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Neuzeitliche Kavallerie

Einige Gedanken über ihre Ausbildung und Verwendung Schlagworte sind tödlich. Das gilt ganz besonders im militärischen Leben, in dem jeder Lehrsatz die Frucht kühlen und klaren Denkens sein sollte, weil seine Anwendung über Tod und Leben entscheidet. Verantwortungsgefühl sollte in militärischen Fragen vom ungeprüften Nachbeten populärer Schlagworte fernhalten. Ein solches Schlagwort ist das von der Entbehrlichkeit der Kavallerie. Nimmt man noch das zweite von dem Zeitalter der Mechanisierung hinzu, so befinden wir uns auf dem Weg zur Abschaffung einer Waffe, deren Entwicklung im neuzeitlichen Sinn erfolgen muß.

Woher stammt die Abneigung breiter Schichten gegen die Reiterei? Zunächst ist es der begreifliche und eingewurzelte Gegensatz des im Staub gehenden Menschen gegen den anscheinend mühe- und sorgenlos vorbeitrabenden Reiter. Dann mag der Nimbus, der nun einmal von altersher um Pferd und Reiter schwebt, manchen auf die Nerven gehen, die in ihm eine der letzten Erinnerungen an die Zeit sehen, als das Soldatenhandwerk noch mit Glanz und Schimmer umgeben war; sie sehen in den Schwadronen einen Rest der Ritterzeit. Freilich gibt es auch andere Stimmungen und Stimmen; Jubel begrüßt bei den Turnieren die Vorführungen unserer Reiterregimenter, und man freut sich, auf dem grünen Rasen die Träger der grauen Uniform wie einst die der bunten wieder in Front zu sehen. Die aufblühenden ländlichen Reitervereine wecken und pflegen die Freude am edlen Pferd und seiner Beherrschung. Die Kavallerieregimenter haben über Mangel an Freiwilligen nicht zu klagen. Solche Stimmungen sind von Interesse; denn sie setzen sich leicht in der Öffentlichkeit, auch in den Parlamenten durch, in denen der berechtigte Wunsch, zu sparen am Pferd und seinem Futter, immer bequemes und ergiebiges Objekt findet. Für den Soldaten und für militärisches Urteil können solche Gründe nicht ausschlaggebend sein. Worauf gründen sich denn nun die auch in militärischen Kreisen bestehenden Zweifel an dem Nutzen der Kavallerie? Zum Teil spricht bei abfälligen Urteilen latenter oder offener Waffengegensatz, oder sagen wir nur offen, Neid mit, oft auch das geheime Gefühl, mit der fremden Waffe nichts Rechtes anfangen zu können, ihre Eigenart nicht zu verstehen. Beide Gründe können wir übersehen und uns ernsteren Fragen zuwenden.

Die Zeit der Verwendung großer, geschlossener Kavalleriekörper ist bei der Entwicklung der Feuerwaffen vorbei. Wozu also Kavallerie-Divisionen? Gewiß: die Zeit der schlachtentscheidenden Attacke ist vorüber; doch nicht erst seit heute. Um uns das zu beweisen, bedurften wir nicht der Erfahrungen des Krieges. Das war schon lange vor ihm jedem denkenden Soldaten klar; daß die Unmöglichkeit solcher Verwendung nicht überall erkannt und daß unsere Kavallerie vor dem Kriege teilweise einseitig ausgebildet wurde, beweist nichts gegen ihren inneren Wert. Ebensowenig beweist gegen diesen die für die neuzeitlichen Aufgaben ungenügende Organisation und Ausrüstung der Kavallerie-Divisionen. Aus solchen Fehlern zu lernen, war leicht, und niemand dachte daran, die neu formierte deutsche Kavallerie zum großen geschlossenen Reiterkampf zu schulen. In ihrer Organisation waren uns Fesseln angelegt.

Schwerwiegender sind die Beweise, die aus dem Verlauf des Krieges gezogen werden. Gewiß haben uns unsere Kavallerie-Divisionen im Anfang des Weltkrieges, als die Fronten noch nicht erstarrt waren, nicht das geleistet, was wir von ihnen erwartet hatten. Das wäre anders gewesen, hätte man, statt sie geistlos vor der Front gleichmäßig zu verteilen und so gegen Festungslinien und Gebirge einzusetzen, sie vor oder hinter dem freien rechten Flügel vereinigt. Im geschlossenen Stellungskrieg bot sich für Kavallerie-Divisionen keine Verwendung; ihre Umwandlung in Schützen-Divisionen und ihre Verwendung als Infanterie war bei dem Kräftebedarf eine natürliche Folge. Erst wenn ein Durchbruch an der Westfront gelungen wäre, hätte neuzeitlich geschulte, ausgerüstete und geführte Kavallerie wieder eine Rolle spielen können. Im Osten hat dort, wo Kampfverhältnisse und Gelände es vielfach besser erlaubten, die Kavallerie nützliche Arbeit getan; ich kann hierfür nur auf die lehrreichen Schriften des Generals v. Poseck verweisen.

Aus dem Verlauf des Krieges den Schluß auf die Entbehrlichkeit, also Schädlichkeit der Kavallerie-Divisionen zu ziehen, ist falsch, aber oberflächlich naheliegend. Er ist richtig für den, der sich den kommenden Krieg als eine Wiederholung des letzten denkt und annimmt, daß sich wieder Völker in den Schützengraben begeben werden. Wer aber glaubt, daß der Stellungskrieg das Gegenteil des wahren Krieges ist, daß er wohl zu langwieriger Zermürbung des materiell Schwächeren, nie zum entscheidenden Vernichtungssieg, dem Ziel alles militärischen Denkens, führen kann, wer also im Bewegungskrieg diesen Zukunftssieg sucht, der wird nicht auf die Waffe verzichten, deren Eigenart Bewegung ist.

