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Achtzehntes Kapitel. Gegner und Verteidiger des Hexenwahns

Bereits gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts war hie und da in den geistlichen Unterrichtsbüchern ein Verbot gegen den Hexenglauben aufgetaucht, ohne jedoch, bei dem unerschütterlich festen Aberwitz, irgendwelche Geltung erlangen zu können. Wenn vereinzelte kluge Männer, wie Stefan Lanzkranna, Propst zu St. Dorotheen in Wien, in seiner »Himmelstraße« von 1484 gegen den Wahn Front zu machen suchten, und den »altkirchlichen Kampf« gegen den Glauben an die Realität der Hexerei fortsetzten, so war dies ebensowenig von nachhaltigem Einfluß, wie der volltönige Kampfesruf Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheims W. E. Hartpole Lecky, Gesch. des Ursprungs und Einflusses der Aufklärung in Europa; übers, von Jolowicz, B. I, S. 69. Siegwart, Kleine Schriften, I. Freiberg 1889. Längin, Religion, S. 74 ff. Binz, II. Aufl., S. 137 ff., geboren am 14. September zu Köln, wo auch der Hexenhammer das Licht der Welt erblickte, gestorben 1535 in Grenoble. Der bewunderte und grimmig gehaßte, altgläubig fromme, spekulativ verträumte, geistvolle, klarblickende Mann, der als Soldat, Doktor der Medizin, Doktor beider Rechte, Philosoph, Schriftsteller, Stadtsyndikus von Metz seinen Mann stellte, war einer der stürmenden Geister, die die Schäden ihrer Zeit erkannten und mit den Waffen des Geistes gegen sie zu Felde zogen und der Phalanx der Feinde unterlagen. Agrippa hatte sich in seiner Jugend viel mit den auf die Magie bezüglichen Schriften beschäftigt und war bald zu dem Schlusse gekommen, daß sie entweder auf Betrug oder auf einer besonderen Kenntnis der Natur beruhen müsse. Aus diesen Gedanken ging seine erste Hauptschrift »de incertitudine et vanitate scientiarum declamatio invectiva« (Köln 1527) hervor, die eine Satire auf den damaligen Zustand der Wissenschaften enthält. Von hier aus gelang es ihm auch allmählich, sich zu einer von dem Aberglauben der Zeit unabhängigen Beurteilung des Hexenglaubens und der Hexenverfolgung zu erheben. Gegen beide richtete er seine Schrift »de occulta philosophia« (Köln 1510, Paris 1531, Köln 1533). Diese Schrift jedoch sowie seine geschickte Verteidigung einer Bäuerin, die der Inquisitor Savin verbrennen wollte, machte ihn verdächtig. Man sagte ihm nach, daß er selbst mit dem Teufel im Bunde stehe und Magie treibe. Deshalb angeklagt, mußte er in Brüssel ein Jahr lang im Gefängnis schmachten. Nach seinem Tode erzählte man, er habe auf seinem Sterbebette einen schwarzen Hund aus seinem Nacken gezogen und dabei gerufen: der sei die Ursache seines Verderbens. Es lag ein furchtbarer Haß auf dem freisinnigen und mutigen Manne.

siehe Bildunterschrift

Holzschnitt eines Hexenflugblattes von 1517

Doch war sein Auftreten nicht erfolglos geblieben, indem er wenigstens einen Schüler hinterließ, der auf den Wegen des Lehrers weiter zu gehen wagte, den kalvinistischen Leibarzt des Herzogs Wilhelm von Cleve, Johann Weyer Sprengel, Gesch. der Arzneikunde, III. S. 275 ff., Binz Carl, Doctor Johann Weyer, Bonn 1885, II. verm. Aufl., Berlin 1896. Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins, 21. Bd. Bonn 1885. Dr. H. Eschbach, in den »Beiträgen zur Gesch. des Niederrheins«, Düsseldorf 1886, I, S. 57 ff. Binz, ebenda 1887, II, 48 ff. oder Weier, in seinen lateinischen Schriften Wierus, auch Piscinarius genannt.

siehe Bildunterschrift

Ioannes Wiervs. anno ætatis lx salutis M. D. LXXVI.

Zu Grave an der Maas in Nordbrabant 1515 oder 1516 geboren, hatte sich Weyer als vierzehnjähriger Schüler in Antwerpen an Agrippa von Nettesheim angeschlossen, dem er 1533 nach Bonn gefolgt war, worauf er seine Studien in Paris fortgesetzt, dann 1537 in Orleans die medizinische Doktorwürde erlangt und hernach zur Erweiterung seiner Weltkenntnis Ägypten und andere Teile des Orients, sowie auch die griechischen Inseln, namentlich Kandia bereist hatte. Im Jahr 1545 in die Heimat zurückgekehrt, hatte er sich in Arnheim als Arzt niedergelassen, wo er wegen der ungewöhnlichen Vielseitigkeit seiner Bildung die besondere Aufmerksamkeit Konrad von Heresbachs auf sich zog, der 1550 seine Berufung auf die Stelle eines fürstlichen Leibarztes an dem Hofe zu Düsseldorf bewirkte. Mit großer Freude nahm nun Weyer wahr, wie sein Fürst mit den Unglücklichen, die der Zauberei angeklagt waren, weit vorsichtiger und milder verfuhr als man anderwärts tat, und nur dann zu scharfer Strafe griff, wenn er sich überzeugte, daß Giftmischerei im Spiele war. Die Hoffnung, diese von ihm geteilten Ansichten zu verbreiten, bestimmte den wackeren Arzt zur Herausgabe seiner fünf Bücher De praestigiis daemonum et incantationibus ac veneficiiss. (Basel 1563, 7. Auflage 1583.)

Weyer war nach Agrippa von Nettesheim der erste, der gegen die ganze Tollheit, Roheit und Niederträchtigkeit der Hexenverfolgung mit offenem Visir und mit solcher Entschiedenheit zu Felde zog, daß alle nachfolgenden Schriftsteller, die diesen Gegenstand berührten, in ihm entweder einen Bundesgenossen oder einen Gegner ersten Ranges erkannten. Zwar hat auch er über die Begriffe seiner Zeit hinsichtlich der Macht des Teufels sich nicht ganz erhoben, und es bleibt auch für ihn noch eine Magie, die durch den Beistand des bösen Geistes wirkt; aber sein Verdienst ist es, daß er die grobsinnlichen Vorstellungen von den sichtbaren Erscheinungen des Teufels und seinem persönlichen Verkehr mit den Menschen bekämpft und vieles aus natürlichen Gründen erklärt, was man bisher dem Teufel zugeschrieben hatte. Seine autoritätsgläubigen Zeitgenossen suchte er auf eine bessere Bahn zu lenken, indem er ihnen nachwies, wie das neuere Hexenwesen nur auf Einbildung beruhe und jener Zauberei gänzlich fremd sei, die Bibel und römisches Recht mit Todesstrafe bedrohen. Er sah im Aberglauben das wesentlichste Hindernis des Glaubens. Darum entwarf er 1562 im Schlosse Hambach sein Buch »von den Blendwerken der Dämonen, von Zauberei und Hexerei«, das er im folgenden Jahre wie eine Brandfackel in die Nacht seiner Zeit hinauswarf A. Wolters, Konrad v. Heresbach, Elberfeld 1867. S. 149 ff..

»Als aber dieser Gräuel« Nach der deutschen Übersetzung von Fuglinus, Frankf. 1586., – heißt es darin in der Zueignung an Wilhelm von Cleve, – »jetzund von etwas Jahren her ein wenig gestillet, und ich derhalb gute Hoffnung gefaßt hatte, es würde ohn Zweifel der liebe Gott verleihen sein Gnad und Kraft, daß er durch die Predigt der gesunden Lehr gar abgeschafft und aufgehebt würde, so sehe ich doch wohl von Tag zu Tag je länger je mehr, daß ihn der leidige Teufel wiederum viel stärker, weder (als) von je Zeiten her auf die Bahn gebracht hat und täglich bringt. – Dieweil dann zu solchem gottlosen Wesen der Mehrtheil Theologi schweigen und durch die Finger sehen; die verkehrten Meinungen von Ursprung der Krankheiten, auch gottloser abergläubischer Ableinung derselben die Medici leiden und gestatten, auch überdas die Erfahrenen der Rechten, angesehen, daß es ein alt Herkommen und derhalb ein ausgesprochene Sach ist, fürüber passieren lassen, und zu dem Allem Niemand, der aus Erbarmniß zu den armen Leutlin diesen verworrenen, schädlichen Handel zu offenbaren oder zum wenigsten zu verbessern sich unterwinden wolle, gehört wird: so hat mich, Gnädiger Fürst und Herr, für nützlich und nothwendig angesehen, die Hand, wie man spricht, an Pflug zu legen, und ob ich gleich meines Vorhabens nicht in alleweg gewährt, jedoch Andern, so in Verstand und Urtheil solcher Sachen mir den Stein weit vorstoßen, ein Anlaß, ja (wie man pflegt zu sprechen) die Sporn, diesem Handel fleißiger nachzutrachten und ihre Meinungen auch zu fällen, zu geben.«

Wohlweislich hatte Weyer seine Schrift, bevor er sie unter die Presse gab, dem Kaiser Ferdinand überreicht, um ein Privilegium gegen den »Nachdruck« zu gewinnen, und dieses war auch mit dem Bemerken ertheilt worden, »daß das rühmliche Vorhaben nicht nur gebilligt und gelobt, sondern auch gefördert zu werden verdiene«.

