Karl Simrock
Die Schildbürger
Karl Simrock

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Viertes Kapitel

Abschrift des Briefs, den die Weiber zu Schildburg an ihre Männer gesendet.

»Wir die ganze weibliche Gemeinde zu Schildburg entbieten euch, unsern getreuen herzlieben Ehemännern, sämmtlich und sonderlich unsern Gruß und fügen hiemit zu wissen: Demnach (Gott Lob und Dank) unser ganzes Geschlecht der Schildbürger mit höchster Weisheit und Verstand solchermaßen begabt und vor andern gesegnet worden, daß auch weit entfernte Fürsten und Herren selbige nicht allein zu hören begehrten, sondern sich auch bei vorfallenden Geschäften derselben zu bedienen sonderbare Lust bezeigten und deßhalb euch Alle von Haus und Hof, von Weib und Kind abforderten und nun lange Zeit bei ich behielten; da denn zu besorgen, daß sie euch mit Gaben und Verheißungen, welche, die letzten sonderlich, bei solchen Personen sehr groß sind, solchermaßen verhaften und vestricken werden, daß ihr gar nicht mehr abkommen könnt, sondern in der Fremde, wiewohl wir auch sonst schon Fremdlinge sind, ferne von uns und euren lieben Kindlein, ferne von Allem, was euch lieb ist und angenehm, euer Leben zubringen und beschließen müsset; wodurch aber unsern Sachen zu Hause weder gerathen noch geholfen ist, sintemal alle Dinge in Abgang gerathen, das Feld, aus welchem wir unsere Nahrung haben, aus Mangel des Baus verdirbt, das Vieh verwildert, das Gesinde ausartet, die Kinder, welche wir arme Mütter gemeinlich gar zu sehr, und mehr als oftmals gut ist, lieben, ungehorsam werden; anderes Ungemachs, das aus eurer Abwesenheit entsteht, welches ihr nach eurer Weisheit und hohem Verstand selbst errathen könnt, zu geschweigen, und nicht zu gedenken, daß unser Geschlecht der Schildbürger, welches nun so viele Jahre gewährt, dadurch in Abgang kommt und aus Mangel der kleinen Haushaltung zuletzt ganz untergeht: Also haben wir, in Betrachtung dieser und anderer Ursachen, nicht können unterlassen, wie wir denn auch zu thun schuldig, euch hiemit eures Berufs und Amts zu erinnern und wiederum heim zu fordern.

Welches ihr denn um so viel eher annehmen und thun werdet, wenn ihr betrachtet und zu Herzen führt, wie so gar unbilliger Weise wir armen Weiber von euch, die ihr uns nach eurer Zusage Treu und Glauben zu halten und zu leisten schuldig und verbunden, nunmehr eine lange Zeit so ganz verlassen gewesen, gleichsam als hätten wir mit einander nie etwas weder zu schicken noch zu schaffen gehabt, die wir doch euer eigen Fleisch und Blut unter dem Herzen getragen haben. Hat die Natur es auch selbst unvernünftigen Thieren eingepflanzt, daß sie ihre Zucht und Gesellschaft nicht verlassen und verrathen, wovon euch augenscheinliche Exempel täglich schamroth machen sollten: wie viel mehr gebührt es einer vernünftigen Kreatur, einem mit Weisheit und Verstand begabten Menschen, seiner Gesellin anzuhangen und ihr getreue Hülfe und Beistand zu leisten! Wie widersinnig und widernatürlich es sei, daß Einer sich selber versäume, das werdet ihr wohl erachten: wie könnt ihr denn uns, und hiemit euch selber, sintemal wir und ihr ein Fleisch sind, verlassen? Bedenket die Kinder, die wir miteinander gezeugt, welche nun schon anfangen zu fragen, wer doch ihre Väter seien? Was meint ihr, daß sie euch für großen Dank sagen werden, wenn sie erwachsen, und von uns vernehmen, daß ihr sie trost- und hülflos verlassen und dem Verderben überwiesen, ja vorgeworfen habt? Meinet ihr nicht, daß die natürliche Liebe und Zuneigung, die sie zu euch tragen sollten, dadurch erlöschen werde?

Fürwahr, das Glück ist kugelig und wandelbar, und verkehrt sich bald. Habt ihr nie gehört den alten Spruch:

Jungfernlieb und Rosenblätter,
Herrengunst, Aprilenwetter,
Falsche Würfel, Kartenspiel,
Suchen bald ein ander Ziel.

Vermeint ihr, der Fürsten und Herren Gunst werde euch allzeit gleich geneigt bleiben? Die alten Hunde, wenn sie ausgedient und sich mit Jagen abgearbeitet haben, also daß sie mit ihren stumpfen Zähnen die Hasen nicht mehr halten können, so pflegt sie der Jäger an den nächsten Baum, der ihm gefällt, aufzuhenken und so ihre getreuen Dienste zu belohnen. Wie viel besser und nützlicher, ja rühmlicher und löblicher wär es euch, wenn ihr daheim zu Haus, euern selbsteigenen Sachen und Händeln nachgehend und nachtrachtend, in guter Ruhe, Frieden und Freiheit lebtet, die Früchte eurer Güter genösset und euch mit euren Weibern und Kindern, Gefreunden und Verwandten erlustigtet und erfreutet, unbesorgt, daß Jemand euch von solcher Freiheit, die höher als alles Geld und Gold zu schätzen, verdränge und verstoße! Und ob man gleich auch andern Leuten helfen und rathen soll, so könnt ihr Solches wohl befolgen und dennoch zu Haus und bei den Euren bleiben. Wer euer bedarf, der wird euch schon suchen und finden, wenn es ihm anders sonderlich Noth thut.

Alles das werdet ihr, liebe Männer, viel besser betrachten und erwägen, als wir es schreiben wollen, daß nämlich die Sachen in gemeldeter Weise beschaffen, ja daß noch viel mehr wichtige und dringende Ursachen, davon wir allhier geschweigen, euch dazu bewegen und treiben sollen. Hiemit beschließen wir diesen Brief, in der Hoffnung, diese unsere Ermahnung und Erinnerung werde bei euch so viel Platz greifen, daß ihr euch also bald und unverzüglich aufmachen und heimkehren werdet, wo ihr nicht bald fremde Vögel in euerm Nest sehen wollt, und hören, wie sie euch zupfeifen: Vor der Thür ist draußen. Darum seid vor Schaden gewarnet. Beschlossen und gegeben zu Schildburg, mit eurem Siegel, welches euch und mit nichten uns Weibern zu verwahren gebürte, besiegelt und verwahrt, auf (Jahr und Tag) u.s.w.«


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