William Shakespeare
Leben und Tod des Königs Johann
William Shakespeare

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Fünfte Scene.

Die beyden Könige mit ihrem Heer treten auf verschiednen Seiten auf.

König Johann.Frankreich, hast du noch mehr Blut wegzuwerfen? Sprich, willt du dem Strom unsers Rechts seinen friedfertigen Lauf lassen; oder soll er von dir gestört, aus seinem natürlichen Canal hervorschwellen, und deine angrenzenden Ufer überströmen?

König Philipp.England, du hast in diesem hizigen Wettkampf nicht einen einzigen Tropfen Bluts mehr zurükgebracht als wir; eher hast du mehr verlohren. Und ich schwöre bey dieser Hand, die diesen weitgrenzenden Erdstrich beherrschet; eh wir diese gerechten Waffen niederlegen, wollen wir dich, gegen den wir sie tragen, in den Staub niederlegen, oder selbst die Zahl der Todten mit einem königlichen Schatten vermehren!

Faulconbridge.Ha! Majestät! – – Wie hoch steigt dein Stolz, wenn das goldne Blut der Könige in Feuer gesezt wird! Oh, nun füttert der Tod seine morschen Kinnbaken mit Stahl, Schlachtschwerdter sind seine Zähne und Griffe, und nun schmaußt er und frißt sich, indeß daß die Könige hadern, an Menschenfleisch satt. Warum stehen diese königlichen Linien so unbeweglich? Ruft zum Angriff, ihr Könige; zurük in das blutbeflekte Feld, ihr gleichmächtigen Fürsten, ihr Feuer-sprudelnden Geister! Laßt die Niederlage des einen Theils den Frieden des andern bekräftigen. Bis dahin Streiche, Blut und Tod!

König Johann.Für wessen Parthey erklären sich nun die Leute in der Stadt?

König Philipp.Sprecht, ihr Bürger; wen erkennt ihr für euern König?

Bürger.Den König von England, sobald wir ihn kennen.

König Philipp.Erkennt ihn in Uns, die wir hier sein Recht verfochten haben.

König Johann.In Uns, die wir unser eigner grosser Abgeordneter sind, und im Besiz unsrer eignen Person uns hier befinden, Herr von unsrer Gegenwart, von Angiers, und von euch.

Bürger.Eine grössere Macht, als die eurige, widerspricht all dieses, und bis sie ausser allem Zweifel ist, schliessen wir unsre erste Bedenklichkeit in unsre stark verrigelte Thore ein. Könige sind unsre Furcht, so lange bis unsre Furcht von einem gewissen Könige aufgelöst, gereinigt und ausgetrieben seyn wird.

Faulconbridge.Diese unverschämten Gesellen von Angiers spotten eurer, ihr Könige, und stehen sicher auf ihren Zinnen, wo sie wie auf einem Amphitheater, unsern arbeitvollen Todes-Scenen und Aufzügen mit weitoffnen Augen und richtendem Blik zusehen. Laßt euch von mir rathen, ihr Könige; seyd gleich den Aufrührern von Jerusalem eine Weile Freunde, und vereinigst eure äusserste Macht wider diese Stadt. Laßt Frankreich von Osten, und England von Westen ihre bis an die Mündung gefüllte Canonen wider sie richten, bis ihr Seele-schrekendes Geschrey die steinernen Rippen dieser trozigen Stadt zu Boden geklafft hat; ich wollte unverzüglich auf diese Schindmähren spielen, bis die Verwüstung ihnen keine andre Schuzwehr als die umgebende Luft übrig liesse. Wenn dieses geschehen ist, dann trennt eure vereinbarte Macht wieder, sondert eure vermengten Fahnen ab, und sezet Antliz gegen Antliz, und Schwerdt gegen Schwerdt. Dann wird Fortuna in einem Augenblik aus einem von beyden Theilen ihren glüklichen Günstling auswählen, dem sie die Ehre dieses Tages zuwenden, und den sie mit einem glorreichen Siege küssen wird. Wie gefällt euch dieser wilde Rath, mächtige Fürsten? Schmekt er nicht ein wenig nach der Politik?

König Johann.Nun bey dem Himmel, der über unsern Häuptern hängt, er gefällt mir. Frankreich, laßt uns unsre Kräfte vereinbaren, und dieses Angiers dem Erdboden gleich machen; dann wollen wir erst durch die Waffen ausmachen, wer König davon seyn soll?

Faulconbridge, (zu Frankreich.)
Und wenn du anders die Empfindlichkeit eines Königs hast, so richte, da du eben so sehr als wir selbst von dieser halsstarrigen Stadt beleidigt worden bist, den Rachen deiner Artillerie, wie wir der unsrigen, gegen diese trozigen Mauern; und wenn wir sie zu Boden geschmettert haben, nun, dann könnt ihr's mit einander aufnehmen, und einander, wie es kommt, gen Himmel oder in die Hölle schiken.

König Philipp.So wollen wir's machen; saget, wo wollt ihr angreiffen?

