William Shakespeare
Das Winter-Mährchen.
William Shakespeare

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dritte Scene.

Der Schäfer, Hans sein Sohn, Mopsa, Dorcas, Bediente, und mit ihnen Polixenes und Camillus, verkleidet, treten auf.

Florisell. Seht, unsre Gäste! Heisset sie willkommen; muntert sie durch eure eigne Frölichkeit zur Freude auf – – Dieser Tag soll der Freude heilig seyn!

Schäfer. Nun wie, Tochter – – warum so stille? Mein altes Weib, tröste sie Gott! die machte es ganz anders; die war an einem solchen Tag Haushälterin, Kellerin, Köchin, Frau und Magd, alles in Eigner Person; sie bewillkommte jedermann; sie bediente jedermann; sie sang, wenn der Reyhen an sie kam, ihr Lied, und tanzte ihren Tanz; bald war sie zu oberst am Tisch, bald in der Mitte; hieng izt um dessen Schulter, izt um dessen; ihr Gesicht war lauter Feuer, so viel hatte sie zu thun, und wenn sie endlich löschen mußte, so gieng sie mit ihrem Glas von einem zum andern, und nippte auf seine Gesundheit – – Aber du, du stehst ja bey Seite als ob du nicht dazu gehörtest, oder als ob du ein Gast und nicht die Wirthin wärest – – ich bitte dich, heisse diese unbekannte gute Freunde willkommen; das giebt gleich Gelegenheit besser mit einander bekannt zu werden. Komm, thu nicht so verschämt, zeige daß du Hauswirthin bey unserm Gastmahl bist. Komm und heiß uns willkommen zu deiner Schaf-Schur, so lieb es dir ist, daß deine gute Heerde gedeyhe.

Perdita zu Polixenes und Camillo:
Meine Herren, seyd willkommen, weil es doch meines Vaters Wille ist, daß ich heute die Wirthin vorstellen soll; ihr seyd willkommen, ihr Herren – – Gieb mir die Blumen dort, Dorcas – – Ehrwürdige Herren, dieser Rosmarin und diese Rauten sind für euch, sie behalten Farbe und Geruch den ganzen Winter durch; behaltet sie zu unserm Andenken, und seyd nochmals willkommen zu unserm Fest.

Polixenes. Schöne Schäferin, ihr denkt, Winterblumen schiken sich am besten für alte Männer wie wir sind.

Perdita. Herr, wenn das Jahr anfängt zu altern, um die Zeit wenn der Sommer noch nicht todt, und der Winter noch nicht gebohren ist, sind die schönsten Blumen der Jahrszeit unsre Nelken und unsre gestriemten Sommer-Violen, die von einigen die unächten Kinder der Natur genannt werden; an dergleichen Blumen ist unser bäurischer Garten unfruchtbar, und ich bekümmre mich nichts darum, Sezlinge davon zu bekommen.

Polixenes. Warum verachtet ihr sie so, holdseliges Mädchen?

Perdita. Weil ich sagen gehört habe, daß diese Blumen ihre bunte Farben der Kunst zu danken haben; und ich liebe die Kunst nicht, welche die Natur verschönern will.

Polixenes. Gesezt, es gebe eine solche Kunst, so ist es doch allemal die Natur selbst, welche dasjenige macht wodurch sie verschönert wird; ihr seht, holdes Mädchen, wir vermählen einen edlen Zweig mit dem wildesten Stamme, und befruchten einen Baum von schlechterer Art durch die Knospe von einer edlern: Dieß ist Kunst, welche die Natur verbessert, ja so gar verwandelt, und doch ist diese Kunst nichts anders, als die Natur selbst.

Perdita. So ist es.

Polixenes. Bereichert also künftig euern Garten mit Sommer-Violen, und nennet sie nicht mehr unächte Kinder der Natur.

Perdita. Das werd ich alsdann thun, wenn es mir einfallen wird, mich zu mahlen, und dann zu wünschen, daß dieser junge Mensch mich so gemahlt schöner finden möge, als in meiner eignen Farbe – – Hier sind Blumen für euch; Lavendel, Münze, Salvey, Majoran, Ringel-Blumen, die mit der Sonne zu Bette gehen, und weinend mit ihr aufstehen: Das sind Sommer-Blumen, und ich denke, sie schiken sich für Männer von mittlerm Alter – – Ihr seyd von Herzen willkommen.

Camillo. Wenn ich einer von eurer Heerde wäre, ich würde das Grasen vergessen, und vom blossen Anschauen leben.

