Samuel Smiles
Selbsthilfe
Samuel Smiles

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Vorrede.

Es ist dies eine revidierte Ausgabe eines Buches, welches in der Heimat wie auch in anderen Ländern mit großem Beifall aufgenommen worden ist. Man hat es in verschiedenen Ausgaben in Amerika nachgedruckt; es sind Übersetzungen davon in holländischer und französischer Sprache erschienen; und es wird gegenwärtig auch ins Deutsche und Dänische übersetzt. Das Buch ist ohne Zweifel den Lesern aus den verschiedensten Ländern darum interessant gewesen, weil es eine Fülle von Anekdoten und Charakterzügen aus dem Leben bedeutender Männer mitteilt, und weil jeder an den Mühen, Prüfungen, Kämpfen und Erfolgen seiner Mitmenschen einen gewissen Anteil nimmt. Niemand kann besser als der Autor selbst den fragmentarischen Charakter dieses Werkes erkennen, an welchem die eigentümliche Art seiner Entstehung schuld ist. Es ist nämlich aus einer Reihe von Aufzeichnungen zusammengestellt, die der Autor im Laufe vieler Jahre gemacht hatte, und die ursprünglich als Vorlesungen oder Vorträge für junge Leute dienen sollten, ohne daß dabei an eine spätere Veröffentlichung gedacht worden wäre. Das Erscheinen dieser neuen Ausgabe hat dem Verfasser Gelegenheit gegeben, manches Überflüssige aus dem Buche zu entfernen und dafür eine Menge neuer Beispiele anzuführen, die – wie er hofft – von allgemeinem Interesse sein werden.

Wie es sich gezeigt hat, ist der Titel dieses Werkes, der nun nicht mehr geändert werden kann, in einer Beziehung etwas unglücklich gewählt; denn er hat manche Leute, die eben nur nach dem Titel urteilten, veranlaßt, darin eine Verherrlichung der Selbstsucht zu vermuten – d. h. gerade das Gegenteil dessen, was es wirklich ist oder doch nach dem Wunsche des Verfassers sein sollte.

Obwohl dieses Buch ohne Zweifel in erster Linie den Zweck verfolgt, junge Leute dazu anzutreiben, daß sie sich fleißig – ohne Scheu vor der damit verbundenen Arbeit, Mühe oder Selbstverleugnung – mit würdigen Gegenständen beschäftigen und sich lieber auf die Kraft der eigenen Anstrengung als auf die Hilfe oder Gunst anderer Leute verlassen, so werden doch die angeführten Beispiele aus dem Leben von Schriftstellern, Gelehrten. Künstlern, Erfindern, Lehrern, Philantropen, Missionären und Märtyrern den Leser darüber aufklären, daß die Pflicht der Selbsthilfe in ihrer edelsten Auffassung auch die Pflicht in sich schließt, dem Nächsten Hilfe angedeihen zu lassen.

Man hat dieser Arbeit auch vorgeworfen, daß darin zu viel Rücksicht auf diejenigen genommen sei, die es aus eigener Kraft im Leben zu etwas gebracht – wogegen der Autor zu wenig auf die vielen anderen geachtet habe, deren Bemühungen erfolglos blieben. »Warum,« hat man gefragt, »sollte der Mißerfolg nicht ebensogut seinen Plutarch haben als der Erfolg?« Freilich könnte auch der Mißerfolg seinen Plutarch haben; nur meinen wir, ein Bericht bloßer Mißerfolge müßte auf den Leser sehr deprimierend wirken und außerdem sehr wenig belehrend sein. Wir haben aber auf den folgenden Seiten nachgewiesen, daß für einen treuen Arbeiter der Mißerfolg eine treffliche Schule ist, die ihn zu neuen Anstrengungen treibt, seine besten Kräfte hervorlockt, ihn in der Selbstvervollkommnung und Selbstbeherrschung fördert und ihm wachsende Weisheit und Erkenntnis verleiht. In diesem Lichte betrachtet, ist das durch Beharrlichkeit überwundene Mißgeschick immer interessant und lehrreich – was wir an vielen Beispielen nachzuweisen gesucht haben.

