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Apokryphen

Apokryphen nenne ich Dinge, aus denen man so eigentlich nicht recht weiß, was man zu machen hat. Es ist also alles in uns und um uns sehr apokryphisch, und man dürfte vielleicht sagen: die ganze Welt ist eine große Apokryphe. Mir ist es sehr lieb, wenn sie andern verständlicher ist als mir.

Historisch-Politisches

Die Vernunft ist immer republikanisch; aber die Menschen scheinen, wenn man die Synopse ihrer Geschichte nimmt, doch durchaus zum Despotismus geboren zu sein.

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Solange man die Geduld zur ersten Tugend macht, werden wir nie viel tätige Tugend haben. An tätigen Tugenden scheint auch den Volksführern wenig zu liegen; sie brauchen nur leidende. Daher geht es denn, leider, kaum leidlich.

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Gleichheit ist immer der Probestein der Gerechtigkeit, und beide machen das Wesen der Freiheit.

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»Der neue Herkules stand am Scheidewege«, sagt ein neuer Prodikus; »da erschienen vor ihm zwei Gestalten, ihm zu Führerinnen: die Vernunft mit ihrem Gefolge, der Freiheit und Gerechtigkeit, der Freundlichkeit usw., und die Despotie mit ihrem Zug, der Unterdrückung, der Habsucht, der Furcht usw. Jede hielt ihre Rede aus der Seele der Sache, und der junge Heros war im voraus entschlossen, als kleinerer Mann das letzte zu wählen; die blinde Macht mit dem Ungrund, der Stahlherrschaft, dem Neffengeist, dem Todesschlafe der Liberalität.«

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Die Geschichte scheint mir fast zu bürgen, daß die Menschen keine Vernunft haben.

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Der Anfang der französischen Revolution rächte das Volk an der Regierung und das Ende die Regierung an dem Volke, und beide scheinen weder besser, noch klüger geworden zu sein. Der Ertrag ist wenig mehr als origineller Stoff zu dem großen zyklischen Gedicht unserer Geschichte.

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Die ganze Synopse unserer Politik liegt in den zwei Versen von Bürger:

»Du hast uns lange genug geknufft;
Man wird dich wieder knuffen, Schuft.«

Weiter hat Vernunft und Gerechtigkeit nichts damit zu tun.

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Die geheime Geschichte der sogenannten Großen ist leider meistens ein Gewebe von Niederträchtigkeiten und Schandtaten.

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Warum ist Rousseaus Bürgervertrag so gut und seine politische Ökonomie so schlecht? Den ersten schrieb er, so gut er konnte; die zweite, so gut er durfte, und sehr gut darf man freilich selten öffentlich schreiben. Die letzte wurde zuerst in Paris gedruckt und wahrscheinlich für Frankreich geschrieben. Das erklärt schon alles.

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So verstümmelt ist oft die menschliche Natur, daß Tyrannen ihre Wohltäter werden müssen.

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Faulheit und Dummheit und die aus beiden gemischte Furcht sind die Quellen des meisten Unfugs, den Bosheit und Übermut anrichtet. Wo keine Sklaven sind, kann kein Tyrann entstehen.

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Man glaube ja nicht, daß es je einer Regierung eingefallen ist, der Menschenvernunft vernünftig nachzuhelfen; das ist gar nicht ihre Sache. Was wir noch davon sehen, ist durch die Umstände emporgegoren und man tut alles Mögliche, neue Hefen hineinzubringen, damit sich ja nichts abläutere. Wenn wir nicht wieder einige Zeit in der Barbarei schlafen, wird das Ganze bald eine kecke, geckenhafte, despotische Unvernunft werden.

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Wer jetzt Politik des Tages schreiben wollte, müßte Fausts Mantel zur Verbreitung haben: denn was heute neu ist, ist übermorgen schon sehr alt, und eine Katastrophe jagt die andere. Es wird mich gar nicht wundern, wenn ich heute höre, die Franzosen sind in Berlin, und übermorgen die Russen und die Schweden. Preußen und Brandenburger scheinen seit geraumer Zeit nicht mehr dort zu sein.

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Der vernünftige Bürger muß sich erst als reinen Menschen denken. Es ist das Kriterion der Vollendung des Staats, daß der Civism durchaus kein Recht der Humanität beleidige.

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Das Wort Faustrecht kommt mir vor, als ob man sagte: ein rundes Quadrat, oder ein viereckiger Zirkel. Das ist leider auch ein deutscher Unsinn, wie das Lehnrecht mit seinen Auswüchsen: dafür leidet denn unsere Nation jetzt eine blutige, fast letale Talio. Wenn im Großen das Faustrecht, das heißt der Unsinn, zu sehr herrscht, dann kommt er auch ins Kleine, und dann ist der jüngste Tag der Staaten nahe. Es scheint aber wohltätig in der Natur der Sache zu liegen, daß im Kleinen nie ganz so viel Unsinn herrschen kann als im Großen.

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Wo das Volk keine Stimme hat, steht's auch um die Könige schlecht, und wo die Könige kein Ansehen haben, steht's schlecht um das Volk.

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Es ist oft ein Glück für die Menschheit, daß die größern Verbrecher die kleineren in Furcht halten. Wie dabei Vernunft und moralische Weltregierung bestehen, weiß ich freilich nicht recht zu entziffern.

