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Heeresfront Erzherzog Josef bis Ende 1916

Es war bei der Schilderung der Tätigkeit Seeckts im Stabe des Generalfeldmarschalls v. Mackensen darauf hingewiesen, daß der Oberbefehlshaber nicht so in den Vordergrund gestellt wurde, wie es ihm an sich zukommt. Der Grund ist, daß es sich um die Lebensbeschreibung Seeckts handelt. Diese Begründung muß hier wiederholt werden, Auch die Persönlichkeit des Erzherzogs Josef ist in der Darstellung nicht so herausgehoben, wie es an sich bei diesem verdienten Heerführer notwendig wäre. Auch hier ist lediglich der Grund, daß nur die Absicht bestand, Seeckts Leben zu schildern.

Am 21. 11. ist Craiova genommen. Am 23. 11. gelingt Mackensens Donauübergang. Um die Monatswende November zum Dezember tritt zwar eine Krise auf dem linken Flügel der Donau-Armee ein. Die Rumänen erkennen die von Mackensen drohende Gefahr und setzen zum Flankenstoß an. Ein Zufall will, daß der rumänische Befehl in die Hände Falkenhayns gelangt. Er entschließt sich sofort zum Angriff. Die Schlacht am Argesul vom 1. bis 3. 12. wird eine schwere rumänische Niederlage. Am 6. Dezember fällt Bukarest. Die Rumänen räumen die Hauptstadt. Das Petroleumgebiet von Ploesti wird von den Deutschen besetzt. In den Weihnachtstagen werden die rumänischen Stellungen abermals durchbrochen, Anfang 1917 Braila und Focsani besetzt. Am Sereth und der Putna findet der Kampf Mitte Januar 1917 sein Ende.

Zufrieden klingen die Briefe der letzten Novembertage:

»D. 25. November 1916 … Keinerlei Ereignisse … Der Verlust von Monastir ist nicht ganz unbeträchtlich; es kostet jedenfalls deutsche Kräfte, um dort jetzt zu halten oder die Sache zu reparieren, abgesehen von dem politischen Eindruck … Bulgarien wird sehr empfindlich sein. Es ist die bedeutendste Stadt im westlichen Mazedonien und recht wohlhabend. Auch die bulg. Bäume wachsen nicht in den Himmel.

Die östr.-ung. Zeitungen schwelgen sich aus in Lobpreisungen des neuen Herrn. Zu was sind die Menschen fähig!

Also Jagow doch ausgeschifft, der brüllenden Rotte vom Kanzler als Opfer hingeworfen. Stumm Unterstaatssekretär, Wedel Botschafter in Wien – ganz die alte Geschichte, wie ich sie mir dachte.

Ich danke Dir ganz besonders für die Bücher, erfreulicherweise nichts Kriegerisches dabei …

D. 26. November … Heute früh Vereidigung der k.u.k. Truppen auf dem Marktplatz bei schöner Sonne, gute Predigt nach der Feldmesse. Die Eidesleistung ging bei uns noch gelinde ab; es gibt sonst 70 verschiedene Möglichkeiten nach Sprachen und Art! Wir kamen mit nur vier verschiedenen zum Ende.

... Seit heute ohne die Hofküche und gut in der großen Messe gegessen; es kommt mir viel natürlicher vor …

Sonntag, den 26. November … Mein lieber Schatz, dieser Brief soll am Geburtstag bei Dir sein – – – viel zu sagen brauche ich nicht, denn wir wissen beide alles, was wir denken und empfinden heute. Gott schütze Dich und erhalte Dich mir …

Einige Blumen und gute Freunde werden sich am Geburtstag bei Dir einfinden und so wird es so gut verlaufen, wie es möglich ist. Halte die kleinen Ohren steif, mein Katz – wie Du es tapfer getan hast, seitdem ich Dir am 31. Juli 1914 diesen Satz am Telephon sagte; aber es wird wieder besser und noch einmal sehr gut. Dein Alter.

D. 27. November … vor einer halben Stunde war Deine Stimme noch hier im Zimmer Telefongespräch. – es ist jetzt gar nicht mehr auszudenken. Sehr, sehr beweglich war es und eine große Freude, die dabei auf die Nerven ging, weil sie an sich schon etwas so Unvollkommenes ist und das leibhaftige Wiedersehen so stark als Wunsch und Verlangen zum Bewußtsein bringt. Dann hattest Du es wohl besser als ich; denn ich mußte Deine liebe Stimme immer erst aus dem Gewirr der anderen Gespräche herausholen. Ich kam Dir gewiß recht dumm vor, womöglich unfreundlich. Zwischendurch verstand ich ganz gut und Deine Stimme war weich und klang nach Dir, dann wieder fremd und unverständlich … Kurz vorher telephonierte mir Wetzell, mein Fortkommen sei ganz zweifelhaft geworden, da die Öster. erklärt hätten, mich hätten sie sich als Chef gefallen lassen, einen anderen nicht. Sie verlangten dann als meinen Nachfolger einen Österreicher einzusetzen. Es hätte viel für sich, hier zu bleiben mit Urlaubsmöglichkeiten, mit den auf mich dressierten Menschen um mich. Ich glaube nicht, daß sie den Widerstand überwinden, auch nicht in Wien, wohin morgen die großen Leute fahren …

Die Zensur zwischen Österreich und Deutschland soll aufgehoben sein … Man kann einem Menschen sagen: Du bist verdächtigt und Du darfst nicht verschlossen schreiben und Deine Korrespondenz wird aufgemacht. Dann sperrt man ihn gleichzeitig ein. Alles andere führt nur zu Schnüffeleien minderwertiger Kreaturen und hat doch keinen Nutzen …

D. 28. November … Bekam lieben Brief vom 23. heute. Gehen nun meine zu Dir im gleichen Tempo, so wird dieser vielleicht doch noch ein Geburtstagsbrief und dann soll er Dir noch einmal alles Liebe und Gute und Zärtliche sagen, was Du Dir nur wünschen und denken kannst. Denken und wünschen tun wir beide uns, wenn wir bescheiden sind, ein Wiedersehen in absehbarer Zeit und einige stille Tage für uns, und wenn wir anspruchsvoll, eine dauernde Wiedervereinigung in Friede und Liebe und Ruhe. Gott gebe es …

Die Tante ›Voß‹ – wie indiskret! Nennung des Namens Seeckt in Verbindung mit erzherzoglicher Armee. Es amüsiert mich sehr; aber wie konnte die Zensur das Geheimnis nur durchlassen und noch dazu mit einem anerkennenden Beiwort versehen …«

Sehr bald gestalten sich die Dinge so, daß Seeckt eigentlich keinen rechten Grund mehr hat, allzu zufrieden zu sein. Es begibt sich nun doch allerhand Unerfreuliches und Unerquickliches.

Falkenhayn untersteht nur noch eine Woche dem Heeresfrontkommando. Am 30. 11. tritt die 9. Armee unter den Befehl des Feldmarschalls von Mackensen. Diese eine Woche ist aber reichlich unerfreulich. Seeckt will das Heeresfrontkommando nach Hermannstadt verlegen. Falkenhayn meint, für diesen Wunsch hätten nur persönliche, gesellschaftliche und politische Gründe bestanden. Er beantwortet also eine Anfrage Seeckts ablehnend mit der Begründung, in Rumänien bestünde zur Zeit noch keine Verbindung zur O.H.L. Allerdings beruhte auch die Absicht Seeckts auf einem Irrtum. Er wollte die Verlegung nach Hermannstadt deshalb, weil er annahm, das Heeresfrontkommando werde die Gesamtleitung in Rumänien erhalten Heeresarchiv Potsdam, Akte O 470.. Übrigens fehlt es bei der Gereiztheit Falkenhayns, die vielleicht teilweise auf eine Kiefererkrankung zurückgeführt werden kann v. Zwehl, S. 250., auch nicht an Reibungen unmittelbar mit der O.K.L. Für Seeckt haben selbst diese Differenzen die unangenehme Seite, daß sie mehrfach unter Umgehung des Heeresfrontkommandos ausgetragen werden.

Am 26. 11. schickt Falkenhayn der O.K.L. eine Lagenbeurteilung. Die sonst so klare Handschrift Falkenhayns ist, man kann es nicht anders nennen, zittrig. Es ist ungewöhnlich viel verbessert. Der Ton ist scharf. Die Gruppe Krafft soll auf Pitesti vorgehen, die Gruppe Kühne die Richtung nach Osten haben. Seeckt nimmt hierzu umgehend Stellung. Er glaubt, einen Erfolg schneller zu erreichen, wenn der linke Flügel der Gruppe Kühne die Richtung Pitesti, also mehr nordöstlich, bekommt. Die 9. Armee solle dann die allgemeine Richtung auf Ploesti haben. Dadurch käme die gewünschte Staffelung gegen Bukarest heraus. Das Telegramm an den Chef des Generalstabes schließt: »Nach der augenblicklichen Lage der Kommandoverhältnisse ist vom Kommando der Heeresfront noch nicht in diesem Sinne eingewirkt. Es würde nur nach ausdrücklicher Genehmigung E. E. erfolgen.« Das Telegramm trägt von Wetzells Hand den Vermerk, daß es mündlich von Ludendorff erledigt sei. Das Ergebnis war eine Art Kompromiß zwischen den beiden entgegenstehenden Ansichten. Falkenhayn hat dagegen auch noch Bedenken. Das Heeresfrontkommando stimmt zu Heeresarchiv Potsdam, Akte A.O.K. 9, 176 27., verlangt jedoch eine kampfkräftige Kolonne auf Campulung. Falkenhayn hat später Falkenhayn, S. 71. erklärt, »der Telegrammwechsel wäre völlig zwecklos gewesen«. Das stimmt so ziemlich. Ludendorff hatte sich ja offenbar in seinem Ferngespräch der Auffassung Seeckts nur sehr zum Teil angeschlossen. Es stimmt aber auch wiederum nicht, da schließlich Kühne mit linkem Flügel tatsächlich die Richtung Pitesti bekommt. Der Tag dieses Telegrammwechsels, der 26. 11., ist ein Tag voller Reibungen, und er endet für Seeckt unerfreulich. Das Endergebnis später ist aber dann doch, daß Seeckts Auffassung zur Tat wird. Und das ist ja vielleicht die Hauptsache. Wie Seeckt das schließlich erreicht hat, ob unter Hinnahme einer Reihe persönlicher Unannehmlichkeiten, das kann dann gleich sein.