König Johann.Wir wollen von Westen Zerstörung in den Busen dieser Stadt senden.

Oestreich.Ich von Norden.

König Philipp.Unser Donner soll von Süden einen Hagel von Kugeln auf diese Stadt regnen.

Faulconbridge (leise.)
Eine weise Einrichtung! Von Norden zu Süden; Oestreich und Frankreich werden einander ins Gesicht schiessen. Ich will sie dazu aufreizen; (laut;) kommt, hinweg, hinweg!

Bürger.Hört uns, grosse Könige; laßt euch gefallen noch einen Augenblik zu verweilen, und ich will euch einen Vorschlag zum Frieden und zu einem annehmlichen Verglich thun. Gewinnet lieber diese Stadt ohne Wunden, und lasset diese Kriegsmänner, die als Schlachtopfer auf den Wahlplaz hieher gekommen sind, ihr Leben wieder nach Hause tragen, und in ihren Betten sterben. Verharret nicht auf euerm Vorsaz, sondern höret mich, grosse Könige.

König Johann.Redet, wir erlauben es, und wollen hören.

Bürger.Diese Infantin von Spanien, Lady Blanca, ist nahe mit England verwandt; betrachtet den jungen Ludwig, den Dauphin, und dieses liebenswürdige Mädchen. Wenn wollüstige Liebe auf die Jagd der Schönheit ausgehen wollte, wo könnte sie solche schöner finden, als in Lady Blanca? Wenn keusche Liebe gehen wollte, die Tugend aufzusuchen, wo könnte sie solche reiner finden, als in Lady Blanca? Wenn ehrsüchtige Liebe ein Bündniß mit hohem Stande machen will, in welchen Adern rinnt ein edler Blut als in Lady Blanca's? So wie sie an Schönheit, Tugend und Geburt ist, so vollkommen ist der junge Dauphin, in jedem Stüke; soll er nicht vollkommen seyn, o, so sagt nur, er ist nicht sie; so wie ihr nichts anders mangelt, (wenn das ein Mangel heissen kan,) als daß sie nicht er ist. Er ist die Helfte eines vollkommnen Mannes, bestimmt, durch eine solche Sie vollendet zu werden; und sie eine schöne getheilte Vortreflichkeit, deren vollständige Vollkommenheit in ihm ligt. O! zween solche Silberströme, wenn sie sich vereinigen, machen die Ufer worinn sie zusammenfliessen, zu Paradiesen. Diese Vereinigung soll mehr über unsre festverschloßnen Thore vermögen als Batterien; denn sobald ihr dieses Bündniß beschlossen haben werdet, soll sich der Mund des Zugangs, schneller als der Bliz des Pulvers ihn mit Gewalt eröffnen könnte, von freyen Stüken weit aufthun, euch einzulassen; aber ohne dieses Bündniß, ist die ergrimmte See nicht halb so taub, sind Löwen nicht halb so unerschroken, und Berge und Felsen so unbeweglich; nein, der Tod selbst ist in seiner verderblichen Wuth nicht halb so unerbittlich, als wir, diese Stadt zu behaupten.

Faulconbridge.Das ist ein Redner, der das faule Gerippe des Todes aus seinen Lumpen herausschüttelt. Das ist ein grosses Maul, in der That, das Tod und Berge, Felsen und Seen ausspeyt, und von brüllenden Löwen so vertraulich spricht, als Mädchen von dreyzehn Jahren von Schooßhündchen. Was für ein Constabel zeugte dieses lustige Blut? Er spricht lauter Canonen-Feuer, Rauch und Knall; er giebt Prügel-Suppe mit seiner Zunge; unsre Ohren kriegen Stokschläge; er sagt nicht ein Wort, das nicht eine derbere Maulschelle giebt als eine Französische Faust. Zum Henker! Ich bin nie so mit Worten abgepläut worden, seit ich meines Bruders Vater Papa genennt habe.

Elinor, (zu König Johann, leise.)
Sohn, gieb diesem Vorschlag Gehör, geh dieses Bündniß ein, und gieb ihnen mit unsrer Nichte eine Morgengabe, womit sie zufrieden seyn können; denn durch dieses Band kanst du dein izt wankendes Recht an die Crone so feste machen, daß jener grüne Bube keine Sonne haben wird, um die Blüthe zu zeitigen, die eine mächtige Frucht verspricht. Ich sehe Nachgiebigkeit in Frankreichs Bliken; sieh, wie sie einander zuflüstern; fasse sie bey diesem Augenblik, da ihre Seelen fähig sind, sich durch die Hoffnung einer vergrösserten Macht bestechen zu lassen, sonst möcht' ihr Eifer für Arthurs Sache, der izt durch den lauen Athem von sanften Bitten, Mitleiden und Bedenklichkeiten aufgeschmelzt worden, wieder erkalten, und zu der vorigen Härte gefrieren.

Bürger.Was antworten Eure Majestäten auf den gütlichen Vorschlag unsrer bedräuten Stadt?