In dieser dem Werke vorgedruckten Supplik an Kaiser und Reich wird mit ebensoviel Bescheidenheit wie Freimütigkeit gesagt: »Bitte demnach fürs Andere Ew. Majestäten, Durchleuchtigkeiten und Gnaden nicht weniger dann zuvor aufs Allerdemüthigste, Ew. Majestäten, Durchl. und Gnaden wollen sich nicht irr machen lassen den alten und von vielen Jahren her eingewurzelten Wahn, sondern vielmehr, wann etwa in Ew. Majestät und Durchl. Herrschaft, Landen und Gebiet sich zuträgt, daß über solche teufelische Sachen berathschlagt, Gericht besessen und Urtheil gefällt soll werden, daß alsdann gedachtem Rath, so in diesen Büchern gezeigt, nachgesetzt und gefolgt soll werden: zuvorderst aber und am allermeisten, wann es zu thun ist um Hexen oder Unholden, mit welchen man's bisher unrichtig und verworren genug gehalten hat. Auf solche Weis zweifelt mir gar nicht, werden alle rechtgeschaffenen Christen des leidigen Satans Betrug und Täuscherei desto besser merken, und daß er so viel nicht vermöge, wie bisher dafür gehalten worden, wohl erkennen können. Auch wird hinfürder desto weniger unschuldiges Blut vergossen werden, nach welchem sonst den leidigen Teufel, als der ein Mörder von Anbeginn an gewest, ohn Unterlaß hungert und dürstet. Dessgleichen wird auch gemeiner Landfried, welchem er als der Stifter alles Lärmens zum Bittersten feind, so leichtlich nicht zerstöret werden können. So werden sich auch die Regenten und Obrigkeiten für dem nagenden Wurm des Gewissens desto weniger zu fürchten haben; und wird endlichen so des Teufels Gewalt und Reich von Tag zu Tag je länger je mehr abnehmen, fallen und brechen, dagegen aber das Reich unsers Herrn Christi je länger je weiter sich ausbreiten.«

Buch II. Kap. I. »Also ist nun gewiß und offenbar, daß vielerlei Schwarzkünstler, auch für dieselben in hebräischer, griechischer und lateinischer Zungen mancherlei Namen vorhanden sind. Aber unsere Teutschen nennen den Handel kurz und geben ihnen allensammen den einzigen Titel Zäuberer. Daher kommt es auch, daß alsbald man die Hexen und Hexenmeister zu Red wird, den allernächsten die Zäuberer des ägyptischen Königs Pharaonis, deren Hanthierung aber weit ist vom Hexenwerk gewesen, anzeucht und auf die Bahn bringt. Derhalben nehm ich kein Blatt für das Maul, sondern sag's gut rund, daß alle teutschen Scibenten, welche ich noch gesehen und gelesen hab, in diesem Argument, wiewohl sie es vornen her mit herrlichen Titeln schön aufmutzen und allein auf die heilige Schrift sich berufen, hören lassen, jedoch alle sammt und sonders des rechten Zwecks verfehlt und an einen Stock gefahren sind. Und das um so viel mehr, dieweil ich sehe, daß sie den elenden, arbeitseligen Zaubervetteln, das Ungewitter und Leibsverletzungen betreffend, gar zu viel zumessen und sie hiedurch ohn alles Urtheil, Unterschied und Erbärmde dem Henker an die Hand geben und im Rauch gen Himmel schicken.« Weyer will nun unter denen, die man bisher in eine Kategorie zusammenwarf, drei Klassen unterschieden haben:

1. »Des Teufels Eidgeschworene, die Magi infames, d. i. Zäuberer und Schwarzkünstler, welche wissentlich und willentlich mit Hülf und Beistand der bösen Geister allerlei Verblendung und eitel vorschwebende Phantaseien unseren Augen entgegenwerfen, auch durch ihr Wahrsagen und Versegnen ihren Nächsten hinters Licht führen und das edel Studium der Medicin mit ihren teuflischen Betrügereien beflecken.« Zwischen Magie und Theurgie läßt er keinen Unterschied gelten: »es sind zwei Paar Hosen eines Tuchs.«

siehe Bildunterschrift

Titelblatt der ersten deutschen Übersetzungen von Weyers »De Praestigiis daemonum«

2. »Hexen sind Weibsbilder, mehrtheils schwache Geschirr, betagtes Alter, ihrer Sinnen auch nicht aller Dinge bei ihnen selber, in welcher arbeitseliger elenden Vetteln Phantasei und Einbildung, wann sie mit einer Melancholei beladen oder sonst etwa zaghaft sein, der Teufel sich als ganz subtiler Geist einschleicht und verkreucht, und bildet ihnen durch seine Verblendung und Täuschereien allerlei Unglück, Schaden und Verderben anderer Leut so stark ein, daß sie nicht anders meinen, dann sie haben's getan, da sie doch der Sachen allerdings unschuldig sein.« Anderwärts sagt er: »Lamian heiße ich ein solches Weib, welches mit dem Teufel ein schändliches, grausames oder imaginirtes Verbündnis aus freiem Willen, oder durch des Teufels Anreizung, Zwang, Treiben, heftiges Anhalten um seine Hülf, etzliche böse Ding durch Gedanken, unheilsames Wünschen, zu begehen und zu vollbringen vermeint, als daß sie die Luft mit ungewöhnlichem Donner, Blitz oder Hagel bewegen, ungeheuer Ungewitter erwecken, die Früchte auf dem Felde verderben oder anderswohin bringen, unnatürliche Krankheiten der Menschen oder Viehe zufügen, solche wiederumb heilen und abwenden, in wenig Stund in fremde Land weit umherschweifen, mit den bösen Geistern tanzen, sich mit ihnen vermischen, die Menschen in Thiere verwandeln und sonsten tausenderlei närrische Dinge zeigen und zu Werk bringen können, wie dann die Poeten viel Lügen hiervon erdichtet und geschrieben, dem Sprichwort nach: Pictoribus atque poëtis quidlibet audendi semper fuit aequa potestas.«

3. »Veneficae, welche mit angeboten, angestrichen oder an Ort und End, da es mit dem Athem angezogen mag werden, hingelegten Gift beide die Menschen und das Vieh härtiglich beschädigen und verletzen. – Zwischen den Zauberern, Hexen und Giftbereitern, welche doch bisher in ein Zunft und Gesellschaft gerechnet, ist ein langer, breiter und dicker Unterscheid.«

Die Schwarzkünstler und Giftmischer, wie Roger Baco und ähnliche Genies seiner Zeit, will Weyer mit dem Tode bestraft haben; auf die sogenannten Hexen aber seien die im Pentateuch und im römischen Recht enthaltenen Strafandrohungen mit Unrecht bezogen worden. Der Kanon Episcopi breche sogar dem ganzen Hexenglauben den Stab, indem er ihn für das Erzeugnis einer kranken Phantasie erkläre. Die Hexenbrände seien deshalb eine Ungerechtigkeit. »Die wahnwitzigen, vom bösen Geist gefatzten Mütterlinen, welchen der Dachstuhl verrückt ist, so doch keine sonderbare Missetath begangen, hat man ohn alles Erbarmen in tiefe, finstere Thürn geworfen, für Gericht gestellt, zum Tod verdammt und endlich in dem Rauch gen Himmel geschickt, aus Ursach, daß man allein auf ihr bloße Bekanntnis und Bericht aushin führe, auch nicht genugsam, was zwischen einer Unholden und einer Giftköcherin Unterschieds sei, erwäge.« »Von der Art der Prozesse kommt es, daß solche arme, geplagte Leut viel lieber einmal im Feuer sterben wollen, denn so unmenschlicher Weise so vielmal aus einander gestreckt und unverschuldter Weise geplagt und gemartert zu werden. Noch wollen's etwan die unbarmherzigen Leute und Peiniger nicht erkennen, daß oftmals unschuldig Blut vergossen und durch die große Pein hingerichtet worden. Denn wenn die Armen, wie oftmals geschieht, von der schweren Tortur ihre leiblichen Kräfte verlieren und in dem Gefängniß ihr Leben enden, alsdann wollen die Richter in diesem ihre Entschuldigung fürwenden, daß sie sagen, die armen gefolterten Leute haben sich selbst im Gefängniß umbracht, seyen verzweifelt und der Teufel habe ihnen den Hals gebrochen, damit sie zu öffentlicher Straf nicht seyen geführet worden.«