Der Flieger ist an die Seite, nicht an die Stelle der Kavallerie getreten. Der Luftaufklärung sind andere, neue Aufgaben zugefallen, welche der Erdaufklärung versagt waren; an den Grenzen beider Aufklärungsgebiete ergänzen sich die von den beiden Waffen gewonnenen Ergebnisse. Die Nahaufklärung verbleibt der Kavallerie, der auch bedeckter Himmel nicht die Augen trübt. In der Verbindung mit dem Fluggeschwader findet die Kavallerie-Division eine neue Stärkung.

Die Motorisierung der Armeen ist eine der wichtigsten militärischen Entwicklungsfragen; sie ist aber auch zu einem Schlagwort im Munde von Laien und Zünftigen geworden. Manche Propheten sehen schon die ganzen Heere in gepanzerte Maschinen verwandelt und den Ersatz der Pferdereiter durch Motorkrieger vollzogen. So weit sind wir noch nicht, und wir tun gut, mit gegebenen Verhältnissen zu rechnen, um den Forderungen der Gegenwart und nahen Zukunft zu entsprechen. Wir werden und sollen ganz gewiß vor der Entwicklung des Erdmotors und seiner militärischen Brauchbarkeit nicht die Augen verschließen, sondern theoretisch und, soweit es uns möglich, praktisch uns die Unterlagen für seine Verwendung verschaffen; aber wir sollen uns hüten, Brauchbares, Erprobtes, Vorhandenes wegen Künftigem, Möglichem zu vernachlässigen. Kurz nur sei angedeutet, daß vorläufig noch Wege, Brücken, Gebirge einer Massenverwendung von Kraftwagen sich entgegenstellen, wie das vorhandene oder schnell zu beschaffende Material uns Grenzen zieht. Das Kraftfahrzeug hat zwei militärische Hauptaufgaben: eine neue eigene Waffe zu liefern und als Transportmittel für Menschen, Geschütze und Heeresbedürfnisse zu dienen. Die Kampfwagen wachsen sich zu einer besonderen Truppe neben Infanterie, Kavallerie und Artillerie aus, ohne eine von diesen zu ersetzen. Die Transportwagen können und sollen, richtig und mit Maßen verwandt, den Kavallerie-Divisionen einen wesentlichen Kraftzuwachs geben.

Des Rätsels Lösung ist hiernach, die Ergebnisse der Technik zur Ausgestaltung und Modernisierung des Vorhandenen auszunutzen, aber nicht Totes an die Stelle von Lebendigem zu setzen. Das Lebendige, das ist unsere Kavallerie, sollte im neuzeitlichen Geist unter voller Wahrung ihrer Eigenart zu höchster Vollkommenheit entwickelt werden.

In der ersten Zeit nach dem Kriege, als alles zusammengebrochen, alles neu aufzubauen war, tauchten merkwürdige Organisationsvorschläge auf. Aus den Notgebilden der Zeit der inneren Kämpfe, den fliegenden Kolonnen, in denen alle Waffen nach jeweiligem Bedarf und Angebot gemischt waren, folgerten manche, daß sich das Zukunftsheer aus solchen Formationen zusammensetzen müsse, die weder auszubilden, noch im wahren Kriege zu verwenden waren. Sogar der Einheitssoldat tauchte auf, der alles können sollte, also nichts wirklich konnte. Solchen und anderen Ideen setzte das Versailler Diktat, das uns die Heeresorganisation bis ins einzelne vorschrieb, ein schnelles, wenn auch ungewolltes Ende. Es gab uns neben 7 Infanterie- 3 Kavallerie-Divisionen oder, anders ausgedrückt, neben 21 Infanterie- 18 Kavallerie-Regimenter. Gewiß ein auffallendes Verhältnis. Warum unsere Feinde es festsetzten, entzieht sich unserer Kenntnis; zu unserem Nutzen dürfte es kaum geschehen sein. Ich habe diese Festsetzung nie bedauert, sondern bin an die Arbeit gegangen mit dem Entschluß, auch hier wie bei manchem anderen to make the best of it, oder auf deutsch, die Ansprüche an diese Kavallerie-Divisionen so hoch zu stellen wie irgend angängig, und für ihre Ausbildung alles zu tun, was uns die Erfahrung gelehrt hatte und was unsere beschränkten Kräfte uns zu tun erlaubten. Im folgenden seien nun die Gedanken, die mich geleitet haben, kurz dargelegt.

An die Spitze stelle ich den Satz, den ich der Kavallerie gleich im Anfang zugerufen habe: daß der Kavallerist am meisten können und leisten muß von allen Soldaten, weil er neben dem ihm eigenen reiterlichen Können den an die Angehörigen der anderen Waffen gestellten Anforderungen gleichzeitig entsprechen soll. Ein hohes Ziel; aber der Soldatenberuf verlangt Ideale.

In erster Linie galt es, den Waffengeist zu erhalten und, wo es notwendig war, zu wecken. Dieser Waffengeist ist ein besonderes, eigenes Ding. Jede Waffe soll sich für die erste halten. Das ergibt gesunden Wettstreit. Auswüchse sind leicht zu erkennen und müssen von der leitenden Hand rechtzeitig und fürsorglich beschnitten werden; aber man rege sich nicht über jede jugendliche Überheblichkeit auf, gegen welche das Leben selbst und seine täglichen Forderungen meistens das beste Gegenmittel sind. Man bekämpfe das Selbstgefühl der einen Waffe nicht, sondern sorge dafür, daß die anderen den gleichen Stolz haben. Das Pferd adelt nicht den Mann, sondern der Mann adelt Pferd, Waffe und Maschine. Nur die Leistung selbst entscheidet über den Wert.