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Hobbes sagt: »Das Volk hört auf Volk zu sein mit der Unterwerfungsakte.« Wäre dieses wahr, so wäre, eben dadurch die Akte null. Es bliebe bloß der Fürst, der dann nichts wäre als ein einzelner, gegen den sodann jeder einzelne wieder das Recht der Gleichheit hätte: der außergesetzliche Zustand träte wieder ein, wenn wir nicht sagen wollen, der Naturzustand. Das Urpaktum muß durchaus aus dem Zwecke der Gesellschaft und der menschlichen Natur genommen werden; auch da, wo es nicht ausgedrückt ist, und vorzüglich da. Denn wo die Freiheit etwas bestimmte, hat sie das Recht, minder weise zu sein. Aber wo nichts bestimmt ist, wird billig das Höchste angenommen. Wo nichts bestimmt ist, darf der Mensch mit seinen Forderungen in der ganzen Würde seines Wesens hin treten. Das Nämliche gilt in großen Kollisionen, wo das Schlechtgesetzte vernichtet ist.

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Stolz ist das Gefühl seines bestimmten Werts und durchaus lobenswürdig. Wo man ihn tadelt, liegt der Fehler in dem Irrtum des Gefühls. Wenn alle nur vernünftig stolz wären, es würde in der Welt nicht so niederträchtig hergehen. Der Stolz eines Fürsten ist seine Gerechtigkeit und seine Humanität; leider sind also die wenigsten Fürsten stolz. Stolz mit der strengen Moral kann an Härte grenzen: nur Weggeworfene und Niederträchtige können sich über den Stolz anderer beschweren. Er wird nur zu oft und zu sehr mit ähnlich scheinenden Fehlern, Eitelkeit und Ehrgeiz, verwechselt.

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Pompejus war eitel, Cäsar war ehrgeizig, und Cato war stolz. Wer wird diese drei Charaktere vermengen? ... ist Pompejus und Cäsar vereint; vom Cato hat er – wohl sehr wenig.

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Man gibt in unsern Staaten meistens der Gerechtigkeit eine Form, die schrecklicher ist als die Ungerechtigkeit selbst.

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Das bißchen Gerechtigkeit in unsern Staaten wird so entsetzlich teuer gekauft, daß wir uns oft weit besser aller ursprünglichen Ungerechtigkeit aussetzen würden.

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Die Geschichte ist meistens die Schande des Menschengeschlechts.

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Die Arbeit der philosophischen, theologischen, politisch-pathologischen Volksführer ist fast durchaus, Rauch zu machen und darin Gespenster und Schreckgestalten zu zeigen, damit man sich an ihre Heilande halten soll, von denen immer einer schlechter ist als der andere.

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Man verkauft uns meistens Gesetze für Gerechtigkeit, und oft sind sie gerade das Gegenteil.

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Wodurch die größte Nationalkraft zu dem wohltätigsten Nationalzweck gewonnen wird, das ist die einzig gute Konstitution. Dieses ist nur möglich durch Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit, diese drei sind eins.

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Die ewige Grundlage alles Rechts ist die Gleichheit; sobald sie verletzt wird, entsteht Verwirrung, das Ende ist sinnlose Sklaverei. Isegorie und Isonomie sind das Palladium der Freiheit: Die Griechen waren auf einem schönen Wege; aber Pleonexie war ihnen, was bei uns die Privilegien sind. Verba mutantur, res manet. Die Ehrenlegion wird schon wieder die Reichsritterschaft werden.

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Und wenn Freiheit und Gerechtigkeit in Ewigkeit nichts als eine schöne Morgenröte wäre, so will ich lieber mit der Morgenröte sterben, als den glühenden, ehernen Himmel der blinden Despotie über meinem Schädel brennen lassen.

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Ein Volk, das zu Hause keine Ungerechtigkeiten duldet, wird keine öffentlichen begehen. Es ist immer ein Beweis schon vorhandener oder einbrechender Sklaverei, wo Völkerpleonexie der Beweggrund öffentlicher Verhandlungen wird. Durch Tötung der Privilegien würde ein vernünftiges, bürgerliches Recht entstehen, und dieses würde die beste Grundlage zu einem bessern allgemeinen Staatsrechte werden.

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Nach der Vernunft gehören die Fürsten den Ländern; nach der Unvernunft gehören die Länder den Fürsten.

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Glaubst du denn, die Fürsten werden je die besten Mittel einschlagen, die Völker vernünftig aufzuklären? Dazu sind sie selbst zu klug oder zu wenig weise.

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Gleichheit und Gerechtigkeit ist eins; das zeigt das Nachdenken und der Gebrauch aller Sprachen. Die sukzessive Entfernung von der Urgleichheit bringt die Mißgeburt unserer Gerechtigkeiten hervor.

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Wo man von Gerechtigkeiten und Freiheiten redet, soll man durchaus nicht von Gerechtigkeit und Freiheit sprechen.

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Wo der Staat nicht Vorkehrung gegen Einführung von Intermediärlasten getroffen hat, ist der Sklaverei schon wieder das Tor geöffnet.

