war. Sie ward von dem Gericht »mit allem Ernst in der Güte auf viele Wege examinirt«, war aber zu keinem »Geständnis« zu bringen. Sie ward daher auf die Folter genommen; allein da sie den ersten Grad der Tortur standhaft ertrug und beharrlich ihre Unschuld beteuerte, so erklärte das Gericht von einer Fortsetzung der Tortur abstehen und die Angeklagte entlasten zu müssen, »obwohl der Nachrichter wie auch männiglich sie für eine große Zauberin halte.«

In Ersingen und Bilfingen (Baden), wo in den Jahren 1573 und 1576 bereits mehrere Hexen gerichtet worden, baten Schultheiß, Gericht und Gemeinde 1577 den Markgrafen Christoph von Baden, er möge sie doch um Gottes willen von ihren vielen bösen Weibern befreien, die mit Lähmung und Tötung des Viehs großen Schaden anrichteten. In Ersingen stand eine Hebamme in solch schwerem Verdacht der Zauberei, daß in ihrer Gegenwart die Pfarrer kein Kind mehr taufen wollten Janssen, VIII., S. 681..

Unter den Fürsten und Gewalthabern im Deutschen Reich nimmt Landgraf Philipp der Großmütige von Hessen (1509-67) in der Beurteilung der Hexerei und des Zauberglaubens eine fast alle überragende Stellung ein. Eine klassische Kundgebung der Geistesfreiheit dieses großen Fürsten liegt insbesondere aus dem Jahre 1526 vor. Der Amtmann zu Lichtenberg hatte damals an den Landgrafen nach Speier berichtet, daß mehrere böse Weiber durch Zauberei entsetzlichen Schaden angerichtet hätten. Er habe sie (wie es scheint, peinlich) verhört, und eine, die der Hexerei geständig sei, habe er noch in Haft. Der Amtmann bat nun, ihn zur weiteren Behandlung der Verhafteten zu instruieren. Der Landgraf beschied jedoch am 1. August 1526 den Amtmann, er solle in dieser Sache ja nicht zu eilig vorgehen, »nachdem es ein zweifelig Ding ist«. Es sei, bezüglich der Verfolgung angeblicher Zauberer und Zauberinnen, wohl zu beachten, »daß vielen Leuten könne darin Unrecht geschehen«. »Darum«, so fährt Philipp fort, »so wollest Du die Frau, die noch in Haft ist, nochmals in der Güte, ohne Pein, auf alles ihr getanes Bekenntnis fragen lassen, und wo sie es also bekennt, ihr alsdann ihr Recht widerfahren lassen. Und dieweil sie auch noch mehr Leute bekannt hat, wo dann solche Personen deshalb etwas ruchbar und in einem bösen Leumund sind, so wollest Du die auch in Haft nehmen, und sie in dem Gefängnis gütlich, auch ernstlich, mit Bedräuung, ohne Pein anreden und fragen, daß sie ihnen selbst zugute die Wahrheit bekennen und sich vor weiterer Pein und großer Marter verhüten wollten, damit nicht etwa ein Unschuldiger möchte gepeinigt und unverdienter Sache gestraft werden.« Diese Stellung des Landgrafen zur Hexenfrage der Zeit trug wesentlich dazu bei, daß in Hessen bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts hinein von Hexerei wenig, und von Hexenverfolgung gar nicht die Rede war. Daher ist auch unter Philipp in Hessen niemals jemand wegen Hexerei am Leben gestraft worden.

Allerdings wissen wir von einem Prozeß gegen eine Hexe zur Zeit Philipps, in dem von der Juristenfakultät zu Marburg auf Verbrennung erkannt wurde Fichard, Consiliis vol. III. p. 118 ff.. Er betraf ein Weib aus der Obergrafschaft Katzenellenbogen, die vor dem Zentgrafen und Schöffen zu Gerau im Dezember 1564 auf peinliche Befragung, jedoch »extra torturam«, erklärt hatte, daß sie mit dem Teufel »Spitzhut« wiederholt gebuhlt, sich von Gott losgesagt, an den Tänzen der Hexen teilgenommen und viele Menschen an ihrem Besitz geschädigt. Allein hernach nahm die Inquisitin ihre Aussagen zurück, indem sie erklärte, daß sie das Ausgesagte nicht in Wirklichkeit getan, sondern nur infolge teuflischer Berückung sich dieser Vergehen schuldig bekannt habe. Der Teufel sei doch ein Lügner von Anfang an, dem nicht zu glauben sei. Auch sei er ein geistiges Wesen ohne Leib, könne also keinen geschlechtlichen Umgang ausüben. – Nun erklärte die Juristenfakultät zu Marburg, daß Angeklagte für eine Vera saga zu halten sei, die mit ihrer Zauberei Menschen geschädigt habe und daher zu verbrennen sei. Über den Vollzug dieses Urteils wird jedoch nichts gesagt.

Auch unter dem ältesten Sohne Philipps, dem Landgrafen Wilhelm IV. den Weisen von Hessen-Cassel, ist in dem von ihm regierten Niederhessen keine Hexe verbrannt worden. Allerdings war auch er von den Vorstellungen seiner Zeit abhängig. Als im Jahre 1571 zu Allendorf a. d. Werra durch verdächtige Weiber an einem Knaben allerlei Gaukeleien verübt wurden (sie brachten aus seinem Auge Fliegen, Kalk, und große Stücke Holz hervor) und Landgraf Wilhelm deshalb den damals als Humanist und Naturforscher vielgenannten Joachim Camerarius um Rat fragte, übersandte ihm dieser eine Abhandlung über die Erforschung der Dämonen, tadelte die Folterung vermeintlicher Zauberinnen als abergläubisch und grausam und erklärte die Wasserprobe für durchaus unsicher. Allein Wilhelm antwortete: Er müsse das Recht ergehen lassen und könne nach dem Beispiel benachbarter Obrigkeiten die Wasserprobe nicht ganz verwerfen. Denn wenn er gleich nicht verstehe, wie es zugehe, daß solche Zauberinnen nicht untergingen, so schienen doch die von ihnen verübten Gaukeleien übernatürlich zu sein. Es gebe noch mehr Geheimnisse, wie die Wirkungen des Magnets, die er Gott anheim stelle. – Diese Antwort des Landgrafen gab nun Camerarius Veranlassung, ihn in ernstester Weise vor dem Gräuel der Hexenverfolgung und Hexenverbrennung zu warnen, wobei er ihm insbesondere das Geschick einer unglücklichen Frau zu Ellwangen vorhielt, die darum, weil ihr dem Trunk und Spiel ergebener Sohn ihr nachgesagt, daß der Teufel ihr Geld gebracht habe, durch die grausamste Tortur zu einem falschen Geständnis getrieben und hingerichtet worden sei Von Rommel, Gesch. v. Hessen, 5. B., S. 657..

Wie es scheint, blieben diese Vorstellungen auch nicht ohne Erfolg; wenigstens kamen, solange Wilhelm regierte, in Hessen-Cassel keine Hexen Verbrennungen vor.

Die erste Diskussion über die Zauberei und deren Verfolgung trat in 1575 hervor, indem bei dem zu Marburg residierenden Landgrafen Ludwig von Oberhessen zwei im Amte Blankenstein ergriffene Frauenspersonen, Mutter und Tochter, die im Geruche der Zauberei standen und sich auch gegenseitig »Zäubersche« schimpften, nach Marburg in Haft gebracht waren. Der Landgraf kam über diesen Fall in die größte Not; denn gegen die Verhafteten ohne weiteres nach der peinlichen Halsgerichtsordnung des Reichs verfahren zu lassen, hinderte ihn sein Gewissen. Daher legte er die Sache der gerade damals in Marburg versammelten Generalsynode Gesamthessens vor, die er aufforderte, sein Gewissen zu beraten Heppe, Gesch. der hessischen Generalsynoden von 1568-1582, B. I., S. 139 ff.. Bei der hierdurch veranlaßten Diskussion der Synode zeigte es sich, daß ihre Mitglieder von dem Glauben an einer mit teuflischer Hilfe zu bewerkstelligenden Zauberei beherrscht waren. Schließlich mochte aber die Synode sich nicht in diese Angelegenheit mischen, die gar nicht vor ihr Forum gehöre, und überließ es dem Landgrafen, sie nach Recht und Gesetz untersuchen zu lassen.

Mit dieser Kundgebung der Generalsynode war jedoch Landgraf Wilhelm durchaus nicht zufrieden, weshalb er alsbald durch ein Generalausschreiben alle Pfarrer Niederhessens aufforderte Generalsynoden, II., S. 245 u. 246., das Volk zu belehren, daß die Zauberei niemanden schaden könne, wenn man nicht daran glaube. Denn der böse Feind habe keine Macht, wo man ihm nicht Raum gebe.

Anders aber als Landgraf Wilhelm dachte dessen jüngerer Bruder Georg zu Darmstadt, der gegen Ende des Juni 1582 mehrere Frauenspersonen als überführte Hexen verbrennen ließ Generalsynoden, B. II., S. 245.. »Der Teufel ist ganz und gar ausgelassen«, schrieb der Landgraf im Jahre 1582 an Otto von Tettenborn, seinen Abgeordneten auf dem Augsburger Reichstage, »und wütet ebensowohl an anderen Orten als hier dieses Ortes umher: wie wir dann Euch nicht genugsam zuschreiben können, was für seltsame greuliche Händel mit den Hexen oder Zauberinnen allhier verlaufen und was uns dieselben zu schaffen geben. Dann wir nunmehr die alten fast abgeschafft und hinrichten lassen, so kommt es aber jetzo an die jungen, von denen man nicht weniger als von den alten sehr abscheuliche Dinge hört Fr. v. Bezold, Briefe des Pfalzgrafen Johann Casimir. I. Bd. München 1882. S. 501.

Um so erfreulicher war die für jene Zeit wahrhaft imponierende Freigeistigkeit der in diesem Jahre zu Marburg versammelten Generalsynode in ihrer Auffassung der Hexerei und des Teufelsspuks.

Hier teilte nämlich der Superintendent Meier zu Cassel mit, in Cassel sei ein gewisser Hans Badstuber, der angeblich vor einer Reihe von Jahren mit dem Teufel einen Pakt auf zwölf Jahre abgeschlossen habe, nach deren Ablauf er dem Teufel verfallen sein wollte. Da nun die Verfallzeit seiner Seele bevorstehe, und er deshalb in großer Not sei, so bitte er, daß ihm seitens der Kirche gegen den Teufel Schutz und Hilfe gewährt werden möge. Der Superintendent fügte hinzu, vorläufig habe er den Badstuber ermahnt, gegen die Anfechtungen des leidigen Satan die Waffen des Gebets zu gebrauchen und den Bund zu halten, den er in der Taufe mit seinem Gott und Heiland geschlossen habe, um den Bund mit dem Teufel aber sich nicht zu kümmern. – Diese Mitteilung war natürlich der ganzen Synode sehr überraschend; aber nicht eine Stimme forderte, daß gegen den Badstuber peinlich vorgegangen würde. Vielmehr wurde mehrseitig geäußert, daß möglicherweise die ganze Geschichte erlogen sei, und schließlich vereinigte man sich zu dem Beschluß, der Badstuber sollte in spezielle kirchliche Aufsicht genommen, zum täglichen Besuch der Gottesdienste angehalten, für ihn als für eine vom Teufel angefochtene Person gebetet und er eventuell in Kirchenbuße genommen und öffentlich absolviert werden. Von einer »Leibesstrafe« aber habe man, »weil dieser Fall mehr durch des bösen Feindes betrübliche Nachstellung als durch des Badstubers Rat und zeitigen Vorbedacht geschehen«, Abstand zu nehmen.

Weiterhin wurde angezeigt, daß sich eine der Hexerei bezichtigte Frau zu Darmstadt durch ihr Davonlaufen verdächtig gemacht habe. Sie sei allerdings zurückgekehrt, allein sie sage selbst, daß sie des Teufels sei und daß der Teufel in ihrem Namen getan habe, was man ihr schuld gebe. Es frage sich daher, wie man gegen sie zu verfahren habe. Der Berichterstatter fügte jedoch hinzu, man habe ein groß Geschrei gemacht, daß die Angeklagte mehrere Eheweiber behext habe; es sei dieses aber jedenfalls erlogen. – Diese Mitteilung gab zu einer Diskussion über das Zauberwesen überhaupt Veranlassung. Die Stellung der meisten Synodalen zu der Frage war in der von dem Hauptmann von Ziegenhain, Eitel v. Berlepsch, als landesherrlichem Kommissar abgegebenen Erklärung dargestellt: Er sei der Meinung, ein Christ solle nur den Teufel und die Zauberei verachten, und der Teufel habe verloren. Wenn man aber die bösen Künste hochachte und sie fürchte, so habe der Teufel gewonnen. – Am ausführlichsten sprach sich der damalige Stadtpfarrer zu Marburg, H. Herder, aus: Wenn die Zauberin zu Darmstadt erkläre, der Teufel möge das ihr schuld Gegebene in ihrem Namen getan haben, so sei dieses wohl zu überlegen. Denn es sei bekannt, wie der Teufel durch seine betrüglichen Eingebungen bei den zauberischen Tänzen die Hand im Spiele habe, indem wohl etliche dabei zugegen sein möchten, aber sehr viele nur durch die Berückung und Gaukelei des Satans dabei gewesen zu sein vermeinten. Auch stelle des Teufels Trug dabei gar manchmal imagines innocentissimorum hominum als Zauberer vor und bringe sie dadurch in bösen Verdacht. Der Satan suche die von ihm Besessenen auch durch Träume zu berücken; daß sie glauben müßten, sie hätten das in Wahrheit erlebt oder die Dinge wirklich getan, mit denen sie nur im Traume zu tun gehabt hätten. Man solle das Volk darüber belehren, daß ohne Gottes Willen die Zauberei keinem Menschen Schaden bringen könnte, und wenn jemand durch sie geschädigt zu sein glaube, so solle er sagen: Dominus dedit, Dominus abstulit. Auch solle man das Volk ermahnen, sich mit der Waffe des Gebets gegen die Anläufe des Teufels zu schützen und nicht alles, was unerklärlich erscheine, für des Teufels Blendwerk zu halten. Denn gar vieles sehe man als Zauberei an, was doch mit ganz natürlichen Dingen zugehe Heppe, Hessische Generalsynoden, B. II, S. 230-252..