Eine Waffe muß sich aus sich selbst entwickeln; sie muß sich selbst bilden. In der ersten Zeit des Neuaufbaues haben wir, um die schwere und schmerzliche Verkleinerung des Offizierkorps möglichst gleichmäßig auf alle Waffen zu verteilen, da die Infanterie und Artillerie in viel stärkerem Verhältnis zusammengelegt wurden als die Kavallerie, Offiziere der anderen Waffen in die Reiterregimenter einstellen müssen. Das war eine Not- und vorübergehende Maßregel. Eine gesunde und naturgemäße Entwicklung verlangt, daß sich eine Waffe, wenigstens bis zum Regimentskommandeur einschließlich, unbedingt aus sich selbst ergänzt. Ein Infanterist mag noch so gut zu Pferde sitzen, er mag selbst von Pferden mehr verstehen als mancher Reitersmann, und wird doch kein guter Kavallerie-Regimentskommandeur werden. Immer wird ihm die Lehr- und Ausbildungserfahrung, die eine jahrelange Praxis ergibt, fehlen. Er kann lernen, sein Regiment im Gefecht zu führen, aber nicht, es für das Gefecht auszubilden. Ihm wird das Ansehen und das Vertrauen bei seinen Untergebenen fehlen, und auf das kommt es in Krieg und Frieden an. Es wäre ein Zeichen schlechter Ausbildung, hätte die Kavallerie nicht stets geeignete Anwärter auf freiwerdende Regimentskommandeurstellen bereit. Man hüte sich also vor gelegentlichen Experimenten, die nur von mangelndem Verständnis oder mangelndem Wohlwollen zeugen, wenn sie nicht aus einem Streben nach öder Gleichmacherei der Altersverhältnisse entspringen.

Grundsätzlich sollte die Ausbildung innerhalb einer Waffe bis zum Regimentskommandeur einschließlich den Charakter einer bewußten Einseitigkeit tragen. Das hindert nicht die Notwendigkeit, sich frühzeitig und in mit der Dienststellung steigendem Maße mit dem Wesen und Können der anderen Waffen vertraut zu machen, was durch die gemeinsame Schulgrundlage gewonnen, durch vorübergehende Zuteilung zu den anderen Waffen zu erreichen ist; aber nicht durch schematisches Hin- und Herversetzen. Wer als Infanterist oder Kavallerist angefangen, soll, von durch äußere Umstände erzwungenen Ausnahmen abgesehen, auch als Infanterist oder Kavallerist enden. Erst vom General ist zu verlangen, daß er sich eine Stellung über den Waffen aneignet. Hieraus ergibt sich, daß es zulässig sein kann, besonders hierfür geeigneten Generalen, welche aus anderen Waffen hervorgegangen sind, das Kommando über höhere Kavalleriekörper zu übertragen, weil hier die Führung und die allgemeine taktische Ausbildung vor der eigentlichen Waffenausbildung in den Vordergrund tritt. Die Regel sollte aber sein, daß auch die Kavallerie-Divisionskommandeure aus der Reiterei hervorgegangen sind. Die Spanne zwischen der Stellung des Regiments- und Divisionskommandeurs, die dadurch entsteht, daß uns Kavallerie-Brigadekommandeure nicht zugestanden sind, kann zweckmäßig und nutzbringend durch Zuteilung zu anderen Waffen oder sonstige vorübergehende Verwendung überwunden werden.

Eine selbstverständliche Forderung für die Entwicklung einer Waffe ist, daß sie sich ihren Ersatz selbst aussucht und heranbildet. Dem Regimentskommandeur muß die volle, uneingeschränkte Auswahl seines Offiziernachwuchses überlassen bleiben. Geht er dabei nicht die richtigen Wege, so füllt er seine Stellung auf einem wichtigen Gebiete nicht aus und sollte nicht in seiner Stellung belassen werden. Das erfreulich große Angebot geeigneter Bewerber erlaubt dem Kommandeur, die ihm am allergeeignetsten Erscheinenden herauszusuchen. Bei dieser Auswahl darf er sich nur von dem Interesse der Waffe und im besonderen seines Regiments leiten lassen. Ihm diese Verantwortung von höherer Stelle abzunehmen und damit an Stelle der Bewertung der einzelnen Persönlichkeit andere Rücksichten zu setzen, ist ein Unding und kann nur zur Verschlechterung des Ersatzes führen. Das Gesagte gilt selbstverständlich nicht für die Kavallerie allein, sondern für alle Waffen und entsprechend auch für die Gewinnung des Nachwuchses der Mannschaften.

Wenn wir uns nun den Ausbildungsfragen bei der Kavallerie zuwenden, so wird sich ergeben, daß die Größe der Aufgaben auch besondere Anstrengung in der Ausbildung erfordert, das trifft zunächst auf die Ausbildung der höheren Führer zu. Schon vor dem Krieg war es schwer, diese durch praktische Übung zu erziehen, da die Vereinigung größerer Verbände, mit denen zu üben und an deren Verwendung zu lernen war, sich auf wenige Gelegenheiten beschränkte. Das ist insofern besser geworden, als wir die kostspieligen Reiterschlachten nicht mehr üben wollen; aber andererseits bleibt die Notwendigkeit des möglichst häufigen Zusammenziehens größerer Kavalleriekörper bestehen und hat sich gegen früher mit dem zunehmenden Aktionsradius noch verstärkt. Wenn für die Kampfausbildung die Truppenübungsplätze bei richtigem Wechsel in ihrer Benutzung im allgemeinen genügen, so fordert die Vorbereitung für die operativen Aufgaben die Übung der Kavallerie im freien Gelände, in Verbindung mit den modernen Nachrichtenmitteln, den motorisierten Verbänden und den Fliegern. Die Übung im Kampf, der mit dem der anderen Waffen unmittelbar zusammenhängt, wird durch die Teilnahme der Reiterregimenter an den Manövern der Infanterie-Divisionen erreicht. Die Zuteilung der höheren Offiziere der Kavallerie, auch soweit ihre Truppe nicht unmittelbar beteiligt ist, zu diesen Manövern sowie zu sonstigen Übungen der anderen Waffen und zu besonderen Kursen, geben ihnen weitere Möglichkeit praktischer Ausbildung. Der theoretischen Unterweisung bei in großem Rahmen abgehaltenen Führerreisen und Kriegsspielen, bei sich auf engerem Gebiet bewegenden, besonderen Kavallerieübungsreisen bleibt daneben noch ein reiches Feld der Tätigkeit, das durch Studium der Kriegsgeschichte in eigener Arbeit zu ergänzen ist. Bei diesem Studium möchte ich auf eines hinweisen: gerade für die Kavallerieverwendung bietet die Kriegsgeschichte eine Fülle lehrreicher Beispiele. Es kommt nur darauf an, das Äußere, Wechselnde von dem Bleibenden zu trennen. Die großen Grundsätze der Verwendung bleiben dieselben, auch wenn diese sich veränderten Verhältnissen anpaßt.