Unwissende Ärzte und intriguante Kleriker sind die Hauptbeförderer des Hexenglaubens Buch II., Kap. 17.. »Die Münche rühmen sich der Arznei, deren sie sich aber eben wie ein Kuh Sackpfeifens verstehen. Sie überreden die unverständigen Leute, daß eine Krankheit von Zauberern komme. Hierdurch hängen sie mancher unschuldigen, gottesfürchtigen Matronen ein solch Schlötterlein an, das weder ihr, noch ihren Nachkommen der Rhein zu ewigen Zeiten nimmermehr abwäscht. Denn sie je vermeinen, der Sach sey nicht genug geschehen, wenn sie allein in Anzeigung und Entdeckung der Krankheiten, Ursprung und Herkommen ein Puppen schießen, sondern sie müssen auch die Unschuldigen verleumden und Verdacht machen, bei leichtgläubigen Leuten untödtlichen und nimmer ablöschlichen Neid und Haß anzünden, mit Zank und Hader ganze Nachbarschaften erfüllen, Freundschaften zertrennen, das Band der Blutsverwandtschaft auflösen, zu Scharmutz und Streit, also zu reden, Lärmen schlagen, Kerker und Gefängnisse zurüsten und aufs allerletzt Todschläg und Blutvergießen auf mancherlei Weise anstiften, nicht allein der unschuldigen, falsch angegebenen und verdachten Weiber, sondern auch derer, so sich ihren mit einem Wörtlein annehmen und sie zu verteidigen unterwinden dürfen. Daß der Sach aber in Wahrheit also sey, darf ich eigentlich, kein Blatt für das Maul genommen, bezeugen, und wenn ihnen schon der Kopf in tausend Stücken zerspringen sollt. Denn es erfährt's und rühmt's ihr Prinzipal Beelzebub, daß diese fleischlichen, oder geistlichen sollt ich sagen, Personen, so zu seinem Fürnehmen treffliche gute Werkzeug sind, mehrertheils unter dem Deckmantel der Geistlichkeit ihren Dienst ihm treulich und unverdrossen leisten: welche entweder von Gelds oder Ehrgeiz wegen ihre eigenen und auch anderer Leute Seelen dem Teufel so schändlich auf den Schwanz binden und hieneben die uralte fast nützliche, ja nothwendige Kunst der Medizin mit solchem falschen Wahn des Verhexens in natürlichen Krankheiten beflecken und besudeln.«

Von der Art, wie zu Weyers Zeit sich manche Priester bei der Heilung von Zauberschäden benahmen, ein Beispiel.

»Es hat einer aus dieser beschorenen Rott (Jakob Vallick) kürzlich ein erdichtet, erlogen Gespräch in Druck verfertigt, doch allein in deutscher Zungen (denn vielleicht das Latein um das liebe Herrlein ziemlich theuer ist gewesen): es sey nämlich vor etlich Jahren einem Weibe das Bäuchlein dermaaßen aufgegangen, daß Jedermann, sie gehe schwanger, gänzlich vermeinet habe. Und dieweil sie guter Hoffnung, sie würde noch vor Fastnacht des Kinds genesen, und aber solches wider ihre Hoffnung nicht beschehen, habe sie bei ihm Rath und Hülf gesucht, da habe er ihr einen Trank eingegeben, dadurch er bei seinem geschworenen Eid zwo Kannen Kirschenstein, die zum Theil schon angefangen grünen, zum Theil aber eines Fingers lang aufgeschossen, von ihr getrieben habe. Es wird dieser Kauz die Anatomica etwan nicht wohl gestudirt haben; denn daß es eine lange, breite, dicke Lüge sey, mag ein Jeder dabei wohl leichtlich abnehmen.«

Die Fakta in betreff der fremdartigen Gegenstände, die sich zuweilen im menschlichen Körper finden sollen, wie Haarknäuel, Eisenstücke, Steine, Nadeln, Sand u. dgl. im Magen und Darmkanal, leugnet Weyer nicht, erklärt sie aber durch diabolische Besessenheit, nicht durch Behexung.

Beifällig verweilt er bei dem weisen Verfahren seines Herrn, des Herzogs von Cleve, in Zaubersachen. Ein Bauer, dessen Kühen die Milch ausblieb, hatte einen Wahrsager befragt, und dieser des Maiers junge Tochter als Hexe angegeben. Das Mädchen ward ergriffen, gestand, was man wollte, und bezeichnete noch sechzehn Weiber als Mitschuldige. Als nun der Herzog um die Genehmigung weiterer Schritte angegangen wurde, befahl er, den Wahrsager zu verhaften, das Mädchen in einen guten Religionsunterricht zu geben, die sechzehn Weiber aber ungekränkt zu lassen. »Wollte Gott,« – fährt Weyer fort, – »daß alle Obrigkeiten diesem Exempel nachkämen, so würde nicht so viel unschuldiges Blut dem Teufel zu gefallen vergossen werden. Aber es ist fürwahr hoch zu bedauern, daß oftmals der Fürsten Räth, auch andere Fürgesetzten und Amtleute so ungeschickte Schlingel seyn (– die es nicht antrifft, verzeihen mir –), daß sie weder in dieser, noch in einigen andern zweifelhaftigen Sachen ein recht satt Urtheil fällen können, und derhalben nirgends anders wohin, denn daß es Blut koste, sehen und sich richten können.« Seine Veröffentlichung brachte Weyer viele böse Tage ein. Als nämlich Herzog Wilhelm IV. in Trübsinn verfallen war, wurde Weyer teuflischer Künste angeklagt, durch die er den Geist des Fürsten umnachtet haben sollte. Um sich dem schlimmsten Schicksal zu entziehen, floh er von Düsseldorf. Dann fand er bei dem Grafen von Bentheim in Tecklenburg Aufnahme und Schutz, und lebte hier von 1564 bis zu seinem Tode 1588, als Arzt und Schriftsteller unablässig tätig. Weyers Buch machte ungeheures Aufsehen. Viele Gelehrte, besonders Ärzte, aber auch Geistliche beider Konfessionen stimmten dem Mutigen lebhaft bei. Der edle Cujacius schätzte das Werk. Kaspar Borcholt empfiehlt das Buch dem lüneburgischen Rate Bartolus Richius Binz, II. Aufl., S. 71 ff. Dr. H. Eschbach, Johannes Wier in den Beiträgen zur Gesch. des Niederheins, I. Bd., Düsseldorf 1886, S. 144 ff., Johann Brentz, Probst zu Stuttgart, trat in einen Briefwechsel mit dem Verfasser, worin er bei großer Hochachtung vor dessen humanen Bestrebungen das Ansehen der Strafgesetze dadurch zu retten suchte, daß er den Hexen, deren Unvermögen Hagel zu machen er selbst in früheren Predigten behauptet hatte, wenigstens einen strafbaren Konat beimaß. Vom Pfalzgrafen Friedrich, dessen theologische Fakultät anfangs noch scharf hinter den Hexen her gewesen war Fichard, Consil., Vol. III., p. 60., rühmt Weyer selbst, daß er bald der Stimme der Vernunft Gehör gegeben habe. Ähnliches sagt er von der clevischen Regierung und vom Grafen von Nieuwenar. Dieser begnügte sich, eine geständige Angeklagte des Landes zu verweisen, und dies hauptsächlich aus Rücksicht auf ihre eigene Sicherheit.

Dieses Beispiel fand bald in Worms und anderwärts Nachahmung. Nehmen wir noch hierzu, daß man auch in Württemberg um dieselbe Zeit wenigstens zu größerer Vorsicht im Verfahren sich bequemte, eine gründlichere Generalinquisition und deutlichere Indizien verlangte und – was als etwas Besonderes hervorgehoben wird – zur Folterung niemals anders als auf gerichtliches Erkenntnis schritt Fichard, Consil., Vol. III. p. 80.: so bleibt kein Zweifel daran übrig, daß Weyers Buch dem Hexenprozesse im deutschen Reiche einen harten Stoß gegeben hat. Er selbst spricht in seinen späteren Schriften mit Befriedigung über die Erfolge seines Kampfes; Crespet klagt über dessen Rückwirkungen auf Frankreich. Das glänzendste Zeugnis aber hat ihm, ohne es zu wollen, der fanatische Bartholomäus de Spina ausgestellt. »Die Pest des Hexenwesens« – sagt der Magister sacri palatii – »ist gegenwärtig so arg, daß neulich in einer Versammlung Satan, der, wie einige der vom Inquisitor Verhafteten ausgesagt haben, in Gestalt eines Fürsten erschien, zu den Hexen sprach: Seid alle getrost; denn es werden nicht viele Jahre vergehen, so triumphiert ihr über alle Christen, weil es mit dem Teufel vortrefflich steht durch die Bemühungen Weyers und seiner Jünger, die sich gegen die Inquisitoren mit der Behauptung aufwerfen, daß dies alles nur törichte Einbildung sei, und so diese gottlosen Apostaten begünstigen und in ihren Ketzereien indirekt bestärken. Denn sähen sich nicht die Väter Inquisitoren gehemmt durch die Bedenklichkeiten dieser Leute, auf deren Aussprüche oft die Fürsten wie auf die Worte der Weisen horchen und der Inquisition die schuldige Hilfe entziehen, so wäre durch den glühenden Eifer besagter Inquisitoren diese Sekte bereits gänzlich ausgerottet, oder wenigstens aus dem Gebiete der Christenheit verjagt Delrio, Lib. V, sect. 16.