Es ist darauf hingewiesen v. Zwehl, S. 251., daß Reibungen mit Falkenhayn unter dem Kommando Mackensens ausgeblieben seien. Das mag sein. Ganz stimmt es nicht, auch zwischen Falkenhayn und Mackensen sind Reibungen vorgekommen. Es beweist aber noch nicht, daß Seeckt Ursache der entstandenen Schwierigkeiten war. Mackensen war ein preußischer Feldmarschall, der sich kraft der Autorität seines Ranges und seiner Persönlichkeit eine Umgehung seiner Kommandogewalt niemals hätte bieten lassen. Das wußte Falkenhayn natürlich. Seeckt litt einfach unter der Tatsache, daß ein Chef niemals Oberbefehlshaber sein kann. Den aber ließ Falkenhayn entweder nicht gelten, oder er war in der Tat nicht da.

Für Seeckt ist die Spannung mit Falkenhayn nicht die einzige. Es ergeben sich Meinungsverschiedenheiten mit der O.K.L. Einerseits sind es wieder die nicht nahe genug herangehaltenen Reserven Auf eine Meldung Seeckts (Akte O 470) über Verschiebung der Reserven bei der 1. und 7. Armee vermerkt Ludendorff, sie seien wieder zu weit ab. Er verlangt Meldung, wo die Reserven am 28. 11. tatsächlich gestanden haben. Das Telegramm trägt den Vermerk, es sei auf Befehl Ludendorffs nicht herausgegangen. Man kann daraus schließen, daß er ein Eingreifen dann doch nicht mehr für nötig hielt.. Über die russischen Angriffsmöglichkeiten bei der 1. Armee sind Ludendorff und Seeckt auch nicht ganz einig. Die O.K.L. greift zudem in Einzelheiten bis unterhalb des Divisionsverbandes, ja bis in den Artillerieeinsatz ein Heeresarchiv Potsdam, Akte O 470.. Wenn man in den Einzelheiten Seeckt hier wirklich den einen oder anderen Fehler nachweisen könnte, so müßte man ihm zubilligen, daß in dieser Art die Führung recht erschwert ist. Er hatte die Gesamtlage zu berücksichtigen. Die 1. und 7. Armee wurden erheblich angegriffen. Wenn es dann bei diesen beiden Armeen schlecht stand, mußte schließlich immer doch Seeckt helfen. Alles sah nur auf den Angriff Mackensens und Falkenhayns und vergaß über dem großen Erfolg gern die Sorge der selbst angegriffenen Stellen. Die Last, an Ort und Stelle alle Sorgen der Gesamtfront durchzuhalten, lag auf Seeckt. Sie ist ihm nicht abgenommen worden. Das konnte auch die O.K.L. mit allen ihren Eingriffen in Einzelheiten nicht.

Schließlich ist noch zu erwähnen, daß Stoltzenberg ebenfalls am 27. 11., und auch sonst mehrfach, unmittelbar an die O.K.L. berichtet. Diese Berichterstattung erscheint nachträglich etwas eigenartig, obwohl das formale Recht dazu ohne weiteres vorlag. Stoltzenberg Heeresarchiv Potsdam, Akte O 470. war übrigens am 30.11. als Verbindungsoffizier zur Heeresgruppe Mackensen versetzt. Seeckts Verbleiben beim Erzherzog Josef stand aber erst mit dem 3. 12. fest. Ob diese beiden Daten in einem inneren Zusammenhang standen, ist schwer zu sagen. Es ist wohl zuviel vermutet, wenn gelegentlich angenommen wurde, die O.K.L. habe ihren »Questenberg« vorausgeschickt in der Annahme, daß Seeckt dorthin versetzt würde.

Überblickt man die mit dem November zu Ende gehende Zeit der Unterstellung der 9. Armee unter die Heeresfront Erzherzog Karl und Erzherzog Josef, so muß man zugeben, daß Seeckt auf die Offensive keinen entscheidenden Einfluß ausgeübt hat. Sein Verdienst lag im wesentlichen in der Betreuung der Gesamtfront. Vielleicht hat Seeckt an dem Gedanken der Offensive auf Bukarest von Nordosten her, so richtig diese an sich war, zu lange festgehalten und sich zu spät auf die Szurduk-Offensive umgestellt, die nun doch einmal nicht mehr zu ändern war. Zum Tadel würde ihm das persönlich keinesfalls gereichen. Die sonst sowohl von Falkenhayn wie von anderen erhobenen Vorwürfe sind, soweit sie wesentlich sind, unberechtigt. Soweit sie berechtigt sind, muß man sie auf die unglückliche Stellung des Heeresfrontkommandos und erst recht des Chefs bei diesem Heeresfrontkommando zurückführen. Seeckt mag auch an der Defensivfront zu lange am Angriffsgedanken festgehalten haben. Auch das dürfte kein Vorwurf sein. Der Einfluß Seeckts auf die Abwehr der 1. und 7. Armee, der leicht übersehen wird, bleibt unverkennbar.

Aus den beiden letzten Briefen des November ist an einzelnen Stellen etwas Enttäuschung über den Gang der Dinge nun doch herauszulesen.

»D. 29. November … Der Russe bewies gestern seine Friedensbereitschaft durch einen wütenden Angriff in den ganzen Karpathen und in der Moldau zur Rettung Rumäniens. Er glaubt jetzt, wo alle Erzherzöge in Wien sind, natürlich mit der führerlosen Schar leichtes Spiel zu haben. Wir wollen sehen, wie es abläuft.

So ging mit Sorgen der Nachmittag hin und Postschluß ist da. Aber nicht denken, daß ich betrübt etwa; ›Sorgenschwerer Alter‹ sagtest Du früher zuweilen und würdest Du jetzt noch öfter sagen. Noch immer habe ich etwas von Deiner Stimme in den Ohren …

Mein Verbleiben in dieser Stellung scheint nun endgültig zu sein. Dienstlich ist das eine große Einschränkung meiner Tätigkeit, denn F. wurde dem Feldmarschall unterstellt, was an sich sehr richtig und eigentlich selbstverständlich. Meine Versetzung dorthin ist wohl an den von österreichischer Seite gemachten Schwierigkeiten gescheitert. So behalte ich also einen Erzherzog und zwei stark mit deutschen Truppen durchsetzte östr. Armeen. Zur Zeit bin ich nötig; denn die Russen greifen uns recht ernsthaft an …

D. 30. November … Meine Laune ist nicht glänzend … Ludwig Windischgrätz kam hier durch … Er war begeistert von der Idee, daß wir zur Krönung gingen, vor allem, weil ich dann dazu helfen müßte ›Tiszá stürzen Vergleiche S. 465‹, was doch das schönste Spiel ist … Er erzählte ganz amüsant; zunächst ist großer Zank um die Krönung, wer als Vertreter des Volkes mit dem Erzbischof dem König die Krone aufsetzen soll. Tiszá beansprucht das Recht für sich, die anderen bestreiten dies. Hinter dieser, an sich und jetzt erst recht bedeutungslos erscheinenden Frage stehen anscheinend die wichtigsten Dinge; sonst kommen sie unsereinem etwas kindisch vor, wie oft, wenn die Politik zu ernst genommen wird. Burian, den österreichischen Außenminister, sieht er schon als gestürzt an, ob Julius Andrássy dann der Nachfolger, ist ihm nicht zweifelhaft, aber mir. Der kommende Mann in Österreich sei Hohenlohe, womit er nicht so unrecht hat, da ich weiß, daß der Kaiser ihn schätzt. Erzherzog Friedrich samt Conrad seien auch nach den hohen Ordensauszeichnungen bald erledigt und der ›Erzherzog E-Ugen‹ und ?Nachfolger? Wer das kann und wird, weiß er nicht und ich nicht. Vielleicht mein Freund Köveß. Das wäre nicht schlecht … anständiger Kerl, gutdeutsch gesinnt. Ein merkwürdig vielseitig gebildeter Mann. Conrad ist in Ungarn äußerst unpopulär, und der junge Kaiser hat ihm seine Heirat sehr übel genommen. Trotzdem glaube ich nicht an den Wechsel und hielte ihn auch zur Zeit für wenig angezeigt, an sich freilich nicht für zu wichtig.«

Der Heeresfront Erzherzog Josef, bestehend aus der Gruppe Gerok Diese Gruppe Gerok war nur eine taktische Gruppe, die gebildet wurde, weil Gerok im Range älter war als der Armeebefehlshaber., der k.u.k. 1. und 7. Armee, blieb nach Lage der Dinge nur noch eine reine Defensivaufgabe. Auch sie war allerdings nicht leicht zu lösen. Am 1. Dezember verfügte die Heeresgruppe nicht mehr über eine einzige Reserve und hatte die Front mit stark vermischten Verbänden besetzt. Da der 2. Dezember einen erheblichen Russeneinbruch bei der 61. I.Tr.D. in der Gegend des Trotus-Tales bringt, telegraphiert Seeckt sehr ernst an die O.K.L. Nur Im Kriegstagebuch enthalten. Es ist nun erneut und immer wieder bezeichnend für Seeckt, daß er zwar Kräfte aus Anlaß der Verteidigung anfordert, dabei aber sofort zu Offensivgedanken übergeht. Er erklärt, wenn er auch nur einigermaßen Kräfte dazu bekäme, würde er in Richtung Focsani vorgehen, sobald Mackensen genügend vorgekommen sei. Es sei ausdrücklich hervorgehoben, daß damit zuerst der Gedanke des Offensivstoßes auftaucht, der das Handeln der Heeresfront bis in den Januar 1917 beherrscht hat. Am 3. 12. erhält Seeckt von Ludendorff ein Telegramm, das keineswegs als Ermunterung zur Offensive aufgefaßt werden kann Heeresarchiv Potsdam, Akte O 470.:

»In den Tagesmeldungen der k.u.k. 1. u. 7. Armee der letzten Tage wiederholt sich des öfteren die Nachricht, daß die eine oder andere verloren gegangene Höhe von deutschen Truppen wieder genommen sei … Ich kann im Einzelfall die Notwendigkeit dieses Einsatzes nicht übersehen. Unser Menschenverbrauch und ihr Ersatz auf allen Schlachtfeldern zwingt uns jedoch zum Haushalten mit unseren unersetzbaren Menschenkräften. Dies gilt auch für die dortigen Fronten. Nur da wo die Gesamt- oder die besondere taktische Lage die Wiedereroberung einer verlorengegangenen Höhe oder eines Stellungsstückes unbedingt erfordert, halte ich den Einsatz deutscher Kräfte – dasselbe gilt auch für österreichische – zur Wiedereroberung unter den jetzigen Verhältnissen für geboten …«

Wenn Ludendorff auch ganz allgemein alle Führer ermahnt und selbst erklärt, daß er den Einzelfall nicht übersähe, so mußte Seeckt dies Telegramm hart treffen. Was Ludendorff forderte, war bewegliche Verteidigung im Gegensatz zum starren Festhalten an einem Stück Stellung. Gerade Seeckt war aber immer ein Vertreter beweglicher Kampfart gewesen. Er hatte es ferner nicht nur mehrfach ausgesprochen, sondern auch durch die Tat bewiesen, daß er sich für jeden einzelnen Mann, der sein Blut opferte, verantwortlich fühlte. Seeckt wird sich innerlich mit diesem Telegramm nur schwer abgefunden haben. Gesprochen hat er darüber nie. Übrigens traf noch ein anderes Telegramm der O.K.L. am gleichen Tage ein, das Seeckt ebenfalls eigentümlich berühren mußte Heeresarchiv Potsdam, Akte O 470.: »Ich bitte veranlassen zu wollen, daß k.u.k. 1. und 9. Armee ihre Tagesmeldungen zur genauen gegenseitigen Orientierung austauschen …« Das mußte insofern auffallen, als die 1. und 9. Armee nicht aneinander stießen. Dazwischen stand die Gruppe Gerok.

Am 2. 12. trifft der Erzherzog Josef in Schäßburg ein. Der Eindruck muß beiderseits ein günstiger gewesen sein. Der Erzherzog meint von seinem Chef: »Seeckt ist ein trockener, strammer Soldat, erwärmte sich sichtlich auf meine Worte.« Der Erzherzog hat sich mehrfach Erzherzog Josef, Der Weltkrieg, wie ich ihn sah. über seinen Stabschef geäußert:

»Mit General v. Seeckt geht es vorzüglich. Unsere Ansichten decken sich vollkommen. Unsere strategischen Anschauungen gleichen sich oder sind dieselben … Ich muß sagen, das Verhältnis zwischen uns ist ein vorzügliches und passen der Heerführer und Generalstabschef sehr gut zusammen … Seeckt und ich, wir verstehen uns vorzüglich … Seeckt machte mir am 8. 12. einen Vorschlag. Dieser deckt derartig meine Überzeugung, als wenn ich denselben selbst geschrieben hätte... General v. Seeckt und ich passen großartig zueinander. Unsere Gedanken sind immer dieselben, und er selbst ist die Pünktlichkeit und Gewissenhaftigkeit selber. Er durchdenkt alles vorzüglich und arbeitet das Besprochene oder meine Weisungen derart aus, daß dies besser schon nicht möglich wäre. Ich kann mir einen besseren Generalstabschef nicht vorstellen. Es ist auch von Vorteil, daß er mit Hindenburg und Mackensen gut ist. Viele haben ihn nicht gern, weil er trocken und hart ist und, hie und da gewiß mit eiserner Strenge fordernd, nie mit einem Wort mehr sagt, als es notwendig ist. In diesen wenigen Tagen habe ich diesen zurückhaltenden Mann sehr lieb gewonnen. Schade, daß Seeckt ein Deutscher ist, denn sonst würde ich sagen, daß er der einzige Mensch sei, den ich, jede Verantwortung auf mich nehmend, als einzige vollkommen geeignete Person, Conrad zu ersetzen, anempfehlen könnte … Hindenburg ist in dienstlichen Sachen wortkarg und voll hoffenden Glaubens. Ludendorff ist tiefdenkend, in seinem Vortrag unbesiegbar überzeugend. Aber ich halte auf Seeckt doch mehr als auf Ludendorff … Ein hervorragenderer General ist mir noch nicht untergekommen als er, mit dem es eine Freude ist, zusammen zu arbeiten, weil sein Gedankengang so präzise ist als der feinste Chronometer, in dem man sich nicht irren kann und der nie ausläßt.«

Seeckt schreibt:

»D. 2. Dezember … Es tut mir hinterher leid, daß ich Dich mit meinem Stellungswechsel vielleicht in Unruhe versetzt habe; denn es ist keine Rede mehr davon, wenn auch der Erzherzog Josef heute gleich mit der Frage kam, ob ich zu Mackensen ginge. Von allem abgesehen, wäre es in diesem Augenblick der Operation auch ganz unpraktisch... Heute früh kam mein neuer Befehlshaber. Er gefällt mir zunächst gut: anspruchslos, rein militärisch, brachte nur einen Adjutanten Es waren zwei. und nur einen Diener mit und kommt mir entschieden mit Vertrauen entgegen. Was will man mehr …

Schulenburg Chef beim Kronprinzen, was mich freut … Sauberzweig soll Chef geworden sein, 8. Armee. Man muß es dem jetzigen Allgewaltigen lassen, daß er persönliche Abneigungen unterdrückt Bezieht sich nur auf Sauberzweig..

Nach einigen recht harten Kampftagen ist heute bei uns an den meisten Stellen Ruhe eingetreten; doch rechne ich mit der Erneuerung der russischen Stöße. Es ist das einzige, womit sie den Rumänen helfen können, denen es dreckig geht. Es haben sich übrigens verschiedene Teile der Österreicher recht gut gehalten …«

Gleichzeitig mit dem Eintreffen des Erzherzogs Josef übernimmt der Kaiser Karl auf Grund von Abänderungen, die in Pleß besprochen waren, den österreichisch-ungarischen Oberbefehl. Seeckt hätte das als eine Erschwerung für sich ansehen können, da das Befehlsrecht der deutschen O.K.L. für ihn damit eingeschränkt war. Es ist auffallend, daß das Gegenteil eintritt. Seeckt schreibt im nächsten Brief hierüber befriedigt und sieht nur eine Erschwerung für Ludendorff.

»Geburtstag (3. Dezember 1916). Mein lieber Schatz, also heute ist Geburtstag. Wie kann ich mich jetzt darüber ärgern, daß ich auch früher schon viel zu viel Zeit für … Kriegsakademie und … Generalstab, aber auch für die nette Kompanie und das noch nettere Bataillon vergeudet habe. Aber hübsch war es doch und das Hübscheste ist, daß es auch wieder hübsch werden wird … Alle Deine hiesigen Bekannten verlangten, daß ich heute abend mit ihnen Sekt trinke; aber ich verspare mir die Feier auf ein anderes Mal; es ist heute noch keine rechte Ruhe und ich muß mich mit meinem neuen Befehlshaber einarbeiten. Sehr viel einfacher ist das natürlich mit ihm, da er Soldat und 40 Jahre ist. Übrigens sprachen wir heute mittags lebhaft über Touggourt und die G'miras Seecktsche Reise in die Sahara 1906.; er ist zwanzigmal in Afrika gewesen … Ach Du, mein Liebes! Eben kam Dein Brief vom 28. Wie bereue ich es, daß ich Dich mit Mackensen geängstigt habe. Vorläufig ist alle Gefahr vorbei und sie müssen ohne mich weiter siegen. Eben kam eine Fanfare über die gewonnene Schlacht am Argesul.

Mein bisheriger Herr hat nun den Oberbefehl über seine Armee übernommen; sehr in meinem Sinn und zu meiner Befriedigung, also unter unserem Kaiser und dessen höchstem Befehl, wovon übrigens nicht unnötig gesprochen werden soll. Nun ist nur zu wünschen, daß die Weisungen an die Österreicher in etwas schonenderer Form ergehen als bisher, sonst gibt es sofort Krach. Ich persönlich gehöre ja noch zu den Leuten, die meinen, daß Energie und freundliche Form sich vereinigen läßt. Ich bin auch ferner der Meinung, daß Rückenbrechen keine gute Erziehung ist, nicht beim Pferd und nicht bei Menschen. Auf die weitere Entwicklung bin ich gespannt. Auf die östr. Armee wird die Kommandoübernahme gut wirken. Ich denke, ich sehe den hohen Herrn bald wieder; er wird wohl bald zum Besuch kommen und ließ mir das auch schon sagen …«

Feldmarschall v. Hindenburg sendet an Falkenhayn Dank und Glückwunsch zum »großen Erfolge« am Argesul. Man kann es dem Feldmarschall v. Mackensen nicht verargen, wenn er Heeresarchiv Potsdam, Akte O 464. darauf hinweist, daß die Donau-Armee hieran doch auch etwas beteiligt war. Seeckt, der wirklich keine allzu beneidenswerte Aufgabe hatte, freute sich einfach mit.