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Daß die Menschen von Natur gleich sind, kann so deutlich erwiesen werden als nur irgend etwas: und wenn es nicht wäre, so. müssen sie zur endlichen Schlichtung ihrer Händel und Ansprüche als gleich angenommen werden. Selbst die Satelliten der Despotie mit der Feder (denn die mit der Spitze denken nicht, oder hüten sich wohl, das Gedachte auszusprechen) nehmen die ursprünglich natürliche Gleichheit. Der Beweis der Gleichheit kann am besten negativ geführt werden, so, daß selbst der eisernste Despot sich davon überzeugen wird. Es kann nämlich kein Mensch den andern unbedingt willkürlich zwingen, ihm zu gehorchen, sein Knecht zu werden. Sobald man mir die sichere, unfehlbare Möglichkeit des Despotenzwangs erwiesen hätte, wollte ich sogar das Recht einräumen, obgleich nicht mit Recht, sondern aus Notwendigkeit des unvernünftigen Schicksals.

Aber wie will sich ein Mensch unbedingt gegen den andern sicherstellen in seiner Willkür? Gegen physische Stärke braucht der Feind List mit Recht. Alles ist erlaubt, den unbefugten Beeinträchtiger zu zerstören. Ein Knüttel, ein Stein, ein Gifthauch kann den Anmaßer in einem Augenblick töten. Wer sich nun dem andern nicht rein unbedingt auf immer unterwerfen kann, ist mit von einerlei, von gleicher, wenigstens nicht von größerer Natur. Selbst die Mittel der Despoten gestehen diese Gleichheit ein. Sie mieten Trabanten; aber dieses Mieten zeigt die Gleichheit mit diesen Trabanten, von denen sie sich oft abhängig genug machen müssen. Ein Despot scheint an dem Experiment zu arbeiten, wieviel die Menschen in ihrer Wegwerfung Narrheit und Unsinn vertragen können, wodurch er freilich nicht seine Weisheit zeigt.

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Der Unsinn hat die natürliche Gleichheit nie so ganz verbannen können, daß sie nicht überall hervorleuchten sollte. Jeder Rechtsgang beruht darauf; jeder Vertrag hat sie zum Grunde. Mit einem Wesen, das nicht mit mir durchaus gleicher Natur ist, findet kein Vertrag statt. Auch die Mystiker haben die Gleichheit in ihrem heiligen Dunkel. »In seinem ganzen Königreich ist alles recht und alles gleich« ist vielleicht einer der göttlichsten Sprüche der Begeisterten.

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Wenn man nur erst die Gnade vertilgt hat, wird schon die Gerechtigkeit kommen, und mit der Gerechtigkeit haben wir alles. Der Zweck der Staaten sollte sein: Steuerung der Pleonexie, und faktisch ist er ihre Beförderung.

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Tragt Mathematik ins Staatsrecht, und alle Schäden werden geheilt.

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Die Gerechtigkeit bringt reine Ordnung; aber man möchte uns gar zu gern jede dumme Ordnung für Gerechtigkeit verkaufen.

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Reiner Verkauf und reiner Besitz im Staate ist das ganze Geheimnis der besten Konstitution. Gleiche Besteuerung ist die Folge. Sobald man sich eine Linie davon entfernt, schließt man der politischen Gaunerei die Tore auf.

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Philosophisch bringt man die Menschen in die erbärmlichste Mystik und politisch in eiserne Despotie oder anarchischen Fanatism, wenn man sich über den gesunden Menschenverstand hinauswagt.

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Man lärmt so viel über die französische Revolution und ihre Greuel. Sulla hat bei seinem Einzuge in Rom in einem Tage mehr gewütet, als in der ganzen Revolution geschehen ist.

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Von allen, die in der französischen Revolution umgekommen sind, zähle ich achtzig Teile Narren, neunzehn Teile Schurken und ungefähr den hundertsten Teil ehrliche verständige Leute. Die Proportion ist sehr liberal. Die Narren haben oft ein sehr heroisches und weises Ansehen.

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Die französische Revolution wird in der Weltgeschichte das Verdienst haben, zuerst Grundsätze der Vernunft in das öffentliche Staatsrecht getragen zu haben.