Der Mißerfolg an und für sich aber – wenn man sich auch am Ende seines Lebens darüber trösten kann – ist unserer Ansicht nach kein Gegenstand, auf den man einen Jüngling, der doch erst am Anfang seiner Laufbahn steht, besonders aufmerksam machen müßte. »Wie etwas nicht gemacht wird,« ist nicht schwer zu erlernen; man braucht dazu weder Unterricht, Bemühung oder Selbstverleugnung – noch Fleiß, Geduld, Beharrlichkeit oder Verstand. Außerdem haben die Leser wenig Interesse für einen General, der seine Schlachten verlor – einen Ingenieur, dessen Maschinenkessel platzten – einen Architekten, der nur unförmliche Bauten schuf – einen Maler, der nie über Schmierereien hinauskam – einen Projektenmacher, der seine Maschine nie erfand – oder einen Kaufmann, der beständig fallierte.

Freilich können die Besten in den besten Bestrebungen zu Fall kommen; aber diese Besten hatten weder die Absicht zu fallen, noch betrachteten sie ihr Mißgeschick als etwas Verdienstliches. Sie wünschten im Gegenteil, ihr Ziel zu erreichen, und sahen ihr Mißgeschick als ein Unglück an. Das Fehlschlagen guter Bestrebungen bringt dem Menschen keine Unehre; aber das Gelingen schlechter Pläne gereicht ihrem Urheber zur Schande. Gleichwohl ist in einer guten Sache der Erfolg natürlich immer besser als der Mißerfolg. In jedem Fall jedoch kommt es weniger auf das Resultat als auf den Zweck und die Mittel – auf die Geduld, die Tapferkeit und Beharrlichkeit an, mit welcher man nach wünschenswerten und würdigen Zielen strebt. –

»Nicht kann der Mensch sich den Erfolg erzwingen –
Doch kann er suchen, seiner wert zu sein!«

Dies Buch verfolgt – kurz gesagt – den Zweck, dem Leser einige alte, aber heilsame Wahrheiten ins Gedächtnis zu rufen, auf die nicht oft genug hingewiesen werden kann. Es will ihn daran erinnern, daß ein Jüngling arbeiten muß, wenn er genießen will – daß keine verdienstliche That ohne Fleiß und Anstrengung vollbracht werden kann – daß ein Student sich nicht durch Schwierigkeiten entmutigen lassen darf, sondern versuchen muß, dieselben durch Geduld und Beharrlichkeit zu überwinden – und daß er vor allem danach trachten muß, sich einen ehrenwerten Charakter anzueignen, weil ohne einen solchen das Wissen wertlos und der irdische Erfolg nichtig ist. Wenn es dem Autor nicht gelungen sein sollte, diese Wahrheiten zu beweisen, so müßte er in der That bekennen, daß dies Buch seinen Zweck verfehlt hätte.

Neu eingeschaltet sind in der vorliegenden Ausgabe die folgenden Stellen: Berühmte Ausländer von bescheidener Herkunft; französische Generäle und Marschälle, die aus den Reihen der Gemeinen hervorgingen; De Tocqueville und gegenseitige Hilfe; William Lee, Mitglied des Parlaments – der Strumpfwirkerstuhl; John Heathcoat, Mitglied des Parlaments – die Klöppelmaschine; Jacquard und sein Webstuhl; Vaucanson; Josua Heilmann und die Krempelmaschine; Bernard Palissy und seine Kämpfe; Böttger, der Entdecker des harten Porzellans; der Graf von Buffon in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen; Cuvier; Ambrose Paré; Claude Lorraine; Cacques Callot; Benvenuto Cellini; Nicolas Poussin; Ary Scheffer; die Strutts aus Belper; Franz Xaver; Napoleon als Geschäftsmann; Unerschrockenheit der Dealer Schiffer; u.a.m.

London, im Mai 1866.


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