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Vorwort zur Umarbeitung von Soldans Geschichte der Hexenprozesse

Fast vier Dezennien sind dahingeeilt, seit vorliegendes Werk zum ersten Male seinen Weg in die Öffentlichkeit fand und, da es ein bis dahin noch schwach bebautes Feld bearbeitete, geradezu epochemachend wirkte. Vereinzeltes über Hexenprozesse war erschienen, aber nur Ungenügendes, und man hatte keine Ahnung, welche Dimensionen dieselben genommen, zu welchem Grauen und Fluch sie für die Menschheit geworden waren – bereits lag die Erinnerung an diese traurigen Vorgänge wie im Nebel, und man nahm sich nicht die Mühe, denselben zu lichten.

Aber die Geschichte verlangt Wahrheit, und so schwer mitunter die Erkenntnis derselben wird, so wenig darf sie doch umgangen werden.

So entrollte denn Soldans »Geschichte der Hexenprozesse« ein durch Jahrhunderte und länger hinlaufendes trauriges Bild menschlichen Wahnes und menschlicher Verirrung.

Kulturhistorisch wie kirchengeschichtlich interessant, erregte das Buch die Beachtung der gelehrten Welt, fand hier und da wohl schwachen Widerspruch, im allgemeinen aber, da es auf den solidesten Quellenstudien fußte, die größte Anerkennung, wie es auch zu weiterem Eingehen des behandelten Gegenstandes Anregung gab und eine ganze Anzahl Schriften der verschiedensten Fachgelehrten hervorrief.

Seitdem hat die Wissenschaft große Fortschritte gemacht, welche auch dem vorliegenden Werke zugute kommen. Die Entzifferung der Hieroglyphen und Keilschrift hat gelehrt, daß Zauberglauben und Magie bis auf vorgeschichtliche Zeiten zurückzuführen sind, so daß, was Soldan damals als Hypothese aufstellte, Jakob Grimm und Wuttke aber mit Entgegenstellung des alten Germanentums bekämpften – der Satz nämlich, daß der Glaube an Zauberei vom Orient sich nach dem Westen herüber verpflanzt habe – nun so ziemlich klargestellt erscheint.

Außerdem haben sich viele Archive, deren Schätze früher der Öffentlichkeit entzogen waren, geöffnet und reichhaltiges, teilweise seitdem benutztes Material zutage gefördert, geeignet, als Ganzes dem Beschauer vorgeführt zu werden.

So schien es denn an der Zeit, das längst vergriffene Werk »Geschichte der Hexenprozesse« neu zu verlegen, und der Schwiegersohn des verewigten Verfassers unterzog sich mit Freuden dieser Arbeit, welche ihm ebensowohl als pietätvoll geboten erschien wie sie auch ihm, dem unermüdlichen Forscher, durch ihre große Bedeutung das vollste Interesse abnötigte.

Es sollte seine letzte Arbeit sein! Als sie vollendet, das Buch druckfertig war, wurde Heinrich Heppe aus seiner vollen schönen Tätigkeit, aus seinem ihn so beglückenden Berufe durch eine tödliche Krankheit, welche ihn am 25. Juli d. J. aus diesem Leben in ein besseres Jenseits führte, abgerufen.

Zum zweiten Male tritt nun dies Buch seine Reise in die Welt an. Bereichert, teilweise nach neueren Forschungen geändert, möge es ebenso freundliche Beurteilung erfahren wie in seiner ersten Gestalt!

Einen besseren Wunsch kann Unterzeichnete, welcher die traurige Mission zuteil geworden, diese Worte zu schreiben, einem Werke, das die Namen zweier ihr nahestehenden Verklärten, ihres Vaters und ihres Mannes, auf seinem Titelblatte trägt, nicht mit auf den Weg geben.

Marburg im Oktober 1879.

Henriette Heppe
Geb. Soldan


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