Während in Niederhessen bis zu des Landgrafen Wilhelms IV. Tod (1592) nicht eine Hinrichtung wegen Hexerei vorkam, nahm in den anderen hessischen Territorien, nämlich in dem von dem Landgrafen Ludwig zu Marburg regierten Oberhessen und in Hessen-Darmstadt, eben damals die Hexenverfolgung ihren Anfang.

Im Jahr 1584 klagte ein achtzigjähriger Greis zu Nidda bei dem Landgrafen Ludwig zu Marburg, seine Frau sei der Hexerei angeklagt und deshalb mit der scharfen Frage angefaßt und gemartert, endlich aber unschuldig befunden und allen Verdachts freigesprochen worden. Gleichwohl wolle sie nun der Rentmeister zu Nidda als eine verdächtige Person in der Stadt nicht dulden.

Im Jahre 1591 war eine Frau wegen Verdachts der Hexerei torquiert und als schuldlos entlassen worden. Ihr Mann bat nun den Landgrafen Ludwig, den Kläger zum Schadenersatz anzuhalten, weil seine Frau durch die Tortur zum Krüppel geworden sei.

Im Jahre 1595 wurde eine Hexe auf der Amöneburg verbrannt, während viele andere Verdächtige in Haft waren.

Die heftigste Hexenverfolgung fand aber in den Jahren 1596-1598 statt. Aus allen Ämtern des Landes wurden damals Verdächtige, meist nach Marburg, in Haft gebracht.

In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt stellte Landgraf Georg Steiner, Georg I. Landgr. von H.-Darmstadt, Groß-Steinheim 1861, S. 55 ff. († 1596) eine peinliche Gerichtsordnung auf, die für dieses Land die erste gegen das Hexenwesen gerichtete Strafbestimmung brachte. In ihr heißt es: »Die Zauberei ist ein gräuliches, sonderbares, ungöttliches, hochsträfliches Laster, das jetziger Zeit fast allenthalben unter den Weibspersonen durch Gottes gerechten Zorn und Verhängniß eingerissen, daher die Beamten mit allem Fleiße inquiriren, alsbald eine Person des Lasters bezüchtigt und ein Geschrei erschollen, da es sich befindet, daß eine publica vox et fama sei, zu Haften bringen sollen.« Nach dieser Vorschrift wurde denn auch in Darmstadt alsbald wacker Hand ans Werk gelegt. Nach der »Warhafften und glaubwürdigen Zeyttung von 134 Unholden« (Straßburg 1583) ließ Landgraf Wilhelm am 24. August 1582 zu Darmstadt zehn Weiber verbrennen »und ist ein Knab von 17 und ein Meidlein von 13 Jahren darunter gewesen« Janssen, VIII., S. 7311.. Eine im Jahre 1582 zu Marburg verbrannte Hexe hatte auf der Folter ausgesagt: Der Teufel mache sie unsichtbar, daß sie in die Ställe kommen und dem Vieh das Gift einblasen könne; vor etlichen Jahren habe sie sich abends beim Feuer dem Teufel mit ihrem Blute, so er ihr mit einer Klaue von der Stirn genommen, verpflichtet und verbunden; ihre Mutter, die eine Königin unter den Hexen, sei dabei gewesen Theatrum de veneficiis, Frankfurt a. M. 1586, S. 211 ff.. Im Jahre 1583 wurde in Marburg einer Frau gleichzeitig mit ihren zwei Töchtern das Todesurteil gesprochen H. W. Kirchhof, Wendunmuth, herausgeg. von Osterley, Stuttgart 1870. 2. Bd. S. 550.. Im Jahre 1585 waren in Darmstadt nicht weniger als dreißig Personen wegen Hexerei in Untersuchung, von denen siebzehn hingerichtet, und sieben des Landes verwiesen wurden. Eine Unglückliche machte ihrem Leben selbst ein Ende »Zur Hexengeschichte«. Darmst. Zeitung von 1856, Nr. 113..

In der Landgrafschaft Hessen-Cassel (Niederhessen) dagegen hielt man sich noch immer an die alte Reformationsordnung von 1573, die alle Wahrsagerei, Kristallseherei und dergleichen Aberglauben streng zu ahnden befahl; dagegen war hier von der Hexerei noch immer keine Rede. Ein ganz vereinzelt dastehender Fall war die in einer Schmalkalder Chronik zum Jahre 1598 erwähnte Verbrennung einer Hexe, die »die Milch der nachbarlichen Kühe stehen gemacht, sechs Pferde gesterbt und das aus dem Munde genommene hl. Abendmahlsbrot in ein anderes Brot gebacken und auf Anstiften des Satans ihrem Sohne zu essen gegeben«. Es wird dabei bemerkt, daß ähnliches seit hundert Jahren nicht vorgekommen sei Rommel, Gesch. v Hessen, B. VI, S. 631.. Im eigentlichen Niederhessen ist der erste aktenmäßig feststehende Fall, daß ein wegen Zauberei Angeklagter, Joh. Köhler, genannt Stölzelfuß aus Niederurf, »durch Richter und Schöffen zur scharfen Frage erkannt« wurde, im Jahr 1605 vorgekommen. Seitdem nahmen die Hexenprozesse freilich auch in Niederhessen überhand. Doch ist zu beachten, daß einer der ersten, der auf die gefährliche Anwendung der Tortur aufmerksam machte, ein Hesse war, nämlich Ludwig Gilhausen Tittmanns Geschichte der deutschen Strafgesetze, 1830, S. 290 und 291. Allgem. Deutsche Biographie, 9. Bd. S. 171 ff..

In der Grafschaft Nassau-Dillenburg, wo bereits 1458 eine »zaubersche« verbrannt, eine andere gefoltert worden war und auch später noch die Henker viele Arbeit mit dem Hexenvolk hatten Hansen, Quellen, S. 571, Nr. 96; S. 610, Nr. 230., wurde der Ausbruch der Hexenverfolgung am Ende des sechzehnten Jahrhunderts für geraume Zeit durch den trefflichen Grafen Johann VI. († 1606) – der die Leibeigenschaft in seinem Lande aufhob und für die Hebung der geistigen Bildung seines Volkes sehr tätig war, auf- aber nicht hintangehalten. Es liegt von ihm ein Erlaß vom 28. Juli 1582 vor L. Götze in den »Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung«, B. XIII., S. 327 ff., in dem er sagt, daß er trotz vielfältiger Klagen über Beschädigungen von Menschen und Vieh, die »von Zauberinnen entspringen sollen«, und trotzdem ihm die angeblichen Hexen genannt worden seien und ihre Ausrottung verlangt werde, doch nicht gegen sie vorgegangen sei, sondern er habe erst bei sich selbst nachgedacht, dann habe er sich bei vornehmen Standespersonen und in- und ausländischen Rechtsgelehrten erkundigt und sei zu dem Resultat gelangt, daß man in Sachen, die Leib und Leben und der Seelen Seligkeit betreffen, nicht »liederlich« und auf bloße Anzeige hin handeln, auch niemanden vor eingezogener besserer Erkundigung angreifen, geschweige denn mit ihm zum Feuer eilen dürfe. Damit er aber jederzeit wissen möge, was es mit denjenigen, die als »Hexen oder Zauberinnen angegeben werden«, für eine Beschaffenheit habe, so sollten sich die Schultheissen jedesmal bei den Heimburgen, bei vier Geschworenen und anderen unparteiischen Leuten im Stillen erkundigen, wodurch die angeschuldigten Personen in den Verdacht der Hexerei gekommen wären, ob gegründete Beweise für die ihnen zur Last gelegte Schadenstiftung vorhanden und namentlich, »wie sie sich von Jugend auf bis anhero erzeigt, ob sie sich christlich und fromm, auch aller guten Nachbarschaft beflissen und sich diesfalls unbescholten verhalten hätten«. Nichtsdestoweniger wurde während der Regierung dieses Grafen Johann bis zum Jahre 1600 an 16 Weibern und 4 Männern wegen Hexerei die Todesstrafe vollstreckt Janssen, VIII., 729 ff..

Besonders merkwürdig ist ein nassauischer Prozeß aus den Jahren 1592-1594. Entgen Hentchens Mutter und ihre beiden Schwestern waren in Montabaur als Hexen verbrannt worden, als auch sie auf Beschuldigung einer mit ihr verfeindeten Verwandten eingezogen wurde. Am 29. Juni 1594 wurden ihr die Daumschrauben angelegt, durch Zangen die Schienbeine zerquetscht, dann die Armknochen aus den Schultergelenken gerissen, ohne daß sie gestand. Zwei Tage später wieder gefoltert, sagte sie, sie hätte den Satan nie erkannt. »Mit der Zang und den Schrauben zugleich angegriffen, will nichts bekennen, sentiert keinen Schmerz, ist ihr nicht anzukommen, ist am letzten wie am ersten«, lautet das Protokoll. Selbst als sie mit Lichtern oder Schwefel an der Brust, unter den Achseln und an den Fußsohlen gebrannt und mit brennendem Pech beträufelt wird, leugnet sie. »Entgen,« sagen die Akten vom 16. Juli, »abermals mit der Folter sentiert, einmal oder zweimal aufgezogen, mit Feuerwerk sehr geschreckt(!), will sich nicht zum Bekenntnis geben.« Auf Bürgschaft ihres Mannes wird das standhafte Weib gegen Urfehde entlassen Akten im Germ. Museum in Nürnberg, Beilagen zur Augsburger Allgem. Zeitung, 1881. Nr. 344 ff..

In Hamburg begann bereits früh die Justiz vom Boden des alten Rechts sich zu dem die Hexenprozesse charakterisierenden Willkürverfahren hinzuneigen.

Ein besonders markanter Fall betraf einen der ersten Märtyrer der Reformation, Heinrich von Zütphen Iken, Heinrich von Zütphen, Halle a. S. 1886. Rogge, Heinrich von Zütphen, der Reformator Bremens, Barmen 1887., den ein hamburgischer Offizial durch seinen Vikar Johann Schnittger am 11. Dezember 1524 zum Scheiterhaufen verurteilen ließ. Das Urteil lautete: »Dieser Bösewicht hat gepredigt wider die Mutter Gottes und wider den christlichen Glauben, aus welcher Ursache ich ihn vonwegen meines gnädigsten Bischofs zum Feuer verurteile.« Doch kamen derartige Fälle zurzeit in Hamburg wie anderswo nur ganz vereinzelt vor. Anders aber wurde die Sache, als man in Hamburg die Folter eingeführt, worauf sogleich Hexenverfolgungen begannen. Der erste Fall, wo in Hamburg erweislich die Tortur zur Anwendung kam, war auch der erste Fall einer größeren Hexenverfolgung. Am 16 Juli 1555 nämlich wurden zu Hamburg von vierzehn Hexen, die in Haft waren, zwei zu Tode gepeinigt und vier, darunter die »Vögtin aus Hamm«, lebendig verbrannt. Schon 1556 wurde sodann am 25. Juli ein Hexenmeister samt seinen Kameraden lebendig mit dem Feuertode bestraft. Dasselbe geschah am 12. August 1576 mit fünf Hexen. Später wurden am 12. August 1581 sechs Hexen, am 8. März 1583 eine, die Abelke Bleken, und am 26. August desselben Jahres fünf Hexen verbrannt C. Trummer, Vorträge etc. S. 110-112. C. Beneke, Hamb. Geschichten und Denkwürdigkeiten. 3. Aufl. Berlin 1890. S. 105 ff.. Auch werden Hexenverbrennungen zu Hamburg aus den Jahren 1589, 1591 und 1594 überliefert Ebenda, S. 115..

In Hamburg erschien auch damals (1587) die erste niederdeutsche Druckschrift über den Hexenprozeß unter dem Titel: De Panurgia lamiarum, sagarum strigum ac veneficarum totiusque cohortis magicae Cacodaemonia LL. III., Dat ys: Nödige vnd nütte vnderrichtinge, 1) Van der Töverschen geschwinden list vnd geschicklichkeit quadt to donde; 2) Vnde dat Töverye eine düvelsche Sünde sy, de wedder alle teyn Gebade Gades strydet; 3) Vnde, wo eine Christlike Ouericheit mit sodanen gemeinen Fienden Minschlikes geslechtes vmmeghan schöle. Durch M. Samuelem Meigerium, Pastoren tho Nordtorp in Holstein (Malachiä 3).