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So wie alle unsere Gesetze sehr kränklicher Vernunft sind, sind es vorzüglich die Strafgesetze. Die Strafe soll psychologisch zur Besserung berechnet sein und den Beleidiger am empfindlichsten Teile treffen. Aber hier sind, die Gesetze fast überall und durchaus zum Vorteil der schlechten Reichen. Eine tätliche Beleidigung kostet zum Beispiel 5 Taler für jedermann. Darin liegt aber die ungerechteste Ungleichheit in dem Anschein der Gleichheit. Warum soll sie nicht einen bestimmten Teil, z.B. den 50. Teil des Vermögens kosten? Der geringste Beleidiger könnte dann nach einer niedrigsten Norm taxiert werden. Ein Millionär zahlt für eine Ohrfeige 5 Taler und ein Handwerksbursche 5 Taler. Da hat denn gleich das Gesetz dem Geringsten eine Ohrfeige gegeben. Der Reiche hat dadurch in eben dem Maße die Freiheit, Ohrfeigen zu geben, als er steuerfrei ist. Quae qualis quanta – insania! Die anscheinende Gleichheit ist hier die drückendste Iniquität. Ich habe 200 000 Taler: mich muß also nach der Kriminalrechnung eine Beleidigung 50 000 Taler kosten, die einen armen Handwerker von 400 Talern 100 Taler kostet. Das wäre Gerechtigkeit; das andere ist Malversation. Der Arme leidet seine Strafe am Körper, der Reiche bezahlt sie: eine Inkonsequenz, die an Dummheit grenzt, als ob man die Verbrechen absichtlich vermehren wollte! Den Armen lasse man bezahlen, wenn er kann und will; den Reichen und Vornehmen strafe man am Körper! das ist psychologisch und gut und gerecht. »Qui non habet in aere, luat in copore«, schnarren die Kriminalisten in einer Stunde fünfzigmal unsinnig vom Katheder. »Qui habet in aere, luat in corpore«, sollte es vernünftigerweise heißen. Und alle Geldstrafen sollten nach den Vermögensumständen der Beleidiger eingerichtet werden. Keine bestimmte Summe, sondern eine bestimmte Proportion; für die capite censos könnte ein Minimum gesetzt werden. Eine anscheinend gleiche Strafe für alle ist eine solche Ungleichheit, daß die Gesetze nur in praevaricationem et contumeliam justitiae et sanae rationis gemacht zu sein scheinen. In diesem Artikel ist auch Grotius konsequent und gesteht die Prosopolepsie der römischen und unserer Gesetze.

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Wenn ich die Menschen betrachte, möchte ich der Despotie verzeihen, und wenn ich die Despotie sehe, muß ich die Menschen beklagen. Es wäre eine schwere Frage, ob die Schlechtheit der Menschheit die Despotie notwendig oder die Despotie die Menschen so schlecht macht.

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Gewisse Despoten nennen strengere rechtliche, moralische Leute nur spöttisch Philanthropen. Die Bezeichnung ist für beide sehr passend.

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Gelegenheit machen und sie benützen, mit Rodomontade von Rechtlichkeit, das führt zur Römerei, wenn man Arme zu Bajonetten hat. Die meisten Politiker sind also Kuppler des Völkerrechts, Hurenwirte, die unbefangene Unschuld in die Arme der Machthaber liefern. Die Belege kann ein Blinder auf zehn Schritte sehen, wenn man ihm die Geschichte vorhält.

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Wer aus der Geschichte Völkerrecht und Staatsrecht studieren will, wird allerdings wohl ein guter Minister werden können; aber mit der Vernunft wird er wohl nicht beträchtlich weiterkommen.

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Wenn Grotius etwas beweisen will, bringt er gewöhnlich sogleich einige Beispiele aus der Geschichte, die für ihn sprechen. Das sind oft seine einzigen Gründe. Die Geschichte kann nichts geben als die Tatsache, nicht einmal die Präsumtion der Gerechtigkeit: denn sie liefert ebensoviel Schurkereien als lobenswürdige Dinge. Im Recht müssen wir ganz von vorn anfangen und aus uns herausgehen; denn darin ist die Geschichte eine traurige Lehrerin; zumal wenn man die Gesetzbücher selbst nimmt. Daß der Überwundene Sklave werde, geht durchaus aus keinem Rechtsbegriffe hervor. Er kann getötet werden, aber er wird kein Sklave. Der Völkergebrauch ist kein Völkerrecht. Das scheint man auch nach und nach wenigstens zu fühlen. Wer ein Schurke sein will, hat hundert Autoritäten, die alle unter die glänzenden in der Geschichte gehören.

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Wenn etwas hart bestraft wird, so beweist das gar nicht, daß es unrecht ist; es beweist bloß, daß es dem Vorteil der Machthaber nachteilig ist. Oft ist gerade die Strafe der Stempel der schönen Tat.

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Predigt nur immer brav Geduld, so ist die Sklaverei fertig. Denn von der Geduld zum Beweise, daß ihr alles dulden müßt, hat die Gaunerei einen leichten Übergang.

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Wenn ich die Welt ansehe, freue ich mich, daß ich keine Kinder habe. Denn was würden sie anders werden als Sklaven und Handlanger der Despoten? Freiheit und Vernunft gehören noch nicht in unsere Zeit.

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Wer das Wort Gnade zuerst gesprochen hat, hat gewiß die Verdammnis im Herzen gefühlt. Solange dieser Begriff im öffentlichen Recht waltet, ist weder an Vernunft, noch Freiheit, noch Gerechtigkeit zu denken.

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Ich habe mich oft angestrengt, den Gedanken der Knechtschaft zu begreifen; bis jetzt ist es mir, Gott sei Dank, nicht gelungen. Ohne Vertrag ist nichts; und ein Vertrag, der die Personalität und die ganze bessere Menschennatur zerstört, ist aus vielen Rechtsgründen ewig null. Es ist also ein heiliger Beschluß der ehemaligen französischen Nation: »Die Rechte des Menschen sind unveräußerlich und unverjährbar.«

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Wenn die Fürsten nur keine Edelleute wären, so möchten sie der Vernunft wegen immer Fürsten sein.

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Was ist bei uns Gerechtigkeit? Antwort: Daß der Bauer alle Steuern bezahle, alle Fuhren tue, alle Einquartierung habe, alle Fröne verrichte, allen Zwangdienst leiste, mitunter Garn spinne und Boten laufe. – Und weiter? Antwort: Ist das nicht genug? Mitunter bekommt er Prügel, und das jus primae noctis soll wieder eingeführt werden, wie ich höre.

