William Shakespeare
Das Winter-Mährchen.
William Shakespeare

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebende Scene.

Verwandelt sich in Paulinas Haus.

Leontes, Polixenes, Florisell, Perdita, Camillo, Paulina, verschiedene Herren vom Hofe, und Gefolge, treten auf.

Leontes. O weise und gute Paulina, wie oft bist du mir zum Troste gewesen!

Paulina. Mein Gnädigster Gebieter, was ich nicht recht that, das meynte ich doch gut; ihr habt mich für alle meine Dienste überflüssig bezahlt. Aber daß Eure Majestät mit dem Könige, ihrem Bruder, und diesen verlobten Erben beyder Kronen, gekommen ist, mein armes Haus zu besuchen; diß ist ein Uebermaaß von Gnade, welche zu verdienen mein übriges Leben nicht zureichen kan.

Leontes. O Paulina, die Ehre, die wir euch erweisen ist Unruh; – – Aber, wir kamen um die Bildsäule unsrer Königin zu sehen. Eure Galerie haben wir durchgegangen, und mit vielem Vergnügen über manche seltne Stüke; aber das, was meine Tochter so sehnlich zu sehen verlangt, sahen wir nicht – – das Bild ihrer Mutter.

Paulina. So wie sie im Leben unvergleichlich war, so übertrift auch ihr todtes Ebenbild, wie ich mit Recht glaube, alles was ihr jemals gesehen habt, oder eines Menschen Hand jemals gemacht hat; deßwegen bewahr' ich es auch mit mehr als gewöhnlicher Zuneigung auf. Aber hier ist es: Bereitet euch vor, das Leben so lebhaft vorgestellt zu sehen, als jemals der Schlaf den Tod vorgestellt hat.

(Paulina zieht einen Vorhang und entdekt Hermione, gleich einer Bildsäule auf einem Fußgestelle stehend.)

Euer Schweigen gefällt mir; es beweist euere Erstaunung nur desto besser – – Aber sagt mir nun, ihr zuerst, mein Gebietender Herr, kommt es nicht ziemlich nahe?

Leontes. Ihre natürliche Stellung! – – O mache mir keine Vorwürfe, theurer Stein! damit ich in der That sagen kan, du seyst Hermione; denn sie war so zärtlich als Kindheit und Unschuld – – Aber, Paulina – – Hermione hatte nicht so viele Falten, war bey weitem nicht so alt, wie diß scheint.

Polixenes. O, wahrhaftig nicht!

Paulina. Desto grösser ist die Geschiklichkeit unsers Künstlers, der sechszehn Jahre überspringt, und sie so macht, als lebte sie izt.

Leontes. Wie sie denn auch gelebt hätte, ach! so sehr zu meinem Trost, als dieser Anblik izt mein Herz durchbort. O! so stuhnd sie; mit dieser lebenden Majestät (warmes Leben, wie sie izt kalt steht) als ich zum erstenmal um ihre Liebe bat – – Ich schäme mich – – wirft mir dieser Stein nicht vor, daß ich mehr Stein sey, als er selbst? O Königliches Stüke! Es ist Zauberey in deiner Majestät, die meine Uebelthaten wieder in mein Gedächtniß gezaubert, und meiner bewundernden Tochter die Lebensgeister geraubt hat, daß sie, wie selbst versteinert, neben dir steht.

Perdita. Erlaubet mir, und saget nicht, es sey Aberglauben, daß ich niederknien und um ihren Segen bitte – – Theure Königin, Theure Mutter, welche aufhörte, da ich kaum begann, gebt mir diese eure Hand zu küssen – –

Paulina. O, Geduld; – – die Statue ist ganz neu aufgerichtet, die Farben sind noch nicht troken.

Camillo (zu Leontes.)
Gnädigster Herr, euer Schmerz ist zu dicht aufgetragen, da sechszehn Winter ihn nicht wegblasen, und sechszehn Sommer nicht auftroknen konnten; kaum lebte jemals ein Vergnügen so lange; und eines jeden andern Schmerz würde sich in so viel Zeit selbst aufgerieben haben.

Polixenes. Mein theurer Bruder, gestattet dem, der die Ursache von allem diesem war, soviel Vermögen, euch soviel Schmerz abzunehmen, als er für seinen eignen Theil fühlt.

Paulina. In der That, wenn ich gedacht hätte, der Anblik meines armen Bildes würde diese Würkung auf euch thun, so würd' ich's euch nicht haben sehen lassen.

Leontes. O, zieht den Vorhang nicht.

Paulina. Ich laß euch nicht länger so stehn und es anstarren; eure Einbildung könnt' euch sonst zulezt gar bereden, es rege sich.

Leontes. Laß es seyn, laß es seyn; ich wollt ich wäre todt, wenn mir nicht izt schon so wäre – – Aber wer war der, der es machte? Sehet her, mein Herr; würdet ihr nicht meynen, es athme? und daß in diesen Adern würkliches Blut sey?

Polixenes. Es ist meisterlich gemacht! wahres Leben scheint ihre Lippen zu erwärmen.

Leontes. Es ist Regung in ihren Augen. Ists möglich daß die Kunst so weit gehen kan?

Paulina. Ich muß den Vorhang ziehen, der König ist so sehr entzükt, daß er bald denken wird es lebe.

Leontes. O liebe Paulina, mache mich das zwanzig Jahre in einem fort denken: Alle Vernunft in der Welt kan mir das Vergnügen dieses Wahnsinns nicht ersezen. Laß es wie es ist.

Paulina. Es ist mir leid, Gnädigster Herr, daß ich euch zu einer so grossen Bewegung Anlaß gegeben habe; aber ich könnt euch noch mehr betrüben.

