Karl Simrock
Die Schildbürger
Karl Simrock

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Fünfundzwanzigstes Kapitel

Wie der Schultheiß der Schildbürger abdankte und die andern darnach sich Räthsel aufgaben, wie sie auch hernach den Kaiser ihre Bürgerlust sehen ließen.

Nachdem die Mahlzeit vollbracht war, war es Zeit und geziemte sich, daß man abdankte und die Tafel aufhob. Deßhalb stunden die vornehmsten Schildbürger auf, warfen ihre Wölfe (also nannte Eulenspiegel die groben Bauernröcke, im 46. Kapitel) um sich und traten ab. Der Schultheiß, welcher die Rede thun sollte, trat auch ab und ging von den andern beiseite; vielleicht sich zu bedenken, wie er abdanken sollte, oder etwas Andres zu thun. »Gehet ihr nur fort«, sprach er, »hinein und wartet mein, ich will von Stund an bei euch sein, trink Jeder indeß ein Gläschen mit Wein.«

Als sie nun in aller Ehrbarität zusammen hineintraten, klopfte der Pfaff mit einem Teller zum Abdanken. Und als man Silentium gehalten hatte, so lange als Einer an einer teigigen Birne aussaugen möchte, war mein Herr Schultheiß noch nicht da: die andern sahen sich Alle nach ihm um und sprachen zu einander: »Wie kommt er so hübsch?« Zuletzt kam er daher geraschelt, dankte ab und sprach: »Also ihr lieben Nachbarn und Freunde, die ihr hier erschienen seid, wir sagen euch Dank für euer Erscheinen und bitten vorlieb zu nehmen: der Spieß und der Hafen konntens nicht besser geben noch der Koch besser zurichten. Was ihr gegessen und getrunken habt, das gesegne euch der liebe Gott, er wolls euch gesegnen, er hats euch gesegnet, er gesegnets euch noch, er wirds euch gesegnen, er solls euch gesegnen, er muß es euch gesegnen. Es giebt Jeder für sich selbst, einer im andern und mit einander und durcheinander und neben einander, auch vor und nach einander, und über und unter, auch hinter und vor einander drei Batzen: so viel habt ihr verschlucket. Aber ihr, Junker Kaiser, seid unser Gast gewesen, ihr sollt nichts geben.«

Darauf, als sich die Schildbürger wieder niedergesetzt hatten und anfingen trunken zu werden, huben sie an, sich einander Räthselchen aufzugeben. Der Schultheiß, welcher neben dem Kaiser saß, raunte ihm ins Ohr, er wisse Alles, was sie vorbringen würden, und hab es schon gewußt, eh er auf Spänlein hofiren können: er wolle es ihm derwegen allzeit sagen, jedoch heimlich damit die Sachen nicht gar zu gemein und dadurch verachtet würden.

Da fingen sie an zu räthseln, also, daß sie zu einander sagten: Nun rathe mir Einer dies, nun rathe mir Einer das. Und der Schultheiß raunte dem Kaiser allzeit ins Ohr, was es bedeute, dazu sprechend: »Aber sagts Niemand.« – Nun sprach immer der Nächste, der trinken sollte: denn sie hielten die Ordnung, daß derjenige, an welchem der Trunk war, auch das Räthsel aufgeben mußte. Und Einer sagte:

»Von außen Haar
Von innen Haar,
Ein Zapf von Haar darein:
Rath, was mag das wohl sein?«

»Vester Junker Kaiser,« sprach der Schultheiß dem Kaiser ins Ohr, »es ist ein Instrument, mit welchem die Bauernbengel die Köpfe bedecken.«

Auf diesen sprach ein anderer Schildbürger:

»Ich saß auf dem Blöchlein,
Und sah mir selbst – –
Ach Löchlein, wie bist du so ungeheuer
Wie sind um dich die Stich so theuer!«

»Vester Junker Kaiser«, sagte der Schultheiß zum Kaiser, – – Was er aber gesagt habe, daß dieses Räthsel bedeute, hab ich im Exemplar, das von Würmern zerfressen gewesen, nicht lesen können.

Ein anderer Schildbürger sagte, da die Ordnung zu reimen an ihn kam:

»Ich ging durch ein Gäßlein,
Begegnet mir ein schwarz Pfäfflein:
Eh ich konnte sagen: Och!
War er mir schon im –«

»Vester Junker Kaiser,« sprach der Schultheiß zum Kaiser, »laßt es euch nicht irren, sondern gedenket an einen Dorn, der einem in den Fuß geht.«

Noch Einer kam herfür, welcher nicht der Geringste sein wollte, und sprach: »Nun will ich auch eins sagen und Allen aufgegeben haben. Merket auf dahinten!

– aufs –
Zapf ins –
Tasch vor den –
Rath, was ist das?«

Auf das Räthsel des Herrn Schultheißen konnte Niemand Antwort geben und daß es eine Sackpfeife wäre, errathen: man gab ihm also gewonnen und hob den Tisch auf.

Nach aufgehobener Tafel fragten sie den Kaiser: ob er nicht flötzeln wolle und darnach ihre Bürgerlust sehen. Der Kaiser sagte: »Des Flötzelns bedürfe er nicht, aber ihre Bürgerlust wollte er gerne sehen.« Darauf gingen sie hin, schlossen alle ihre Zäune zu und hielten ihre Bürgerlust und Kurzweile.

Indessen kam ein Durchreisender vor Schilde und als er nicht hineinkommen konnte, fragte er einen über den Zaun: warum dies geschehe? »Die Bürger«, sagte der gefragte Schildbürger, »halten ihre Bürgerlust.« »Und was ist das?« fragte der Fremde. »Sie haben«, sagte der Schildbürger, »einem Hund eine Blase mit Erbsen angehenkt und lassen denselben, dem Kaiser zu Ehren, im Flecken (wer Dorf sagte, ward gestraft) herumlaufen.« Dies war die Bürgerlust: thu es ihnen nach, wenn du nie deßgleichen gethan hast.


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