»D. 4. Dezember 1916 … Der Tag verlief ohne Ereignisse. Wir freuen uns ›ohne Mistgunst, aber ganz gewiß nicht ohne Neid‹ der Operationen in Rumänien und sind zufrieden, mit unseren beiden Armeen bisher dem Entlastungsansturm der Russen widerstanden zu haben. Eine glänzende Leistung vollbrachte und vollbringt eine bayerische Division, die ich schon vom vorigen Jahr her kenne. Sie hält sang-, klang- und ruhmlos seit sechs Tagen gegen vier russ. Divisionen …

Der Erzherzog gefällt mir täglich besser; ganz einfach Soldat und voller Vertrauen. Ich denke, wir werden gut miteinander auskommen. Jedenfalls ist der Verkehr sehr viel einfacher geworden und die Befreiung von dem zweimal täglichen spanischen Hofzeremoniell bei Tisch wirkt wohltuend.

Ein schöner Tag mit leichtem Frost und Morgennebel, rechte Dezembertage, die in mir die Sehnsucht nach allerlei Behaglichem und Heimischem erwecken. Na, auch das kommt wieder.

D. 5. Dezember … Aus Wien berichtete Graf Ledebur, den ich dorthin beurlaubt hatte. Er hat die Trauerfeierlichkeiten als Kämmerer mitgemacht und schilderte sie sehr würdig und schön. Allgemeine Befriedigung über den jungen Kaiser, die auch unserer geteilt habe. Etwas stark habe er stets seine Bereitwilligkeit zum Frieden betont; doch ist mir das nicht überraschend, auch nicht, daß er sich noch die Leute schlecht aussucht, denen gegenüber er sich ausspricht. Jemand, der ihm auf dergleichen immer ein: ›Ja – aber in Ehren‹ entgegenhält, findet er jetzt nicht mehr. Mein Freund, der König der Bulgaren, soll sich durch eine prunkvolle ungarische Uniform … ausgezeichnet haben. Der türkische Thronfolger sei besonders honoriert, da man neuerdings Abfallgelüste der Türkei in Wien fürchte; solange Enver lebt, sicher mit Unrecht …«

Die Stelle über die Türkei hatte ihre Gründe. Anfang November Heeresarchiv Potsdam, Akte P 557 u. 558. waren im türkischen Ministerrat heftige Angriffe gegen Enver gerichtet worden, er sei gegen Deutschland zu nachgiebig und habe wenig erreicht in der Angelegenheit der 5 Mill.-Anleihe und der »Kapitulationen«. Vielleicht ist hierdurch eine vorübergehende Enverkrise entstanden. Sie mag etwas verschärft worden sein, weil sich die Bulgaren über Envers Reise Anfang Dezember nach Bukarest, Bulgarien und Mazedonien ärgerten, während die Türkei über die bulgarische Verwaltung der Dobrudscha erzürnt war.

»D. 6. Dezember 1916 … Was ich zu den Gräbern in Curtea de Arges Begräbnisstätte von König Carol und Carmen Sylva. sage? Man machte le beau geste. Du weißt, daß mir dergleichen nicht liegt; ein Posten hätte genügt, damit die Gräber nicht geplündert würden. Andere Leute sind entzückt. Könnte man gleichzeitig einige wichtige rumänische Persönlichkeiten aufhängen, das wäre besser! Sinaia ist gestern besetzt … Falkenhayn ist mir böse und hat auf mein Glückwunschtelegramm gar nicht geantwortet Seeckt irrte sich. Er erhielt am nächsten Tag den Brief Falkenhayns vom 7. 12. 16, vgl. S. 482.

Eben kommt die Nachricht, daß Bukarest genommen ist; es wurde also nicht verteidigt, was sehr vernünftig von den Rumänen ist. Ich denke, wir bekommen in diesen Tagen auch die großen Petroleumquellen bei Ploesti, womit dann auch diese Not aufhörte. Man kann einen Vergleich anstellen zwischen Politik und Schicksal der Balkanfürsten: Serbien, Montenegro, Rumänien, Griechenland und – – Bulgarien. Wie man sich bettet, so liegt man. Wenn man denkt, daß im September die Österreicher schon Siebenbürgen verloren gaben, wenn die andern nur damit zufrieden wären und Frieden machten! Da kam dann der böse Deutsche, eroberte ihnen das Land zurück und das nächste dazu …

Ich habe eine so deutliche Beschwerde losgelassen Wegen verzögerter und mangelhafter Briefzustellung., daß ich jedenfalls etwas abbekomme, da eine Krähe – in diesem Fall der Generalquartiermeister – der anderen, dem Feldpostobermeister, die Augen nicht aushackt. Tiefe Ruhe heute bei uns an der Front; sie haben wieder einmal für einen Augenblick genug. Auch Ploesti ist genommen, das ich vorhin erwähnte – so schnell geht die Geschichte.

Asquith gegangen, auch über ihn ging die Geschichte fort. Ich glaube nicht, daß es viel zu bedeuten hat und wahrscheinlich kommt eine stärkere Nummer. In Rußland zur Zeit klarer Wechsel zur englandfreundlichen Richtung wieder einmal; das wird noch einige Male wechseln dort.

Ich werde eine zweistündige Fahrt machen und nachmittags zurück sein; Besprechung mit einem halben Dutzend Chefs verschiedener Nationen; die Fahrt wird bei dem schönen Wetter gut tun! Hier ist es schön, jenseits der Berge soll Nebel und Tauschnee sein und schreckliche Luft, denn die Kerls haben die riesigen Petroleumvorräte angesteckt. Der Schaden ist nicht so schlimm; denn die Quellen lassen sich nicht verstopfen …«

Der Tag der Einnahme von Bukarest war der Geburtstag des Feldmarschalls v. Mackensen.

Am gleichen Tage gibt Ludendorff neue Weisungen an die Heeresfront Heeresarchiv Potsdam, Akte O 470.. Der Heeresgruppe Mackensen wird als Ziel der untere Sereth gegeben. »Es leuchtet ein, daß ein in zeitliche Übereinstimmung gebrachtes Vorgehen des rechten Flügels der Heeresgruppe Erzherzog Josef etwa in der zweiten Hälfte Dezember in … der Hauptrichtung Ocna nicht nur das Vorwärtskommen der Heeresgruppe Mackensen außerordentlich erleichtern, sondern auch für später die beste und kürzeste Linie schaffen würde und für die südlich dieser Linie eingesetzten russischen Kräfte … zu einer Katastrophe führen könnte …« Hiermit wird offensichtlich die offensive Anregung Seeckts vom 2. 12. aufgegriffen. Eine bessere Anerkennung konnte Seeckt nicht finden. Es ist auffallend, daß Seeckt und Ludendorff, die in der Defensive nicht ohne Meinungsverschiedenheiten bleiben, sich in der Offensive finden. Seeckt antwortet sofort, daß »an der Durchführbarkeit bei genügender Vorbereitung kein Zweifel bestehe«. Seeckt fühlt sich so in den neuen Gedanken hinein, daß er an Verstärkungen nur noch Artillerie und Sondertruppen haben will. Die O.K.L. ist mit Seeckts Vorschlägen einverstanden. Als allerdings die O.K.L. kurz darauf aus der Richtung Ocna die Richtung Focsani für die Heeresfront Erzherzog Josef macht, da glaubt Seeckt Heeresarchiv Potsdam, Akte O 470., wenigstens eine Division hinzu beantragen zu müssen. Das ist bescheiden genug.

So einfach war dieser Entschluß nicht. Auch er mußte aus einer Lage heraus gefaßt werden, in der die Kräfte aufs knappste bemessen waren. Man darf auch nicht vergessen, daß die Russen noch dauernd Gegenangriffe ansetzten, die nicht immer erfolglos blieben. Erzherzog Josef hat über diesen Offensivvorschlag besonders anerkennend geurteilt, und auch Conrad hat ihn gebilligt. Falkenhayn hat ihn später allerdings sehr abfällig beurteilt Falkenhayn, S. 125..

Der Gedanke, endlich wieder angreifen zu können, beschäftigt Seeckt so, daß er ihn im nächsten Brief erwähnt.

»D. 9. Dezember … Ach Du – wofür hast Du mir groß zu danken! Ja, für den Speck, den ich schickte, das lasse ich mir gern gefallen, aber sonst! Was soll ich da erst sagen? Aber wir beide zusammen wollen es tun … Wir haben doch für so vieles zu danken, vor allem dafür, daß wir uns haben. Du glaubst nicht, wie wichtig für mich immer dieser schöne, liebe und sichere Gedanke an Dich ist. Er ist zuweilen jetzt etwas wehmütig, aber zumeist doch heiter – und das ist das Beste daran; denn wir wollen uns doch zueinander und aufeinander freuen, sogar brieflich.

Blumen gehören nun einmal zu Dir; sie wachsen auch im Winter und im Krieg, und Menschen, die dankbar sind für alle Deine Güte, gibt es auch, und denen bin ich wieder dankbar, wenn sie nett zu Dir sind. Das kannst Du ihnen bestellen; wer es auch sei …

Ich machte heute eine kleine Tour; die schnelle Fahrt im scharfen Wind bei heller Sonne war schön. Dazwischen eine Besprechung und Mittagessen beim östr. 1. Okdo., wo ich eine Reihe von alten Bekannten habe. In den nächsten Tagen wird viel zu tun sein; wir möchten gern auch mitmachen, und ich hoffe, daß das günstige Wetter noch etwas anhält …«

Trotz der Aussicht auf Offensive ist Seeckt in seinem Brief vom 10. 12. nicht gerade ganz einwandfreier Stimmung.