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Die Dankbarkeit hat viele Staaten zugrunde gerichtet. Der erste Enthusiasmus ging bis zur Unbesonnenheit, und als man sich besann, war die Freiheit schon der Pleonexie verkauft.

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Die gefährlichsten Feinde des Staats sind fast immer im Staate selbst: die Pleonexie der einzelnen und der Kasten.

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Wenn man sagt, eine Nation kann die Freiheit nicht vertragen, so heißt das: der weit größere Teil derselben besteht aus Schurken, Narren und Dummköpfen; oder ein einziger versteht es, sie dazu zu machen.

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Wer in sich nicht Licht und Kraft genug hat, kommt bei dem Studium der Geschichte in Gefahr, sich unbedingt dem Unsinn zu ergeben.

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Das erste Requisit des Lebens ist Gleichgültigkeit gegen Lob und Tadel von Heiligen und Profanen und kaltblütige Bekanntschaft mit dem Tode.

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In jedem guten Staate muß jeder die Freiheit haben, ein Narr zu sein; nur darf der Narr mit seiner Narrheit niemand auf den Fuß treten, weil das zu viele Störungen und Zänkereien geben würde. Wo die Narrheit an Schurkerei und Ausdruck von Malevolenz grenzt, hat der Staat das Recht, ihr Grenzen zu setzen, und eher nicht: nicht weil es Narrheit ist, sondern weil es allgemein schädlich ist.

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Aus der freien Narrheit der Individuen kann für den Staat große Weisheit gedeihen.

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Man irrt sich oft jämmerlich, wenn man den Ministern in ihren öffentlichen Verhandlungen vernünftige Konsequenz unterlegt. Die Folge zeigt bald, daß es Schwachheit war, was wir für ordentlichen Plan zu halten geneigt waren. Die Schwachheit wird dann Feigheit, die Feigheit Schurkerei, die Schurkerei Elend, das Elend Verderben. Mit der Furcht fängt die Sklaverei an; aber auch mit Zutrauen und Sorglosigkeit.

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Ein Braver heißt bei den Italienern ein Räuber; ein herrlicher Zug zu der Geschichte der Entstehung der Staaten!

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Über einen Regenten muß man kein Urteil haben, als bis er zwanzig Jahre regiert hat.

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Bürgerlich, war in der griechischen Natur etwas Göttliches; auch die Römer hatten viel davon, und hier und da noch eine Nation. Bei uns ist es fast ganz ausgerottet, und man fürchtet sich schon vor dem Wort.

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Unsere Religion tut auf Vernunft Verzicht, unsere Rechtslehre, unsere Politik; bald wird es auch unsere Philosophie. Alles beruht auf blindem Glauben und despotischer Willkür.

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Die Nation, welche nur durch einen einzigen Mann gerettet werden kann und soll, verdient Peitschenschläge.

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Wo von innen Sklaverei ist, wird sie von außen bald kommen.

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Wer den ersten Sklaven machte, war der erste Hochverräter an der Menschheit. Die Griechen und Römer brauchten für den Unsinn doch freundliche, schmeichelnde Namen; aber wir haben die Tollheit gehabt, das Ungeheuer recht grell als einen Begriff in das öffentliche Recht zu flechten.

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Wer Gerechtigkeit, Liberalität und Geschichte sehen will, darf nur die Zeitungen und Verordnungen der Fürsten nehmen; da findet er von allen das Gegenteil.

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Ich bin fest überzeugt, wo zehntausend rein aufgeklärte, fest ehrliche, nichts fürchtende, entschlossene Männer wären, würde die Wiege des Universalreichs der Vernunft sein. Aber wo sind zehn? Und welche Stufe zu zehntausend?

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Wenn wir in unsern öffentlichen Verhältnissen sagen, man müsse das Beste wählen, so heißt das bloß: man muß tun, was weniger schlecht ist; denn das Gute wird man uns schon zu verwehren wissen.

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Wenn die Staaten ursprünglich mit mehr Vernunft und Gerechtigkeit eingerichtet würden, würden wenig gewaltsame Empörungen zu fürchten sein.

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Die ganze griechische Geschichte hat wenig Republikaner, die römische keinen einzigen: es müßten denn die Gracchen sein. Die französische Revolution hat den Vorteil, die ersten Republikaner gestellt zu haben. Ihre Pflanzung wird wachsen, wenn sie auch jetzt vom Unkraut erstickt wird.

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Wenn man sich über die schurkische Narrheit oder die närrische Schurkerei der Zeitgenossen ärgert, darf man nur in die Geschichte blicken, um sich zu beruhigen und leidlich zu trösten.

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Wenn unser Adel nur seine Steuerfreiheit, seine Frone und seinen Dienstzwang rettet, ist er jedermanns Sklave, der ihm seinen Unsinn behaupten hilft.

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Die Wörter Herr und herrschen geben keinen vernünftigen Begriff unter vernünftigen Wesen. Man ist nur Herr und herrscht über Sachen und nie über Personen. Nur wer nicht gesetzlich gerecht regieren kann, maßt sich der Herrschaft an und begeht den Hochverrat an der Vernunft.