Satan hatte diesmal auf Weyers Wirksamkeit allzu kühne Hoffnungen gebaut. Der Theorie und der Praxis war von dem mutigen Arzte allzu derb auf den Fuß getreten worden, als daß sich nicht beide zum Bunde gegen ihn hätten die Hand reichen sollen. Kaum hatte man sich daher von der ersten Überraschung etwas erholt, so eröffneten Gesetzgeber, Richter und Gelehrte aus den vier akademischen Fakultäten gegen ihn einen erbitterten Kampf, in dem ihm nur wenige, obwohl achtungswerte, Bundesgenossen zur Seite standen. Der Sieg war auf Seiten der Unvernunft, die in dem wiedereroberten Land ihr blutiges Banner aufpflanzen durfte.

Zuerst begannen ein angeblicher Fürst della Scala und Leo Suavius, eigentlich Johannes Campanus, ein französischer Parazelsist, das Geplänkel; Weyer schrieb gegen sie eine Apologie und wies sie mit siegender Derbheit zurück Apologia adversus quendam Paulum Scalichium, qui se principem de Scala vocitat.. Dann trat die schon erwähnte kursächsische Kriminalordnung hervor (1572) und verkündete mit Überbietung der Karolina folgende Strafbestimmung: »So jemands in Vergessung seines christlichen Glaubens mit dem Teufel ein Verbündniß aufrichtet, umgehet oder zu schaffen hat, daß dieselbige Person, ob sie gleich mit Zauberey niemands Schaden zugefüget, mit dem Feuer vom Leben zum Tode gerichtet und gestraft werden soll.« Man sieht, wie in dem protestantischen Lande der Fürst als summus episcopus auch das geistliche Moment vertrat, während die Karolina vom Umgang mit dem Teufel schweigt und nur eine äußere Rechtsverletzung mit dem Scheiterhaufen bedroht. In den Motiven zu dieser Kriminalordnung wird Weyer mit Achselzucken abgefertigt; er sei Arzt, nicht Jurist.

Der Landsmann Weyers, Johann Ewich, erst Arzt in Duisburg, dann Stadtphysikus und Professor zu Bremen, bekannte sich erst brieflich, später öffentlich zu Weyers Ansichten. Er wünschte zwar nicht die Straflosigkeit der Hexen und Ketzer, sondern Überlegung und Abwägung bei der Verhängung der Strafe. Auch Kinder und »die Überalten« soll man nur »eines Bessern richten und lehren«. Ewich sprach sich ferner dafür aus, daß man den Beschuldigten Berufungen an Obergerichte von den unteren Gerichten gestatte, »damit diese von jenen etwas lernen, oder jene korrigieren und bessern, was diese vielleicht nicht bedacht oder übersehen haben.« Wenn man bei dem Hexenhandel nicht mit aller Vorsicht vorgehe, werde man »Verwirrung der Oberkeit, Murrung und Empörung unter dem gemeinen Volk« verursachen. »Die Exempel sind vor der Tür und schreien fast überall mit lauter Stimme.« »Nicht lange vor dieser Zeit hat man im braunschweigischen Lande die Sache von schlichten Personen angefangen, und zu den adeligen, ja schier den höchsten nicht ohne großen Schaden gebracht.« »Denn es hat der Moloch eine besondere Lust an solchen Brandopfern, die er zum Teil selbst zurichtet, zum Teil werden sie ihm von andern zugerichtet durch Unerfahrenheit, und Leichtfertigkeit der Leute, unrechtmäßige Prozesse, Vielheit der Gottlosen, deren die Welt voll ist.« Es sei gewiß, daß durch Schuld der Richter »zu oftmalen nicht wenigen die Straf ohne Schuld widerfährt. Ach was ein unsägliches Unrecht, das nicht allein den elenden hingerichteten Personen hochbeschwerlich und schändlich, sondern auch dem ganzen Geschlecht und ganzer Freundschaft eine ewige Verleumdung macht! Sollte es denn nicht löblicher sein, daß man etliche nicht genugsam Ueberzeugte hingehen ließe, denn die Unschuldigen um das Leben brächte Janssen, VIII, 609 ff. Längin, Rel. u. Hexenpr., 269.

Ewichs Schrift, deren deutsche Übersetzung im Theatrum de veneficiis abgedruckt wurde, verpuffte wirkungslos.

Zunächst trat dann eine theologische Autorität für den Hexenglauben und die Hexenverfolgung in die Schranken, der berühmte Kalvinist Lambert Danäus, der eigentliche Vater der reformierten Moraltheologie, als selbständiger theologischen Disziplin. Er gab 1575 zu Köln seinen Dialog De veneficis, quos olim sortilegos, nunc autem vulgo sortiarios vocant, heraus, worin die im Hexenhammer vorgeschriebene Auffassung und Verfolgung der Hexerei, z. B. auch das Abscheren der Haare vor der Tortur, vom theologischen Standpunkte aus vollständig gerechtfertigt wurde Janssen, VIII, S. 636 ff..

siehe Bildunterschrift

Titelblatt der deutschen Ausgabe von der Hexenschrift des Calvinisten Lambert Danäus

siehe Bildunterschrift

Titelblatt der Übersetzung von Bodins Demonomanie

Des Heidelberger Arztes Thomas Erastus Buch de lamiis et strigibus (1577), in dialogischer Form, angefüllt mit dem seit dem Malleus längst Gewohnten und ohne polemische Taktik, machte jedoch mehr eine Demonstration, als einen wirklichen Angriff Repetitio disputationis de lamiis seu strigibus, in qua plene, solide et perspicue de arte earum, potestate intemque poena disceptatur. Basil. Vorwort April 1578. – Janssen, VIII, S. 648..

Zwei oder drei Jahre später trat der in Frankreich hoch gefeierte Philosoph und Parlamentsrat Jean Bodin (1503 bis 1596), Heinrichs III. Günstling, mit seinem Traité de la démonomanie des sorciers (Paris, 1580, 40.) hervor Die lateinische Ausgabe des Werks führt den Titel: De magorum daemonomania seu detestando lamiarum ac magorum cum Satana commercio libri IV. Accessit ejusdem opinionum Joannis Wieri confutatio non minus docta, quam pia. Francofurti 1603., dessen Übersetzung der »ehrenfeste und hochgelehrte Doktor beider Rechte«

und Satyriker Johann Fischart besorgte. Die Übertragung, 1581 in Straßburg erschienen, trägt den Titel: »Vom ausgelassenen wütigen Teufelsheer der besessenen unsinnigen Hexen und Hexenmeister, Unholden, Teufelsbeschwören Wahrsager, Schwarzkünstler, Vergifter, Nestverknüpfer, Veruntreuer, Nachtschädiger, Augenverblender und aller andern Zauberer Geschlecht, samt ihren ungeheuren Händeln: wie sie vermöge der Recht erkannt, eingetrieben, gehindert, erkundigt, erforscht, peinlich ersucht und gestraft sollen werden.« Fischart, den fruchtbarsten und bedeutendsten Schriftsteller des sechzehnten Jahrhunderts, hat man aus dieser Übersetzung und seiner Tätigkeit für die Verbreitung des Hexenhammers zu verketzern gesucht und ihm die unlautersten Motive bei der Bearbeitung dieser Bücher unterschoben. Sehr mit Unrecht. Fischart war eben im tiefsten Aberglauben befangen, wie schon seine Geschichte vom Ritter Peter von Stauffenberg (1588) beweist, deren Fabel er für wahr hält, trotzdem eine »Meerfrau« darin als Heldin auftritt. Die Vorrede zum Stauffenberger handelt von zahlreichen mythischen Erscheinungen, die Fischart zu Verwandten der Meerfee macht, vor allem von den »halb frawen und halb Fischartischen bildern«. Venus, Sphinx, Circe und Medusa und andere Gestalten der antiken Mythe sind ihm Teufelskinder Dr. Adolf Hauffen, Joh. Fichards Werke, I. Bd. (Nationalliteratur), Stuttgart o. J. S. LIV ff.. Sein Glaube und sein Charakter waren nicht schlechter, aber auch nicht besser als der zahlreicher Priester, die die gleichen Ansichten nicht nur ausgesprochen, sondern in Tat umgesetzt haben.

