William Shakespeare
Das Winter-Mährchen.
William Shakespeare

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Fünfte Scene.

Ein Bedienter kündigt einen Tanz von zwölf Hirten an, die sich zur Belustigung der Anwesenden, in Satyren verkleidet haben.

Schäfer. Weg, weg, wir brauchen sie nicht; es ist ohnehin schon närrisch genug bey uns zugegangen; ich bin gewiß, Herr, daß wir euch lange Weile machen.

Polixenes. Ihr macht die Weile denen lang, die sie uns kurz machen wollen; ich bitte euch, laßt uns dieses vierfache Kleeblatt von Hirten sehen.

Bedienter. Drey von ihnen, Herr, haben, ihrer Aussage nach, vor dem Könige getanzt: und der schlechteste von ihnen springt euch, mein Seel! zwölf und einen halben Fuß lang.

Schäfer. Hör' auf zu plaudern; weil es diese guten Herren haben wollen, so laß sie herein kommen; aber gleich – –

Ein Tanz von zwölf Satyren.

Polixenes (vor sich.)
Geht das nicht zu weit? – – Es ist Zeit, sie zu trennen; er ist unbesonnen, und spricht sehr lebhaft – – Zu Florisell. Nun, wie? schöner Schäfer? Euer Herz scheint so voll von etwas anderm zu seyn, daß ihr keinen Antheil an den Ergözungen dieses Festes nehmt. Wahrhaftig, wie ich jung war, und verliebt, wie ihr izt seyd, so pflegte ich mein Mädchen mit so vielen hübschen Sachen zu beladen, daß sie darunter hätte einsinken mögen: Ich würde des Krämers ganzen seidenen Schaz ausgekauft und ihr aufgedrungen haben; und ihr laßt ihn gehen, ohne um eines Dreyers werth mit ihm zu handeln. Wenn euer Mädchen das übel aufnähme, und einem Mangel an Liebe oder an Freygebigkeit zuschriebe; so sehe ich nicht, was ihr dagegen sagen könntet.

Florisell. Alter Herr, ich weiß, daß sie keine Freude an solchen Lappereyen hat, wie diese sind; die Geschenke, die sie von mir erwartet, sind in meinem Herzen verschlossen; und das ist ihr schon geschenkt, obgleich noch nicht überliefert. (Zu Perdita.) O, höre mich meine Liebe vor diesem alten Herrn ausathmen, der wie es scheint, ehmals auch geliebt hat. Hier nehm' ich deine Hand, diese Hand, die so sanft ist als der Pflaum einer Daube, und so weiß als eines Mohren Zähne, oder der geläuterte Schnee, den der Nordwind zweymal durchgesiebt hat – –

Polixenes. Und was folgt nun? Wie artig der junge Schäfer diese Hand zu waschen scheint, die vorher schön genug war! – – Ich habe euch irre gemacht; zu eurer Erklärung! Laßt mich hören was ihr gesinnt seyd.

Florisell. Ja, und seyd mein Zeuge.

Polixenes. Und mein Nachbar hier, auch?

Florisell. Und er, und mehr als er, die Menschen, die Erde, der Himmel, und alles was ist und was Athem hat; seyd Zeugen, daß, wäre ich der gekrönte König des ganzen Erden-Kreises, und unter allen Sterblichen der würdigste, es zu seyn; wär' ich der schönste Jüngling, der jemals zärtliche Augen niederschlagen machte; hätte ich Stärke und Wissenschaft, mehr als jemals ein Mensch gehabt hat: So würd' ich es ohne ihre Liebe für nichts achten; alle diese Vorzüge für sie anwenden; sie zu ihrem Dienst verurtheilen, oder zu ihrem eignen Untergang.

Polixenes. Schön gesprochen!

Camillo. Das nenn' ich Liebe!

Schäfer. Aber du, meine Tochter – – womit beantwortest du das?

Perdita. Ich kan nicht so gut reden, nein, und es auch nicht besser meynen. Meine eignen Gesinnungen sind der Spiegel, worinn ich die Redlichkeit der seinigen sehe.

Schäfer. Gebt einander die Hände, zum Unterpfand; und ihr, unbekannte Freunde, seyd ihr meine Zeugen: Ich geb' ihm meine Tochter, und soviel Mitgift dazu, bis es seinem eignen Vermögen gleich kommt.