»... Das Friedensgerede bei uns ist schlimm. Das etwas merkwürdige und noch merkwürdiger vertretene Gesetz über die Zivildienstpflicht, das Gröner sogar für den Frieden beibehalten will, spricht an sich eher eine Sprache, die zu dem Einsatz kriegerischer Ministerien in England und Rußland besser paßt, als das Friedensgewinsel um den Kanzler. Auf die Dauer stellt sich doch noch eine Gegnerschaft zwischen ihm und der O.H.L. heraus; aber nach seinem Verhalten dem ›groben‹ Hindenburg (I. A. L. Im Auftrage: Ludendorff.) gegenüber, wird er wohl noch rechtzeitig zum wilden Mann sich umdenken und England-Fresser und Alldeutscher werden!!

Unsere Aussichten, zur Krönung zu fahren, sind ganz zu Wasser geworden. Wahrscheinlich ist in der Zeit gerade bei uns etwas los, und dann müssen alle Erzherzöge dazu nach Budapest. Es müßte also schon ganz ungewöhnlich ruhig sein, könnte ich denn auch fort. Es ist schon ein Jammer mit diesem Fürstenzustand bei mir. Aber ich will lieber schließen; ich fange sonst an zu schimpfen. Meine Laune haben heute einige schon zu spüren bekommen. Ich hatte Pech dabei; denn als ich ohne aufzusehen zwei Menschen anschnauzte, die ohne Anmeldung bei mir eintraten, war es das erstemal der Erb-Oberhofküchenmeister Seiner Apostolischen Majestät Graf Bellegarde, und das zweitemal der Allerhöchste Schwager, Prinz Parma, dem sein letztes Restchen Verstand bei der Begrüßung entfiel …«

Am 10. 12. 1916 berichtet Seeckt an seine Mutter über seine etwas eigenartige Stellung:

»... Meine Stellung ist in mancher Hinsicht so verzwickt wie selten, und bei meinem Hierbleiben oder Fortgehen sprechen allerlei, auch nicht rein militärische Gründe mit. Nun lebe ich mich mit dem neuen Erzherzog ein, was glücklicherweise sehr leicht geht. Er ist doch schon ein erfahrener Mann und Soldat, und ich habe wieder mehr die Rolle als Berater übernommen, als die bisherige Doppelrolle des Erziehers und Gehilfen. Der junge Kaiser zeigte mir noch mehrfach sein Wohlwollen, aber nicht in der Öffentlichkeit, da ihm der Zwang, einen deutschen Chef gehabt zu haben, sehr unangenehm war. Zur Schonung für ihn und überhaupt des österreichischen Empfindens ist ausdrücklich angeordnet, daß meine Existenz in der Presse verschwiegen wird. Photographien, auf denen ich trotz aller Vorsicht mit ihm erschien, sind sorgfältig verheimlicht worden. Er hatte immer einen Photographen mit, der sehr genau instruiert war, niemals mich mit ihm zusammen aufzunehmen, was für den armen Kerl oft nicht leicht war. So bin ich auch ganz vor der Stellung sicher, die mir vielfach in Aussicht gestellt wurde, zu ihm wieder kommandiert zu werden. Das sähe so aus, als ob er noch meinen Rat brauche. Ich bin heilfroh hierüber; eine solche Stellung wäre mir höchst unerwünscht und sehr undankbar. Gerüchte haben mich sogar zum Nachfolger von Conrad v. H. gemacht. Das ist ein guter Witz. Der Wind kommt in Teschen grade von der andern Seite. Der junge Herr ist nicht so einfach, daher in Österreich neuer Ministerwechsel. Der neue Clam-Martinez auch nur ein Platzhalter aus der alten Kiste, in der noch einige feudale ›Behmen‹ liegen. Höchst amüsant die Aufregung in Ungarn über den krönenden Tiszá und sehr geschickt das Vorschieben des Erzherzogs Josef von seiten der Opposition. Das Gerede, das mich als Nachfolger von C. v. H. nannte, stammt aus Ungarn … Sie meinen es für nach dem Krieg, was die Sache nicht besser macht. Man denke sich den jungen Kaiser, dessen Eitelkeit schon damals unter dem aufgezwungenen Deutschtum seines Chefs litt …«

In den ersten Dezembertagen hielt der Reichskanzler im deutschen Reichstag die Rede, die das bekannte Friedensangebot bekannt gab. Der Erlaß an das Heer lautete:

 

»Soldaten!

In dem Gefühl des Sieges, den ihr durch euere Tapferkeit errungen habt, haben Ich und die Herrscher der treu verbündeten Staaten dem Feinde ein Friedensangebot gemacht.

Ob das damit verbundene Ziel erreicht wird, bleibt dahingestellt.

Ihr habt weiterhin mit Gottes Hilfe dem Feinde standzuhalten und ihn zu schlagen.

gez. Wilhelm I. R.«

 

Seeckts Überraschung drückt sein Brief aus:

»D. 12. 12. 1916 … Der heutige Tag brachte die Friedensüberraschung. Ich bin etwas vor den Kopf geschlagen. Seit gestern hatte ich den Brief, der heute mittags 12° geöffnet werden sollte! Charakteristisch ist es, daß mich um 2° Falkenhayn anrief, tief aus Rumänien; er dachte wohl, ich sei die einzig fühlende Brust. Er wollte sich vergewissern, daß es keine Mystifikation sei, was ich behaupten konnte, da ich den Befehl durch einen mir bekannten Offizier zugestellt bekommen hatte. Für so unglaubwürdig hielt er es. Dann frug er, ob der Befehl ›rechtliche‹ Folgen habe, er meinte wohl etwas wie Waffenruhe, worauf ich sagte, meiner Ansicht nach im Gegenteil … Er sagte nur: ›Na, dann alle Achtung und Adieu, Seeckt‹. Wir haben beide es nicht zu verantworten, und so kann ich auch nichts dazu sagen, als daß ich es mir anders gedacht hatte. Gott schütze das Reich …«

Seeckt ist auf die Frage des Friedensangebots in mehreren Briefen zurückgekommen. Er spricht sogar davon, daß er um die Mitte des Monats übellaunige Briefe geschrieben habe, weil ihn die Friedenssache etwas mitgenommen hätte.

»Also ›die Friedensbotschaft‹ hast Du im Reichstag mit angehört In der Bundesratsloge.! Das muß sehr interessant gewesen sein! Mißtönend hallt es bisher zurück aus den fremden Kehlen. Wir werden wieder viel zu hören bekommen und die Zähne aufeinanderbeißen müssen. Schreibe mir, was Du von halbvernünftigen Leuten hörst; ich kann mir keinen Vers daraus machen, denn mein eigener ist so schlecht, daß ich ihn nicht schreibe. Ich bin zu dumm für diese Welt …«

»D. 20. Dezember … Über Friedensfragen schreibe ich nicht gern, in den Zeitungen steht so viel und, wie gesagt, kann ich mir keinen Vers darauf machen. Unsere Leute haben es sehr pomadig aufgenommen: ›Die denken ja gar nicht daran, sie müssen erst noch viel mehr Kloppe kriegen‹, sagen sie, und damit kann man zufrieden sein. Ich hatte vertrauliche Berichte über die Aufnahme an der Front eingezogen Von der O.H.L. verlangt. und bekam sehr charakteristische. Den vorstehenden Eindruck berichtete ich nach oben. Es ist nämlich gar nicht wahr, daß die Truppe so kriegsmüde ist, unsere Kerls tun noch lange mit. Zu Haus muß es anders sein und für die ist vielleicht der neue Stachel, der in Angebot und Ablehnung liegt, ebensoviel wert wie der schnelle verblassende Eindruck des rumänischen Sieges. Der gewiß gut ist, und wird nach einer kurzen Atempause noch vervollständigt werden, hoffe ich …«

»Es könnte ja sein, daß das Friedensangebot in den feindlichen Ländern die Neigung zur Verständigung stärkt. Es ist doch charakteristisch, daß selbst das feierliche Plazet der regierenden Firma die Besorgnisse bei vielen nicht verscheucht. Freilich sind das Leute, die lange der öffentlichen Verachtung des Berl. T. und der Frankf. verfielen. Ich habe übrigens die Frankf. abbestellt, es ist keine erfreuliche Lektüre … Falkenhayn urteilte anders und erheblich pessimistischer über das Friedensangebot. In seiner dienstlichen Meldung hat Falkenhayn das Friedensangebot allerdings als »Auftakt zum Abschluß deutschen Friedens freudig begrüßt«. Es ist nicht unbedingt ein Widerspruch, wenn er sich mehrfach, fast entsetzt über das Friedensangebot, mündlich äußerte. Er wird inzwischen eingesehen haben, daß seine Voraussetzung nicht so weit zutraf, als er gehofft hatte. Akte A.O.K. 9, 177 20.«

Die Weihnachtszeit bringt Seeckt die Vorbereitung zur Offensive mit dem rechten Flügel der 1. Armee. Ludendorff teilte mit, daß die 9. Armee am 22. 12. antreten werde. Man merkt Seeckt ordentlich an, wie es ihn drängt, wieder zum Handeln zu kommen. Er schlägt vor, die Gruppe Gerok solle ebenfalls am 22., alles übrige am 25. Nachher in 24. 12. geändert. Schließlich begann das XXXIX. R.K. aber den Angriff sogar erst am 26. 12., angriffsbereit stehen Heeresarchiv Potsdam, Akte O 470.. Das alles hindert keineswegs, daß sich in seinen Briefen bereits von der Monatsmitte ab viel Weihnachtsstimmung ausspricht:

»D. 13. Dezember 1916 … Ja, das wird wieder ein betrübtes Weihnachten, doch nach allem das letzte dieser Art. Und zu meiner Enttäuschung schon wieder eine Post ohne Brief von Dir, wie gestern. Also alles vergeblich. Es wird immer schlechter. Nun scheine ich durch meine Klagen das Gegenteil erreicht zu haben … Es ist wirklich zum Verrücktwerden. Diese …!

