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7. Sieg des Genius.

Herschko hatte die Rzepowa mit ihrem Kinde unter der Weide aufgehoben und nach Widderkopf genommen. Auf dem Wege traf er Rzepa, der, als er merkte, daß ein Sturm im Anzuge sei, mit dem Wagen seiner Frau entgegengefahren war. Die Arme lag die ganze Nacht krank danieder, und noch tags darauf, aber dann erhob sie sich wieder, denn das Kind war auch krank. Die Paten kamen und räucherten es mit geweihten Kränzen, eine alte Schmiedin besprach die Krankheit mit einer schwarzen Henne unter einem Siebe, dem Kinde wurde etwas wohler, doch die Not mit Rzepa selbst war am größten, da er täglich Branntwein ohne Maß trank und infolgedessen schwer zurecht kommen konnte. Sonderbar! Als die Rzepowa nach dem angestrengten Gange zum Bewußtsein gekommen war und sich gleich nach dem Kinde erkundigte, kam er ihr sehr grob entgegen, anstatt Mitleid mit ihr zu haben. »Du läufst in der Stadt herum, und der Böse holt das Kind. Du hättest was erleben können, wenn dem Kinde etwas zugestoßen wäre!« Bei dieser Rücksichtslosigkeit fühlte sie eine wahre Bitterkeit und sie wollte ihm mit einer Stimme, die aus dem von tiefem Weh vibrierenden Herzen kam, einen Vorwurf machen, sie vermochte aber nur aufzuschreien: »Lorenz!« und schaute ihn mit thränenvollen Augen an. Den Mann warf es fast von der Kiste, auf der er sich befand. Eine Zeitlang herrschte Stille, dann sagte er mit einer ganz anderen Stimme: »Meine Marysko, vergib mir, was ich gesprochen, ich sehe, daß ich Dich geärgert habe!« Dabei schrie und schluchzte er und küßte ihr wiederholt die Füße, und sie begleitete ihn im Weinen. Er wußte genau, daß er dieses Weib nicht wert sei. Dieser Frieden währte jedoch nicht lange. Wenn Rzepa in die Hütte trat, nüchtern oder betrunken, redete er kein Wort mit der Frau, er setzte sich auf die Kiste und saß stundenlang wie versteinert. Sie war fleißig und arbeitete in der Hütte wie früher, aber sie schwieg gleichfalls. Später, wenn eins dem andern auch etwas sagen wollte, fiel es beiden sehr schwer. So lebten sie weiter, und in der Hütte herrschte Grabesstille. Sie fanden auch keinen Stoff zur Unterhaltung, beide wußten, daß ihr Los besiegelt sei. Rzepa gingen böse Gedanken durch den Kopf. Er ging zur Beichte zum Vikar, dieser erteilte ihm keine Absolution und befahl ihm, am andern Tag wiederzukommen, aber anstatt in die Kirche ging Rzepa in die Schenke. Die Leute hörten, wie er im trunkenen Zustande Gott lästerte und sagte: »Wenn ihm Gott nicht helfen wolle, verkaufe er sich dem Teufel.« Von nun an meldete man ihn, und über seiner Hütte schwebte ein gewisser Fluch. Alle Leute hatten böse Zungen, man sagte, der Ortsrichter und Schreiber hätten noch ein gutes Werk gestiftet, denn ein solcher Ketzer hätte nur die Rache Gottes über ganz Widderkopf heraufbeschworen. Auch die guten Paten haben der Rzepowa unerhörte Dinge zugedacht. Der Zufall wollte es, daß bei Rzepa der Brunnen versiegte. Die Rzepowa mußte nun, um Wasser zu holen, an der Schenke vorbei und hörte, wie die Jungen zueinander sagten: »Das ist das Soldatenweib!« Ein anderer Junge sagte: »Es ist kein Soldatenweib, es ist eine Teufelin!« Die Rzepowa ging ruhig des Weges, bemerkte aber, daß sich die Jungen bekreuzten. Sie goß Wasser in die Kanne und ging heim. Vor der Schenke stand gerade Schmul. Als er die Rzepowa sah, nahm er sofort die Pfeife aus dem Munde und rief: »Rzepowa!«

»Was wollt Ihr?« fragte sie und blieb stehen.

»Wart Ihr beim Dorfgerichte?« fragte er.

»Jawohl!«

»Ward Ihr beim Geistlichen?«

»Ich war!«

»Wart Ihr bei der Herrschaft?«

»Ich war!«

»Wart Ihr im Bezirksamte?«

»Jawohl!«

»Und Ihr habt nichts erwirkt?«

Seufzend antwortete ihm Rzepowa, und Schmul begann wieder: »Nein! Wie könnt Ihr so dumm sein, es gibt nichts Dümmeres in Widderkopf! Wozu seid Ihr da soviel herumgelaufen?«

»Wohin sollte ich den gehen?«

»Wohin?« antwortete der Jude. »Worauf steht der Vergleich? Auf dem Papiere; ist kein Papier da. ist auch kein Vergleich da: man zerreiße das Papier und damit Schluß!«

»O, wie schlau!« sagte die Rzepowa, »wenn ich das Papier hätte, es wäre schon lange in Stücken!«

»Bah! Wißt Ihr denn nicht, daß der Schreiber im Besitz des Papieres ist? Nun … ich weiß, daß Ihr bei ihm viel vermöget; er sagte mir selbst: ›wenn nur die Rzepowa kommt und mich bittet, ich zerreiße sofort das Papier und damit basta!‹«

Die Rzepowa antwortete nichts, rasch griff sie nach ihrer Kanne und schlug den Weg zur Wohnung des Schreibers ein. Es wurde schon finster.


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