Nun wieder zu Bodin. Bodin hatte bei einigen Hexenprozessen als Richter den Vorsitz geführt und mit unglaublichem Eifer sich in die auf Zauberei und Hexenwesen bezügliche Literatur vertieft. Dadurch war es ihm klar geworden, daß im Volksglauben aller Völker und aller Zeiten die Realität des Hexenwesens verbürgt sei. Er wußte auch über zahllose Hexenprozesse und über die Motive der Verurteilung einer Legion von Hexen zu berichten, weshalb in seinen Augen das Auftreten Weyers nichts anderes als eine auf der lächerlichsten Selbstüberschätzung beruhende Mißachtung einer jedem vernünftigen Menschen von selbst einleuchtenden Autorität und zugleich eine Gottlosigkeit war. Nicht ohne Absicht ist das Buch dem Präsidenten des seit langer Zeit besonneneren Pariser Parlaments in äußerst schmeichelnden Ausdrücken gewidmet. Überall ist man dem Verfasser zu lau, obgleich er anerkennt, daß unter Heinrich weit mehr zur Vertilgung der Hexen geschehe, als unter der vorigen Regierung. Er fordert die Richter auf, aus eigenem Antriebe einzuschreiten und nicht erst die Schritte des königlichen Prokurators abzuwarten; ja er will, nach Mailänder Sitte, Kasten mit Deckelspalten in den Kirchen eingeführt wissen, um die Denunziationen zu erleichtern. Er zählt fünfzehn einzelne Verbrechen auf, aus denen sich die Zauberei zusammensetze, und beweist daraus eine fünfzehnfache Todeswürdigkeit. Dem Werke hängte Bodin eine ausführliche Widerlegung Weyers an, um, wie er sagt, die durch diesen angegriffene Ehre Gottes zu schirmen. Diese Verteidigung nun beruht, außer der Wiederholung der alten Fabeln und der Berufung auf die Ergebnisse der neueren Praxis, hauptsächlich auf der boshaften Taktik, Weyer mit dem Doktor Edelin auf gleiche Stufe zu stellen Janssen VI, 274 ff. VIII 650 ff. Riezler, S. 247.. Ohne Zweifel hätte es der französische Philosoph gerne gesehen, wenn sein Gegner auch Edelins Ausgang genommen hätte. »Daß dem Weyer zu End seines Buches der Kopf vor Zorn dermaßen erhitzigt, daß er die Richter greuliche Nachrichter und Henker schilt, gibt wahrlich große Vermutung, er besorge sehr, es möchte etwan ein Zauberer oder Hexenmeister zu viel schwätzen, und tut eben wie die kleinen Kinder, welche vor Forcht des Nachts singen.«

siehe Bildunterschrift

Titelblatt von Bodins Demonomanie
München, Hof- und Staatsbibliothek

Bodin ist eine Autorität geworden, und selbst im Auslande hat man sich oft auf ihn bezogen, während er in Rom allerdings auf den Index gesetzt wurde Rensch, Der Index der verbotenen Bücher, I. Bd., Bonn 1883, S. 417. 537..

Wenige Jahre nach Bodin begegnet uns der deutsche protestantische Philosoph Wilhelm Adolph Scribonius Professor zu Marburg, als Parteigänger in dem großen Kampfe, dessen Wirken für die Wasserprobe bereits erwähnt wurde. Hier muß nur noch seines giftigen Machwerkes »Ueber die Natur und Gewalt der Hexen« Siehe I. Band S. 395 ff. – De Sagarum natura et potestate deque his recte cognoscendis et puniendis, deque purgatione earum per aquam frigidam epistola. Lemgov. 1583. Marp 1588. S. Th. Graesse, Bibliotheca magica et pneumatica. Leipzig 1843, S. 36. Binz S. 84 ff. – Gegen Scribonius erschien 1589 zu Frankf.: Examen Epistolae et partis Physiologiae de examine Sagarum per aquam frigidam a. G. A. Scribonio in lucem editarum. gedacht werden, in dem er Weyer begeifert. Er schrieb: »Weyer geht auf nichts anderes aus, als die Schuld der Hexen von ihren Schultern abzuwälzen und sie von aller Schuld freizumachen, um die Zauberkunst überall in Schwang zu bringen. Ja, ich glaube mit Bodinus, daß Weyer in alle Verhältnisse der Hexen eingeweiht, daß er ihr Genosse und Mitschuldiger gewesen, daß er, selbst ein Zauberer und Giftmischer, die übrigen Zauberer und Giftmischer verteidigt hat. O, wäre solch ein Mensch doch nie geboren, oder hätte er wenigstens nie etwas geschrieben, statt daß er nun mit seinen Büchern so vielen Menschen Gelegenheit zu sündigen und des Satans Reich zu mehren gibt.«

Auch der berühmte Zwinglische Theologe Heinrich Bullinger verfocht die Wirklichkeit aller Hexen- und Zauberkünste, ebenso der kalvinistische Professor der Theologie in Straßburg und Zürich Petrus Martyr Vermigli. Er trat für den ausbündigsten Hexenglauben auf, spricht von Teufelsbuhlschaften, Incubi und Succubi, Teufelspakt und dergleichen. Ganz ähnlich sprach sich Hieronymus Zanefi, Professor in Straßburg und Heidelberg, aus. Der Züricher Prediger Ludwig Lavater, der Ahne Johann Kaspars, glaubte alles bis auf den Wetterzauber Schweizer, Zürcher Taschenbuch 1902, S. 40 ff.. Auch der Dekan Jakob Graeber zu Schwäbisch-Hall verwarf 1589 manche Anschauungen vom Hexenwesen als Affen- und Teufelswerk und bedauerte, daß »bei dieser argen verkehrten Welt schier alle alten Weibspersonen üppiglich des Hexenwerkes verruft« würden. Allein er fordert nichtsdestoweniger die Bestrafung der Hexen »als öffentlicher Feinde des menschlichen Geschlechtes und beförderst Verschwörer Gottes ihres Schöpfers« Janssen, VIII, S. 637 ff. Diefenbach, Zauberglaube S. 204..

Einen wuchtigen Schlag gegen all diese Finsterlinge führte 1584 in England ein Laie, Reginald Skot, der als Privatmann zu Smeeth lebte und 1599 starb, durch Veröffentlichung seiner Schrift Discovery of witchcraft. Skot deckte in seinem Buche den Trug des Hexenglaubens mit einer bis dahin beispiellosen Kühnheit auf. Unerschrockenen Mutes legte er es in beredtester Sprache dar, mit welcher Grausamkeit die Geständnisse erpreßt und mit welcher Liederlichkeit die Indizien beschafft würden. Er zeigte, daß die dem Teufel und den Hexen zugeschriebenen Gaukeleien nichts als Absurditäten wären. Dabei legte Skot nicht nur an den gesunden Menschenverstand, sondern auch sehr geschickt an das protestantische Bewußtsein seiner Landsleute Berufung ein, um ihnen ein von der katholischen Inquisition aufgestelltes Verfolgungssystem verhaßt zu machen.

Was die Hexenfeinde des strikten Glaubens am meisten verdroß, war, daß sie in ihrem eigenen Lager eine Spaltung entstehen sahen. Denn viele, die an der Befähigung der Hexen zum Schadenstiften und an ihrer Strafbarkeit im allgemeinen festhielten, wollten den Luftflug, den Sabbath und den Konkubitus nicht mehr als wirklich gelten lassen. Der gelehrte Frankfurter Jurist Joh. Fichard gestand in seinen »Consilien« (z. B. Tom. II., Cons. 113 vom Jahr 1590), daß er die nächtlichen Teufelstänze und Mahle und die Vermischung des Teufels mit Frauen für nichts anderes als für Träumereien und Täuschungen halte, wegen deren man nicht auf Feuertodesstrafe erkennen dürfe. Im übrigen war er ganz vom Hexenglauben befangen und verdammte zum Feuertod, wenn Hexen gestanden, durch Erregung von Gewittern oder in anderer Weise Schaden verursacht zu haben Paulus, Hexenwahn, S. 59 ff..

Noch entschiedener als Fichard trat der mecklenburgische Jurist Joh. Georg Godelmann auf Von Wächter, Beitr. zur deutschen Geschichte, S. 294 u. 295. Paulus. S. 122 ff. Binz, S. 96 ff. Janssen, VIII, S. 620 ff. Riezler, S. 247.. In Vorlesungen, die er im Jahr 1584 in Rostock über die Karolina gehalten hatte, und die er nach 1590 erweitert unter dem Titel Tractatus de magis veneficis et lamiis deque his recte cognoscendis et puniendis herausgab, sagt er unter anderem (Lib. III, cap. 11): »Die Hexen gestehen entweder Mögliches, nämlich daß sie Menschen und Vieh durch ihre magische Kunst und Zauberei getötet haben, und wenn sich dieses so erfindet, so sind sie nach Art. 109 der Karolina zu verbrennen; oder sie gestehen Unmögliches, z. B. daß sie durch einen engen Schornstein in die Luft geflogen seien, in Tiere sich verwandelt, mit dem Teufel sich vermischt haben, und dann sind sie nicht zu strafen, sondern vielmehr mit Gottes Wort besser zu unterrichten; oder endlich gestehen sie einen Vertrag mit dem Teufel, in welchem Falle sie mit einer außerordentlichen Strafe, z. B. Staupenschlag, Verbannung oder Geldstrafe (wenn sie reuig sind), belegt werden können. – Diese Strafe soll ihrem Leichtsinn gelten, weil sie den teuflischen Einflüsterungen nicht widerstanden, ja sogar ihnen zustimmten.« – In einem anderen, dem Lib. III. jenes Werkes vorgedruckten Gutachten von 1587 sagt Godelmann: »Was das Reiten und Fahren der Hexen auf Böcken, Besen, Gabeln nach dem Blocksberg oder Heuberg zum Wohlleben und zum Tanz, desgleichen auch die fleischlichen Vermischungen, so die bösen Geister mit solchen Weibern vollbringen sollen, anbelangt, achte ich nach meiner Einfalt dafür, daß es ein lauter Teufelsgespinst, Trügerei und Phantasie ist. Dergleichen Phantasie ist auch, daß etliche glauben, daß die Hexen und Zauberer in Katzen, Hunde und Wölfe können verwandelt werden. Denn daß solche Veränderung unmöglich sei, ist bereits in einem alten Concilio, so zu Ancyra gehalten (Kanon Episcopi!), geschlossen worden. – Endlich wird auch den Hexen vorgeworfen, daß sie böse Wetter machen können, so doch Wettermachen Gottes und keines Menschen Werk ist. – Derentwegen kann kein Richter jemanden auf solche Punkte peinigen, viel weniger töten, weil derselbigen mit keinem Wort in der Peinlichen Halsgerichtsordnung gedacht wird. Und ist zu erbarmen, daß hin und wieder in Deutschland jährlich so viel hundert aberwitzige Weiber, die oftmals zu Haus weder zu beißen noch zu brechen haben, und in so großer Sorg und Schwermut sitzen, auch durch des Teufels geschwinde Rhetorica eingenommen werden, auf solche närrische und phantastische Bekenntnisse verbrannt werden, denn je mehr man ihrer umbringet, je mehr ihrer werden.« »Solche Leute mit verrückten Hirnen« solle »man billiger zum Arzt dann zum Feuer führen«! Schon vor Godelmann schärften Juristen den Richtern und Behörden Vorsicht beim Hexenurteil ein. So enthalten z. B. mehrere den Jahren 1564, 1565, 1567 angehörige »Consilia und Bedenken etlicher zu unsern Zeiten rechtsgelehrten Juristen von Hexen und Unholden, und wie es mit denselbigen in Wiederholung der Tortur zu halten« manche ruhige und maßvolle Aussprüche zugunsten eingezogener Hexen und deren Behandlung K. Binz, Augustin Lerchheimer, Straßburg 1888, S. 112. Janssen, VIII, 623..