Nun wollte ich heute abend noch recht lieb und zärtlich an mein armes enttäuschtes kleines Katz schreiben und nun habe ich mich so geärgert über die Post – und bin es noch; es ist aber noch vor acht Uhr, und der Brief muß in den Kasten. Eigentlich sollte ich ihn nicht abschicken, aber es ist doch auch ein Gruß, wenn auch kein hübscher. Sonst geht es mir gut. Bald schreibe ich hübscher und länger …

D. 14. Dezember. Mein Geliebtes, gestern habe ich Dir so kurz und unfreundlich geschrieben, daß ich mich heute recht schäme; ich will auch nicht wieder anfangen zu schimpfen … Es müßte schon ganz Merkwürdiges passieren, wenn ich nicht gerade in der Weihnachtszeit recht gründlich in Tätigkeit bin – hoffentlich wenigstens in erfolgreicher. Das andere, was mich quält, ist der Gedanke, daß Du allein in Berlin zu Weihnachten sitzen wirst; es läßt sich einmal, ob man will oder nicht, nicht abstreiten, daß wir alle insoweit an dem Tag hängen, daß wir etwas Besonderes, und zwar besonders Warmes von ihm erwarten, und dazu kann ich so gar nicht beitragen … Von mir ist wenig zu erzählen … Einen sehr freundlichen Brief von Falkenhayn, dem ich also unrecht getan habe …

D. 17. Dezember … Dieser Brief kommt zu Weihnachten, und da will ich Dich in Gedanken in meine Arme nehmen und Dich küssen, und wir wollen denken, daß wir vereint wären, im Geist vereint sind und wir vereinigt werden, und wir wollen zusammen bitten, daß Er uns den Frieden gäbe, den äußeren und den inneren, dann wird das Wohlgefallen wieder bei uns sein und bleiben und der Friede auf Erden nach aller Trennung … Dann wollen wir beide stets, wenn uns weihnachtlich ums Herz ist, das Fest des Friedens feiern.

Bleibe mir gesund und gut, sage ich oft und meine es stets. Es ist mein nie endendes Gebet, meine Sorge und meine Hoffnung, und denke Du daran, daß Du mir beides bewahren und immer von neuem schenken mußt, Deine Liebe und Deine Gesundheit …«

Am 18. 12. gehen die Befehle für den Angriff der 1. Armee heraus. Man kann an ihnen mit Recht aussetzen, daß sie etwas sehr in die Einzelheiten gingen. Allein Seeckt hatte seine Erfahrungen, daß ein Eingreifen bis zur Einzelheit schwer zu vermeiden war. Immerhin war hier des Guten vielleicht doch etwas zu viel getan. Falkenhayn hat später auch diese Operation als »ein Abenteuer« bezeichnet. Er sei von vornherein überzeugt gewesen, daß es nicht die mindesten Erfolgsaussichten gehabt habe. Er habe nicht eingreifen dürfen, sondern der Heeresfront lediglich mitteilen können Heeresarchiv Potsdam, Akte A.O.K. 9, 177 20., daß Berechnungen, die sich auf das Vorkommen der 9. Armee stützen, absolut verfrüht seien.

Falkenhayn weiß auch sonst noch Vorwürfe zu machen. Bereits der im Zusammenhang mit der 8. b. R. und 10. b. D. erwähnte Brief vom 7.12. enthält noch folgende Stelle: »Es hätte große Bedeutung gehabt, wenn mir nicht die 8. b. R. und 10. b. D. hätten entzogen werden müssen. Ich weiß durchaus noch nicht, wie wir uns mit dem Wetter, das seit gestern eingesetzt hat, abfinden werden. Die Wege sind Sümpfe und die Bahnen mit Hilfe der Franzosen zerstört, so daß es sehr lange dauern wird, bis sie einigermaßen brauchbar sein werden. Aber wir werden der Schwierigkeit schon Herr werden, und zwar um so sicherer, als ich überzeugt bin, daß der Feind südlich vom Sereth keinen ernsten Widerstand mehr leisten wird. – Eine eigene Fügung des Schicksals hat mich zur Mitwirkung bei der Durchführung dieser Operation berufen, die ich als Generalstabschef schon im Juni und Juli vorbereitet und fast genau so gedacht hatte, wie sie jetzt verlaufen ist … Mit nochmaligem bestem Gruß wie stets Ihr v. Falkenhayn.«

Es ist kein Zufall, wenn Falkenhayn in seinem Brief vom 7. 12. angedeutet hat, wie sehr doch diese ganze Operation sein Werk sei. Das kann man für die Konzeption der Gesamtoperation zugeben. Wenn sich aber v. Werkmann. Falkenhayn den Erfolg der Angriffsoperation allein zuschrieb, so wird »die Nachwelt leicht und gern auch den Anteil des Heeresfrontkommandos Erzherzog Karl und damit des Generals v. Seeckt an diesem Siege feststellen«. Ohne das große Verdienst des Generals v. Falkenhayn zu schmälern, kann man sagen, daß der Anteil Seeckts größer ist, als oft geglaubt wird. Er ist freilich nicht größer, als die Verhältnisse es zuließen. Natürlich bleibt er Zwischeninstanz mit allen Hemmungen einer solchen. Aber der Anteil ist darum nicht gering.

Nun ist durchaus zuzugeben, daß der geistige Urheber dieses Angriffs Ende Dezember Seeckt war. Allerdings lediglich so, daß die Idee von ihm stammte. Wenn man es bemängelt hat v. Zwehl., die 3. O.H.L. habe ihre Befehle meist erst nach Rücksprache mit den ausführenden Stellen gegeben, so trifft das zu. Schon als Ob. Ost hatte Ludendorff oft so befohlen. Das Verfahren hatte den Zweck, nichts zu befehlen, was unausführbar war. Im übrigen befahl die 3. O.H.L. durchaus, was sie wollte. Sie hat natürlich auch dies Verfahren Seeckt gegenüber angewandt. Es ist falsch, daraus den Schluß zu ziehen, als habe Seeckt den Befehl inspiriert. Aber nochmals, die Gedanken stammten von ihm. Es muß auch bestätigt werden, daß der Angriff der 1. Armee keinen Erfolg hatte. Damit ist auch hier wiederum nicht bewiesen, daß dieser Angriffsgedanke an sich falsch gewesen sei. Die Gründe des Mißerfolges sind vornehmlich höhere Gewalt. Kälte und Geländeschwierigkeiten verhinderten, daß der Angriff gelang. Jedenfalls kam die 1. Armee nicht aus dem Gebirge heraus, obwohl es in den allerersten Stunden nach einigen örtlichen Erfolgen so aussah. Völlig übersah jedoch Falkenhayn mit seiner Kritik, daß die Gruppe Gerok, doch auch ein Bestandteil der Heeresfront Erzherzog Josef, das ihr gesteckte Ziel Nereju sofort erreicht hatte. Wäre der Angriff im ganzen gelungen, so konnte er den an sich großen Erfolg erheblich vergrößern. Es war daher richtig, ihn zu versuchen. Immerhin hatte Seeckt zweifellos mehr erwartet. Auf soviel Ungunst der Umstände konnte er auch kaum gefaßt sein. Solche Ungunst vorauszusehen, wäre auch den nachträglichen Kritikern kaum möglich gewesen. Aus den Briefen ist nachher zu ersehen, daß anfangs, noch am 29. Dezember, Seeckt annahm, es ginge gut voran. Er konnte sich nicht so irren, daß er etwas von vornherein Unmögliches erwartete. Er läßt sich auch zunächst in seiner Zuversicht nicht einmal dadurch beeinflussen, daß Teile des Angriffs bis auf den 1. Januar verschoben werden müssen. Auch die Ansicht Ludendorffs rechtfertigt Absicht und Art des Angriffs. Die Weisungen der O.K.L. Heeresarchiv Potsdam, Akte O 464. sind noch in den letzten vier Tagen des alten Jahres mehr auf die etwas nördliche Absicht Seeckts als auf die rein ostwärtige Falkenhayns eingestellt. Ludendorff hat selbst Ludendorff, Seite 238. die tiefe Erschöpfung der Truppe, die Witterung und die Zeit, die zur Beendigung des Feldzuges drängten, als Gründe anerkannt, weshalb der Angriff des Erzherzogs Josef keinerlei Fortschritte gegen den Trotus gemacht habe. Hierbei ist zweierlei bedeutsam. Einmal zeigt die Betonung der Trotusrichtung, daß Ludendorff auf den linken Flügel der Angriffsgruppe besonderen Wert legte, da bei deren günstigem Vorkommen eine Bedrohung der russischen rückwärtigen Verbindungen nördlich Focsani sich ergeben konnte. Ferner ist von Ludendorff der Grund erwähnt, der bei der Knappheit der Mittel die Kriegführung der deutschen O.H.L. so oft oder eigentlich immer zwangsläufig beeinflußte. Es drängten schon wieder andere Aufgaben heran. Und wenn der Erfolg hier zu schwer wurde, so durfte man sich nicht bis zum letzten festbeißen.

Seeckt erwähnt in einem Brief, daß er sich über Zeitungsindiskretionen hatte beschweren müssen.