Aus allem ist zu lernen, auch aus Fehlern; nur sollen wir unsere Vorgänger nicht für dümmer halten als uns, weil sie unsere Erfahrungen und Erfindungen nicht besaßen. Nicht mehr werfen wir, wie Friedrich am Abend der Schlacht, die klirrenden Schwadronen auf den wankenden Feind; aber rechtzeitig hat der moderne Seydlitz seine wohlgehüteten Reiter mit ihren beweglichen Feuerwaffen in Flanke und Rücken des Feindes vorgeführt, um ihre Wirkung mit der der vordringenden anderen Waffen zur letzten Entscheidung zu vereinen. Die durch Schützen und weittragende Artillerie auf Kraftwagen und durch Flieger verstärkten Kavallerie-Divisionen des neuen Napoleon eilen den bei Jena geschlagenen preußischen Truppen voraus, um ihnen an der Oder das letzte Ende zu bereiten. Aus neuerer Zeit sei auf die Kämpfe zwischen den Nord- und Südstaaten Amerikas, aus neuester auf die Tätigkeit der russischen Kavallerie unter Budjeni und auf die der türkischen gegen die Griechen hingewiesen.

Im allgemeinen werden wir von dem Kavallerieführer, wie übrigens von jedem General, verlangen müssen, daß er sich, mehr als das vor dem Krieg üblich war, bis zum Schluß seiner Laufbahn nicht nur als Lehrer, sondern auch als Lernender fühlt.

Bei der eigentlichen Waffen-, der kavalleristischen Fachausbildung, steht die reiterliche im Vordergrund. Behandlung und Benutzung des Pferdes ist zwar nicht nur Aufgabe der Kavallerie, sondern aller Waffen, spielt aber doch bei ihr eine besondere Rolle. Das Ziel militärischer Reiterei ist nicht nur, den Reiter und mit ihm seine Waffe nach der gewollten Stelle zu bringen, sondern diese Stelle mit denkbarster Sicherheit und Schnelligkeit zugleich unter möglichster Schonung des Pferdes zu erreichen. Hierzu bedarf es gründlicher und sachgemäßer Ausbildung von Reiter und Pferd. Man kann flüchtig ausgebildete Reiter auf halbrohe Pferde setzen und sie zu gewisser militärischer Verwendbarkeit bringen, aber eine Kavallerie ist das nicht. Kavallerie läßt sich nicht improvisieren, und den Anforderungen, die wir an die Reiterwaffe stellen, genügt niemals eine Milizkavallerie.

Für die Reiterei ist neben dem Pferdematerial der Reitlehrer entscheidend. Die Schwierigkeiten, welche sich der Gewinnung geeigneten Lehrermaterials anfänglich bei unserer jungen Kavallerie entgegenstellten, waren große. Sie können heute im wesentlichen als überwunden gelten. Die Fortschritte in der Reitkunst sind erfreuliche und augenscheinliche. Der Wert der Bahndressur – von mancher Seite angezweifelt – ist wieder voll erkannt als das Mittel zur sachgemäßen Durchbildung von Mann und Pferd, ohne dabei zu übersehen, daß sie nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck, dem Geländereiten, ist. Dem Einzelreiten ist erhöhter Wert im Gegensatz zum Abteilungsreiten beigelegt, in der Erkenntnis, daß mehr als früher der einzelne Kavallerist, nicht die geschlossene Abteilung, den Kampfwert ergibt. In diesem Sinne ist die Beteiligung der Kavallerie an den Turnieren zu begrüßen, bei denen Spitzenleistungen im Dressurreiten und Springen angestrebt werden. Hierbei ist daran festzuhalten, daß – wie bei allen Sportarten – nicht diese Spitzenleistungen an sich, sondern die durch ihren Einfluß zu erreichende Hebung des Durchschnittes der Gesamtleistungen von militärischem Wert sind.

Von unmittelbarem Einfluß ist die Pflege des Reitens im Freien, neben dem durch nichts zu ersetzenden Rennreiten, das seiner Eigenart nach immer nur einer kleinen Zahl zugänglich ist, vor allem das Jagdreiten und alle ihm verwandten Arten des Geländereitens. Es ist sehr zu begrüßen, wenn hierzu neben den Offizieren in weitgehendem Maße auch die Unteroffiziere und Mannschaften herangezogen werden. Sehr erwünscht wäre es, wenn es gelänge, auch den Polosport in die Armee einzubürgern. Sein Wert für die Reitausbildung ist unbezweifelbar. Das Hindernis seiner Verbreitung liegt in der Kostenfrage, solange wir für das Ponymaterial vom Auslande abhängig bleiben. Sollte es gelingen, ein für das Polospiel geeignetes Pferd der leichten ostpreußischen Zucht zu entnehmen und würde den Teilnehmern für diesen Sport Material aus den Dienstpferden zur Verfügung gestellt, so wären die noch bestehenden Schwierigkeiten zu überwinden. Es ist gar nicht notwendig, daß solche Militärteams gleich mit den internationalen Spielern in Konkurrenz treten; aber innerhalb der Kavallerie ließe sich dieser nutzbringende Sport wohl entwickeln. Sonst kann der Beteiligung an internationalen Wettkämpfen nur das Wort geredet werden, selbstverständlich unter sachgemäßer Aufsicht und mit dem bei solchen Gelegenheiten so besonders notwendigen Takt. Klar muß man sich nur darüber sein, daß alle diese Sportbeteiligungen der Armee nicht ohne Wohlwollen und Rücksichtnahme, aber auch nicht ohne materielle Unterstützung möglich sind. Es ist durchaus unerwünscht, wenn die Reiter von privater Hilfe abhängig werden, oder wenn das Reiten eine Frage des Geldbeutels wird. Hierzu gehört freilich die Überzeugung, daß der Reitsport kein Privatluxus, sondern ein unentbehrlicher Faktor bei der Ausbildung der Armee ist.