In demselben Sinne veröffentlichte damals der kalvinistisch gesinnte »Augustin Lerchheimer von Steinfelden«, ein Pseudonym für den Heidelberger Professor Hermann Wilcken, genannt Witekind, 1585 ein »Bedenken von der Zauberey«. Wilcken leugnet ebensowenig wie Weyer und Godelmann den Hexenglauben. Er hält sogar daran fest, daß »der Satan in einem angenommenen Mannsleibe mit den Hexen sich vermischen« könne. Auch wegen der Strafen vertrat er den strengeren Standpunkt. Er schiebt die Hauptschuld an dem überhandgenommenen Teufelswerk den Obrigkeiten zu, die nicht für genügende Unterweisung in christlicher Zucht und Lehre sorgen. Hierdurch hat Witekind den festen Boden gewonnen, zugunsten der »armseligen Weiber« mannhaft einzutreten, warm und beredt die über sie verhängten Folterqualen und Todesurteile zu brandmarken und die Befürworter und Verteidiger solcher Qualen und Urteile gebührend an den Pranger zu stellen Janssen, VI, S. 614 ff..

Selbst der strenge Ketzerrichter Hartwig von Dassell, Verfasser des I. 358 erwähnten Responsums von 1597, war der Meinung, daß sehr oft die Aussagen von Frauen über ihre Hexenfahrten, ihre Buhlerei mit dem Teufel etc. auf Einbildung und Träumerei beruhten.

Inzwischen begann in Frankreich eine Denkweise durchzubrechen, die sich vor allem dadurch kennzeichnete, daß sie prinzipiell alles, was auf Autorität und Tradition beruhte, in Zweifel zog. Der »Philosoph«, der zuerst mit dieser Anschauungsweise hervortrat, war 1588 der originelle Michel de Montaigne Michel de Montaignes gesammelte Werke, München, Georg Müller Verlag., ein Gelehrter, der seinen Ruhm weit weniger der Tiefe seines Geistes als der Kühnheit seiner Skepsis und seiner unbeugsamen Rechtlichkeit verdankt. Seiner Meinung nach war von dem, was man über die Hexen und deren Treiben sagte, gar nichts verbürgt; vielmehr sei anzunehmen, daß es teilweise mit ganz natürlichen Dingen zugehe, teilweise auf Sinnestäuschung, beziehungsweise auf Lüge beruhe. Er meint, es sei weit wahrscheinlicher, daß unsere Sinne uns täuschen, als daß ein altes Weib auf einem Besenstiel in den Schornstein fahre. Es müsse weit weniger befremden, wenn Zungen lügen, als wenn Hexen die angeblichen Taten ausführten. Darum möge man den Weibern, wenn sie ihre Nachtfahrten u. dgl. eingestehen wollten, lieber Nieswurz als Schierling zuerkennen.

Was nun Montaigne in der Form eines Zweifels ausgesprochen, das wurde von dem gleichzeitigen Skeptiker, dem Großvikar Pierre Charron zu Paris († 1603) geradezu geleugnet und bekämpft, und es begann jetzt in Frankreich eine Weltanschauung herrschend zu werden, die alles Wunderbare mit Widerwillen betrachtete, die alles aus einem natürlichen Zusammenhange erfassen wollte, und daher in dem Hexenglauben nichts anderes als Wahn und Trug erkannte.

siehe Bildunterschrift

Hexen- und Teufelswerk
Vignette auf dem Titelblatt der Übersetzung von Binsfelds Tractatus

Um gegen solche Freigeistereien wenigstens die Hauptbasis des Hexenprozesses, die Glaubwürdigkeit der Bekenntnisse, zu retten, schrieb 1589 der 1570-76 im Collegium germanicum in Rom erzogene Steinhuber, Geschichte des Collegium Germanicum, Freiburg 1895, II. Band, S. 211 ff. trierische Suffraganbischof Peter Binsfeld seinen Traktat und gab ihn zwei Jahre darauf, besonders zum Gebrauch der bayerischen Gerichte, wo er Beifall gefunden hatte, neu bearbeitet heraus »Tractatus de confessionibus maleficorum et sagarum, an et quanta fides iis adhibenta sit, und führte das Motto (die Parole der Hexenrichter!): Exod. XXII.: Maleficos non patieris vivere. Eine spätere Ausgabe (in 8°. 795) erschien zu Trier 1596.. Die Realität des Pactums wird darin gegen Weyer aus der Versuchungsgeschichte Jesu dargetan; die Autorität des Kanons Episcopi aber, als einer von ganz andern Dingen redenden Stelle, abgewiesen. Kirchenväter, Scholastiker und die Bekenntnisse der damals im Trierischen stark verfolgten Hexen liefern die Beweise für die Wahrheit eben dieser Bekenntnisse. Binsfeld hat den traurigen Ruhm, an dem Sturze zweier Ehrenmänner, die dem blutigen Treiben entgegentraten, mitgewirkt zu haben Artur Richel, Zwei Hexenprozesse aus dem 16. Jahrhundert. Beiträge zur Kulturgeschichte 2, Weimar 1898. Riezler, S. 170. Janssen, VIII, S. 655«..

Cornelius Loos, als Schriftsteller auch latinisiert Callidius, wurde 1546 in Goude geboren. Er studierte in Löwen, wurde Geistlicher und erlangte in Mainz ein theologisches Lehramt. Dort begann er seine fruchtbare literarische Tätigkeit. Später übersiedelte Loos nach dem Trierischen, wo er wegen seiner Anschauungen in bezug auf Zauberei und Hexerei Anstoß erregte. Er wurde zum Widerruf gezwungen und mußte das Trierische Gebiet verlassen. Er begab sich nach Brüssel, wo er kurze Zeit eine Pfarrei verwaltete. Des Rückfalls in seine »Irrtümer« bezichtigt, hatte er eine längere Kerkerhaft zu bestehen. Den Folgen einer dritten Anklage gegen ihn kam sein am 3. Februar 1595 erfolgter Tod zuvor Werner, in der Allgem. Deutschen Biographie IXX. Leipzig 1884, S. 168 ff.«. Loos war einer der wenigen Aufgeklärten des Jahrhunderts, die in der ganzen Hexerei und ihren Wirkungen nur Trug und Einbildung sahen. Im Trierischen fand er unter dem schwachen Johann VI. alle Greuel des Hexenprozesses vor. Schon früher durch einige gelehrte Streitschriften bekannt, schien er der Mann zu sein, von dem man eine siegende Widerlegung Weyers erwarten durfte. Als er jedoch nach einiger Zeit eine Schrift, de vera et falsa magia betitelt, zu Köln in Druck geben wollte, fand es sich, daß er darin die Unwissenheit, Tyrannei und Habsucht der Hexenverfolger aufs rücksichtsloseste gezüchtigt hatte. Das Manuskript wurde konfisziert und galt für verloren. Erst 1886 fand der um die Geschichte des Hexentums verdiente Amerikaner George Linc. Burr Bruchstücke des Loosschen Buches in einem Fache der alten Jesuitenbibliothek in Trier Janssen, VIII., S. 633 Anm. 1. Andrew Dickson White, Geschichte der Fehde zwischen Wissenschaft und Theologie in der Christenheit, Leipzig 1911, S. 305.. Loos selbst wurde auf Befehl des päpstlichen Nuntius im Kloster St. Maximin bei Trier eingekerkert und zum schimpflichsten Widerruf gezwungen, den er am 15. März 1592 vor dem Generalvikar der Diözese Trier, Peter Binsfeld, und dem Abt des Klosters ablesen und unterzeichnen mußte. Die Anführung einiger der 16 Artikel dieses Widerrufs wird den Geist seines Wirkens dartun Delrio, Lib. V. Append. p. 858 ff. – J. Marx, Geschichte des Erzstiftes Trier, Trier 1858-64, II. Bd. S. 117 ff..