Leontes. Thu es, Paulina; denn diese Traurigkeit hat etwas herzerquikendes in sich. Mich dünkt immer, es athme etwas von ihr gegen mich her. Welcher Meissel konnte jemals Athem heraus graben? Spotte niemand über mich, aber ich muß sie küssen.

Paulina. Thut es nicht, Gnädigster Herr; die Röthe auf ihren Lippen ist noch naß; ihr würdet sie verderben, wenn ihr sie küßtet; und eure eignen mit Oel-Farbe befleken; soll ich den Vorhang ziehen?

Leontes. Nein, nicht in den nächsten zwanzig Jahren.

Perdita. So lange könnt ich dastehn, und es in Einem fort anschauen.

Paulina. Entweder entfernt euch von der Nische, oder entschließt euch noch mehr zu erstaunen; wenn ihr es sehen könnt, so will ich machen, daß die Statue sich bewegen soll, in der That; sie soll herunter steigen, und euch bey der Hand nehmen; aber dann werdet ihr denken, ich thue es mit Hülfe böser Geister, und ich schwöre euch, daß es nicht ist.

Leontes. Ich bin bereit alles zu sehen was ihr sie thun, und alles zu hören, was ihr sie reden machen könnet; denn es ist eben so leicht zu machen, daß sie rede, als daß sie sich bewege.

Paulina. Es wird erfordert, daß ihr allem euerm Glauben aufbietet; nur dann, so stehet alle still; und diejenige, welche denken, daß es nicht richtig damit zugehe, mögen sich wegbegeben.

Leontes. Machet fort; kein Fuß soll sich regen.

Paulina. Musik; erweke sie: erschalle: (Man hört Musik.) Es ist Zeit; steiget herab; seyd nicht mehr Stein; nähert euch und rühret alle die euch ansehen, mit Erstaunen. Kommt; ich will euer Grab einnehmen; nun, so kommt doch; vermachst dem Tod euere Unbeweglichkeit – – ihr seht, sie regt sich; (Hermione steigt herab.) Entsezet euch nicht; ihre Handlungen sollen so heilig seyn, als meine Zauberey erlaubt ist; weichet nicht vor ihr zurük – – nein, gebt ihr die Hand; wie sie jung war, mußtet ihr euch um ihre Gunst bemühen; nun da sie alt ist, muß sie um die eurige buhlen – –

Leontes (Indem er sie umarmt.)
O, sie ist warm; wenn das Zauberey ist, so laßt zaubern eine so erlaubte Kunst seyn als essen.

Polixenes. Sie umarmt ihn.

Camillo. Sie hängt sich an seinen Hals; wenn sie Leben in sich hat, so laßt sie auch reden.

Polixenes. Und uns sagen, wo sie gelebt habe, oder wie sie sich aus dem Reiche der Todten weggestohlen?

Paulina. Wenn man's euch nur sagte, daß sie lebt, so würdet ihr's wie ein altes Mährchen auszischen; aber ihr sehet daß sie lebt, ob sie gleich nicht spricht – – Noch eine kleine Geduld – – Gefällt es euch, schöne Prinzessin, so kommt näher, kniet nieder, und bittet eure Mutter um ihren Segen – – Wendet euch um, meine gnädigste Frau, unsre Perdita ist gefunden.

(Sie stellt ihr Perdita vor, die sich vor Hermione auf die Knie wirft.)

Hermione. Ihr Götter, schaut herab, und schüttet eure besten Segnungen alle auf meiner Tochter Haupt; sage mir, meine Eigne, wo bist du erhalten worden? Wo hast du gelebt? Wie hast du deines Vaters Hof gefunden? Denn du wirst hören, daß ich, von Paulinen versichert, das Orakel gebe Hoffnung daß du noch lebest, mich selbst aufgesparet habe, um diesen Ausgang noch zu sehen.

Paulina. Zu allem diesem habt ihr nun Zeit genug; geht nun mit einander, ihr erlauchten Glüklichen alle, und theilet eines dem andern sein Entzüken mit; ich alte Turtel-Daube will auf irgend einen verwelkten Ast fliegen, und dort meinen Gatten, der nicht wieder gefunden werden kan, betrauren, bis ich selbst nicht mehr bin.

Leontes. O, stille, Paulina; hast du mir wieder eine Gemahlin gegeben, so must du auch einen Mann von meiner Hand annehmen. Das ist etwas ausgemachtes zwischen uns und durch Gelübde bekräftiget. Du hast meine Hermione gefunden; wie, begreiffe ich noch nicht; denn ich glaubte, ich sehe sie todt; und habe, glüklicher Weise vergebens, manches Gebet auf ihrem Grabe gethan. Ich will nicht weit suchen, um einen Gemahl für dich zu finden, dessen Achtung für dich mir schon bekannt ist. Kommt, Camillo, und nehmt ihre Hand; ihr, dessen Werth und Rechtschaffenheit sich so vielfältig bewährt hat, und hier von zween Königen bezeugt wird – – Verlassen wir diesen Ort – – wie? Sehet meinen Bruder an: Vergebet mir, vergebet mir beyde, daß ich jemals fähig war, eure tugendhaften Blike durch bösen Argwohn zu trennen: Dieß ist euer Schwieger-Sohn, und der Sohn des Königs – – der durch eine wunderbare Fügung des Himmels mit eurer Tochter verbunden worden ist – – Gute Paulina, führe uns von hinnen, an einen Ort, wo wir einander mit mehr Bequemlichkeit über die Rolle fragen und antworten können, welche jedes in diesem langen Zeitraum, seit dem wir getrennt wurden, gespielt hat. Hurtig führt uns von hier.

(Sie gehen ab.)


 << zurück