Perdita. Geht, geht; ihr würdet so mager werden, daß euch ein Winter-Sturm durch und durch blasen würde – – Und nun, meine angenehmste Freundin, wollte ich, ich hätte Frühlings-Blumen, die sich für die schöne Jahrszeit euers Lebens schikten, und für euch, deren jüngfräuliche Blühte sich kaum zu öfnen angefangen – – O Proserpina, wer izt die Blumen hätte, die du vor Schreken von Plutons Wagen fallen liessest! Asphodil-Blumen, welche den Schwalben selbst zuvorkommen, und die Merzen-Winde durch ihre Schönheit fesseln; Veylchen, dunkel, aber anmuthiger als die Lider an Junons Augen und Cytherea's Athem; blasse Primuln, welche unvermählt sterben, eh sie den schimmernden Phöbus in seiner Stärke anschauen können; goldne Schonkiljen, Kayser-Kronen, und Lilien von allen Arten – – Diese möchte ich haben, um euch Kränze daraus zu winden, und dich, mein holder Freund, dich über und über damit zu bestreuen.

Florisell. Was? Wie eine Leiche?

Perdita. Nein, wie eine Bank, wo die Liebe ligen und spielen soll, nicht wie eine Leiche; oder (wenn ihr ja dieses Bild wollt) nicht anders begraben zu werden als lebendig, und in meinen Armen. Kommt, nehmt eure Blumen; es ist mir, ich spiele eine Rolle, wie ich in Pfingst-Schäfer-Spielen gesehen habe: Gewiß, dieser seltsame Anzug hat mir den Kopf verrükt – –

Florisell. Alles was ihr thut ist unverbesserlich, meine Angenehmste. Wenn ihr redet, so möchte ich, daß ihr immer reden müßtet; singt ihr, so wollt' ich daß ihr alles was ihr den ganzen Tag zu sagen und zu verrichten habt, so gar euer Gebet, singen möchtet; tanzt ihr, so wünscht' ich, ihr wäret eine Welle auf dem Meer, damit ihr ewig nichts anders thätet, euch immer bewegen möchtet, immer so, ohne jemals aufzuhören. So ist es mit allem was ihr thut; jede eurer Handlungen ist, allein betrachtet, so vollkommen, als sich denken läßt, und erhält nichts desto weniger einen neuen Reiz von den übrigen; eine krönt die andre, und so sind alle Königinnen.

Perdita. O, Dorikles! Euer Lob geht zu weit; würde nicht eure Jugend, und das unverfälschte Blut, das so schön aus ihr hervorscheint, die Gewähr leisten, daß ihr ein echter aufrichtiger Schäfer seyd, so müßt ich mit Recht besorgen, mein lieber Dorikles, ihr suchet mich durch eure Schmeicheleyen nur zu berüken.

Florisell. Ich denke, ihr habt so wenig Ursache, das zu besorgen, als ich Willen habe, euch Ursache dazu zu geben. Aber, kommt; unsern Tanz, ich bitte euch; eure Hand, meine Perdita; so paaren sich Turtel-Dauben, die sich niemals wieder zu scheiden gedenken.

Perdita. Ich wollte für sie schweeren können.

Polixenes zu Camillo.
Das ist das artigste Mädchen von ihrem Stande, das jemals über die grüne Flur weggeflogen ist; ihre Mine, ihre Gebehrden, ihr ganzes Wesen hat etwas das über ihren Stand hinausgeht, und zu edel für eine solche Dirne ist.

Camillo. Eben sagt er ihr was, wovon sie über und über roth wird: In ganzem Ernst; sie ist die Königin aller Milch-Mädchen, und Käß-Nymphen in der Welt.

Hans. Nun, lustig, ihr Musicanten, macht auf – –

Dorcas. Mopsa muß deine Liebste seyn; (bey Seite) aber iß erst Knoblauch, damit dir ihre Küsse nichts schaden.

Mopsa. Gut, ich bins zufrieden.

Hans. Kein Wort mehr; wir sind nun alle Paar und Paar – – Hey da, macht auf – –

Ein Tanz von Schäfern und Schäferinnen.

Polixenes zum alten Schäfer.
Ich bitte dich, guter Schäfer, wer ist der schöne junge Hirt, der mit deiner Tochter tanzt?

Schäfer. Sie nennen ihn Dorikles, und er rühmt sich daß er von guter Herkunft sey; ich hab' es aus seinem eignen Mund, und ich glaub' es ihm; er sieht einem ehrlichen Menschen gleich; er sagt, meine Tochter gefall' ihm, und ich glaub' es auch: Denn er sieht in sie hinein, wie der Mond in ein Wasser, und steht da, und gukt ihr in die Augen, als ob er was lesen wolle, das darinn geschrieben stehe; und wenn ich euch aufrichtig reden soll, ich glaube, der Unterscheid beträgt keinen halben Kuß, welches von beyden das andre lieber habe.

Polixenes. Sie tanzt artig.

Schäfer. Sie kan alles, wenn ich es schon nicht selbst sagen sollte; wenn sie der junge Dorikles überkommt, so kriegt er was mit ihr, wovon er sich wol nichts träumen läßt.


 << zurück weiter >>