König Philipp.Sprecht zuerst, England, da ihr der erste waret, der seinen Antrag an diese Stadt machte; was ist eure Gesinnung?

König Johann.Wofern der hier gegenwärtige Dauphin, dein königlicher Sohn, in diesem Buche der Schönheit lesen kan, ich liebe; so soll ihre Mitgift soviel wägen als eine Königin; denn Anjou, und das schöne Touraine, Maine, Poitou, und alles, was (diese belagerte Stadt hier ausgenommen,) auf dieser Seite des Meers unsrer Crone einverleibt ist, soll ihr Braut-Bette vergülden, und sie an Titeln, Würden und Gütern so reich machen, als sie an Geburt, Erziehung und Schönheit, jeder andern Princeßin in der Welt die Wage hält.

König Philipp.Was sagst du denn, Junge? Sieh der Princeßin ins Gesicht.

Ludwig.Ich thu es, Sire, und ich find' in ihren Augen ein Wunderwerk, oder doch eine wunderbare Erscheinung, meinen eignen Schatten in ihren Augen abgebildet, der, ob er gleich nur der Schatten euers Sohnes ist, eine Sonne wird, und euern Sohn zu einem Schatten macht. Ich versichre euch, ich liebte mich selbst noch nie bis izt, da ich mich selbst in der schmeichelnden Tafel ihres Auges abgerissen finde.

Blanca (zu Ludwig.)
Meines Oheims Wille ist in dieser Sache der meinige; was er nur immer an euch sehen mag, das ihm gefällt, dieses Etwas, das ihm gefällt, kan ich ohne Mühe zu meinem Willen übertragen; oder, um eigentlicher zu reden, wenn ihr wollt, kan ich es leicht meiner Liebe aufnöthigen. Milord, ohne euch über alles was ich liebenswürdiges an euch sehe, zu schmeicheln, will ich nur soviel sagen, daß ich nichts an euch sehe, was, wenn gleich die Tadelsucht selbst Richter seyn sollte, einiges Hasses würdig wäre.

König Johann.Was sagen diese jungen Leute? Was sagt ihr, meine Nichte?

Blanca.Daß ihre Ehre sie verbindet, alles zu thun, was eurer Klugheit ihr zu befehlen belieben wird.

König Johann.Redet dann, Prinz Dauphin, könnt ihr diese Lady lieben?

Ludwig.Fragt mich vielmehr, ob es mir möglich sey, sie nicht zu lieben; denn ich liebe sie im höchsten Grade.

König Johann.So geb' ich dir also Volquessen, Touraine, Maine, Poitiers und Anjou, diese fünf Provinzen, mit ihr; und über dieses noch die volle Summe von dreyßigtausend Mark Englischen Geldes. Philipp von Frankreich, wenn du damit zufrieden bist, so befiehl deinem Sohn und deiner Tochter einander die Hände zu geben.

König Philipp.Wir sind es vollkommen zufrieden, ihr jungen Prinzen, vereinigst eure Hände.

Oestreich.Und eure Lippen dazu; denn ich erinnre michs noch wohl daß ich es so machte, wie ich das erstemal versprochen wurde.

König Philipp.Nun, ihr Bürger von Angiers, öffnet eure Thore, um die Freundschaft einzulassen die ihr gestiftet habt, damit ohne Verzug diese Vermählung in St. Martins Capelle sollennisirt werden könne. Ist die Lady Constantia nicht in dieser Gesellschaft? Doch sie kan nicht hier seyn; ihre Gegenwart würde diesem neugeschloßnen Verglich ein starkes Hinderniß in den Weg gelegt haben. Wo ist sie, und ihr Sohn, wer kan es mir sagen?

Ludwig.Sie sizt voll Traurigkeit und Unwillen in Eurer Majestät Gezelt.

König Philipp.Bey meiner Ehre, dieses Bündniß das wir getroffen haben, wird ihrer Schwermuth wenig Lindrung geben. Bruder von England, wie können wir diese Fürstliche Wittwe zufrieden stellen? Zu Behauptung ihres Rechts sind wir gekommen, und nun haben wir uns, Gott weiß es, zu unserm eignen Vortheil, auf eine andre Seite gedreht.

König Johann.Wir wollen alles gut machen; denn wir wollen den jungen Arthur zum Herzog von Bretagne und Grafen von Richmond ernennen, und ihn überdiß zum Herrn dieser schönen reichen Stadt machen. Ruffet die Lady Constantia; ladet sie eilfertig zu unsrer Feyrlichkeit ein; wenn wir gleich nicht das ganze Maaß ihres Willens erfüllen, so werden wir sie doch in gewissem Maasse befriedigen, und wenigstens ihren Ausruffungen den Mund stopfen. Izt laßt uns zu Vollziehung dieser unvorgesehnen und unvorbereiteten Solennität keine Zeit verliehren.

(Alle gehen ab, bis auf Faulconbridge.)


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