»D. 19. Dezember … Das war ein hübscher Tag; lange Fahrt in frischer Luft und herrlicher Schnee- und Gebirgslandschaft … Viel wird es heute nicht mit Schreiben. Nach zweitägigem Herumtreiben gibt es immer einen Haufen Fragen und Arbeit. Es war aber recht erfrischend. Gestern sehr lange gefahren und viel gesehen und gesprochen … Sehr befriedigt über Gehörtes und Gesehenes, keine Friedensstimmung …

Ich verklage den Pester Lloyd nach oben, und zwar ganz oben. Eine geradezu unerhörte Veröffentlichung … stand in Form eines Jahresrückblicks darin mit den hämischsten versteckten Angriffen auf uns. Es ist schwer, etwas dagegen zu tun, da wir uns doch nicht zur Freude der Nachbarn in den Zeitungen zanken können. Es sind Sachen darin, die außer mir nur noch wenige wissen: Der Artikel ist also inspiriert. ›Unser‹ Sieg in Rumänien! Ich sagte gestern zu Dunst, ›Ich bin wie ein Kind, das sich ganz Phantastisches zu Weihnachten wünscht; ich wünsche mir, einmal 24 Stunden nur Brandenburger zu sehen‹.

Das neue Ministerium in Österreich ist eine Konzession an Ungarn, außerdem hat sich wahrscheinlich Koerber zu sehr auf den Mentor spielen wollen. Der neu Ernannte ist ein reiner Beamter und wohl nur Platzhalter …

Man erzählt sich hier etwas von revolutionären Bewegungen in Italien … Ich glaube an dergleichen nicht gern. Wen haben wir nicht schon alles mobilisiert, den Emir von Afghanistan, und die Iren, den Scheich von Mekka und die Italiener, die Griechen und die Rumänen. Viel ist nicht dabei herausgekommen …«

Seeckt drahtete an den Chef des Generalstabes, daß ein »Leitartikel des Pester Lloyd Heeresarchiv Potsdam, Akte O 470.vom 16. 12. 16 in Form eines Jahresrückblicks erstaunliche Enthüllungen bringe«. Dieser Leitartikel stammte von Karl Friedrich Nowak: »Nach Informationen von besonderer Seite.« Da der Artikel über den serbisch-montenegrinischen Feldzug, Luck und Rumänien Einzelheiten enthielt, die nur den höchsten Kommandostellen bekannt sein konnten, mußte er allerdings von sehr besonderer Seite inspiriert worden sein.

Es muß auffallen, daß am 19. 12. Ludendorff Seeckt um Meldung bittet Heeresarchiv Potsdam, Akte O 470., falls in den Absichten eine Änderung eintreten sollte. Seeckt antwortet, daß keine Änderung beabsichtigt sei. Es ist nicht recht zu ersehen, was diese überraschende Anfrage Ludendorffs verursacht habe. Vielleicht war der Anlaß der Meinungsaustausch zwischen Ludendorff und Mackensen, vielleicht das Auftreten der Russen vor der 9. Armee, vielleicht lediglich die Absicht, die inneren Flügel miteinander in Einklang zu bringen. Seeckt benutzt aber die Gelegenheit, um im Anschluß daran auf seinen alten Gedanken zurückzukommen, daß sein rechter Flügel mehr die Richtung Nord-Nordost bekäme. Er schlägt daher vor, der Gruppe Gerok nach Erreichen des Putna-Tales, also mit dem 24. 12., eine mehr nördliche Richtung zu geben. »Die Hauptaufgabe Geroks Heeresarchiv Potsdam, Akte O 470. muß zunächst unbedingt darin gesucht werden, daß er mit seiner rechten Gruppe das Vorwärtskommen der 9. Armee ermöglicht und erleichtert. Wird dies erreicht und Focsani durch die 9. Armee genommen, so wird es hoffentlich möglich werden, Gerok die Richtung nach Norden zu geben. Ich werde die Heeresgruppe Mackensen bitten, den linken Flügel der 9. Armee möglichst stark zu machen.«

Die Zähigkeit, mit der Seeckt nach Wegen sucht, an einer großzügigen Operation von sich aus mitzuhelfen, ist bewundernswert. In diesem Vorschlag hat er zweifellos zu weit vorausdisponiert. Das hat aber Falkenhayn zur gleichen Zeit auch getan. Es ist also kein Tadel, wenn Seeckt seine Gedanken nicht so ausführen konnte, wie er es angestrebt hat. Er ist sich übrigens bei seinem Vorschlag des Vorausdisponierens bewußt gewesen. Er sagt in dem Telegramm, er »möchte diese Gedanken jetzt schon zur Erwägung stellen, wenn auch die weitere Entwicklung der Lage naturgemäß vor weiteren Entschlüssen abzuwarten ist«. Ludendorff schließt sich daher durchaus Seeckts Gedanken an, wenngleich er im Augenblick mit Recht betont, daß »die Hauptaufgabe Geroks zunächst unbedingt darin gesucht werden müsse, das Vorwärtskommen der 9. Armee zu ermöglichen«. Ludendorff stimmt aber dem Verlangen zu, den linken Flügel der 9. Armee möglichst stark zu machen. Das lag eigentlich nicht in der Tendenz Falkenhayns, der das Schwergewicht mehr ostwärts angestrebt hatte.

Es ist ein eigenartiges Zusammentreffen, daß der österreichische Verbindungsoffizier wenige Tage vor Weihnachten an Conrad berichtet, bei Ob. Ost habe man Gedanken, die auf eine Offensive über Tarnopol abzielen. Damit wurde die von Seeckt bereits im August 1916 angeregte Offensive wieder aufgegriffen. Sie ist im Sommer 1917 ausgeführt und hat sich bis in die Bukowina ausgewirkt.

Die Briefe bis zum Jahresende:

»D. 21. Dezember. Du Geliebtes! War das ein Nachmittag, die geliebte Stimme Erneutes Telefongespräch., die so schwer zu verstehen war und die Not, nicht etwas Liebes zu überhören oder mit dem ewigen Nichtverstehen nicht gar zu dumm zu scheinen und der Versuch, etwas Liebes hineinzurufen …

Du kommst auf den engl. Ministerwechsel; Lloyd George als Prime-Minister ist ein harter Bissen für den besseren Engländer und für diesen bisher die schlimmste Folge dieses Krieges. Sie werden es uns sehr übel nehmen, daß wir sie so weit gebracht haben. Alle diese radikalen Regungen sind doch nur ein Zeichen äußerster Erregung, und man könnte es uns wirklich als ein Zeichen der Stärke anrechnen, daß wir mit Bethmann weiter wirtschaften; denn ein Kraftmensch ist er nicht. Bei allem ist aber Ll. G. kein zu verachtender Gegner und hat schon manches geleistet. Er hat nichts Scheinheiliges wie der Durchschnitts-Staatsmann, und das macht ihn mir sympathischer als mancher andere …

D. 23. Dezember … Der heutige Tag brachte mir meine Weihnachtsbriefe, die habe ich gelesen; aber den Koffer packte ich artigerweise noch nicht aus. Schon ihn wieder zu sehen war mir etwas rührend; denn ich glaube sogar zu wissen, daß er eine Hinterlassenschaft oder eine Mitgabe der alten Freundin Deiner Mutter Miß Hill ist; – was für eine Welt von Erinnerungen an Rom und England steigt damit auf! Aber Deine Briefe las ich und danke Dir für jedes liebe Wort, für jeden Weihnachten seit unserem ersten und für die ganze Zeit, die zwischen ihnen liegt. Daß Du sagst, Du hättest es trotz alledem gut bei mir gehabt, das tut wohl und ist das allerbeste Weihnachtsgeschenk, und mein Wunsch ist, daß Du mir das noch oft schenken kannst. Was an mir liegt mit Liebhaben, dafür ist gesorgt für alle Zeit.

Deine Gabe zu danken, bewährt sich immer wieder; es ist zu lieb, wie Du es kannst … Es ist hübsch, sich auf etwas freuen zu können und ich freue mich auf meinen Weihnachtskoffer. Sonst werde ich morgen nachmittag um 5 Uhr mit den Leuten in die Kirche gehen, um 6 Bescherung für sie; … Das Essen und den Baum hat die Stadt gegeben. Vor allem hat jeder für 10 M. Eßwaren von der Schlachterei bekommen, die er nach Hause schicken muß, außer Kleinigkeiten für sich selbst … Um halb acht wird, wie gewöhnlich, gegessen mit einer Verlosung u. dgl. Pinon–Nisch–Schäßburg! Bunt genug und nachdenklich.

Ich schrieb ärgerlich und verstimmt in letzter Zeit, ließ mich von der Post-Kalamität unnötig ärgern. Aber daß sie mir das beeinträchtigte oder verzögerte, was mein Leben allein verschönt, Deine Briefe, das war es …

In einer Beziehung kannst Du beruhigt sein. Verdun hat keinen Einfluß auf uns. Es ist sehr ärgerlich und der Mannschaftsverlust tut weh … Ich sehe dem zunehmenden Diktatorentum bei uns auch etwas sorgenvoll nach. Dies persönliche Im-Hintergrund-Bleiben von Fk. hatte seinen wohlüberlegten Sinn. Wo bleibt der König? Dem wir doch alle dienen. Ich wenigstens und einige Preußen. Sollte es hier zu einem leidlichen Abschluß kommen, so spanne ich etwas aus. Wir rühren uns seit zwei Tagen und baten nur flehentlich: Bitte nicht gleich schreien im Tagesbericht und Presse. Komischerweise kam gleichzeitig von F. die gleiche Bitte nach Pleß und Teschen …

Weihnachten 1916 … Am späten Abend eines langen arbeitsreichen Tages der gute Schluß mit Lob und Dank, daß ich Dich habe. Du machst mich immer wieder froh und reich … Habe Dank für Dich, mein Liebes!