Sehr geringen Anklang scheint die Hexenverfolgung im sechzehnten Jahrhundert in Lübeck gefunden zu haben; wenigstens werden aus den Gerichtsannalen des klösterlichen Vogteigerichts zu Lübeck nur drei Fälle aus den Jahren 1551, 1581 und 1591 erwähnt. Im Falle von 1551 dringen aber die Angeklagten selbst mit Ungestüm auf Untersuchung der gegen sie erhobenen Anschuldigung, wobei eine Frau äußert: »Will mir Gott nicht helfen, so helfe mir der Teufel«, infolgedessen sie peinlich verhört, zum Bekenntnis gebracht und hierauf zum Feuertode verurteilt wird. Der Prozeß von 1591 endete damit, daß der Ankläger verhaftet wird und der Angeklagten 33 Schill. für ihre Unkosten, sowie 60 Schill. Buße an das Kloster zahlen muß Mitteilungen des Vereins für lübeckische Geschichte, Heft 4 und 6..

In der Reichsstadt Nordhausen erfolgten die ersten Hexenverbrennungen, von denen wir wissen, im Jahre 1573. Etwas Eigenartiges tritt in der dortigen Zauberei insofern hervor, als die beiden in diesem Jahr verbrannten Hexen die Geschicklichkeit besaßen, den Leuten Elben (Plagegeister) im Namen des Teufels massenweise anzuhexen, und sie auch im Namen Gottes aus den Menschen wieder zu vertreiben Förstemann, Kleine Schriften zur Gesch. der Stadt Nordhausen, 1855, S. 102 ff. Zeitschrift des Harzvereins, Wernigerode 1870, S. 824..

siehe Bildunterschrift

Molkenzauberinnen: der Axtstiel wird gemolken
Geiler von Kaisersberg, Emeis, Straßburg

Auffallend früh und mit besonderer Heftigkeit trat die Hexenverfolgung in den an romanische Gebiete angrenzenden deutschen Landen hervor.

Im Elsaß begannen die Hexenprozesse im 16. Jahrhundert J. Klélé, Hexenwesen und Hexenprozesse in der ehemaligen Reichsstadt und Landvogtei Hagenau, ebenda 1895. S. 15., erreichten aber erst nach 1570 ihren Höhepunkt. In diesem Jahre wurden in Schlettstadt vier Hexen zum Scheiterhaufen geführt und »hat man mit Brennen nicht nachgelassen so lang, bis diese Personen ganz und gar zu Pulver und Asche verbrannt worden« Janssen, VIII, S. 682. Reinhard Lutz, Warhaftige Zeitung. Von den gottlosen Hexen usw. 1571. Paulus, Diözesanarchiv von Schwaben, 1895, S. 81 ff.. Eine dieser »Hexen« hatte »die wohlgenannten Herren für das jüngste Gericht geladen« Theatrum de veneficiis, S. 1 ff.. Eine fünfte Hexe starb im Gefängnis Riezler, S. 144..

In Straßburg fand an vier Oktobertagen des Jahres 1582 ein furchtbares Brennen statt Warhaffte vnd glaubwirdige Zeyttung von Hundert vnd viervnddreyßig Unholden, So vmb irer Zauberei halben diß verschinen 1582 Jars zu Gefencknus gebracht vnd den 15. 19. 24. 28. October auff ihr vnmenschliche Thaten vnd gräwliche aussag – – zum Fewer verdampt vrd verbrennet worden. Straßburg 1583.. Während der Jahre 1586-1597 wurden zu Rufach 37 und bei St. Amarin beiläufig 200 Hexen zum Tode geführt. Eine Chronik des Städtchens Thann berichtet: »Im Wintermonat 1572 hat man allhier angefangen, vier sogenannte Hexen zu verbrennen, und hat dergleichen Exekution gewährt bis Anno 1620, also daß innerhalb 48 Jahren nur allein hier, teils von hier, teils von der Herrschaft (den umliegenden Vogteien und Meiertümern) bei 152, darunter nur etwan acht Mannspersonen gewesen, eingezogen, gefezt, gefoltert, hingerichtet und verbrennt worden, teils mit teils ohne Reue. Unter währender dieser Zeit sind dergleichen Exekutiones so gemein gewesen, daß nur im Elsaß, Schwaben und Breisgau 800 dergleichen Personen verbrannt worden, dergestalten, daß man glaubte, daß je mehr und verbrennt wurden, je mehr dergleichen Hexen und Zauberin gleichsam aus der Aschen hervorkriechten A. Stöber, Die Hexenprozesse im Elsaß, Alsatia, Mülhausen 1857. S. 307 ff..« In diesem fanatischen Neste bestiegen oft fünf bis acht Frauen zusammen den Scheiterhaufen, darunter Greisinnen von 92 und 93 Jahren. Manche Verurteilte wurden noch auf dem Wege zur Richtstätte alle 100 oder 1000 Schritte mit glühenden Zangen gezwickt oder an dem Schweif feuriger Rosse zum Scheiterhaufen geschleift Rodolphe Reuß, La sorcellerie au 16. et au 17. siècle, particulièrement en Alsace, S. 192-194.. Und doch war all dies gewissermaßen noch ein harmloses Präludium zu den späteren Hexenbränden, denen in den Jahren 1615-1635 im Bistum Straßburg etwa 5000 Frauen und Mädchen zum Opfer fielen Schreiber im Taschenb. für Gesch. u. Alterth. in Süddeutschland, 1846, S. 193..

In Flandern wütete die Hexenverfolgung durch die ganze zweite Hälfte des sechzehnten und während des siebzehnten Jahrhunderts Cannaert, Proces des sorcières en Belgique, Gand 1847..

Am 12. Juni 1527 ließ in Stuttgart der Vogt Fürderer die Witwe Margareta Lösin, da sie eben vom Eßlinger Markt kam, unter dem Tor gefangen nehmen, weil vor vielen Jahren die Rede gewesen, sie sei eine Unholdin, habe mit dem Teufel Gemeinschaft gehabt und sei auf einer Ofengabel über ihren Gartenzaun geritten. Der Lösin wurden die Haare abgeschnitten, sie kam auf die Folter, wurde aufgezogen und mit Ruten gehauen, die Schienbeine wurden ihr mit in Pech getauchten und angezündeten Lumpen verbrannt, das Seil preßte ihren Kopf zusammen, ihre Füße kamen in »Schweinsschuhe«, die man über einem Kohlenbecken röstete, sie wurde auf einen Stuhl gebunden und mit glühenden Kohlen überschüttet. Als sie trotz all dieser Martern nicht bekannte, sperrte man sie in einen dachlosen Turm auf dem Reichenberg, in dem sie drei volle Jahre schmachten mußte, dann trieb man sie aus dem Land Dr. Jul. Hartmann, Chronik der Stadt Stuttgart, Stuttgart 1886, S. 50 ff..

Österreich hielt sich, vereinzelte Vorfälle abgesehen, von den Greueln der Hexenverfolgung ziemlich lange frei. So fand um 1350 in Brünn ein Prozeß wegen eines Todes durch Behexung statt Hansen, Quellen, S. 517, Nr. 2..

siehe Bildunterschrift

Jacques Callot, Die Versuchung des hl. Antonius

Aus dem Jahre 1499 wird von einer »Alraune« zu Wien berichtet, der Landeshauptmann und Bürgermeister mit vierundzwanzig Gewappneten auf dem Lande nachgestellt hatten. Man will nun zwar nicht die »Alraune«, aber ihren Gefährten bei Dürnkrut gefaßt haben. Er soll mit dem Schwerte hingerichtet und verbrannt worden sein A. Silberstein, Denksäulen im Gebiete der Kultur und Literatur, Wien, 1879, S. 211..

Ein Jahr vorher, am 21. Oktober, wurden gleichfalls zwei Alraunen, Zauberwurzeln, die unter dem Galgen wuchsen Shakespeare, Romeo und Julia, 4. Akt, 3. Szene; Heinrich VI., 2. Teil, 3. Akt, 2. Szene. Grimmelshausen, Landstörtzerin Courage, 18. Kapitel. Scheible, Das Kloster, VI. Bd., Stuttgart 1847, S. 181 ff., namens Catzett und Sigl verurteilt und hingerichtet, obwohl der Henker sie, wahrscheinlich ihre Rache fürchtend, »nicht hat richten wollen« Alt-Wiener Studien von Ed. Hoffmann (Wien, herausgegeb. von Ed. Pötzl), Leipzig, S. 177.. Man hatte daher den Scharfrichter von Krems herbeiholen müssen, dem – und das ist ebenfalls zu beachten – nach geschehener Exekution »das Schwert neu gefaßt und zugerichtet wurde«. Dieses ist der einzige aktenmäßig feststehende Wiener Fall im fünfzehnten Jahrhundert Schlager, Wiener Skizzen aus dem Mittelalter, Neue Folge, II., S. 35..

Auch um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts treten in Österreich nur wenige Fälle von Hinrichtungen hervor. Großes Aufsehen erregte die 1540 an Barbara Pachlerin, die auf dem Hexenstein im Tiroler Sarntal ihr höllisches Unwesen getrieben, vollzogene Exekution. Sie wurde durch den Henker von Meran zu Asche verbrannt »Barbara Pachlerin, die Sarnthaler Hexe«, herausgegeben von Ign. Zisterle, Insbr. 1858..

Der nächste Fall, dessen Akten noch vorhanden sind, gehört dem Jahre 1582 an. Er betraf ein sechzehnjähriges Mädchen, Anna Schlutterbauer aus Mank in Oberösterreich, und deren Großmutter, die siebzigjährige Elisabeth Plainacherin. Das junge Mädchen litt an Krämpfen und galt für besessen, weshalb es auf kaiserlichen und bischöflichen Befehl exorziert werden sollte. Die Jesuiten, denen man nun diese ehrenvolle Operation zuwies, bereiteten sich alsbald durch Fasten, Geißelung und andere dem Teufel verhaßte Werke auf ihr schwieriges Vorhaben vor. Doch war der Kampf der frommen Väter mit dem hartnäckigen und verschmitzten Satan nicht leicht. Er dauerte (zuerst in St. Pölten begonnen, dann in Mariazell und schließlich in der St. Barbarakirche auf dem Alten Fleischmarkt zu Wien fortgesetzt) geraume Zeit. Endlich aber (am 14. August 1583) gewannen die Patres doch die Oberhand, indem sie nicht weniger als 12652 lebendige Teufel aus dem Leibe des Mädchens austrieben. Das Mädchen wollte gesehen haben, wie seine Base die Teufel als Fliegen in Gläsern bewahrte, mit Teufeln umging, ihr einen Apfel geschenkt hatte, in dem der Teufel als Wurm hauste usw. Die Greisin wurde nach den Beteuerungen ihrer Unschuld erst mit zwei, dann mit drei Steingewichten auf der Leiter gestreckt, und schließlich bekannte sie nicht nur alles, sondern noch mehr als man haben wollte Schlager, Wiener Skizzen im Mittelalter, II., 48 ff., 65 ff. Roskoff, II., 305. Jos. Huber, Der Jesuitenorden, Berl. 1873, S. 339 u. 340. Silberstein, S. 212 u. 213. Karl Ed. Schimmer, Alt- und Neu-Wien, 2. Aufl., Wien 1904, I. Bd., S. 677.. – Vergeblich hatte der Stadtrichter Adam Altensteig anfänglich beantragt, die Greisin als eine altersschwache Person in einem Versorgungshaus unterzubringen; er mußte sie schließlich verurteilen, worauf sie zum Richtplatz auf zwei Brettern, die mit Stricken an einen Pferdeschwanz gebunden waren, geschleift und dort verbrannt wurde.

Aus dem Jahre 1588 wird berichtet, daß man in Wiener-Neustadt zwei Zauberinnen und einen Zauberer, die Ungeziefer machten, gefangen hatte. Ein Inquisitor wurde verschrieben, der auch nach Wien kam, aber am Tage nach seiner Ankunft im Bette tot gefunden wurde Silberstein, S. 213 u. 214.. –

Der Hexenprozeß war zwar immer noch nicht recht im Gange, aber die Folter tat schon ihre Dienste.

In den Jahren 1601 und 1603 waren zwei arme Weiber als angebliche Hexen im Kriminalhause in der Himmelpfortgasse zu Wien in Haft. Eine von ihnen machte ihren Leiden ein Ende, indem sie sich in den Brunnen des Gefängnisses stürzte; die andere unterlag den Qualen der Folter. Ihre Leiche wurde auf die Gänseweide am Erdberg geschleift und dort verbrannt. Die Leiche der ersteren dagegen wurde in ein Faß gepackt und dieses in die Donau geworfen, damit sie fern von Wien verwese Roskoff, Gesch. des Teufels, B. II, S. 305..

Von späteren Hexenprozessen in der Nähe von Wien, sind die Hainburger von 1617 und 1618 zu erwähnen. In der »Warhafftige newe Zeitung etc.«, Wien, bei Gregor Gelhaar, 1618, sollen dort bei 80 zauberische Weiber verbrannt worden sein und eine viel größere Zahl liege noch in den Gefängnissen. Zu den Bekenntnissen der Hingerichteten gehörte, daß sie »45 Scheffel voll Flöhe in Wien hineingezaubert hätten Janssen, VIII. 670 ff.«.

Auch nach Böhmen, dem deutschen wie dem tschechischen, wurden die Hexenjagden von Deutschland aus verpflanzt. Der erste Hexenprozeß ist 1540 nachweisbar. Die ältesten strafrechtlichen Bestimmungen über Hexerei und Zauberei stehen in den Koldinschen Stadtrechten von 1579. Reich an Hexenbränden sind namentlich die Stadtbücher von Komotau. In Solnic endete ein Prozeß mit dem Freispruch der Angeklagten Janssen, VIII., 598., ebenso ein Prager Fall von 1523 Hovorka-Kronfeld, II., 896. und wahrscheinlich auch ein im Jahre 1617 in Braunau geführter Prozeß Mitt. des Vereins für Gesch. der Deutschen in Böhmen, 33. Jahrg., Prag 1895, S. 285 ff.. In Trautenau wurde der Leichnam eines »Zauberers« zwanzig Wochen nach dem Begräbnis ausgegraben und vom Scharfrichter geköpft und dann verbrannt Janssen, 599.. Von weiteren Hexenprozessen in Böhmen berichtet J. Svatek J. Svatek, Kulturhistor. Bilder aus Böhmen, Wien 1879, S. 3 ff.. Bereits im Jahre 1588 erstand hier den Hexen in dem Pfarrer Johann Stelcar Zeletawsky ein Verteidiger, der ihre Verfolgung für unmenschlich erklärte.