Florisell. O mein guter Alter, die Tugend eurer Tochter ist Mitgift genug für mich; wenn einer todt seyn wird, so werd' ich mehr haben, als ihr euch izt träumen lassen könnt, genug, um euch in Erstaunen zu sezen; Kommt, kommt, verlobet uns vor diesen Zeugen.

Schäfer. Gebt mir eure Hand, und ihr, meine Tochter, die eurige.

Polixenes. Sachte, Schäfer, sachte ein wenig; ich bitte euch, habt ihr einen Vater?

Florisell. Ja; aber was wollt ihr mit ihm?

Polixenes. Weiß er was hievon?

Florisell. Nein, und soll auch nichts davon wissen.

Polixenes. Mich däucht, ein Vater ist bey seines Sohnes Hochzeit ein Gast, der die Tafel am besten ziert: Ich bitte euch, erlaubt mir noch eine Frage: Ist euer Vater nicht zu vernünftigen Geschäften untüchtig worden? Ist er nicht vor Alter kindisch, oder an seinen Sinnen geschwächt? Kan er hören? Kennt er die Leute noch? Kan er sein Vermögen noch verwalten? Oder ligt er zu Bette, und kan nichts weiter thun, als was er in seiner Kindheit that?

Florisell. Nein, mein guter Herr; er ist gesund, und bey bessern Kräften als die meisten von seinem Alter.

Polixenes. Bey meinem weissen Bart! wenn das ist, so handelt ihr nicht mit ihm wie ein Sohn mit seinem Vater handeln soll. Es ist billig, daß sich mein Sohn seine Ehgattin selbst wähle; aber es ist eben so billig, daß der Vater (dessen einzige Freude doch sonst nichts ist als eine schöne Nachkommenschaft) zu einem solchen Geschäfte auch ein Wort zu sagen habe.

Florisell. Das geb' ich alles zu; aber aus einigen andern Gründen, mein ernsthafter Herr, welche sich nicht einem jeden sagen lassen, find' ich nöthig, meinen Vater nichts von diesem Geschäfte wissen zu lassen.

Polixenes. Laßt es ihn wissen.

Florisell. Es kan nicht seyn.

Polixenes. Ich bitte euch darum.

Florisell. Nein; er muß nichts davon wissen.

Schäfer. Laß es ihn wissen, mein Sohn, er wird keine Ursache finden, deine Wahl zu mißbilligen, wenn er sie kennt.

Florisell. Kommt, kommt; es kan nicht seyn; Höret unsern Bund – –

Polixenes. Hört eure Ehscheidung, junger Herr, (der König giebt sich zu erkennen) den ich nicht mehr Sohn nennen kan; du bist zu niederträchtig, um für meinen Sohn erkannt zu werden – – Du, der Erbe eines Scepters, du der so begierig ist einen Schäferstab zu führen? – – Was dich betrift, alter Verräther, so bedaur' ich nur, daß ich, wenn ich dich hängen lasse, dein Leben bloß um eine Woche verkürzen kan – – Und du, junge Hexe, die den Königlichen Narren notwendig kennen mußtest, mit dem du dich eingelassen hast – –

Schäfer. O, mein Herz berstet mir!

Polixenes. Dir will ich dein schönes Gesichtchen so lange mit Dornen haken lassen, bis es noch schlechter aussehen wird als dein Stand ist. Du, verliebter Knabe, merke dir das – – wenn ich jemals finden werde, daß dir nur ein Seufzer darüber entwischt, daß du, wie es mein Wille ist, dieses Puppen-Gesicht in deinem Leben nicht wieder sehen sollst, so hast du einen Thron verlohren – – ich werde dich nicht mehr für mein Blut erkennen, nein, nicht für einen Anverwandten, nicht so nah, als irgend einer der mir von Deucalion her verwandt ist: Merke was ich sage, und folg' uns an den Hof – – Du Nichtswürdiger, für diesesmal, obgleich mit unsrer Ungnade sprechen wir dich von ihrem tödlichen Streiche frey: Und du, Zauberin, gut genug für einen Schafhirten, ja noch zu gut für diesen, der sich, wenn nicht unsre eigne Ehre dabey interessirt wäre, so gar deiner unwürdig macht; wenn du, von nun an, ihm jemals diese bäurische Thür eröfnest, oder seinen Leib mehr mit deinen Umarmungen umcirkelst, so will ich einen noch grausamern Tod für dich ausdenken, als du zu zart für ihn seyn wirst.

(Er geht ab.)


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