... Eben um halb zwölf fand ich die Stunde ruhig genug, um mir den kleinen Baum, den man mir ins Zimmer gestellt hatte, anzuzünden und meinen Koffer auszupacken … Ich habe mich zu allem so gefreut …

Ein besonders unruhiger kriegerischer Tag gerade heute. Trotzdem konnte ich wenigstens der Bescherung der Leute beiwohnen; zur Kirche kam ich nicht. Eine Stunde bei Tisch. Der Erzherzog schenkte mir eine hübsche Zigarettendose und sein Bild uns allen …

Weihnachtssonntag 1916 … Geliebter Schatz – heute bin ich nicht so müde wie gestern und hoffentlich lassen mir die Menschen etwas Zeit zum Schwatzen mit Dir. Mit meinen Weihnachtsgeschenken habe ich schon etwas ›gespielt‹ und mich wieder über die Auswahl der Bücher gefreut. Daß meine Mutter mir ein Buch über Casanova schenkt, ist hübsch von ihr (!) …

D. 27. Dezember … Einige nette ungarische Geschichten:

1. Im Himmel ist Kriegsgericht:

›Warum hast du den Krieg angefangen, Georg?‹ – ›Um Englands Seegeltung.‹ – ›Marsch in die Hölle!‹ – ›Und du, Wilhelm?‹ – ›Ich bin angegriffen worden.‹ – ›Na, darüber wollen wir später mal unter vier Augen sprechen.‹ – ›Aber du, Franz Joseph, in deinen alten Tagen?‹ – ›Ja – ich – (in allen Taschen suchend) – ich weiß nicht; der Tiszá hat mir's aufgeschrieben, aber ich hab' den Zettel verloren.‹

2. Gespräch:

›Nach dem Krieg wird man die feindlichen Hauptstädte eine Zeitlang nicht besuchen dürfen‹, sagt ein Österreicher zum anderen. – ›Ich denke‹, antwortet der, ›so: Paris nach zwei Jahren, Rom nach drei, London nach vier und Berlin nach zehn Jahren.‹

Der Kolporteur ist ein netter ungar. Offizier, der … Karten malt und glänzend karikiert, mich auch …

D. 29. Dezember. Mein lieber Schatz – heute bekam ich drei Briefe – eigentlich vier … Also bin ich wieder lustig. Natürlich las ich zuerst den letzten, frischesten, und er war wirklich frisch und tapfer und mit steifen Ohren geschrieben. Dafür ganz besonders Dank … Das ist nun ganz sicher; ohne Dich überhaupt nicht Weihnachten, ich tue dann nur so. Aber Dir etwas Liebes sagen und später auch mal wieder zu versuchen, etwas Liebes zu geben, die Gelegenheit soll ich mir doch nicht entgehen lassen, obwohl ich das auch an allen übrigen 364 Tagen tun sollte, da hast Du ganz recht. Wir sind ja nun auch beide ganz gut darüber weggekommen. Mein Tag war freilich ganz besonders wenig sentimental veranlagt und der ›Schweinsbraten mit Kraut‹ meiner Leute und ihre Gesänge noch das einzige etwas zu Herzen Gehende. Unter dem Christbaum hielt mir jemand einen Vortrag über Gasgranaten! Das Fest der Liebe! Aber doch wiederhole ich aus dem ersten Kriegsjahr:

›Dieweil mein Haß, Herr Jesu Christ,
die Frucht der reinsten Liebe ist.‹

Der Tag ging hurtig vorbei und es ist schon spät geworden. Ich warte aber noch auf die Meldung von F. Meldung? und muß dann selbst noch befehlen. Mal wieder mitten drin in der Tätigkeit, und das ist – wenn schon, denn schon – gut. Und es geht vorwärts und das ist noch besser … In Österreich … chaotischer Friedenstaumel. Der dritte Ministerpräsident in vier Wochen. Hohenlohe wird voraussichtlich als zweiter Obersthofmeister eigentlicher Ratgeber, Berchtold soll Fürst und erster Obersthofmeister werden. Gefährlich die Unverantwortlichen!

Conrad soll gehen wollen. Als Nachfolger werden spaßige Leute genannt. Wäre es nicht so ernst, wäre die Komödie ganz lustig. Väterchen in Rußland mag nicht mehr und schickt einen etwas schwülstigen Ukas. Auf dem Weg nach Constantinopel ist er eigentlich nicht …

D. 31. Dezember …, behalte mich im neuen Jahr so lieb wie im alten! Und Gottes Segen über Dich und Dank für alles Liebe, das Du mir und an vielen getan hast und tust! Wie gut und lieb sprichst Du von meiner alten Mutter, und ich freue mich, mit welcher Liebe und dankbarer Anerkennung sie Dich umfängt. Was Du ihrem Sohn wert bist, das kann sie ja nicht ganz ermessen, wie niemand es kann; aber dafür hat sie auch wie wenige die Einsicht, daß Du es nicht immer leicht mit ihrem Jungen gehabt hast und daß Du Dich auch mit ihm abplagen mußt, Du liebes Katz …

Ich bekam gestern, durch den Erzherzog mit bestem Gruß übergeben, ein Bild des Kaisers Karl, wirklich ein anständiges und kaiserliches Geschenk, in schöner roter Maroquinkassette ruhend, mit schwerem glatten Rahmen aus Goldbronze und dem kaiserlichen Namenszug in Brillanten, Rubinen und Saphiren. Ich freute mich über die Sache selbst, aber auch über die Absicht, sich dankbar zu zeigen und mir eine sichtbare Erinnerung zu geben. Gestern ist er nun gekrönt und telegraphierte am Abend herzlich und etwas benommen, für die Glückwünsche dankend und unsere letzten Erfolge lobend. Es ging ja auch ganz gut, wenn man auch nie wirklich zufrieden ist. Heute sollte noch an anderer Stelle losgeschlagen werden; ich weiß noch nicht, wie es ausgehen wird, besonders da das Wetter böse ist. Hier tiefer Nebel und Tauschnee; es soll vorn stellenweise besser sein; aber die Zeit ist schlecht für solche Unternehmungen. Etwas war wieder die Sache verdorben, da von den Östr. Leute überliefen und unsere Absichten verraten haben. Das sind so Selbstverständlichkeiten, die hingenommen werden müssen. Man zuckt die Achseln und sagt: Es sind Ruthenen, damit ist die Sache dann abgetan. Ich habe noch nie so hineingefaßt …, aber auch noch nie so unmittelbare Erfahrungen mit ihnen gemacht, wie in diesen Tagen. Es ist nicht so leicht.

Ich sitze hier warm und geborgen im Zimmer und schäme mich eigentlich im Gedanken an die draußen, zu denen auch der Erzherzog und mein I a Herrgott heute gehören, die auf irgendeinem Berg sitzen werden und voraussichtlich nichts sehen werden. Das stimmte; denn eben bekomme ich die Meldung, daß dichter Schneefall im Gebirge jede Sicht verschlösse und der befohlene Angriff aufgegeben worden sei. Da ist nichts zu machen. Aus den nördlicheren Karpathen meldeten sie schon 4 (!) m Schnee, was ich unter Anrechnung der gebräuchlichen Übertreibungen doch auf 2 m taxiere. Das ist auch schon ganz reichlich …

Nochmals den 31. Dezember 1916 … Ich komme von den vielen Erinnerungen an Weihnachten nicht los und aus der Kinderzeit bleibt doch die an etwas Besonderes zurück … Draußen im Felde haben mir die drei Abende zu wenig gesagt, trotzdem man am ersten Kriegsweihnachten sich bemühte, eine etwas sentimentale Stimmung hervorzurufen, die folgenden Male fehlten solche Versuche völlig. Aber in dieser Erwartung von etwas Besonderem liegt die Gefahr und der bin ich – fürchte ich – bisweilen unterlegen. Das macht den erwachsenen Menschen zu leicht etwas nervös und gereizt. Aber doch: Wir beide haben es auch an den Abenden zusammen sehr hübsch gehabt, wo es auch war! In den beiderseitigen Elternhäusern, dann in Danzig, in Düsseldorf, in Bromberg, in Berlin, in Lahore im Punjab – nie werde ich das unheizbare Hotel, wo wir beide uns so gründlich erkälteten und den prunkvollen, aber langweiligen Christmas-Ball im Government House vergessen – dann die uns so fremden, aber höchst sympathischen Reveillons de Noël im Hotel Ritz in Paris und zuletzt in leuchtender Schneelandschaft in Davos. Welch buntes Bilderbuch war doch unser Leben! Gott schenke uns noch manche friedlichere Jahre zusammen …«

Während sich Seeckt in den letzten Tagen des Jahres noch bemüht, Erfolge herauszuholen, wo die Umstände dies schwerlich zulassen, während Falkenhayn und Mackensen in durchaus günstigem Vorgehen sind, muß die O.H.L., wie erwähnt, schon neue Gedanken prüfen. Bereits am 21. hatte sie an Mackensens Chef, an Oberst Hell, eine Weisung mit den Worten gegeben Heeresarchiv Potsdam, Akte O 464.: »Es wird nicht beabsichtigt, die Operation über den Sereth hinaus zu führen.« Gerade am Weihnachtsabend bekommt Hell ein Telegramm Heeresarchiv Potsdam, Akte O 464., das ihm andeutet, er müsse sich in Kürze sogar mit der Abgabe von deutschen Truppen abfinden. Der Absicht ist eine politische Begründung von Ludendorff vorausgeschickt: »Wie die politischen Verhältnisse laufen werden, weiß der Himmel. Ich steure auf den U-Bootkrieg, weil ich darin das einzige Mittel sehe, Englands Willen zu brechen. Die Widerstände sind groß. Ich muß mich aber darauf einrichten …«

Überblickt man das Jahr 1916 in seiner Gesamtheit, so war es ein großer und entscheidender Abwehrsieg. An ihm hatte Seeckt einen Anteil, der in seiner wesentlichen Wirkung nicht unterschätzt werden darf. Jedoch er trug von allem diesmal mehr die Last und weniger den Erfolg. Fast nur die Last und erntete kaum den äußerlich sichtbaren Erfolg. Nur Last zu tragen ist aber das schwerste. Seeckt hat auch das gekonnt. Vielleicht auch hat er es hier gelernt. Große Charaktere werden, sie sind nicht.


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