Mit am frühesten brach die Hexenverfolgung, – die bisher nur vereinzelt vorgekommen war, – in größerem Maße in Welsch-Tirol aus. Eine im Statthalterei-Archiv zu Innsbruck aufbewahrte Aufzeichnung berichtet über die Justifizierung von etwa dreißig Hexen aus Cavalese im Fleimser Tal, die 1501-1505 unter dem Hauptmann Vigil von Firmian eingezogen worden waren. Die meisten wurden verbrannt oder ersäuft; einige retteten sich durch die Flucht. Das Vermögen aller wurde konfisziert L. Rapp, Die Hexenprozesse und ihre Gegner aus Tirol, S. 16 u. 17..

Auch im deutschen Südtirol kamen schon in den ersten Jahren des sechzehnten Jahrhunderts vereinzelte Hexenverbrennungen vor. Der erste größere Prozeß fand 1510 gegen neun Weiber aus dem Gericht Völs statt. Aus den Akten geht hervor Rapp, S. 143-175., daß damals die Doktrin des Hexenhammers von der Teufelsbuhlschaft den Tirolern noch fremd war. Die den Hexen auf der Folter abgemarterten Geständnisse weisen aber auf einen eigentümlichen Tiroler Volksaberglauben hin. Die Hexen standen in einem Bündnis mit dem Teufel, dessen Zweck die Ausrottung des christlichen Glaubens war. An gewissen »Erchtagen« (Dienstagen) fuhren sie auf Stöcken, Stühlen oder sonstigen Dingen zu Versammlungsstätten, wobei sie in des Teufels Namen die Worte sprachen: »Oben aus und nindert an« und dadurch sicher gen Terlan, auf die Wolff, auf Gfell oder auf den Schalern (Schlern) gelangten. Dort traf man mit dem Teufel zusammen, der in der Gestalt eines »Königs von England« erschien, und dem eine der anwesenden Hexen als »Königin von England (Engelland)« erkoren wurde. Sie wurde dann mit dem Schein von königlichem Schmuck angetan, worauf ein Schmaus folgte, bei dem namentlich kleine Kinder verzehrt wurden. Unerläßliche Vorbedingung der Teilnahme an dieser diabolischen Festlichkeit war die feierliche Lossagung von Gott, der Jungfrau Maria und allen Heiligen. Die daraufhin den Hexen gewährte Hilfe des Teufels bestand darin, daß sie böse Wetter zu machen, Menschen und Vieh an ihrer Gesundheit zu schädigen, die Milch der Kühe zu verderben und sonstige Malefizien auszuüben vermochten.

Vom Ende des sechzehnten Jahrhunderts an haben die Tiroler Hexenprozesse durchaus den gleichen Charakter wie im übrigen Deutschland. Zahlreiche Hexenprozesse in Welsch-Tirol werden aus der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts gemeldet, z. B. auf dem Nonsberge in den Jahren 1614 und 1615 »Sammler f. Gesch. und Statistik von Tirol«, Bd. III., zu Nogaredo, wo fünf Weiber gleichzeitig verbrannt wurden C. P. Dandolos »La Signora di Monza e le streghe del Tirolo, processi famosi del secolo 17 per la prima volta cavati dalle Fitze originali«. Milano, 1855. usw.

Auch im nördlichen Tirol begannen gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts die gerichtlichen Einschreitungen gegen Hexen und Zauberer häufiger und schärfer zu werden. Die Regierung zu Innsbruck erließ wiederholt an die ihr untergebenen Gerichte und Magistrate den strengsten Befehl, auf alle wegen geheimer Zauberei verdächtigen Personen zu achten und gegen sie gebührend zu verfahren Rapp, S. 18..

Aus der Erzdiözese Salzburg liegen die Akten eines Prozesses gegen die Ursula Zanggerin, Ehefrau des Paul Riedl zu Neukirchen vor, die als Hexe am 24. Mai 1594 verbrannt wurde.

Bemerkenswert ist bei diesen Prozessen aus dem sechzehnten Jahrhundert, daß bei ihnen Geschworene sitzen, die aus dem Bürger- und Bauernstande gewählt waren. Erst im siebzehnten Jahrhundert, wo die gelehrten Richter und das geheime Gerichtsverfahren in der Strafrechtspflege zur Alleinherrschaft kamen, verschwand hier das Institut der Richter aus dem Volke Rapp, S. 118..

Aus Kärnten haben sich im Gräflich Lodronschen Herrschaftsarchiv zu Gmünd Hexenprozeßakten aus der Wende des sechzehnten zum siebzehnten Jahrhundert gefunden. Sie berichten von Verfahren gegen eine Frau in Bieberstein und eine in Gmünd aus dem Jahre 1581. Ihr Ausgang ist in Dunkel gehüllt A. v. Jacksch in der »Carinthia«, 84. Jhrg. Klagenfurt 1894. S. 7. In einen dieser Prozesse ist eine interessante Persönlichkeit verwickelt, Anna von Teufenbach, geborene Neumann von Wasserleonburg. Die allgemein als Hexe verschriene Frau hatte nicht weniger als fünf Ehemänner überlebt und schritt 1617, als 82jährige Matrone, zum sechstenmal zum Altar, um den 31jährigen Grafen Georg Ludwig v. Schwarzenberg zu heiraten. Am 27. August 1603 wurden Lucia Neidegger und Hans Träxler, von denen der Mann Ebenda, S. 15. die Teufenbach beschuldigt, in Gmünd hingerichtet. Die nächste Exekution findet 1653 an dem 18jährigen Wettermacher Kaspar Haintz statt Ebenda, S. 43 ff..

In Ungarn und Siebenbürgen F. Müller, Beiträge zur Geschichte des Hexenglaubens und des Hexenprozesses in Siebenbürgen, Braunschw. 1854, S. 17 ff. Magyarországi boszorkányperek oklevéltára. Szerkesztette Komáromy Andor. Budapest 1910. (Das leider meines Wissens noch nicht ins Deutsche übertragene Urkundenbuch der ungar. Hexenprozesse.) kamen während des ganzen sechzehnten Jahrhundert eigentliche Hexenprozesse nicht vor. Allerdings hatte der ungarische Reichstag 1525 die Verbrennung der Ketzer nachdrücklichst gefordert; aber es kam doch kaum einmal (1550) zur Ausführung dieses Gesetzes. In Siebenbürgen bestimmte ein im Jahr 1577 von der geistlichen und weltlichen Universität bestätigter Visitationsartikel: »Die Zauberei der alten Weiber und was sonst an Teufels Gespenst ist – soll die Obrigkeit nach dem Gebote Gottes und Kaiserlichen Rechten mit dem Feuer strafen oder mit dem strengen Edikt der Obrigkeit wehren; und solange solche nicht ablassen, sollen sie nicht zum Sakrament gelassen werden, denn man muß das Heiligtum nicht vor die Hunde werfen.« Hier ist also von Hexerei die Rede; aber ihre Bestrafung soll nicht nach nationalem, sondern nach Kaiserlichem Recht erfolgen – was hinlänglich die Neuheit des hier angeordneten Strafverfahrens beweist. Daher begreift es sich, daß das Gesetzbuch des Fürsten Stephan Bathori von 1583 zwar Strafbestimmungen über Giftmischerei und offenbaren Mord, die in späteren Hexenprozessen häufig als strafentscheidend angezogen werden, aber keinen einzigen gegen die Hexerei gerichteten Paragraphen enthielt.

Auch in Dänemark kamen im sechzehnten Jahrhundert Hexenprozesse stark in Aufnahme E. Pontoppidan, Annales Eclesiae Danicae diplomatici, oder nach Ordnung der Jahre abgefaßte und mit Urkunden belegte Kirchenhistorie des Reiches Dänemark, 3. Bd., Kopenhagen 1747, S. 302 u. a. a. O. Janssen, VIII., S. 597 ff. Historisch-politische Blätter, 81, S. 435 ff.. Man findet hierfür ausreichende Erklärung im »Visitationsbuch« des Bischofs Petrus Palladius, dem vom König Christian III. eine Art Oberaufsicht über das dänische Kirchenwesen verliehen war. »Du darfst es nicht verschweigen,« mahnte Palladius 1540 das Volk, »wenn du irgend eine Hexe weißt. Die sollen nun ihren verdienten Lohn empfangen. In diesen durch das reine Evangelium erleuchteten Tagen können sie sich nicht mehr halten. Sie werden nun vor der Welt zu schänden, und das ist ihr verdienter Lohn. Erst neulich wurde ein Haufen solcher Hexen in Malmö, Kjöge und anderswo verbrannt, und jetzt hören wir, daß in Malmö wieder ein Haufen eingefangen ist und verbrannt werden soll. In Jütland und den kleinen Ländern macht man Jagd auf sie wie auf Wölfe, so daß neulich auf Alsen und in den umliegenden Gegenden 52 Hexen ergriffen und verbrannt wurden.« Palladius selbst spürte auf seinen Visitationsreisen durch Seeland überall Hexen auf. In seinen Augen gehörten auch alle jene zu Hexen, die sich noch katholischer Segnungen und Gebete bedienten. Auch den Hebammen sollte man auf die Finger sehen. Wenn »eine Hebamme mit Segnungen, Beschwörungen und anderen Hexereien und Zaubereien sich befaßt, so soll sie – sonst ist der Hehler ebenso schlecht wie der Stehler – der Obrigkeit angezeigt werden, damit sie hundert Fuder Holz unter den Arsch bekomme und lebendig verbrannt werde, wie sie es verdient hat«.

Unter sotanen Umständen besorgte bald der dänische Teufel »Geschäfte aller Art von Mord, langwierigem Krankenlager, Totgeburt bis hinunter zu Arm- und Beinbruch, schlimmen Fingern und bloßem Bauchkneipen« Troels-Lund, Gesundheit und Krankheit, S. 61 ff.. Hier nur ein paar bezeichnende Beispiele: Herr Iver Krabbe wurde 1561 auf Ersuchen zweier Weiber vom Teufel geholt. Als die Obrigkeit sie über einem gelinden Feuer auf die Folter spannte, sagten sie, daß sie von zwei Knechten dazu veranlaßt worden seien. Als in der Nacht des 29. Juli 1566 bei Gotland die ganze dänische Flotte mit Tausenden von Menschen zugrunde ging, war daran der vom Teufel erregte Sturm schuld. Ein paar Hexen hatten ihn hierzu bewogen, weil sie eine Wirtin aus Kopenhagen bezahlt hatte, einen an Bord befindlichen Kapitän aus der Welt zu schaffen, um sein Gut behalten zu können, das sie in Verwahrung hatte. Die Hexen wurden natürlich alle verbrannt. – 1580 wurden fünf Weiber, die Didrik Blomes Ehefrau eine Krankheit angehext hatten, zum Tode geführt, ebenso 1588 die Weiber, die Frau Anna Ahlefeldt krank gemacht hatten. Die Ahlefeldt »wurde endlich ganz von denen umgebracht, die sie behext hatten«. Frau Anna Bille hatte fünfzehnmal tote Kinder geboren, bis sie 1597 mit ihrem Manne hinter die Hexen kam und es durchsetzte, daß alle unadeligen unter diesen Hexen verbrannt wurden, worauf sie gesund wurde. »Am 23. Mai 1615 gingen unter der Schiffer Jakob Rubbertsön mit seiner Frau und einer Menge von Leuten, Bürgern, Gesellen und sechs Schiffern, als sie zur See von Bergen nach Holland gehen wollten. Eine Hexe, Mary Geith, hatte ein anderes Weib gekauft, das anzurichten. Dafür wurde Mary Geith und eine andere Hexe verbrannt. Aber dem Weibe, das Mary Geith gekauft hatte, dem drehte in der Johannisnacht der Teufel im Gefängnis den Hals um Troels-Lund, 61 ff.