Eine besondere Stellung in der reiterlichen Ausbildung nimmt das Schwimmen der Kavallerie ein, das unter Ausnutzung der vorhandenen Hilfsmittel in einem Grad gefördert werden kann und muß, daß die meisten unserer mitteleuropäischen Ströme kein Hindernis für Kavalleriekörper zu sein brauchen.

Ich kann diesen Abschnitt über die Reitausbildung nicht abschließen, ohne hervorzuheben, daß die deutsche Kavallerie, was sie an reiterlichem Können trotz aller Schwierigkeiten wieder erreicht hat, dem Verständnis, der Arbeit und dem Vorbild ihres ersten Inspekteurs, des Generals der Kavallerie v. Poseck verdankt.

Der Zweck des Reitens ist, die Waffe an den Feind zu tragen. Verläßt der Kavallerist sein Pferd, so wird er zum Infanteristen, und wir werden ihm kaum eine an diesen zu stellende Aufgabe schenken können, weder was die Verwendung der Waffen noch was die Ausnutzung des Geländes anbetrifft, nur daß bei dem Reitergefecht die Entwicklung schneller gehen muß und zu vorbereitenden Maßnahmen weniger Zeit bleibt. Diese Forderung berührt mehr den Führer als den Mann. Ausschlaggebend bleibt die sorgfältige Ausbildung mit dem Karabiner und l. MG. und das Zusammenarbeiten mit den schweren Waffen, die der Kampf der Kavallerie so wenig entbehren kann wie der der Infanterie. Das s. MG. spielt sogar im Reiterkampf eine hervorragende Rolle.

Eine Sonderheit bietet der Feuerkampf der Kavallerie: bei ihrem Einsatz ist von vornherein damit zu rechnen, daß der Kampf nach Erreichung seines Zweckes abgebrochen und an anderer Stelle wieder aufgenommen werden muß. Selten wird der Angriff der Kavallerie bis zum letzten Ende in stundenlangem Ringen wie bei der Infanterie durchgeführt werden; das erlaubt größere Breite auf Kosten der Tiefengliederung. Der Übergang von der Bewegung zu Pferde zur Entwicklung zu Fuß ist von entscheidender Bedeutung. Grundsätzlich muß es heißen: so nahe zu Pferde an den Feind heran, als es Lage und Gelände irgend zuläßt, andererseits nicht so nahe, daß die ruhige Entwicklung zu Fuß in Frage gestellt wird. Die Aufstellung der Handpferde ist von der größten Wichtigkeit; sie dürfen nicht gefährdet sein, weil mit ihrem Verlust die Kavallerie ihre Waffe der Beweglichkeit verliert; sie dürfen aber nicht so weit zurückgehalten werden, daß durch ihr Wiedererreichen unnötige Zeit verloren geht.

Bei Friedensübungen ist auf diese Aufstellung der Handpferde und der Gefechtsfahrzeuge mit besonderer Strenge zu halten, weil hier das feindliche Feuer nicht drastisch der Bequemlichkeit entgegenwirkt. Namentlich erfordert es viel Energie und Phantasie bei fehlenden Fliegern, doch die Rücksicht auf ihren möglichen Angriff durchzusetzen.

Zur Zeit und gelegentlich mag es sich noch empfehlen, für die Einzelausbildung zum und im Feuergefecht infanteristische Unterstützung heranzuziehen; doch muß die Kavallerie anstreben, auch auf diesem Gebiet völlig selbständig zu werden.

Die Verbindung von Kavallerie und leichter Artillerie ist uns eine alte Gewohnheit. Über sie wäre viel zu sagen, was hier zu weit führte. Es sei darauf hingewiesen, daß schweres Flachfeuer die Aufgaben der Kavallerie-Divisionen ebenso wirksam unterstützt wie manche dieser Aufgaben ohne mittleres und schweres Steilfeuer nicht mit der erwünschten Schnelligkeit zu lösen ist. Die Vertrautheit mit diesen Waffen, ihrer Beweglichkeit, Verwendung und Wirkung, wird daher dem Kavalleristen zur Pflicht.

Die Pionierausbildung – im Pionierdienst ausgebildete Teile der Kavallerie und besondere Pionier-Abteilungen – muß wesentlich unter den Gesichtspunkt der Erhaltung und Sicherung der Beweglichkeit gestellt werden, also sich in erster Linie auf Überwindung von Hindernissen, Wasserläufen und auf Herstellung und Ausbesserung von Wegen, namentlich für die folgenden motorisierten Verbände, erstrecken. Die alte Übung in der Vornahme von Sprengungen darf nicht verlorengehen.

Einer der wichtigsten Ausbildungszweige der Kavallerie ist der im Nachrichtendienst. Wenn wir aus dem Krieg mit ganz neuen Erfahrungen auf diesem Gebiet herauskamen, seitdem in der Entwicklung wiederum große Fortschritte gemacht haben, so stehen wir vor den größten Zukunftsmöglichkeiten, die nicht zum wenigsten der Kavallerie zugute kommen werden. Grund genug für den Kavalleristen, sich eingehend mit allen Formen des Nachrichtenwesens zu beschäftigen. Die technische Ausbildung in diesem Dienst kann, personell und sachlich, nicht weit genug gehen. Für den Einsatz der Nachrichtenmittel bedarf es vom Regiment ab einer Zentralstelle, bei der alle Fäden zusammen-, von der alle auslaufen; nur auf diese Weise ist das notwendige Zusammenarbeiten und die sparsame Verwendung aller Organe, der menschlichen und technischen, der Patrouillen, der Flieger, von Telegraph, Telephon und Funkdienst gewährleistet. Mit seinem Nachrichtenkommando arbeitet der Führer nicht weniger eng zusammen als mit dem Artillerieführer. Zur Ausbildung dienen Nachrichtenübungen in kleinerem oder größerem Rahmen, denen sorgfältige Einzelschulung des Personals vorausgehen muß, und Übungen auf der Karte.