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Iß deinen Pudding, Sklav, und halt das Maul! war die Ordonnanz der alten Tyrannei. Die neue rückt etwas weiter und sagt: Gib deinen Pudding, Sklav, und halt – – –

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Solon hatte bekanntlich seinen Atheniensern ein Gesetz gegeben, daß bei Bürgerzwisten jeder Bürger eine Partei ergreifen mußte: das liegt in der Menschennatur, und dadurch wird Vernunft und Freiheitssinn lebendig erhalten. Bei uns ist überall das Gegenteil verordnet und dadurch wird Indolenz und sklavische Verdumpfung geschaffen. Sehr klug; fast hätte ich gesagt sehr weise!

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Man muß immer annehmen: was ein Mann in öffentlichen Verhältnissen Böses tun kann, das wird er tun, und die Geschichte hat immer zehn Beispiele gegen eins, daß er es tut. Eine Staatsverfassung, die dieser Furcht nicht abhilft, ist also schlecht. Ehe wir Bürger sind, müssen wir die Menschen als schlimm annehmen; denn eben deswegen werden wir Bürger, um uns gegen fremde Bosheit zu sichern. Die Erfahrung zeigt oft nur zu deutlich, daß der Gewinn das Opfer nicht wert ist. Denn wo die Ungerechtigkeit aufhören sollte, fängt sie durch Pleonexie und Privilegien und Bedrückung aller Art erst recht an. Man schlägt die Menschen nicht tot, um sie gesetzlich, fast hätte ich gesagt rechtlich, zu peinigen. Zuweilen peinigt man sie erst und schlägt sie dann tot.

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In Frankreich sind durch die Revolution die Hefen der Nation abgegoren, und es ist durch die Rührung wenigstens viel Totes und Faules fortgeschafft worden. Der Himmel behüte uns vor solchen Experimenten! Wir würden, fürchte ich, noch kaum zu solchen leidlichen Resultaten kommen.

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Sobald ich von Frone und Dienstzwang, Immunitäten und Freiheiten, Gerechtigkeiten und Intermediärlasten, überhaupt von Privilegien höre, mag ich mich weiter nicht um das Staatsrecht eines solchen Staates bekümmern. Der Wurm sitzt im Marke.

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Es ist nur ein Despotismus erträglich: der Despotismus der Vernunft – wenn wir nur erst über die Vernunft einig wären.

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Rebellion heißt Widerstand, und Empörung heißt Kraft und Mut, gerade zu gehen; beides können also schöne, männliche Tugenden sein. Nur die Umstände stempeln sie mit Schande.

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Es ist nur noch ein Ungeheuer, welches gräßlicher ist als Tyrannenunvernunft: die Volkswut; und nur die Furcht vor der letzten macht die erste erträglich: auch weiß die erste sehr künstlich mit der letzten zu schrecken und in Schranken zu halten.

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Es ist kein besseres Kunstkniffchen der Despotie als die Sprachverwirrung und die Halbbegriffe. Ich halte also den Turmbau zu Babel für ein Gaunerstückchen irgend eines Nimrod oder Samuel.

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Je mehr die Menschen, in Staaten von ihrer ursprünglichen Gleichheit behalten, desto mehr behalten sie von ihrer eigentümlichen Kraft für den Staat selbst, desto größer ist die Summe des Ganzen für das Gemeine. Jeder Eingriff in die Gerechtigkeit ist eine Schwächung der Nationalkraft. Das Eigentum im Staate ist immer durch den Staat bedingt, und es gilt kein Besitz, durch den nicht für den Staat, ohne Beeinträchtigung einzelner, der größte Vorteil entstände; also gilt endlich nur reiner und gleichbedingter Besitz für alle, Also ist jede Realimmunität eine Torheit und nur insofern rechtlich, als man den Staatsverwesern das Recht zugestehen will, töricht zu handeln. Man macht es aber kürzer, indem man jede quaestio juris mit einer res facti entscheidet und das Bajonett zu Hilfe nimmt.

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Wo ich in einem Staate gesetzlich von Einem Sklaven höre, nehme ich sogleich die Möglichkeit von zehn Millionen an; der Keim dazu ist gelegt. Und wo sich einer vor dem andern mit Freiheiten und Rechtsvorzügen brüsten kann, wird Freiheit und Gerechtigkeit noch lange nicht wohnen.

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Wer von Freiheit und Gerechtigkeit kein besseres Ideal kennt, als ihm die Geschichte zeigt, ist sehr arm an Trost für die Menschheit.

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Die meisten Regenten fürchten sich mehr vor den Bürgern als vor den äußern Feinden: ein Beweis, daß die meisten Staaten schlecht eingerichtet sind!

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Der Krieg ist furchtbar und gräßlich; aber noch gräßlicher ist oft, was man Friede nennt, wo Pleonexie und Kastenwesen das Volk in Sklaverei und zur gänzlichen Verdumpfung und Entäußerung alles Menschenwertes herabstößt. Und es wäre schwer zu bestimmen, ob der Krieg oder dieser Friede mehr Greuel habe.

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Es ist sehr gut, daß die Regierungen Rebellion und Empörung zu Verbrechen machen: aber es ist sehr schlecht, daß ihre meisten Maßregeln geeignet sind, diese Verbrechen zu Tugenden zu stempeln.