In der Schweiz griff die Hexenverfolgung zunächst in den romanischen Kantonen um sich. Mit besonderer Heftigkeit erhob sie sich in Genf, was sich teilweise aus dem theokratischen Staatsbegriff Calvins und aus dem mächtigen Einfluß erklärt, den Calvin auch auf alle bürgerlichen Dinge Genfs, namentlich auch auf die Strafgesetzgebung der Stadt ausübte. Nicht mit Unrecht ist von den Strafgesetzen, die der Rat der Stadt nach Calvins Weisung aufstellte, gesagt worden, sie seien noch mehr mit Blut geschrieben als die Satzungen Drakons und kaum anwendbar auf fehlbare Menschen dieser Erde. Die oberste Norm aber, nach der sich diese Strafgesetzgebung Genfs gestaltete, war der Gedanke: Alles was vor Gott strafbar ist, das muß in einem christlichen Staate, soweit es von Menschen wahrgenommen werden kann, auch vor dem Staatsgesetz strafbar sein. Nun hat Gott z. B. ausdrücklich die Zauberei mit Todesstrafe zu ahnden befohlen, daher wollte Calvin, daß alle Zauberer in Genf – zur Ehre Gottes – ausgerottet würden E. Stähelin, Joh. Calvin, Leben und ausgewählte Schriften (Elberf. 1863). B. I., S. 349.. Das ganze Gerichtsverfahren Genfs läßt darum nicht nur eine ungewöhnliche Strenge, sondern auch eine unmenschliche Härte erkennen F. W. Kampschuhe, Johann Calvin, seine Kirche und sein Staat in Genf, Leipzig 1869, S. 424 ff.. In dem kurzen Zeitraum von 1542-1546 ließ der Rat der Stadt nicht weniger als achtundfünfzig Todesurteile vollstrecken und daneben wurden noch sechsundsiebzig Personen mit Verbannung bestraft, – darunter siebenundzwanzig, gegen die nur der Verdacht vorlag, ein Verbrechen begangen oder »beabsichtigt« zu haben. Dabei richtete sich nun die Strafjustiz des Rats ganz besonders gegen das Verbrechen der Zauberei, indem man die Pest, die 1542 furchtbare Verheerungen in Genf anrichtete, auf »Pestbereiter« zurückführte. Auf »Bündnis mit dem Satan, Zauberei und Pestbereitung« wurden unzählige in lange, schreckliche Haft, auf die Folter, aufs Schaffot und auf den Scheiterhaufen gebracht. Namentlich zu Anfang des Jahres 1545 häuften sich die Verhaftungen und Prozesse in erschreckendem Maße. Der Kerkermeister erklärte am 6. März dem Rate, daß alle Gefängnisse der Stadt überfüllt wären und er fernerhin Verhaftete nicht mehr unterzubringen wisse. Dabei war das gegen die Verhafteten angewandte Verfahren ein entsetzliches. Man zwickte sie mit glühenden Zangen, man mauerte sie ein und ließ sie verschmachten, wenn sie kein Geständnis ablegten Ratsprotokoll vom 2. April 1545.. Man ersann alle möglichen neuen Torturmittel. Es ist vorgekommen, daß Angeklagte neunmal die Marter der Estrapade am Schwibboder Schnellgalgen ertragen mußten. »Aber welche Pein man ihnen auch antat,« klagt das Ratsprotokoll einmal, »so wollten sie die Wahrheit doch nicht bekennen.« Mehrere der Unglücklichen endeten während oder bald nach der Tortur unter Beteuerung ihrer Unschuld. Andere gaben sich, um den furchtbaren Qualen der Kerkerhaft und der Tortur zu entgehen, den Tod, »auf Eingebung des Satans«, wie oft gesagt wird. Der Arm des Henkers ermattete unter der Last der Arbeit, die, wie er am 18. Mai 1545 dem Rat erklärte, eines Mannes Kraft überstieg. Wurden doch in den wenigen Monaten vom 17. Februar bis 15. Mai 1545 vierunddreißig jener Unglücklichen – und unter ihnen des Scharfrichters eigene Mutter – durch Schwert, Scheiterhaufen, Galgen und Vierteilung vom Leben zum Tode gebracht! Und dabei war es etwas ganz Gewöhnliches, daß der eigentlichen Exekution noch grausame Verstümmelungen des Körpers vorhergingen Philippson, Westeuropa im Zeitalter Philipp II. (Oncken) Berl. 1882, S. 26..

Nicht besser aber als in Genf sah es in dem eben erst von den Bernern eroberten Waadtland aus J. v. Wall, Deutsche histor. Schriften, hrsg. v. E. Götzinger, St. Gallen 1875-79, 3. Bd., S. 279 ff.. Hier hatte die Berner Regierung mit den vielen Zwingherrn, deren Kastellane und Gerichte sich namentlich in der Verfolgung der Zauberei die ärgsten Unregelmäßigkeiten erlaubten, fortwährend ihre große Not Dr. Trechsel in dem Berner Taschenbuch von 1870, S. 149 ff.. Keine zehn Jahre nach der Eroberung des Landes sah sie sich genötigt, unter dem 25. Juli 1543 an ihre welschen Amtleute desfalls zu erinnern: »Wir vernehmen, wie die Edelleute und Twingherrn in deiner Verwaltung und anderswo in unserem neugewonnenen Lande mit den armen Leuten, so der Unhulde oder Hexerei verdächtigt und verleumdet werden, ganz unweislich grob seien und unrechtförmig handeln, als daß gesagte Twingherrn oder Seigneurs-banderets auf ein jedes schlechtes Läumden, Angeben oder einzigen Prozeß unerfahrener Sachen die verzeigten, verargwohnten Personen mit großer, ungebräuchlicher Marter (als mit dem Feuer und Brand an den Füßen, Strapaden Estrapades = Wippen, Schnellen. u. dgl.) zu Bekennung und Verjahung unverbrachter Sachen bringen und ohne weiteren Rath vom Leben zum Tod richten. Daran wir in diesem gefährlichen Fall der Hexerei besonderes Mißfallen haben.« Den Amtleuten soll deshalb eingeschärft werden, sich selbst noch den Gerichtsleuten solches zu gestatten, vor dem Einschreiten sich zu erkundigen, ob genügender Grund dazu vorhanden, ob und unter was für Umständen die angeklagten Taten von den Betreffenden wirklich verübt worden seien usw., gegen die Verhafteten mit Bescheidenheit zu verfahren und keine grausame oder ungewöhnliche Tortur anzuwenden, den Malzeichen fleißig nachzuforschen und in zweifelhaften Fällen sich bei anderen oder bei der Obrigkeit Rats zu erholen, »damit Niemandem zu kurz geschehe, und doch das Uebel gestraft werde«. In diesem Sinne sollten sie auch mit den Twingherrn »trungenlich reden«.

Bald nachher (21. August 1545) wurde sogar jede Hinrichtung in der Waadt untersagt, bevor die Prozeßakten nach Bern gesandt, und das Urteil vom Rate bestätigt worden wäre.

Dennoch blieben die Vorschriften der Berner Obrigkeit nur zu häufig unbeachtet, oder sie wurden umgangen, und selbst wo der Prozeß ganz regelrecht geführt wurde, erscheint uns das dabei beobachtete Verfahren in hohem Grade vexatorisch und grausam. Es beruhte auch hier nicht auf dem System direkter Anklage, sondern auf dem der Denunziation und Inquisition, weshalb ein vages Gerücht schon zum Beginn eines Prozesses genügend war, – was selbst Richter und hohe Beamte zu ihrem großen Schaden erfahren mußten.

Der Kastellan von Gland und Prangins, Nicolas de la Foge, war fünf Jahre lang Gegenstand hartnäckigster Angriffe. Von drei Hexen zu Nyon im Jahre 1600 der Mitschuld angeklagt, wurde er gefangen gesetzt und mit ihnen konfrontiert. Da die Hexen auf ihrer Aussage bestanden, so wurde auf höhere Weisung der Prozeß gegen ihn eingeleitet. Indessen beteuerte er auch in der Tortur seine Unschuld, weshalb die Geschworenen ihn freisprachen. Allein im Jahr 1602 erklärten zwei andere Hexen ihn wiederum für mitschuldig. Als sie jedoch bei der Gegenüberstellung ihre Aussage nicht recht aufrecht erhalten wollten, kam von Bern der Bescheid zurück, »da es eine heikle Sache sei, deren rechten Grund allein Gott wisse, so müsse man es Ihm anheimgeben und den de la Foge seiner Gelöbniß und Bürgschaft entlassen«. Zugleich wurde dem Kastellan Bory, seinem Nachfolger, wegen schlechter Befolgung der Ordnung das obrigkeitliche Mißfallen ausgedrückt und eine ernste Warnung erteilt. Allein auch jetzt hatte der Geplagte keine Ruhe, indem er sechs Monate später nochmals zur Untersuchung kam. Ja noch 1605 erhielt Bory auf eine neue Beschuldigung und Anfrage seinethalb die Antwort, weil nicht erhelle, daß er etwas Böses begangen, sondern nur, daß man ihn bei der »Versammlung« gesehen haben wolle und dgl., so sei darauf als auf bloße Illusion nichts zu geben; doch möge er immerhin seinem Ankläger gegenübergestellt werden.

Zu Büren hatte im Jahr 1620 ein junger Mensch von siebenzehn Jahren vor Gericht mancherlei gegen seine Mutter bekundet. Nach Bern transportiert erklärte er alles für unwahr. Was er dort gesagt, sei nur auf Andringen des Schultheißen, des Prädikanten und anderer geschehen, denn obschon er ihnen gleich anfangs den Verlauf der Dinge der Wahrheit gemäß eröffnet, hätten sie sich doch dessen nicht begnügt, sondern »mit vielem Fräglen, bald liebkosenden glatten, bald aber mit rauhen Worten, vorgebend, seine Mutter habe schon bekannt«, – ihn endlich dazu gebracht, daß er geredet, was sie wollten, und zu allem Ja gesagt. Darauf seien sie noch weiter gegangen, hätten ihn eingesetzt und gefoltert, ihn befragt, ob nicht ein Mann zu seiner Mutter gekommen, auf sein Ja, ob er nicht grün bekleidet gewesen usw. Bei seiner Abführung nach Bern hatte man ihm noch eingeschärft, nicht wieder zu leugnen, sonst würde man ihn noch mehr martern, was auch leider geschehen sei. Erst als er den Worten seiner neuen Examinatoren und seines Mitgefangenen nachgedacht, er solle sich selbst nicht unrecht tun, habe er billig widerrufen und Gott gebeten, daß er ihn bei der Wahrheit erhalten wolle.

Mutter und Sohn wurden infolgedessen gegen Erlegung der Kosten freigegeben.

Bei der Anwendung der Tortur unterschied man im Bernerland hauptsächlich zwei Stufen, die »ziemliche«, dann die »notwendige« oder »strenge«. Das gewöhnliche Werkzeug war das Seil oder die Strecke. Der Gefangene wurde zuerst leer, d. h. ohne Gewicht, dann auch mit Gewichten von 25-50, auch 100 Pfund, an den Füßen aufgezogen. Nach Umständen schritt man aber auch bis zur Anlegung von 150-Pfundgewichten fort, und zwar mit mehrmaliger Wiederholung. Nur wo in seltenen Fällen die körperliche Beschaffenheit der Inquisiten das Aufziehen nicht rätlich erscheinen ließ, kamen auch andere Torturmittel, wie die Daumschraube, die Wanne, die Breche oder Leiter zur Anwendung. Natürlich brachte dieses Verfahren so ziemlich alle zum Geständnis.

Hatte dagegen die Beschuldigte sich gerechtfertigt und den Ungrund der Anklage dargetan, so erfolgte allerdings ihre Freisprechung, bald mit einer Zensur, bald auf Urfehde, d. h. auf das Versprechen hin, sich an niemand rächen zu wollen, bald auch von einer schriftlichen Ehrenerklärung begleitet; in der Regel jedoch blieb sie unter polizeilicher Aufsicht und mußte, selbst wenn sie das »Kaiserliche Recht«, d. h. die Tortur ohne Geständnis ausgehalten, dennoch die Kosten bezahlen. Abergläubische, unwissende, lasterhafte Personen wies man auch dem Pfarrer oder dem Chorgerichte zu, und bisweilen wurde ihnen öffentliche Kirchenbuße und Abbitte vor der Gemeinde auferlegt. Bei starkem, aber nicht ganz erwiesenem Verdacht und widerrufenem Geständnis traten willkürliche oder außerordentliche Strafen ein, z. B. der Ausschluß aus gewissen Bezirken, die Landesverweisung mit oder ohne Stäupung.

Zu einem Todesurteile genügte indessen gesetzlich der bloße Zeugen- und Indizienbeweis nicht, sondern es mußte das Eingeständnis, sei es gütlich oder peinlich, hinzukommen. Im letzteren Falle schützte sogar die spätere Zurücknahme nicht immer. Man sollte, heißt es mehr als einmal in den Prozeßakten, zur Vollziehung schreiten, »unangesehen zu erwartenden Abfalls«. Im deutschen Kantonsteile stand die Rechtsprechung den Landgerichten zu; in zweifelhaften Fällen jedoch wurde öfters »Weisung« eingeholt oder der Angeklagte selbst nach Bern gebracht. Auch die Exekution geschah meistens ohne Einspruch oder Bestätigung der Obrigkeit, die sich bloß das Milderungs- oder Begnadigungsrecht vorbehielt.

Als mildernde Umstände galten Jugend, hohes Alter, aufrichtige Reue, frühzeitig erfolgter Rücktritt aus dem Teufelsbund und insbesondere die glaubhaft gegebene Versicherung, daß durch teuflische Mittel kein oder nur wenig Schade bewirkt worden sei. Die Gnade erstreckte sich jedoch nur ausnahmsweise bis zur Schonung des Lebens; gewöhnlich blieb es bei einer Umwandlung der Strafe in die der Ertränkung für Frauen und der Enthauptung oder Slrangulierung für Männer und nachfolgende Einäscherung der Leiche. In späterer Zeit wurden manchmal zur Abkürzung der Leiden den Delinquenten Beutel mit Schießpulver an den Hals gehängt. – Der Exekution ging wie immer die Verlesung der Urgicht (»Vergicht«) oder des Bekenntnisses – mit Auslassung anstößiger Teile – nebst dem Urteil voran. Auf dem Richtplatze selbst wurde der Verurteilte nochmals, mit Hinweisung auf Gottes Gericht befragt, ob er niemand fälschlich beschuldigt habe.