Die von der deutschen Kavallerie ja leider nur theoretisch zu übende Verbindung der Luftaufklärung mit der zu Pferde bedarf der Kenntnis der Eigenheiten wie der Leistungsfähigkeit der Flugwaffe, um ihr die zweckentsprechenden Aufgaben stellen zu können. Dies ergibt für die höheren Kavallerie-Führer wieder ein neues, wichtiges Arbeitsgebiet. Die Verbindung beider Aufklärungsmittel wird zeigen, wie sie sich ergänzen, wie die Grenzen ihrer Tätigkeit sich berühren und auch wohl überschneiden, wie aber die eine Waffe die andere nicht ersetzt.

Wir leben in einer Zeit der Verbreitung des Motorfahrzeugs auch in der militärischen Organisation. Die Frage der Motorisierung von Truppen soll und kann hier nicht eingehend erörtert werden. Da aber die Motorisierung wesentlich der Steigerung der Beweglichkeit dient, so berührt sie die Kavallerie in erster Linie. Das Bestreben, die schweren Waffen den Reitern im gleichen Tempo folgen zu lassen, ist stets von großer Bedeutung gewesen und gewinnt neue, wenn wir einerseits die Feuerkraft, andererseits die Selbständigkeit der Kavallerie erhöhen wollen. Es ist deshalb für sie von größtem Wert, durch theoretisches Studium und praktische Versuche festzustellen, wie weit wir zur Zeit in der Lage sind, diese Verstärkungen auf Kraftzug zu verweisen, was wir von der Leistungsfähigkeit solcher Verbände erwarten können, wie sie zu verwenden und wie vor allem ihre Tätigkeit mit der der Reiter in Verbindung zu bringen ist. Kenntnis von Kraftfahrwesen und vom Motor wird somit wieder eine neue Seite kavalleristischer Ausbildung.

Ich kann diese kurzen Gedanken über die Ausbildung nicht schließen, ohne zu betonen, wie grundlegend für sie die eigentliche Erziehung der Truppe ist, das was wir den inneren Dienst im weitesten Sinne nennen. Die Charakterbildung des einzelnen Mannes, seine innere geistige Förderung, Erziehung der Unteroffizierkorps, Leitung des Offizierkorps, das alles sind Fragen, die keine kavalleristische Eigenart aufweisen. Die Fürsorge für den Mann während und nach seiner Dienstzeit ist eine Forderung, allen Waffen gemeinsam. Wenn ich diese Seite des Dienstes hier erwähne, so geschieht das, um davor zu warnen, bei der Fülle der Ausbildungszweige und in dem vielfältigen Tagesdienst Erziehung und Fürsorge zu kurz kommen zu lassen. Mit vollem Recht und unter dem Druck der Verantwortung steht bei dem Kavalleristen die Sorge für das Pferd mit in vorderer Linie; ist es doch nicht nur ein wertvolles, ihm anvertrautes Material, sondern vor allem die Waffe, die scharf zu erhalten des Soldaten Ehrenpflicht ist. Der viel geschmähte Stalldienst gewinnt unter diesem Gesichtspunkt idealen Wert. Eine Freude ist es, durch die hellen, sauberen, luftigen Ställe zu gehen, in denen die wohlgenährten glänzenden Tiere stehen; aber an der anderen Seite des Kasernenhofes sollen uns dann wohnliche und behagliche Stuben, heitere Kameradschaftsheime grüßen, in denen sich der Mann nach seinem harten Dienst wohlfühlt. Die schweren und vielfachen Ausbildungsziele sind nur zu erreichen, wenn es gelingt, den einzelnen Mann zu freudiger Mitarbeit zu erziehen; im Unteroffizierkorps muß sich der Vorgesetzte auf allen Gebieten, und namentlich auf dem reiterlichen, tätige und verständnisvolle Helfer heranbilden. Nie aber darf sich der Offizier die Zügel aus der Hand nehmen lassen; er ist und bleibt der Lehrer, der Führer, das Vorbild.

Ein besonderes Problem ist die Zusammensetzung der größeren Kavalleriekörper. Es ist daran gedacht worden, als Grundlage die Brigade mit Hilfswaffen zu wählen und durch Zusammenfügung mehrerer die Kavallerie-Divisionen und Korps zu bilden. Ich glaube, daß die Gefechtskraft einer verstärkten Brigade zu gering ist, um die meisten Aufgaben, welche der Kavallerie zufallen, zu lösen, und daß man daher besser tut, eine Formation als Norm zu wählen, welche in sich die genügende Gefechtskraft für die Lösung dieser Aufgaben besitzt. Ferner ist es erwünscht, daß diese Kampfeinheit gleichzeitig eine selbständige Friedensformation ist, wie es bei der Infanterie der Fall. Wir kommen damit zu der Kavallerie-Division, die sich in drei Brigaden zu je zwei Regimentern gliedert. Die Dreiteilung kommt dem Wunsche nach möglichster Biegsamkeit entgegen. Und die verstärkte Brigade zu zwei Regimentern wird befähigt, die meisten der ihr im Rahmen der Division zufallenden Aufgaben zu lösen. Die Zahl der Regimenter überschreitet nicht die Kräfte des Divisionskommandeurs bei Ausbildung und Beaufsichtigung. Fügen wir den Regimentern die organisch zu ihnen gehörenden schweren Waffen, der Division die drei leichten Feldbatterien, Pionier- und Nachrichtenabteilungen bei, so ist unter Zurechnung der Kolonnen ihre Grundformation gegeben. In dieser Zusammensetzung sollte die Kavallerie-Division auch im Frieden bestehen; aber sie genügt für die meisten Kriegsaufgaben der Divisionen nicht. Die hierfür erforderlichen Verstärkungen müssen der Division von Fall zu Fall, also nach der Art der ihr gestellten Aufgabe, zugewiesen werden. Diese sind so im Wesen verschieden, so mannigfaltig, daß auch die Zuteilung von Infanterie-, Artillerie-, Pionier-, Flieger- und Kolonnenverstärkung ganz offen bleiben und den Umständen entsprechend erfolgen muß. Ich halte es für fehlerhaft, sich über das angegebene Maß hinaus auf eine verstärkte Normal-Kavallerie-Division festzulegen; das wäre ein Zeichen geringer geistiger Beweglichkeit, und die Folge konnte sein, daß die Normal-Division für die ihr zufallende Aufgabe gerade ungenügend oder falsch organisiert wäre.