»Art. I. Erstens widerrufe, verdamme, verwerfe und mißbillige ich, was ich oft schriftlich und mündlich vor vielen Personen behauptet und als den Hauptgrundsatz meines Traktats aufgestellt habe, daß nur Einbildung, leerer Aberglaube und Erdichtung sei, was man von der körperlichen Ausfahrt der Hexen schreibt; sowohl weil dies ganz und gar nach ketzerischer Bosheit riecht, als auch weil diese Meinung mit dem Aufruhr Hand in Hand geht und darum nach dem Verbrechen der beleidigten Majestät schmeckt.

»Art. II. Denn (was ich zweitens widerrufe) ich habe durch heimlich an gewisse Personen abgesandte Briefe gegen die Obrigkeit hartnäckig und ohne haltbaren Grund ausgesprengt, daß die Hexenfahrt unwahr und eingebildet sei, mit der weiteren Behauptung, daß die armen Weiber durch die Bitterkeit der Tortur gezwungen werden, zu gestehen, was sie niemals getan haben, daß durch hartherzige Schlächterei unschuldiges Blut vergossen und daß mittelst einer neuen Alchymie aus Menschenblut Gold und Silber hervorgelockt werde.

Art. V. Außerdem widerrufe und verdamme ich folgende meine Sätze: daß es keine Zauberer gebe, die Gott absagen, dem Teufel einen Kult erweisen, mit Hilfe dessen Wetter machen und Ähnliches ausführen, sondern daß diess alles Träume seien.« Usw.

Am Schlusse dieser vor Binsfeld protokollierten Palinodie erkannte sich Loos, wenn er rückfällig werden sollte, jeder willkürlichen Bestrafung würdig. Er wurde aus dem Lande gejagt. Rascher war es mit dem andern Opfer zu Ende gegangen. Der Doktor Dietrich Flade, kurfürstlicher Rat und Schultheiß zu Trier, 1585 auch Rektor der Universität, war vielleicht eine von jenen obrigkeitlichen Personen, an die sich Loos schriftlich und mündlich gewandt hatte Riezler, S. 243, Janssen, VIII. 691 ff. Reiffenbergs Historia Societatis Jesu ad Rhenum inferiorem. Colon. Agripp. 1764, I, p. 241 ff. Cesta Trevirorum, Animadv. ad Vol. III, p. 18. Delrio, Lib. V, sect. 3. Hauber, Bibl. mag. Bd. II, 583 ff.. Wenigstens suchte auch er dem Unwesen Einhalt zu tun, indem er alles aufbot, die gesamte Hexerei als Chimäre hinzustellen. Doch mochte er noch so nachdrücklich auf den Kanon Episcopi sich berufen, gerade dieses machte man zum Indizium gegen ihn selbst. Wer die Hexen verteidigte, der war ja selbst der Hexerei verdächtig. »Ihm trat«, sagt Delrio, »Peter Binsfeld tapfer mit einer gelehrten Widerlegung entgegen und gab seinen Traktat über die Bekenntnisse der Hexen heraus. Flade wurde verhaftet, gestand endlich, wie Edelin, sein Verbrechen und seinen Betrug und wurde lebendig verbrannt. Das gegen ihn geltend gemachte Indizium gründet sich auf eine offenbare Rechtsvermutung usw.« Mit ihm fielen zwei Bürgermeister, einige Ratsherren und Schöffen und mehrere Priester. Die Hinrichtung geschah im Jahre 1589 Burr, The Fate of Dietrich Flade, (Papers of the American Historical, Association. Vol. 5, No. 3.) 1891. S. 47 ff. E. P. Evans, Ein Trierer Hexenprozeß (Augsburger Allgem. Zeitung 1892, Beilage 86). Binz, S. 113 ff..

Flade war ein reicher Mann gewesen. Eine Summe von 4000 fl., die er bei der Stadt Trier stehen hatte, wurde auf Befehl des Kurfürsten an die Pfarrkirchen zu frommen Zwecken verteilt. Von seinem übrigen Vermögen ließ die Stadtobrigkeit sofort nach seinem Tode ein General-Inventarium anfertigen. Daß man auch den Staatssäckel nicht vergaß und Schultheiß, Schöffen und selbst Scharfrichter nicht ihre Hände in den Taschen behielten, versteht sich bei der damaligen »Gerechtigkeit« von selbst Burr, S. 56.. In späteren Prozessen wird sein Name mehrfach unter den Mitschuldigen beim Hexentanze auf der Hetzeroder Heide genannt Liel im Archiv für Rheinische Geschichte von Reisach und Linde, Th. I, S. 47 ff.. Im Sinne Binsfelds und mit Anlehnung an die Binsfeldschen Ausführungen behandelt der in Bayern wirkende Spanier Gregor von Valentia den Hexenprozeß. Im 3. Bande seines Hauptwerkes Commentariorum Theologicorum (Ingolstadt 1595) stellt er als Regel auf, daß zur Folterung einer Person die Denunziation genügt, die eine andere Person auf der Folter angegeben hat, wenn irgendwelche andere Indizien oder – die Präsumtion hinzutritt. Dieser in Bayern befolgte Grundsatz hatte zur Folge, daß nach einigen Jahrzehnten von den Jesuiten schaudernd auf die drohende Entvölkerung des Landes hingewiesen wurde Riezler, S. 189..

Gleichzeitig mit Binsfeld wirkte in dem Nachbarlande Lothringen Nikolaus Remigius, herzoglich lothringischer Geheimerrath und Oberrichter. Aus dem reichen Schatze seiner Amtserfahrungen stellte er seine Dämonolatria Daemonolatriae Libri III., Lugd. 1595 zusammen, die zuerst lateinisch und gleich darauf, 1596 und 1598, auch deutsch erschien. Sie ist »lieblich zu lesen«, dem Richter ein wahres Arsenal in jeder Verlegenheit, es gibt nicht leicht einen Punkt, für den der Verfasser nicht aus irgendeinem nach Namen und Tag bezeichneten Prozeßfall einen Beleg beibrächte. So verficht er zwar die leibliche Ausfahrt der Hexen, läßt aber daneben auch eine eingebildete, obgleich ebenso verdammliche bestehen. Die Salbe der Hexen ist zugleich giftig und unschädlich; giftig, sobald sie die Hexe selbst auch nur in der geringsten Menge auf streicht; unschädlich, sobald sie in die Hände des Gerichts fällt, und wären es ganze Töpfe voll. Das Weib, dem man ankommen will, ist verdächtig, wenn es oft, und wenn es nie in die Kirche geht, wenn sein Leib warm, und wenn er kalt ist. Während der sechzehn Jahre, die Remigius dem Halsgerichte beiwohnte, sind, seiner eigenen Angabe zufolge, in Lothringen nicht weniger als achthundert Hexen zum Tode verurteilt worden, ebensoviele waren entweder entwichen oder hatten durch die Tortur nicht überführt werden können. Remigius sieht im ganzen mit Zufriedenheit auf sein Wirken zurück; doch hat er sich eine Schwachheitssünde vorzuwerfen. Einst hatte er nämlich, dem Mitleiden seiner Kollegen nachgebend, siebenjährige Kinder, die beim Hexentanze gewesen waren, nur dadurch bestraft, daß er sie, nackt ausgezogen, dreimal um den Platz, wo ihre Eltern den Feuertod erlitten hatten, mit Ruten herumhauen ließ. Seine richterliche Überzeugung sagte ihm, daß auch sie den Tod verdient hatten; denn »ein heylsamer Eyffer ist allezeit dem schedlichen eußerlichen Schein der Begnadigung vorzuziehen« Daemonolatr., Th. II., Kap. 2.. Es ist Remigio ein schlechter Ruhm, wenn er in seinem Buche von etlichen hundert Personen die Rechnung macht, bei welchem Prozeß seine Exzellenz gewesen. Solche alberne Possen bringt Remigius auf das Papier, die viel mehr zeugen von der Unschuld der Verurteilten als von der Geschicklichkeit der Richter. Mit Fleiß habe ich die Charten durchlesen und befunden, daß der ganze Plunder beruhe auf den durch die Marter erpreßten Aussagen und betörten Erzählungen der wahnwitzigen Vetteln. Die von diesem Herrn vorgebrachten Beweise sind »so ungereimt, unmöglich und daher unglaublich,« daß sie »auch ein ABC-Knabe für Fabeln halten müsse«, sagte bereits im siebzehnten Jahrhundert der Pastor J. M. Meyfart J. Reiche, Unterschiedliche Schriften vom Unfug des Hexen-Prozesses, Halle 1703, S. 357 ff..