In betreff des Nachlasses der Hingerichteten herrschte eine verschiedene Ansicht und Übung. Die waadtländischen Gerichtsherrn nahmen ihn als dem Fiskus verfallenes Gut oft in sehr ausgedehnter und eigennütziger Weise in Anspruch. Die Regierung zu Bern dagegen brachte, wo sie die Gerichtsbarkeit besaß, meistens andere Grundsätze zur Anwendung. Begreiflicherweise suchte sie vor allem die Prozeßkosten zu decken. Sie behielt aber auch die Rechte der Gläubiger und Geschädigten vor, wies ihre Beamten an, ihnen darin behilflich zu sein oder bestimmte zuweilen die Entschädigung selbst. So heißt es z. B. im Rats-Manual vom 19. April 1603: »da Claude Pavillard laut Vergicht der Pernette Michauld die bösen Geister eingegeben und sie dadurch unnütz gemacht, so solle ihr aus seinem Gut – fronfestlich zwei Kopf Korn und zehn Fl. verordnet werden.« Den Rest überließ die Regierung entweder den natürlichen Erben oder teilte wenigstens mit ihnen, sei es nach einem gewissen Verhältnisse oder nach gerichtlichem Ausspruche. – Auch die Sorge für die Hinterbliebenen vergaß man nicht ganz. Die Kinder wurden mit ihrem Erbteil bald den Verwandten zur Erziehung übergeben, bald an »gute Orte« unter Aufsicht des Amtmanns verdingt.

Dessenungeachtet waren auch die Familien hingerichteter Hexen immer schwer betroffen. Nach der öffentlichen Meinung lastete ein Fluch auf denen, die zu jenen Personen in näherer verwandtschaftlicher Beziehung standen. Sie hatten allgemein das Vorurteil wider sich, das sie ähnlicher Dinge für fähig hielt. Hier und da schienen auch besondere Maßnahmen zur Verhütung von Gewalttat an den Gefangenen nötig, und es wird sogar erzählt, wie zu Thonon 1565 ein Sohn zum Rade verurteilt wurde, der seine im Rufe der Hexerei stehende Mutter zur Vermeidung der Schande mit Hilfe eines gedungenen Mörders umgebracht hatte (Haller und Müslin, Chronik, S. 107.)

Im deutschen Teile des Kantons Bern datierte der erste bis zur Hinrichtung durchgeführte Hexenproxeß aus dem Jahre 1571. In dem welschen Kantonsteile wurden von 1591-1595 durchschnittlich in jedem Jahre elf Hexen, dagegen in den Jahren 1596-1600 durchschnittlich in jedem Jahre einundfünfzig, also im Laufe von zehn Jahren dreihundertundelf Hexen hingerichtet. Der Ruhm, in kürzester Frist das meiste getan zu haben, gebührt dem Amte Chillon, wo in dem einzigen Jahre 1598 nicht weniger als vierzehn Hexen verurteilt wurden.

Mit diesem Treiben der Gerichte in dem welschen Waadtland lag jedoch die Berner Regierung im fortwährenden Kampf. Es muß zu ihrem Ruhm hervorgehoben werden, daß sie sich zur Zeit, wo in allen anderen europäischen Landen der Glaube an die Wirklichkeit teuflischer Hexerei und an die Pflicht ihrer Verfolgung und Ausrottung unerschütterlich feststand und wo daher von Schranken, innerhalb deren sich die Hexenverfolgung zu halten habe, gar keine Rede war, aller der unglücklichen Hexen annahm, soweit es nur die Zeit erlaubte. Schon in einem Erlaß an die welschen Amtleute vom 8. Aug. 1583 hatte sie es gerügt, daß bei der Vergichtung der Hexen so wenig nachgeforscht werde, ob die von ihnen bekannten Malefizien auch wirklich, und unter welchen Umständen, durch sie geschehen wären, da ohnedies ihre Schuld zweifelhaft bleibe, »weil ihr Meister, der Satan, ihnen wohl auch einbilden könnte, daß der Abgang von Menschen und Vieh u. dgl. m. von ihrem Tun herrühre, während es vielleicht in Krankheiten und anderen Zufällen seinen Grund habe.«

Im Jahre 1600 entschloß sich sogar der Berner Rat, eine Revision der Prozeßordnung in Hexensachen vornehmen zu lassen. Er setzte zu diesem Zwecke eine Kommission unter dem Vorsitz des Schultheißen Manuel ein. Der von dieser Kommission ausgearbeitete Entwurf, vom Berner Rat am 19. Juni 1600 bestätigt, hatte folgenden Inhalt:

Im Eingange spricht die Regierung wegen des Überhandnehmens der Hexerei im Waadtlande ihr tiefes Bedauern aus und kommt dann sogleich auf die aus den Akten geschöpfte Wahrnehmung zu sprechen, daß die Hexen sich so oft gegenseitig angäben, als hätten sie einander in ihren »gleichwohl vermeinten« Versammlungen gesehen, zusammen gegessen usw. Dadurch sähen sich dann gewöhnlich die Amtleute, Twing- und Pannerherrn veranlaßt, alsbald solche angegebenen Personen aufzugreifen und mit der Tortur gegen sie zu verfahren. Es sei aber zu besorgen, der Teufel, der ein Feind und Lügner von Anfang sei, möchte den Denunzianten die Gestalt ehrlicher Leute vorstellen, wodurch diese in große Gefahr gerieten, zumal wenn man alsbald mit großer Marter gegen sie vorgehe. Um dem allen vorzubeugen, werde daher folgende Ordnung festgesetzt: Erstlich solle kein Amtmann oder Gerichtsherr eine wegen Hexerei verdächtigte Person gefänglich einziehen, »sie sei denn in dreien unterschiedlichen Prozessen angegeben und verzeigt«. In diesem Falle und sofern es sich nur darum handle, daß die angeklagte Person in der »Sekte« (d. h. bei dem Hexensabbat) gewesen, ohne etwas Tätliches vollbracht zu haben, sei sie allerdings zu verhaften, jedoch nicht sofort zu foltern, sondern nur mit strengen und drohenden Worten zu befragen. Außerdem habe man sie zur Ermittelung etwaiger Malzeichen sorgfältig zu untersuchen. Lege sie nun kein freiwilliges Bekenntnis ab, so habe man über ihren Wandel genaue Erkundigung einzuziehen, und – wenn diese verdächtig ausfalle – die »ziemliche« Folter anzuwenden oder höheren Orts sich Bescheid einzuholen. Kämen dagegen Malefizien so zur Anzeige, daß sich bei genauer Untersuchung der Sache die Anzeige als begründet erweise, so habe man zur strengeren Folter zu schreiten, immerhin jedoch nur mit dreimaligem Aufziehen mit dem fünfzig-, hundert- oder auch mit dem hundertfünfzigpfündigen Steine. Die zu Lausanne immer noch gebräuchlichen ungesetzlichen Folterwerkzeuge sollten gänzlich abgetan werden. Die Kosten der Exekution sollten aus dem Nachlaß der Hingerichteten gedeckt werden. Es sei ein »ungereimt Ding«, daß die Gerichtsherren den Nachlaß einzögen und die Regierung die Kosten trage.

Diese für ihre Zeit mild zu nennende Prozeßordnung hatte zur Folge, daß sich im Waadtlande in den nächstfolgenden Jahren die Zahl der Todesurteile bedeutend verminderte. Doch erreichte sie in dem Jahrzehnt von 1601 bis 1610 immerhin noch die Höhe von zweihundertundvierzig. In den unter unmittelbar Bernischer Verwaltung stehenden Ämtern sank sie dagegen bedeutend. In Avenches von siebenunddreißig auf achtzehn, in Chillon von fünfunddreißig auf neun, und aus Yverdon und Morges sind gar keine bemerkt. In anderen Bezirken dagegen steigerte sich die Zahl der Exekutionen. In Colombier erlitten in den drei ersten Monaten des Jahres 1602 acht Personen, zu Etoy in derselben Zeit ebenfalls acht und 1609 während eines einzigen Monats sieben Personen den Hexentod. Auch kamen hin und wieder, was unter der Bernischen Gerichtsbarkeit nie der Fall war, Massenexekutionen vor. Es geschah, daß in Colombier und St. Saphorin je vier, zu Etoy sogar fünf Hexen auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Und das alles geschah in einem Umkreis von nur wenigen Stunden! Bald fing die Seuche der Hexenverfolgung aber auch auf deutschem Gebiete zu wüten an, namentlich im Seelande, das durch seine Lage der Einwirkung romanischer Denkart und Sitte am nächsten war.

Um das Prozeßverfahren noch mehr einzuschränken, erließ der Berner Rat im Jahr 1609 eine neue Verordnung, in der er es auszusprechen wagte, daß auch ein dreimaliges Gesehenwerden einer Person in der »Sekte« und eine darauf sich gründende dreimalige Anzeige nichts zu beweisen vermöchte, weil das Ganze nur auf einen Teufelsspuk hinaus laufen könnte. Es sei ja bekannt, daß der leidige Satan auch christgläubige Leute verblende, wie viel mehr also solche, die sich ihm ergeben hätten, denen er »die Gestalt ehrlicher Biederleute vorstellen kann und ein solches zwei-, drei- und mehrmal zuwege bringen mag, dannenhero etwan ehrliche Leute in böse Geschäfte, ja auch äußerste Tortur gefallen und alsbald Sachen bekannt, deren sie nicht behaftet gewesen«. Daher solle bei Personen von gutem Rufe, die wegen nichts anderem bezichtigt, als daß man sie bei der Sekte gesehen, auch wenn dieses noch so oft vorgekommen sein sollte, »solches für eine Illusion und Betrug des Satans gehalten und geachtet werden«. Beim Hinzukommen schlechten Leumunds wird der Richter angewiesen, gründliche Informationen einzuziehen und die Befehle der Regierung abzuwarten. Jedoch dürfe man nur unverdächtige Zeugen vernehmen, die mit dem Angeschuldigten nicht in Feindschaft ständen, worüber eine besondere Vermahnung an sie zu richten sei. Im übrigen blieb es bei der vorigen Prozeßordnung mit wiederholtem Verbot der ungebührlichen Tortur und der verfänglichen Fragen. Auch wird den Amtleuten die persönliche Anwesenheit bei den Verhören zur Pflicht gemacht. Diesem für beide Landesteile berechneten Erlasse folgte, unter dem 12. Mai 1610, eine Warnung vor den schweren Sünden der Zauberei, wie Wahrsagen, Beschwören, Segnen usw.

Wie früher, so ließ sich auch jetzt wieder augenblicklich eine günstige Wirkung der neuen Vorschriften verspüren. Schon im Jahr 1610 sank die Zahl der waadtländischen Hexenfälle auf das bisherige Minimum von fünf, und erhielt sich auch in den folgenden Jahren auf einer verhältnismäßig bescheidenen Höhe. Allein 1613 betrug sie schon wieder sechzig, und im Jahr 1616 sogar fünfundsiebzig. Mit geringen Abwechselungen blieb dieser Stand der Dinge noch volle fünfzig Jahre hindurch. Im Amte Chillon wurden 1613 in der Zeit von vier Monaten siebenundzwanzig Hexen hingerichtet.

Die Regierung ließ es in Ermangelung eines besseren an Aufsicht und Handhabung ihrer Mandate nicht fehlen, wobei sich mitunter sogar eine gewisse Schärfe kundgab. Der Herr v. Berchier z. B. mußte die Weisung hinnehmen, »sich inskünftig solcher Inprodezuren bei Ihrer Gnaden Strafe und Ungnade zu überheben«. Der Amtmann zu Grandson wird ernstlich getadelt, daß er ordnungswidrig Angegebene verhaftet und unmäßige Tortur angewendet; und einzelne Kastellane und Gerichte erhalten strenge Verweise über ihr Vorgehen »auf einfältige Accusation« hin. Bereits seit 1616 war es auch verboten, die Namen der nur als Teilnehmer an den nächtlichen Versammlungen Verklagten in den Akten zu verzeichnen. Die letzte Verordnung wurde 1634 vervollständigt wiederholt.

In den Baseler Archiven liegen die Akten von vierzehn Hexenprozessen vor, von denen die ersten fünf der Periode von 1519 bis 1550 angehören Fr. Fischer, die Basler Hexenprozesse im 16. und 17. Jahrh. Basel 1840.. Von da an hörten die Prozesse, soviel aus den Akten zu ersehen ist, für ein halbes Jahrhundert auf, bis sie mit dem Jahre 1602 wieder in Gang kamen. Es verdient bemerkt zu werden, daß zu Basel in der Hexenverfolgung allezeit mit seltener Humanität verfahren wurde. Nur einmal, 1624, ist eine Hexe hingerichtet worden. Sehr heilsam wirkte hier auf die Behandlung der Hexen und auf den Gang der Prozesse die reformierte Geistlichkeit ein, wie im Jahre 1602 Jakob Grynäus Fischer, S. 12-13.. Allerdings wurde in der Baseler Reformations- und Polizeiordnung von 1637 das Hexenwesen und alle Zauberei sehr ernst bedroht. Es heißt dort: »Sintemalen durch die teuflische Zauberei, Wahrsagerei, Teufelsbeschwörungen und dergleichen abergläubische Dinge, deren sich etliche mit Charakteren sich vor Hauen und Stechen oder mit der bekannten, verfluchten Passauischen Kunst vor Schießen fest und hart zu machen, gebrauchen, die heil. Majestät Gottes zum höchsten beleidigt und an seiner Statt der leidige Satan gleichsam angebetet wird, so gebieten wir ernstlich, daß sich Jedermänniglich solcher Segen, Wahrsagens, Zauberens, Beschwörens, des Nachlaufens von Heiden und Zigeunern usw. gänzlich entziehe. Denn wir sind beständig entschlossen, die dießfalls fehlbar Befundenen an Leib, Ehre, Hab und Gut, ja auch am Leben, je nach Gestalt und Befindung ihres Übertretens ohne Gnade abstrafen zu lassen.« Allein auch diese Polizeiordnung spricht es aus, daß gegen Hexen und Zauberer nicht ohne weiteres mit Feuer und Schwert verfahren werden solle, und die Folter kam seit 1643 im Hexenprozeß zu Basel gar nicht mehr zur Anwendung, obschon man es oftmals mit recht bedenklichen Personen zu tun zu haben glaubte.