Dieser Gedanke führt uns nun von selbst zu einer kurzen Skizzierung der wichtigsten Aufgaben, die der Kavallerie gestellt werden können, um an ihnen zu prüfen, ob unsere Ausbildung die richtigen Wege gegangen ist.

Der Beginn der Feindseligkeiten weist der in ihrer Formation fertigen und der Mobilmachungsergänzung kaum bedürfenden Kavallerie die Deckung des Aufmarsches und den Schutz der Grenze zu. Diese Aufgabe kann defensiv und offensiv gelöst werden. Bei dem Entschluß zu ersterem Verhalten entstehen breite, leichtbesetzte Fronten mit gut ausgestaltetem Nachrichtennetz unter Anlehnung an natürliche und Schaffung von künstlichen Hindernissen, z. B. Überschwemmungen bei Zurückhaltung starker, beweglicher Reserven. Die Fernaufklärung zur Feststellung des feindlichen Aufmarsches übernehmen die Flieger. Die Kavallerie-Division wird zur Lösung dieser Aufgabe der Zuteilung von Infanterie (Grenzschutzformationen) bedürfen.

Soll die Aufgabe offensiv gelöst werden, um die Deckung vorzuverlegen, so wird der feindliche Grenzschutz durchbrochen werden müssen. Das erfordert Zusammenhalten und möglichst überraschenden Einsatz der Kräfte, Stärkung der Kampfkraft der Division, namentlich durch Artillerie und Nachführung von Infanterie zur Behauptung der gewonnenen Stellung. Gelingt es, sich freie Bahn zu schaffen, so setzt die Erdaufklärung zur Ergänzung der Luft-Fernaufklärung an. Der Kavallerie fällt dabei auch die Beschaffung von Nachrichtenmaterial aus Aussagen von Landeseinwohnern, Einbringen von Gefangenen, Abhören von Ferngesprächen, auch die Störung feindlicher Verbindungen zu.

Der Krieg kann auch durch größere und selbständige Kavallerieunternehmungen eröffnet werden, wenn die hierzu bestimmten Formationen operationsbereit sind, ehe die Masse der Heere in Tätigkeit treten kann. Der Zweck solcher Unternehmungen kann die nachhaltige Störung der feindlichen Mobilmachung und des Aufmarsches durch Gefechtshandlungen oder Zerstörungen sein; sie können auch politisch-militärischen Zwecken dienen. Für solche Unternehmungen bedarf die Kavallerie-Division wesentlicher und den Besonderheiten der Aufgaben entsprechender Verstärkung. Durch diese darf aber die Beweglichkeit nicht leiden; denn gerade in ihr liegt die Stärke einer solchen Unternehmung. Bei so weitreichenden Aufgaben bedarf die Kavallerie infanteristischer Unterstützung, weil sonst ihre Feuerkraft zu schnell sinken würde. Der Schutz der Unterkünfte und der Verbindungen verlangt dauernd Kräfte, welche der Kavallerie nicht entnommen werden dürfen, ohne sie übermäßig zu schwächen. Diese infanteristische Unterstützung muß durch Kraftwagenzug beweglich gemacht und erhalten werden; sonst wird sie zum Ballast. Die wechselnden Gefechtsaufgaben der Division verlangen für ihre Durchführung beweglicher und gleichzeitig wirkungsvoller Artillerie; hier ist vor allem schweres Flachfeuer von Wert. Es erlaubt die Gefechtseröffnung auf große Entfernung und zwingt den Feind zu Gegenmaßnahmen, die erst wirksam werden, wenn der bewegliche Angreifer sich unter dem Schutz seiner Artillerie überlegener Abwehr entzogen hat. Oft kann das Heranbringen der weittragenden Artillerie an wichtige Ziele wie Bahnknotenpunkte schon Selbstzweck werden, die anderen Waffen übernehmen dann nur die Rolle der Artilleriedeckung; oft wird es des entschlossenen und schnellen Einsatzes der gesamten Gefechtskraft und der Durchführung des Kampfes bedürfen, um das gesteckte Ziel zu erreichen. Daß bei solchen weitreichenden und sich von der Ausgangsbasis weit entfernenden Unternehmungen die Nachrichtenverbindung, namentlich die Funkenverbindung, eine wichtige Rolle spielt, ist klar. Von ganz besonderer Bedeutung ist die Zusammenarbeit mit den Fliegern, von denen die geeigneten Formationen der Kavallerie-Division unterstellt werden müssen. Durch die von ihnen gelieferten Nachrichten gewinnt die Kavallerie wesentlich an Freiheit und Sicherheit bei der Wahl ihrer Operationsziele. Die enge Verbindung mit der Ausgangsstelle, der Heimat oder der eigenen Armee, wird bald, oft schon am ersten oder zweiten Tag, unterbrochen werden. Das bedingt eine große Selbständigkeit in allen Fragen der Kräfteergänzung, also eine starke Zuteilung beweglicher Kolonnen zur Nachführung von Munition, Hafer und Betriebsstoffen. Wie stark diese Zuteilung sein muß, ist erst mit der zu stellenden Aufgabe zu entscheiden, wie überhaupt eine schematische Zuteilung von Kolonnen den Fehler hat, in den meisten Fällen unzweckmäßig zu sein, das gerade Benötigte nicht, das Überflüssige in Menge zu führen. Die größte Schwierigkeit wird die Mitführung ausreichender Artilleriemunition bilden, und ihr Bedarf kann der Unternehmung unerwünschte Grenzen ziehen; vielleicht kann man mit Transportflugzeugen helfen; Hafer und Betriebsstoffe lassen sich in beschränktem, selten genügendem Maße aus dem Lande aufbringen. An die Anlage einer neuen Nachschubbasis muß gedacht werden, wenn die Verbindung mit der Ausgangsstelle ganz abreißt. Von dieser aus muß andererseits angestrebt werden, die Nachschub-Verbindung mit der vorgetriebenen Kavallerie aufrechtzuerhalten oder aufzunehmen. Die Kolonnen müssen bei diesen Unternehmungen ausreichend bewaffnet sein; es genügt nicht, die Ausstattung des Fahr- und Begleitpersonals mit Karabinern und l. MG., sondern es müssen geschlossene, kampfkräftige Deckungstruppen mit der gleichen Beförderungsart wie die Kolonnen selbst zugeteilt werden.