Mit dem Minister Remigius wetteiferte bald ein königlicher Schriftsteller um den Preis in der Bekämpfung des satanischen Reiches, nämlich Jakob I. von Schottland und England, jener Fürst, der so stolz war auf seine Theologie und sein Lateinsprechen. Noch bevor er den englischen Thron bestieg, hatte er seine Dämonologie geschrieben und ihren Grundsätzen in seinem schottischen Reiche Geltung verschafft Jacobi I., Daemonologia in den Opp. ed. Montague. Francof. 1689.. Ein wahres Wort hat er in der Vorrede gesprochen, indem er von Bodins Dämonomanie versichert, sie sei »majore collecta studio, quam scripta judicio«; aber die Nachwelt muß von der königlichen Dämonologie leider dasselbe sagen. – Jakob unterscheidet zwischen der Magie (auch necromantia) und dem Veneficium (auch incantatio oder Hexerei). Die Venefici sind Sklaven, die Nekromanten Gebieter des Teufels. Zwar gebieten sie nicht absolut, sondern bedingt, nicht kraft ihrer Kunst, sondern vermöge eines Vertrags. Denn um ihnen Leib und Seele abzugewinnen, macht sich der Teufel verbindlich, in einigen untergeordneten Dingen ihrem Befehle zu gehorchen. Die Heilsprüche, das Nestelknüpfen, die Astrologie und das Horoskopstellen sind nur das ABC des Teufels, wodurch er, da diese Dinge ziemlich unschuldig erscheinen, die Neugierigen in sein Netz lockt. Der Teufel ist der Affe Gottes; der Kuß wird ihm auf die Hinterseite gegeben, weil Moses den Herrn auch nur von hinten sehen konnte. Zwei Arten der Hexenfahrt müssen angenommen werden: 1. eine leibliche, wenn die Hexen an nahegelegene Orte teils zu Fuß oder Pferd, teils mit des Teufels Hilfe durch die Luft kommen; 2. eine im Geiste, wenn der Ort so entfernt ist, daß die in einem Moment zu vollendende Reise vermöge ihrer Schnelligkeit die Unmöglichkeit des Atemholens voraussetzen würde. Den Koitus mit den Inkuben und Sukkuben räumt der König ein, nicht aber die Erzeugung von Ungeheuern und wirklichen Kindern. Die Magier sowohl wie die Hexen sollen mit dem Tode bestraft werden. In einem andern, der Ausbildung seines Sohnes zum Regenten gewidmeten Werke Βασικῶν δώρων lib. II. stellt Jakob unter denjenigen Verbrechen, bei denen die königliche Begnadigung Sünde wäre, die Zauberei obenan.

siehe Bildunterschrift

König Jakob I. von England
Berlin, Kgl. Kupferstich-Kabinett

siehe Bildunterschrift

Hexenspuk Aus N. Remigii Daemonolatria, Hamburg 1693

Nach all diesen Plänklern trat endlich der gewaltigste Verfechter des Hexenprozesses, Martin del Rio (Delrio) hervor, um allen Angriffen ein für allemal ein Ende zu machen.

Delrio 1551 zu Antwerpen von spanischen Eltern geboren, hatte zu Paris, Douai und Löwen Philosophie und die Rechte studiert und in der letzteren Wissenschaft zu Salamanca den Doktorgrad erlangt Hauber, Bibl. mag., Bd. I, S. 123 ff. Bayle, Réponse aux questions d'un provincial, Chap. 16. Duhr, Jesuiten, S. 39 ff. Janssen, VIII, 663.. In Brabant wurde er dann in rascher Folge zum Rate des höchsten Konseils, zum Intendanten der Armee, zum Vizekanzler und Prokureur-General ernannt. Während der Bürgerkriege verließ er die Niederlande, wurde Jesuit in Valladolid, kehrte aber bald zurück und lehrte an verschiedenen Universitäten Philosophie und Theologie. Er starb 1608 zu Löwen.

In Löwen erschienen 1599 seine berühmten Disquisitiones magicae in sechs Büchern Gräße, Bibl. magica, S. 47.. Sie leisteten dasjenige, was man von Loos vergeblich erwartet hatte. Unter allen Hexenverfolgern ist Delrio unstreitig der gelehrteste und gewandteste. Stellenweise zeigt er sogar eine gewisse Aufklärung, Liberalität und Billigkeit. Verschiedene Arten abergläubischer Heilungen werden von ihm gründlich bekämpft, um anderen, nicht weniger abergläubischen, Platz zu machen. Alle Theurgie oder weiße Magie ist unwirklich; die Dämonen lassen sich vom Menschen nicht zwingen. Dies alles aber bahnt nur den Weg zu dem Grundsatze, daß jene Charaktere, Sigille usw. nur willkürlich verabredete Zeichen seien, unter denen der Teufel allerdings wirke, nicht gezwungen, sondern infolge eines Vertrages. Der Pakt mit dem Teufel, in dem die Abschwörung des Christentums inbegriffen ist, bildet die Grundlage aller Zauberei; die dämonische Magie zu leugnen, ist ketzerisch. Sie ist der Inbegriff alles Diabolischen und todeswürdig. Gegen sie, wie gegen alle andern Übel, schützen nur die Heilmittel der katholischen Kirche, wie Segen, Exorzismen, Kreuze, Reliquien, Agnus Dei usw. In der Lehre von den Zaubergreueln folgt Delrio ganz seinen Vorgängern, die er nur an Kenntnissen und dialektischer Gewandtheit übertrifft. Der Kanon Episcopi wird in einer weitläufigen Abhandlung aller Bedeutung beraubt: er handle weder von den Hexen der neueren Zeit, noch würde er, selbst wenn dies wäre, ihnen irgendwie nützen, da er auch diejenigen Weiber, die die Luftfahrt nur in der Einbildung machen, als Ungläubige (infideles) bezeichne. Die Hexen aber sollen, auch wenn sie niemanden beschädigt haben, schon bloß um ihres Teufelsbundes willen getötet werden. Auch im Prozesse weiß Delrio sich das Ansehen der Besonnenheit zu geben, indem er unwesentliche Einzelheiten, die gleichwohl großen Anstoß gegeben hatten, wie das Hexenbad und die Nadelprobe, mißbilligt, auch zum Maßhalten in der Tortur rät Janssen, VIII, S. 664.; dabei bleibt ihm aber, wie allen übrigen, die Zauberei ein Crimen exceptum, wo alles vom Ermessen des Richters abhängt, und aus dem den Inquisiten von ihm umgeworfenen Netze ist kein Entkommen möglich. Völlige Lossprechung, obgleich rechtlich denkbar, widerrät er; der Richter soll nur von der Instanz entbinden.

Wo Gelehrsamkeit und Sophismen nicht mehr ausreichen wollen, da wird durch vornehmes Naserümpfen, durch Verdächtigen und Schrecken gewirkt. Die früheren Gegner seines Systems oder einzelner seiner Sätze, einen Melanchthon, Alciatus, Agrippa, Weyer, Montaigne u. a. macht er lächerlich. Ketzer, einseitige Literatoren, Legisten und Rabulisten müssen schweigen, wo der Jesuit redet, und dürfen sich weder auf den Kanon Episcopi, noch auf den gesunden Menschenverstand berufen; wer nicht an Hexen glaubt, ist kein Katholik. Seinen künftigen Gegnern aber hält er erst die Katastrophe eines Edelin, Loos und Flade vor, und dann fordert er sie auf, seine Lehre von der Wirklichkeit der Hexenfahrten entweder zu widerlegen oder anzunehmen. Dieses geschieht in eben demselben Kapitel, in dem das Leugnen der Hexengreuel als Indizium der Zauberei aufgestellt wird. Von solchem Geschütz verteidigt, ist Delrios Werk ein Bollwerk des Hexenprozesses geworden, und mehrere Menschenalter sind vergangen, ehe der erste wirksame Angriff darauf gewagt werden konnte. Kaum daß sich einzelne Stimmen über die unmäßige Barbarei der Prozeßbehandlung vernehmlich zu machen wagten; die Hauptsache blieb unangefochten. Das offizielle Geschichtswerk des Jesuiten Juvencius S. I. »Historia Societatis Jesu«, Romae 1710, S. 851, schreibt über Delrio »Nicht zufrieden, die Ketzer zu verfolgen, hat Delrio auch ihre schändliche Ausgeburt, die Zauberei, die damals in Deutschland weit verbreitet war, in einem gehaltvollen Werke (operoso volumine) bekämpft. Diesen in sich dunkeln und wie mit höllischen Nebeln umgebenen Gegenstand, hat er gründlich erläutert und mit bewundernswerter Gelehrsamkeit, in geistlicher wie weltlicher Hinsicht, ausgeschmückt.«

Kurz nach Delrio schrieb sein Landsmann Torreblanca eine Dämonologie in vier Büchern Erste Ausgabe 1615, dann Mainz 1623.. Sie ist dem Papste Paul V. gewidmet und hat die Approbation des heiligen Officiums. Hieraus folgt von selbst der Schluß, daß sie sich von dem bereits bekannten System nicht entferne.

siehe Bildunterschrift

Aus: Sphaera Infernalis Mystica von Joh. Gg. Hagelgans, Frankfurt a. M. 1740


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