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Dem gewöhnlichen Menschen ist das «Vaterland, wo ihn sein Vater gezeugt, seine Mutter gesäugt und sein Pastor gefirmelt hat; dem Kaufmann, wo er die höchsten Prozente ergaunern kann, ohne von dem Staat gepflückt zu werden; dem Soldaten, wo der Imperator den besten Sold zahlt und die größte Insolenz erlaubt; dem Gelehrten, wo er für seine Schmeicheleien am meisten Weihrauch oder Gold erntet; dem ehrlichen, vernünftigen Manne, wo am meisten Freiheit, Gerechtigkeit und Humanität ist. Also findet der letzte nur selten sein Vaterland.

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Ein Glück für die Despoten, daß die eine Hälfte der Menschen nicht denkt und die andere nicht fühlt!

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Eine Nation, die nicht mehr den Mut und die Kraft hat, sich zur allgemeinen Gerechtigkeit und Freiheit zu erheben, ist der Raub der Nachbarn, die das, wenngleich nicht ursprünglich rein, doch in einem höhern Grade vermögen.

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Herrschen ist Unsinn, aber Regieren ist Weisheit. Man herrscht also, weil man nicht regieren kann.

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Nicht wo Einer regiert, ist Despotie, sondern wo Einer herrscht, das heißt, nach eigener Willkür schaltet und die Übrigen unbedingt als Instrument zu seinem Zwecke braucht.

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Dem Eroberer sind die Menschen Schachfiguren und eine verwüstete Provinz ein Kohlenmeiler. Mit wenig Ausnahmen sind die großen Helden die großen Schandflecken des Menschengeschlechts. Selbst Miltiades hat seinen Charakter problematisch gelassen.

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Vernünftigerweise sollten alle Staatsbeförderungen von unten aufgehen, das heißt, die Bürger sollten die Magistraturen und die Krieger die Befehlshaber gesetzlich ernennen. Das wäre rechtlich und psychologisch gut. Wo es umgekehrt ist, muß man von Freiheit nicht sprechen. Von oben herab ist man, nach gewöhnlicher Menschlichkeit, nie weise genug, den Vorteil des ganzen ohne Pleonexie zu wollen. Von oben herab kommen alle guten Gaben: christlich-moralisch, von oben herab kommen alle schlechten Verordnungen: pfäffisch-despotisch.

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Die Kriege sind meistens Völkerinfamien, die erst durch die Friedensschlüsse recht liquid werden: oft auf einer Seite, oft auch auf beiden.

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Der ganze Unterschied zwischen einem reinen Republikaner und einem reinen Despoten ist, daß der erste die Menschen als weise und gut, der andere aber sie als schlecht und dumm annimmt. Die Erfahrung gibt dem letzten öfter recht als dem ersten. Was nicht ist, sucht jeder in seinem Sinne zu machen, und es glückt wieder dem letzten besser.

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Die meisten Leidenschaften scheuen den Tag und sind schon gefährlich genug: aber furchtbar verheerend sind die, die in der Finsternis geboren werden und sich vom Sonnenlicht nähren: Ruhmsucht und Herrschsucht.

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Es ist eine gewöhnliche Narrheit der sogenannten bessern Gesellschaft, das Gemeine für schlecht zu halten. Wo das Gemeine verachtet wird, wird das Gute nie gemein werden, welches doch der Endzweck jeder bessern Kultur ist. Bei dieser Gesinnung findet kein Gemeingut statt; die Folge davon fühlen wir bis zur gemeinen Schändlichkeit der Nation. Bloß der gemeine Mann hat noch etwas Takt der Sache. Wenn er einen wackern Patrioten bezeichnen will, sagt er wohl: der Herr ist sehr gemein.

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Der Staat sollte vorzüglich nur für die Ärmeren sorgen: die Reichen sorgen leider nur zu sehr für sich selbst.

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Man sehe nur das Gros der Soldaten an, vorzüglich den kleinen Stab; ihr Ganzes sagt sogleich: »Wir sind die Repräsentanten der Willkür; bei uns hört das Denken auf.« Daher ist auch ihr Lieblingswort: »Will der Kerl noch räsonnieren?« Im Soldatenwesen, welches ganz etwas anders ist als Militär, ist freilich wenig Vernunft mehr.

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Es kann in seinem Ursprung nicht leicht ein schlimmeres Wort sein als Soldat, Söldner, Käufling, feile Seele; Solidarius, glimpflich: Dukatenkerl. Die Sache macht die Ehre des Kriegers; aber ein Soldat kann als Soldat durchaus auf keine Ehre Anspruch machen. Es ist ein unbegreiflicher Wahnsinn des menschlichen Geistes, wie der Name Soldat ein Ehrentitel werden konnte.

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Als ich hinter jedem preußischen Bataillon fünf oder sechs Hühnerwagen herziehen und den unbärtigen Fähnrich einen Graubart mit Stockprügeln behandeln sah, ward mir für das deutsche Wesen nicht wohl zumute.

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Wo man anfängt den Krieger von dem Bürger zu trennen, ist die Sache der Freiheit und Gerechtigkeit schon halb verloren.