Die im vorstehenden kurz geschilderte Tätigkeit der Kavallerie kann nicht nur zu Beginn eines Krieges, sondern auch während desselben auf besonderen, von der Hauptentscheidung nicht unmittelbar berührten Teilen des Kriegsschauplatzes in wirksame Erscheinung treten.

In unmittelbarer Verbindung mit den Armeen fällt den Kavallerie-Divisionen zunächst die Aufgabe der Ergänzung und Verdichtung der von den Fliegern geleisteten Aufklärung zu. Hierzu ist bei der eingehenden Schulung unserer Kavallerie für diesen Dienst Neues kaum zu sagen. Es sei nur auf die Notwendigkeit hingewiesen, bei Annäherung der beiderseitigen Heeresfronten die zwischen ihnen befindlichen Kavalleriekörper rechtzeitig herauszuziehen.

In diesem Stadium des Kampfes kann für die Kavallerie-Divisionen eine gewisse Tätigkeitspause eintreten. Diese wird, wenn die Division von anstrengenden Sonderunternehmen und Aufklärungsaufgaben zurückkehrt, zur Wiederherstellung der Gefechtskraft dringend notwendig sein. Die ihr für ihre bisherigen Aufgaben zugewiesenen Kräfte werden ihr genommen und an anderer Stelle eingesetzt. Entweder wird die Division hinter die Front zurückgezogen oder nach einem freien Flügel geschoben, wo sie, auch ohne die notwendige Ruhe wesentlich zu beeinträchtigen, die Deckung der Flanke durch sichernde Aufklärung übernehmen kann.

Bei der sich nähernden Entscheidung kann die Kavallerie das Kräfteverhältnis wesentlich zu eigenen Gunsten dadurch beeinflussen, daß sie feindliche Kräfte auf sich und von der Front abzieht. Gelingt es ihr, gegen den feindlichen Anmarsch von der Flanke her einzuwirken, so kann sie bei mehrfacher Wiederholung solcher Einwirkung beträchtliche Teile zur Abwehr und Sicherung auf sich lenken, besonders wenn der Feind hierfür keine Kavallerie zur Verfügung hat und so gezwungen ist, Infanterie einzusetzen, bei der Zeit- und Kräfteverlust ins Gewicht fällt. Hieraus ergibt sich auch, wie erwünscht es ist, den eigenen Vormarsch in der offenen Flanke von Kavallerie decken begleiten zu lassen. Zu solchen Flankeneinwirkungen wird die Kavallerie weniger der Verstärkung an Infanterie bedürfen, als aus Zuteilung weitreichender Artillerie Nutzen ziehen. Diese Aufgabe entspricht recht eigentlich dem Wesen der Kavallerie, indem schnelles Erreichen der günstigen Angriffsstelle, überraschender Einsatz der Kräfte, schnelles Verschwinden nach erreichtem Erfolge, Wiederauftauchen zu neuem Einsatz charakteristische Merkmale dieser Kampfweise sind.

Bei der Schlachtentscheidung selbst sucht die Kavallerie von einer Stelle mitzuwirken, die zu erreichen ihr ihre Beweglichkeit erlaubt und von welcher aus sie, dem Feind besonders empfindlich, einwirken kann; das wird Flanke und, wenn möglich, der Rücken des Feindes sein. Hier winken vor allem weit zurückstehende feindliche Artillerie, Kommando- und Nachrichtenstellen als lohnende Ziele. Wesentlich ist in dieser Lage die enge Verbindung mit der obersten Führung, wodurch das Heranhalten an die Entscheidung ermöglicht wird. Beweglichkeit und Artilleriewirkung bleiben auch hier die entscheidenden Faktoren. Verbindung mit Tankabteilungen kann vorteilhaft sein.

Erst die gefallene Entscheidung gibt der Kavallerie wieder größere Freiheit und weist ihr bei der Verfolgung neue Aufgaben zu. Die Erfolge wird sie der Umsicht der Führung, ihrer Beweglichkeit und Feuerkraft verdanken.

Damit sei es genug der Beispiele für die Verwendung der Kavallerie. Mir lag nur daran, den Beweis zu führen, daß die Tage neuzeitlich ausgebildeter, ausgerüsteter und geführter Reiterei nicht gezählt sind und daß sie noch immer zuversichtlich die Fähnlein ihrer Lanzen im Wind der Zukunft flattern lassen darf.


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