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Hindenburg

Bei der Begegnung mit einer Persönlichkeit von weltgeschichtlicher Bedeutung drängt sich dem Beobachter die Frage auf, in welcher Form das Bild dieser Gestalt der Nachwelt am wahrsten erhalten, der nicht mit eigenen Augen schauenden Mitwelt am reinsten dargestellt werden kann.

Die Schilderung und Würdigung des Generalfeldmarschalls von Hindenburg durch die Feder des Geschichtsforschers wird kommenden Jahren überlassen bleiben müssen. Sein Charakterbild wird zwar schon heute kaum von der Parteien Gunst und Haß verwirrt; aber die Wellen der wechselnden Zeitströmungen, die Tageseinflüsse des politischen Kampfes trüben zu leicht noch den Blick der Gegenwart.

Das Bild des Feiernden und damit den Menschen selbst abschließend, erschöpfend mit dem Pinsel oder der Nadel festzuhalten und zu verewigen, scheint schwer. Alles drängt in der Gestalt und dem Wesen zur Plastik; hier ist nichts Malerisches, aber bedeutende Form.

Sehen wir uns nach dem Material um, in dem wir Hindenburgs Züge gestaltet wissen möchten, so ist es nicht der Marmor, in dem uns Griechenland seine großen Männer, Rom seine Cäsaren übermittelte. Unter der feinen Haut des Steins jagen Gedanken, toben Leidenschaften. Nicht an italienische Bronzen dürfen wir denken, die das Rätsel problematischer Naturen ungelöst lassen. Wir wollen näher, wollen auf eigener Erde den Stoff suchen, in dem wir uns das Bild dieses deutschen Mannes formen. In unseren alten Domen, unter den Schätzen unserer Museen finden wir die wunderbaren Holzskulpturen des Mittelalters. Fest geschnitzt und doch weich geformt, bestimmt und klar das Gebäude des Leibes, alle Flächen durch den Ton gemildert, die Seele aus dem Innern leuchtend, nicht starr, aber ruhig. Könige und Heilige sind es zumeist, die nie eines Lebenden Auge auf Ähnlichkeit prüfte, die aber doch Menschen waren und sind und zu noch mehr wurden, zu Symbolen.

Den kraftvoll und lebendig, durch achtzig Jahre ungebeugt unter uns stehenden Mann heute zum Bildnis zu machen oder gar zum Heiligen zu erhöhen, liegt dem Gedanken fern.

Doch wenn wir heute die Persönlichkeit Hindenburgs betrachten, so erscheint es wichtiger und angemessener, als Charaktereinzelheiten zu suchen und Taten zu preisen, die Bedeutung des Mannes im Leben unseres Volkes zu prüfen. So nennen wir ihn ein Symbol unserer Zeit, das Symbol der Hingabe an den Dienst, die Pflicht, den Staat. Er wuchs hinüber aus dem alten Preußen, wo die Wurzeln seiner Kraft lagen und noch liegen, in das neue Reich unserer Tage. Er hat sich im Wesen nicht verändert und nicht zu verändern brauchen, weil wohl die Aufgaben wechselten, nicht der Grund, von dem aus er zu ihrer Lösung schritt. Gegenüber dem Muß der Pflicht wird Wesentliches zur Erscheinungsform.

Wenn das Alter ist wie die Jugend, gewinnen achtzig Jahre erst wahre Bedeutung. Sie mögen dem Menschen manches nehmen, eins geben sie ihm: sie heben ihn heraus aus der Ebene und führen ihn auf einen hohen Berg, nicht als auf ein Postament der Heiligenverehrung, sondern zu einem Überblick und Ausblick. Von der Höhe des Alters und der Erfahrung sieht die Welt anders aus als von der Plattform des täglichen Ringkampfes. Die Unterschiede der Dinge und Menschen vermindern sich oder verschwinden. Wer so oft gesehen hat, wie Großes klein wird, wer so viel hat stürzen sehen und auch so vieles neu wachsen, wer durch Sieg und Niederlage hindurchgegangen ist, urteilt über das Tagesereignis mit ruhiger Gelassenheit. Wer so viele Menschen sah, unterscheidet die einzelnen nicht mehr allzu kritisch voneinander. So gibt das Alter dem Charakter Hindenburgs die letzte Reife, die Ruhe, die Sicherheit. So wird er uns zum Symbol des Bleibenden im Wechsel der Zeit.


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