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In Dresden im Engel waren ein Dutzend preußische Offiziere, die eines Abends, wie uns der Markör erzählte, ihre Bacchanalien feierten. Sie vergeudeten den Champagner und Burgunder bei Dutzenden, als ob sie das Land, wo er wächst, schon erobert hätten oder doch gewiß übermorgen erobern würden, und blieben dann tapfer unter dem Tische liegen. Nur einige machten noch einen spätern martialischen Ausfall auf ein Haus, wo sie Nymphen witterten, setzten die Nachbarschaft in Lärm und prügelten die Nachtwächter. Da ward mir wieder nicht wohl zumute, und etwas mehr von der Folge schwebte mir vor.

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»Ihr müßt Euch mit den Bürgern hier nicht gemein machen«, sagte ein Y'scher Offizier zu seinen Leuten beim Verlesen; »müßt Euch nicht mit ihnen Du nennen; denn Ihr seid mehr als sie!« – – Das nenne ich Deutsch und Altpreußisch räsonniert! Dieser Geist hat gemacht, was wir gesehen haben, bei Jena und Halle und Magdeburg und Prenzlow.

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»Gott straf' mich, Herr Bruder«, sagte ein Y. Offizier zu seinem Kameraden, indem er die Worte echt militärisch durch die Nase schnarrte; »Gott soll mich strafen, Herr Bruder, wenn ich meinem Wirt nicht täglich zehn Taler koste!« Das nenne ich Ehre! Der dumme Wirt und der schlechte Offizier!

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Wer das erste Privilegium erfunden hat, verdient vorzugsweise so lange im Fegefeuer in Öl gesotten oder mit Nesseln gepeitscht zu werden, bis das letzte Privilegium vertilgt ist.

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Rousseau spricht in seinem Bürgervertrage von Privilegien; das klingt sonderbar. Aber R. irrte sich. Er versteht unter Privilegien nur notwendige, persönliche Prädikate der Magistraturen. Diese Vorzüge sind keine Privilegien. Ein Vorzug ist notwendig im Gesetze und zum Gesetze; ein Privilegium ist außergesetzlich. Soviel ich weiß, hat die alte echte Latinität und Gräcität kein Wort für diese ehrlose Sache; denn jedes Privilegium ist ehrlos.

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Das erste Privilegium ist der erste Ansatz zum Krebs des Staatskörpers.

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Mit dem ersten Privilegium geht der strengere Bürgersinn ab.

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Die Privilegien heben sogleich auch die Philanthropie auf. Denn wenn die Freundschaft auch ein Vorrecht zugestehen wollte, so kann die Freundschaft keins annehmen.

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Wenn alle Knechtschaft und alle Vorrechte aller Art verbrannt sind, dann will ich auch an die heilige Vernunft glauben. Jetzt bin ich mit dem Glauben an ihre Möglichkeit zufrieden.

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Wo ein Privilegium gilt, kann selbst der Allmächtigste keinen Himmel schaffen, und die Menschen wollen damit einen vernünftigen Staat bilden?

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Wenn ich den Leuten auf die Nasen sehe, vergeht mir die Hoffnung, da ich darunter verdammt viele vornehme finde, und nicht wenige davon stehen auf eigentlichen Pöbelgesichtern. Mir ist immer, als ob eine solche Nase sagen wollte: Seht her, ihr Halunken, ich habe ein Privilegium.

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Wir Deutschen sind vorzugsweise das Volk der Privilegien: ein Dokument unserer Unweisheit! Darum ist es denn auch gegangen – wie wir gesehen haben und sehen. Solange wir die Privilegien nicht vernichten, können wir die Franzosen vielleicht schlagen, werden sie aber nie besiegen.

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Viele eifern nur deswegen so heftig gegen die Vorrechte, um die ganze Summe derselben für sich in Beschlag zu nehmen. Das sind die gräßlichsten aller Privilegierten und immer Tyrannen, sie mögen stehen, in welcher Kaste sie wollen.

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Privilegium heißt eine Ausnahme vom Gesetz: und wo man sie macht, taugt das Gesetz nichts, oder die Ausnahme ist schlecht. Man erdichtet so gern Kollisionen, um ihre Notwendigkeit oder Wohltätigkeit zu beweisen. Je mehr ich denke und denke, desto gewisser werde ich, daß das Privilegium und die Immunität das leibhafte Krebsgeschwür der Staaten ist. Hat man nur erst dieses Radikalübel geheilt, die übrigen sind leicht zu heben. Es ist mir lieb, daß man in den alten Griechen und Römern kein ganz bezeichnendes Wort für diese Schändlichkeit findet; Sache und Name sind Ausgeburt der neuen Vernunft.

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Der erste Fußbreit Landes, der nicht gleich verhältnismäßig mit den übrigen zu den öffentlichen Lasten beiträgt, ist der erste Schritt zum Privilegium, zur Pleonexie, zur Habsucht, zur Ungleichheit, zur Unterdrückung, zur Despotie, zur Tyrannei, zur Sklaverei.

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Die Bedingung der Vaterlandsliebe ist Freiheit und Gerechtigkeit. Von beiden ist in unsern europäischen Staaten nur das Minimum. Die Vaterlandsliebe kann also leicht berechnet werden. Die Vaterlandsliebe der Privilegien ist der kochende Grimm wilder Tiere, mit welchem sie über ihren Raum wachen.

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