In den Niederlanden begann die Hexenverfolgung im ersten Viertel des sechzehnten Jahrhunderts, mit voller Wucht aber seit 1555 in Amsterdam und in anderen Städten. In den einzelnen Prozessen tritt dabei ganz derselbe Wahnwitz und dieselbe Grausamkeit wie in Deutschland hervor.

In Bommel hatte man 1529 eine Zauberin tot im Gefängnis gefunden. Ihr hatte der »duyvel den hals gebroicken«. In Amsterdam wurde z. B. im Jahr 1564 eine im Hospital liegende kranke Frau daran als Hexe erkannt, daß sie in der Fieberhitze viel vom Teufel und von Hexen gefaselt hatte. Sie wurde, krank wie sie war, in den Kerker geschleppt, und, da sie sich nicht schuldig bekennen wollte, geschoren und so lange gefoltert, bis sie sich des Abfalls von Gott, der Buhlerei mit dem Teufel und vielfacher Schadenstiftung schuldig bekannte, worauf sie (am vierten Tage nach ihrer Abführung) zum Feuertod verurteilt wurde. Doch starb sie tags darauf im Gefängnis, weshalb man ihren Leichnam auf den Scheiterhaufen legte und zu Asche verbrannte. – In den »Geständnissen« der niederländischen Hexen tritt es namentlich häufig hervor, daß sie Seestürme und den Untergang von Schiffen herbeigeführt haben wollen. Bei der Justifikation pflegte man auch hier, wie in Süddeutschland, in der Schweiz etc. den Verurteilten auf dem Scheiterhaufen einen Pulversack umzuhängen. Bei einer Exekution zu Bommel im Jahr 1557 geschah es, daß der Scharfrichter, der das Pulver ungeschickt anzündete, sich selbst verbrannte. Übrigens kamen Hexenverbrennungen in den Niederlanden durch das ganze Jahrhundert hin nur vereinzelt vor. Ganze Provinzen, so Friesland bis zum Jahr 1620, und große Städte, z. B. Antwerpen, blieben von dem Greuel der Hexenverbrennung vollständig frei. Die Schöffen der Baronie von Brügge in Flandern beschlossen 1542, Klagen wegen Hexerei gar nicht anzunehmen. Die Stadt Oudewater war so glücklich, durch die ihr von Kaiser Karl V. verliehene Wage alle Angeklagten vor dem Tode und sich selbst vor der Manie der Hexenverfolgung schützen zu können Scheltema, Geschiedenes etc. S. 114-147..

Die Zahl der Hexenprozesse wurde allerdings häufiger, als Philipp II. 1570 für die Niederlande eine Kriminalordnung publizierte, die in Art. 60 eine sorgfältigere Aufspürung und strengere Bestrafung der Hexerei befahl. Indem aber die nördlichen Provinzen das spanische Joch abschüttelten und ein freies, niederländisches Staatswesen bildeten, kennzeichnete sich der Geist, der dieses beseelte, unter anderem auch dadurch, daß die Hexenverfolgung in ihm keinen rechten Raum gewinnen konnte. Eine 1593 zur peinlichen Frage verdammte Frau zu Schiedam appellierte an die obere Instanz und wurde freigesprochen, während der Amtsrichter, der sie für schuldig erklärt hatte, in die Kosten verurteilt ward. Gleichzeitig sah sich der Gerichtshof von Holland anläßlich eines anderen Hexenprozesses bemüßigt, die Professoren der Medizin und der Philosophie zu Leiden um ihr Urteil über die Zulässigkeit der Wasserprobe zu ersuchen. Das unter dem 9. Januar 1594 ausgestellte Gutachten sprach der Wasserprobe die Beweiskraft ab. Denn das Wasser könne doch nichts beratschlagen und beschließen, und »wenn das Wasser die Hexen für schuldig erkennt, warum trägt sie die Erde, warum gibt ihnen die Luft Lebensatem?« Daß angebliche Hexen so oft auf dem Wasser schwämmen, erkläre sich aus der Art, wie sie kreuzweise gebunden ins Wasser gesenkt würden, indem sie auf ihm mit dem Rücken wie kleine Schiffchen zu liegen kämen usw. Scheltema. S. 250 ff. u. Beilagen S. 51 ff.

Aus den Jahren 1594-1601 finden wir nichtsdestoweniger eine Anzahl von Hexenprozessen verzeichnet, die mit der Hinrichtung der Angeklagten endigten. In ihnen bekannten einzelne auch, daß sie jahrelang als Werwölfe gehaust, wobei ihr Denkvermögen aber keine Sprachfähigkeit gehabt, daß sie Kühe gebissen hätten u. dgl. In den Jahren 1601-1604 dagegen wird gegen alle der Hexerei schuldig Befundenen nicht auf Hinrichtung, sondern auf mehrjährige Verbannung erkannt Scheltema, S. 259..

Die entsetzlichste Hexenverfolgung erlebte 1613 das Herzogtum Limburg. Sie erwuchs aus dem Gerede eines Kindes zu Roermonde, durch das zunächst eine Frau in den Verdacht der Hexerei kam, was aber zur Folge hatte, daß in Roermonde und in den umliegenden Ortschaften Straelen, Ool, Wassenberg, Swalm und Herringen ganze Massen von Männern, Frauen und Mädchen in Anklagestand versetzt wurden. Schon nach wenigen Monaten war das ganze Land fieberhaft erregt. Man erzählte sich, wie die Hexen und Zauberer wenigstens tausend Menschen umgebracht, zahlloses Vieh getötet und an Ackerland, Feldfrüchten und Obstgärten unglaublichen Schaden angerichtet hätten, und alsbald hatte die Inquisition ihre Fallstricke in dem ganzen Lande ausgeworfen, und nicht ohne Erfolg. Sie brachte heraus, daß die eigentliche »Hexenprinzessin« eine Hebamme, und deren Helfer, der »Fahnenträger der Zauberer«, ein Chirurg war, die beide furchtbar gefoltert und dann verbrannt wurden. Im ganzen wurden vom 24. September 1613 an bis in den Oktober desselben Jahres hinein nicht weniger als vierundsechzig Hexen und Zauberer zu Roermond gehängt und verbrannt Scheltema, S. 240-242..

Gleichzeitig wirkte die Inquisition in verschiedenen Teilen Italiens. In der Lombardei trieb sie es so arg, daß die Bauern die Waffen ergriffen. Wer sich nicht loskaufte, den verbrannte man. Agrippa De vanit. scient. cap. 96. und Alciatus Parerg. VIII. 21. erzählen dies aus eigener Wahrnehmung, letzterer namentlich berichtet, daß allein in den Alpentälern über hundert Personen verbrannt worden seien. Diese Zahl wurde noch überboten in dem Bezirke von Como, als Papst Hadrian VI. am 20. Juli 1523 den Inquisitor dieser Diözese mit einer neuen Hexenbulle ausgerüstet hatte Sept. Decret, Lib. V. Tit. XII. de malef. et incantat. cap. 3. Hansen, Quellen, S. 34 ff..

Es heißt darin: in der Lombardei sei eine Sekte von Männern und Weibern, die den katholischen Glauben verlassen, das Kreuz Christi mit Füßen treten, das Abendmahl mißbrauchen, sich dem Teufel ergeben, durch Zauberei Tiere und Feldfrüchte vielfältig beschädigen usw. Vor Jahren schon habe der Dominikaner Georg von Casali, Inquisitor zu Cremona, gegen diese Zauberer vorgehen wollen, mehrere vorwitzige Laien und Kleriker hätten jedoch sein Recht dazu bestritten, sein Geschäft behindert und ihm selbst großen Haß erregt, wodurch der Glaube in nicht geringe Gefahr gekommen. Julius, II. habe ihn deshalb mit ausdrücklichen Vollmachten ausgerüstet, den Widerstrebenden mit Exkommunikation gedroht, alle Förderer der Inquisition dagegen gleicher Ablässe mit den Kreuzfahrern gewürdigt. Dieselben Vollmachten werden nun von Hadrian auch auf den Inquisitor von Como und alle übrigen Inquisitoren aus dem Dominikanerorden ausgedehnt. Wie blutige Früchte diese Bulle trug, erzählt Bartholomäus de Spina De strigibus cap. 12.. In der einzigen Diözese von Como rechnet er im Durchschnitt jährlich tausend Prozesse vor der Inquisition und über hundert Hexenbrände.

Auf größere Schwierigkeiten stieß dagegen die Hexenverfolgung in dem venezianischen Teile der Lombardei. Kein Staat hat seine Selbständigkeit gegen die Eingriffe der geistlichen Inquisition so eifersüchtig gewahrt wie die Republik Venedig. Vermöge ihres nach langen Kämpfen 1289 abgeschlossenen Konkordats wohnten den Sitzungen der Inquisitoren jedesmal drei Kommissarien der Regierung bei; ohne ihre Anwesenheit war jede Verhandlung nichtig. Sie konnten Urteile aufheben, hatten an den Senat zu berichten und überwachten das Ganze. Außerdem war die Jurisdiktion des heiligen Offiziums strenge auf die Ketzerei beschränkt; die Zauberei gehörte nur dann vor sein Forum, wenn mit den Sakramenten Mißbrauch getrieben worden war. Auch gingen die Güter der Verurteilten auf deren nächste Erben über Daru, Hist. de Venise, Tom. I. p. 463.. Dieser Beschränkungen versuchte sich die Inquisition bei verschiedenen Gelegenheiten zu entledigen, jedoch ohne Erfolg. Solche Versuche schienen am aussichtsreichsten in den neuerworbenen Provinzen, wo die Inquisition bisher eine freiere Stellung behauptet hatte. So ermächtigte bereits Alexander VI. den Dominikaner Angelo von Verona, Inquisitor in dem venezianischen Teile der Lombardei, auch allein, d. h. ohne Regierungskommissarien, gegen die Zauberer beiderlei Geschlechts fleißig zu inquirieren und sie durch Vermittlung der Justiz, d. h. durch Übergabe an den weltlichen Arm, zu bestrafen Sept. Decretal. Lib. V. Tit. XII: cap. 1. Hansen, Quellen, S. 31.. Hiergegen schritt die Regierung, als man 1518 in der Provinz Brescia viele Verurteilungen vornahm, kräftig ein, kassierte die Urteile und zog die anmaßenden Richter zur Verantwortung Daru, a. a. O.. Der Papst schwieg vorläufig, um bald eine desto stolzere Sprache zu führen. Ein Ausschreiben Leos X. von 1521 Sept. Decretal. Lib. V. Tit. XII. cap. 6. Hansen, Quellen, S. 32. rühmt, wie der römische Stuhl, um den Wünschen der Venezianer zu willfahren, den Bischof von Polo mit der Revision der bisherigen Prozesse beauftragt und die Leitung der künftigen an dessen Mitwirkung geknüpft habe. Nun habe dieser in der Person des Bischofs von Istria einen Subdelegaten bestellt. Als dieser in Verbindung mit den Inquisitoren im Val Camonica, wo das verdammte Zaubervolk am meisten hause, mehrere Schuldige dem weltlichen Arm habe übergeben wollen, habe der Podesta von Brescia auf Befehl der Regierung die Vollstreckung verboten, den Inquisitoren die Gebühren entzogen, Einsendung der Akten nach Venedig verlangt und sogar den Subdelegaten zu persönlichem Erscheinen vor dem Senate genötigt. Um jeden Zweifel auszuschließen, erklärte Leo X., wie schon Innozenz VIII. 1486 in einer gegen Brescia gerichteten Bulle Hansen, Quellen, S. 29., daß die weltliche Obrigkeit über geistliche Personen und Sachen nichts zu entscheiden, keine Akteneinsicht zu begehren, sondern nur die gesprochenen Urteile ohne weiteres zu vollstrecken habe. Schließlich werden die Inquisitoren aufgefordert, ihren Privilegien und Gewohnheitsrechten gemäß in der Verfolgung der Zauberer fortzufahren und die Regierung samt dem Dogen nötigenfalls durch kirchliche Zensur und »andre geeignete Rechtsmittel« (alia juris opportuna remedia) zur blinden Urteilsvollstreckung anzuhalten. – Solche Sprache fand im Jahr 1521 in Venedig keine allzu geneigte Aufnahme. Man las in dieser Zeit dort Luthers Schriften mit fast ungeteiltem Beifall, und als in demselben Jahre von den Kanzeln die Exkommunikation über den Reformator und seine Anhänger verkündigt werden sollte, gestattete es die Regierung nur ungern und mit Beschränkungen. Der Widerspruch der Venezianer gegen die Hexenprozesse betraf übrigens nicht lediglich die Kompetenzfrage; man hatte das Verfahren der Inquisitoren gegen die Angeklagten alles Maß überschreitend, oder – wie sich der Papst ausdrückt – zu rigoros gefunden.

In Spanien scheint das erste Autodafé gegen Zauberer 1507 vor sich gegangen zu sein. Die Inquisition von Calahorra verbrannte in diesem Jahre über dreißig Weiber. Genauere Nachrichten gibt Llorente über eine ausgedehnte Untersuchung, die zwanzig Jahre später in Navarra eröffnet ward. Zwei Mädchen von neun und elf Jahren denunzierten gegen die Zusage der eigenen Straflosigkeit eine Menge von Hexen, die sie an einem Zeichen am linken Auge zu erkennen vorgaben. Die Verhafteten lieferten eine genaue Beschreibung des Sabbats, und eine von ihnen legte sogar, wie der Bischof Sandoval in seinem Leben Karls V. versichert, vor den Augen der Richter und auf deren Aufforderung eine Probe des Luftfluges ab, nachdem sie sich aus ihrer Büchse an verschiedenen Teilen des Körpers gesalbt hatte. Die Inquisition zu Estella verurteilte die Angeklagten, hundertundfünfzig an der Zahl, nur zu zweihundertfünfzig Peitschenhieben und mehrjährigem Gefängnis. Dagegen veranstaltete bald darauf das hl. Offizium zu Saragossa etliche Brände (1536). – Ein vom Generalinquisitor erlassenes Edikt gebot, alle Personen, von denen man etwas auf Zauberei Hindeutendes wisse oder gehört habe, der Inquisition anzuzeigen Llorente, Krit. Gesch. d. span. Inqu. T. II, Kap. 15. Hansen, S. 500.. – Als Hauptsitz der Zauberer galt Toledo.

In England Hutchinson, Histor. Versuch von der Hexerei. Deutsch von Arnold. Leipzig 1726. Walter Scott, Br. üb. Dämonol. T. II, S. 12 ff., Thomas Wright, Narrativs of Sorcery and Magic. London 1851 T. I, Kap. XI.-XIV. erscheinen die ersten Prozesse als Verfolgungen wirklicher oder bloß vorgegebener Angriffe auf die Person des Regenten. So sah sich die Herzogin von Gloucester zur Kirchenbuße und Verbannung auf die Insel Man verurteilt, weil man ihr zur Last legte, sich mit Zauberinnen über die Tötung Heinrichs VI. beraten zu haben. Die ganze Beschuldigung war von dem tödlichen Hasse des Kardinals von Beaufort gegen seinen Halbbruder, den Herzog von Gloucester, ausgegangen. Ebenso gedachte der ränkevolle Richard III. seine Gegner dadurch am sichersten zu vernichten, daß er die Anklage der Zauberei gegen die Königin Witwe, gegen Morton, nachmaligen Erzbischof von Canterbury, und andere Anhänger des Grafen von Richmond erhob. Die Königin sollte an seinem verkrümmten Arme Schuld sein. Eine Wahrsagung, die der Lord Hungerford über die Lebensdauer Heinrichs VIII. eingeholt hatte, wurde 1541 die Ursache seiner Enthauptung und zugleich die Veranlassung zweier Parlamentsakte, von denen eine gegen falsche Prophezeiungen, die andere gegen Beschwörung, Zauberei und Zerstörung der Kruzifixe gerichtet war. Letzteres Statut ward im ersten Regierungsjahre Eduards VI. wieder aufgehoben. Als unter Elisabeth die Gräfin Lenox des Hochverrats und der Befragung um die Lebensdauer der Königin beschuldigt ward, erschien 1562 nicht nur ein Gesetz gegen die Stellung der Nativität des Regenten, sondern auch ein anderes gegen die Zauberei überhaupt. Bereits wenige Monate nach ihrer Thronbesteigung war Elisabeth vom Bischof Jewel von der Kanzel herab in folgender Weise apostrophiert worden: »Mögen Eure Gnaden geruhen, sich von der wunderbaren Vermehrung zu überzeugen, welche Zauberer und Hexen während der letzten Jahre in Ihrem Königreiche gewonnen haben. Ew. Gnaden Untertanen schwinden dahin bis zum Tode, ihre Farbe verbleicht, ihr Fleisch modert, ihre Sprache wird dumpf, ihr Sinn betäubt. Ich bitte Gott, daß die Zauberer ihre Kraft niemals weiter anwenden mögen als an dem Untertanen« A trial of witches usw. – with an appendix by C. Clark. London 1838 pag. 27.. Doch waren die englischen Gesetze gegen Zauberei im ganzen weit milder als das auf dem Festland übliche Verfahren. Die erste Übertretung des Verbots der Zauberei war – falls die Hexe mit ihren Zauberformeln nicht jemand einen Schaden zugefügt hatte – nur mit Gefängnis und mit Ausstellung auf dem Pranger bedroht. Auch ließ man die zum Tode Verurteilten nicht auf dem Scheiterhaufen, sondern am Galgen sterben. Außerdem war die Tortur in England nicht gesetzlich eingeführt. Zur Auffindung der Hexen und zur Erpressung von Geständnissen bediente man sich der Nadelprobe, mit der man nach dem stigma diabolicum suchte, des Hexenbades, wobei das Untersinken als Zeichen der Unschuld galt, und der tortura insomniae. – Allerdings ist unter der Regierung Elisabeths öfters Blut geflossen, doch im Vergleich mit dem, was später vorkam, nur wenig. Siebzehn Personen fielen 1576 in Essex, drei 1593 in Warbois. Mit der Thronbesteigung Jakobs I. (Jakobs VI. von Schottland) 1603, also mit dem Beginne der Herrschaft der Stuarts, folgte ein Hexenprozeß dem anderen Thomas Wright, Narratives of Sorcery and Magic, London 1851, B. II, S. 16., insbesondere seit dem Prozeß von 1612.

Dieser Prozeß von 1612 » Pott's Discovery of witches in the county of Lancashire. Reprinted from the original edition of 1613« 1845. – der in der Geschichte der Hexenverfolgung in England epochemachend war – endete mit der Hinrichtung von zehn Menschen. Unter ihnen gehörten neun dem Pendle-Forst-Bezirk in Lancashire an, wo zwei achtzigjährige Weiber, die »alte Demdike« und die »alte Chattox« als Hexen verschrien waren. Alles Unheil in Nah und Fern, jedes Erkranken und Sterben von Menschen und Vieh wurde ihrer Tücke und ihren Zauberkünsten zur Last gelegt. Daher sah sich endlich der Richter Roger Stowell in Read veranlaßt, beide Weiber mit ihren Töchtern Alison Davis und Anna Redfern am 2. April 1612 in Haft zu nehmen. Infolgedessen versammelten sich die Kinder und Anverwandten der Verhafteten am Karfreitag ein einem alten, abgelegenen, steinernen Gebäude, Malking Tower genannt, um die zur Verteidigung der Angeklagten erforderlichen Schritte zu beraten. Diese Zusammenkunft wurde jedoch ruchbar, und alsbald wollte man wissen, daß die Angehörigen der alten Hexen beschlossen hätten, den Gefängnisvogt zu Lancaster Castle, wo diese in Haft lagen, umzubringen und das Schloß in die Luft zu sprengen. Eiligst ließ daher der Richter aus der Verwandtschaft der Angeklagten noch mehrere andere Personen in Haft bringen, unter ihnen eine Gutsbesitzerin, mit der er seit längerer Zeit in einem Grenzstreit lebte. Der Hauptzeuge bezüglich der in Malking Tower getriebenen »schwarzen Künste« war ein Kind von neun Jahren, der »alten Demdike« Enkelin, auf deren Aussage hin ihre nächsten Anverwandten, Mutter, Großmutter, Bruder und Schwester, nachdem sie sich im Gefängnisse Geständnisse hatten abpressen lassen, zum Tode verurteilt wurden. Die übrigen behaupteten ihre Unschuld bis zum letzten Augenblick. Zehn Personen waren zum Strange verurteilt, unter ihnen auch die alte Demdike, die jedoch vor der Exekution im Gefängnisse starb.

Gleichzeitig wurden in Northampton fünf Personen hingerichtet.

Ein Hexenprozeß, der 1618 in dem Schlosse Belvoir an der Grenze der Grafschaften Leicester und Lincoln vorkam, machte darum ganz besonderes Aufsehen, weil er eine der angesehensten Familien des Landes betraf Wright, in den Narratives, Kap. XXIV..

In der schottischen Geschichte hängen die ältesten wirklichen Zaubergeschichten ebenfalls mit politischen Dingen zusammen W. Scott a. a. O. Neunter Brief.. Als Jakob III. auf den Argwohn verfiel, daß sein Bruder, der Graf Mar, in feindseliger Absicht Hexen befrage, ließ er zuerst diesen in seinem Zimmer unverhört zu Tode bluten und darauf zwölf Weiber und vier Männer verbrennen, um das Verbrechen des Grafen als ein weit verzweigtes erscheinen zu lassen. 1537 fiel, vom Volke allgemein betrauert, die Lady Johanna Douglas, Schwester des Grafen Angus, angeklagt des Mordversuchs auf den König, um die Familie der Douglas auf den Thron zu bringen. Niemand glaubte an ihre Schuld.

Seit dieser Zeit mehrten sich die schottischen Hexenprozesse Vgl. Hugo Arnot, Collection of Criminal Trials in Schottland from 1536, to 1784. Edinb. 1785, S. 347 ff., im ganzen eintönig, wie die übrigen, nur selten einige phantastischere Abweichungen bietend. Unter Maria Stuart wurden sie überaus zahlreich, und die dreiundsiebzigste Akte ihres neunten Parlaments unterwarf das Verbrechen einer geschärften Bestrafung.

Ihr Sohn Jakob hat in der Folge sogar durch seine persönliche Teilnahme an diesen Angelegenheiten Epoche gemacht.

Frankreich hatte schon im Laufe des dreizehnten Hansen, Quellen, S. 445 ff. und vierzehnten Jahrhunderts seine Opfer gebracht und war für längere Zeit zur Besinnung gekommen. Seitdem das Pariser Parlament den Hexenprozeß den geistlichen Richtern abgenommen hatte (1390), kam er nur noch selten vor. »Seit dieser Zeit«, sagt Bodin, »trieb der Satan sein Spiel so weit, daß alles, was man von den Zauberern erzählte, für Fabeln gehalten wurde Bodin, Daemonum. Lib. IV, Cap. I..« Ludwig XI., Karl VIII. und Ludwig XII. waren einsichtsvoll genug, um die alten Greuel nicht wiederzukehren lassen. Auch unter Franz I. kam nur weniges vor. Crespet klagt Delrio, lib. IV, sect. 16., daß die Zahl der angegebenen Zauberer damals hunderttausend überstiegen habe, und daß durch die Lauheit der Richter und die Gunst der Großen das Übel noch gewachsen sei. Wenn die Anklage nicht auf Beschädigungen, sondern bloß auf den Nachtflug und den Besuch des Sabbats ging, so sprach das Pariser Parlament in jener Zeit keine Verurteilung aus. Unter Heinrich II. fing man indessen an, dem allgemeinen Zuge der Zeit zu folgen; 1549 wurden in Nantes sieben Zauberer auf einmal verbrannt, weitere bald darauf zu Laon und anderwärts Bodin, Daemon. II., 5.. Solche Brände wiederholten sich unter IX. für den Eifer der Hexenfeinde viel zu selten.

Auffallend häufig trat in Frankreich die Hexerei als Lykanthropie hervor Leubuscher, Über die Werwölfe und Tierverwandlungen im Mittelalter, Berlin 1850, S. 15-29.. Überall erzählte man sich mit größter Angst von Zauberern und Zauberinnen, die vom Teufel die Gabe empfangen hätten, sich in Wölfe und Wölfinnen verwandeln zu können, als solche mit dem Teufel oder mit wirklichen Wölfinnen und Wölfen Unzucht trieben, Menschen und Tiere in Masse anfielen, zerrissen und fräßen. Im Herbst 1573 wurden durch einen Parlamentserlaß die Bauern in der Umgegend von Dôle, in der Franche Comté, sogar ermächtigt, auf Werwölfe Jagd zu machen. Nach Boguets Schilderung (Discours de sorciers, 1603 bis 1610) war um 1598 im Juragebirge die Lykanthropie geradezu epidemisch geworden. Aber auch die gewöhnliche Hexerei sah man aller Orten in Frankreich ihr Unwesen treiben.

siehe Bildunterschrift

Ein Verurteilter, Trois-Echelles, versprach einst um den Preis seiner Begnadigung, alle Hexen Frankreichs zu entdecken, deren Gesamtzahl er, wie Bodin erzählt, auf dreihunderttausend angab Bodin, Daemonum. IV, 5. Hauber, Bibl. mag., Bd. II. S. 438 ff. u. 454 ff. Bayle, Réponse aux questions d'un provincial, Chap. 55.. Er zog umher, erkannte die Schuldigen vermittels der Nadelprobe am Stigma und soll deren über dreitausend der Obrigkeit bezeichnet haben, unter diesen selbst Reiche und Angesehene. Ihre Verfolgung wurde jedoch unterdrückt. Mehrere gleichzeitige Schriftsteller tadeln Katharinas von Medici eigene Hinneigung zu magischen Dingen und die Nachlässigkeit der Richter, wodurch das Zaubervolk in Frankreich an Menge immer mehr zugenommen habe. Dieser Tadel, der, soweit er dem Parlamente gilt, nur ein Lob ist für diese Behörde, an deren Spitze damals der wackere Achilles von Harlay wirkte, hängt mit einer heilsamen Krise der Ansichten zusammen, die in jener Epoche von Deutschland aus über ganz Europa ausgehen zu wollen schien.

Ein Zeitgenosse behauptet nämlich Crespet de odio Satanae bei Delrio, lib. V, sect. 16., daß die Lauheit der französischen Richter hauptsächlich durch Weyers Schriften veranlaßt worden sei.


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