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Fünftes Kapitel

Der Indianer hat neben vielen edlen und großartigen Zügen, die zusammengenommen seinen Nationalcharakter bilden, und zwar einen Nationalcharakter, dessen moralische Höhen und Tiefen bei weitem noch nicht gehörig gewürdigt sind, einen, der ihn minder vorteilhaft kleidet und den der Sittenmaler seiner Nation gerne vermissen würde. Es ist dies die auffallend rohe, selbstische Gleichgültigkeit oder vielmehr Fühllosigkeit, mit der sie ihre Weiber behandeln: eine Fühllosigkeit, die zwischen den unglücklichen Geschöpfen und einem Haustier nur wenig Unterschied kennt. Vielleicht sind dieser Fühllosigkeit einzig und allein jene schwarzen Flecken zuzuschreiben, die ihrem häuslichen und öffentlichen Leben den so widerlichen Stempel tierischer Grausamkeit und Unempfindlichkeit und hinwieder der stupidesten Indolenz aufdrücken: ein Stempel, der aus einem indianischen Sittengemälde bloß eine fortgesetzte Szene von Grausamkeiten oder ekelhaftem Faulleben bildet, nur selten durch eines jener sanftern Reliefe aufgehellt, die ein höherer Grad von Achtung gegen das weibliche Geschlecht notwendig erzeugen müßte. Die indianischen Völkergeschichten haben auffallend bewiesen, daß Nationen, wo bloß die eine Hälfte Menschenrechte genießt, immer nur Wilde oder Barbaren sein werden, und daß jene Reibung im gesellschaftlichen Leben, wo das Weib dem Manne mit gleichem Rechte gegenüber steht, zur Veredlung des Geschlechtes unumgänglich nötig sei.

Ein Volk, bei dem das Weib auf einer, ihrer ursprünglichen Würde nicht angemessenen Stufe steht, wird jederzeit mehr oder weniger barbarisch sein, und der richtigste Maßstab der Aufklärung eines Volkes wäre wohl das Verhältnis, in welchem die zweite Hälfte zur erstem in ihren Privat- und öffentlichen Verhältnissen steht. Des Weibes Bestimmung ist weder die des Lasttieres, noch der Sklavin der sinnlichen Begierden des Mannes – sie soll weder das frivole Spielwerk müßiger Stunden, noch die Abgöttin seiner törichten Leidenschaften sein. Sie soll sein die Teilnehmerin an dem Wohl und Wehe ihres Mannes – seiner drückenden sowie erhebenden Gefühle innigste Vertraute, die Freundin seines Herzens, der Leuchtturm seines Verstandes, der ihn auf seinem Lebenspfade leitet, der schützende Genius seiner Kinder, der künftigen Generation. Des Mannes ertötender Sinn soll sie aufregen, und so wie sie die beschützende Gottheit des häuslichen Heiligtums ist, soll sie wehren helfen durch Mut und Festigkeit, daß keine verruchte Hand sich an diesem vergreife. Nur die Nation, wo das Weib dieses errungen, sich so hoch emporgeschwungen, – nur sie ist zur Freiheit geboren. Und nie wird diese Göttin einkehren, wo sie nicht ihren häuslichen Herd unbeschränkt besitzen und dem Tyrannenknecht das Eindringen in ihr Heiligtum wehren darf und kann.

Es ist merkwürdig und unsern Satz ganz bestätigend, wie bei jenen wilden Stämmen und Völkerschaften, die allmählich eine gewisse Kulturstufe erreicht, auch der Zustand des weiblichen Geschlechtes sich verbessert hat. Die Weiber der Tscherokesen sind bereits mehr Ehehälften ihrer Männer als die der Creeks, und so richtig und bestimmt ist dieser Maßstab, daß die Grenzlinie der Weiberrechte bei den verschiedenen Nationen auch die der größern individuellen Freiheit und nationalen Kultur sind.

Das Völkchen, von dessen Niederlassung wir im vorhergehenden Kapitel eine Schilderung gegeben, war gewissermaßen auf der ersten Stufe gesellschaftlicher Kultur. Die Morgenröte war herangebrochen, es hatte bereits einen Vorgeschmack von den Vorteilen, die Ackerbau und die verschiedenen Künste des Lebens diesem gewähren, und obwohl dies bloße Anfänge waren, so hatten sie doch bereits einen bedeutenden Einfluß auf das Wohl und Wehe ihrer Weiber geäußert. Diese Weiber waren zwar noch immer ihren Männern dienstpflichtig, sie hatten mit ihren Töchtern Korn zu säen, zu pflügen, umzugraben, zu ernten, den Tabak zu bauen, die Hirsch- und Alligatorhäute zu gerben und ihren Kotton zu spinnen; aber eben die gesteigerten Bedürfnisse ihrer Männer und ein gewisses Behagen, das im friedfertigen ununterbrochenen Genusse derselben sich mit eingeschlichen hatte, konnte nicht verfehlen, ihren Weibern in ihren Augen eine größere Wichtigkeit zu geben, die allmählich auch größere Achtung zur Folge hatte.

Vielleicht trug der Umstand, daß Canondah an der Spitze der zweiten Hälfte dieses Völkchens stand, das Seinige dazu bei. Das unbegrenzte Vertrauen der Männer zu ihrem Vater und ihre tiefe Ehrfurcht konnte sich natürlicherweise nicht roh gegen seine Tochter äußern. Abgesehen von diesem Umstande war auch Canondah ganz dazu geschaffen, ihr Geschlecht im Wigwam in eine höhere Stellung zu bringen, und alle ihre Handlungen schienen zu beweisen, daß sie das unrichtige Verhältnis zwischen den beiden Geschlechtern nicht nur erkannt, sondern auch darauf ausging, es in ein weniger beleidigendes umzuwandeln. Das Mädchen hatte einen Scharfsinn, einen Mutterwitz, der unter den roten Naturkindern nicht selten zu finden ist und einen richtigen Takt zur Grundlage hat, der sie gewöhnlich sicherer leitet, als unsere durch Pensionsanstalten verschraubten Figürchen. Mit unerreichbarer Gewandtheit hatte sie gewußt, jeden Umstand zu benutzen, der sie auf eine nähere oder entferntere Weise ihrem Ziele zuführen konnte, eine gewisse wohltätige Herrschaft, die sie gleich einem Netze über die Männer auszubreiten und mit unverrücktem Blicke zum Besten ihrer Schwestern zu verfolgen wußte. Sie hatte ihre Erziehung in einer jener vortrefflichen Anstalten erhalten, die der philanthropische Oberst Hawkins unter den Creeks zum Behuf ihrer sittlichen und bürgerlichen Bildung errichtet, und hatte sich in vielen Zweigen der weiblichen Haushaltung auf eine Weise vervollkommnet, die sie zu einer trefflichen Hausfrau auch unter zivilisierten Völkern gemacht haben würde. Sie strickte und wob vortrefflich, ihre Röcke und Jagdhemden saßen am besten, ihr Wein war wohlschmeckender und feuriger, als der von andern Weibern oder Mädchen gekelterte: ja sie hatte während ihres Wohnens unter den Amerikanern sogar das Geheimnis, das unschätzbare Feuerwasser zu ziehen, glücklich ihren Wirten abgelauscht: ein Vorteil, dessen Bedeutung sie vollkommen zu würdigen verstand, und den sie, als unverbrüchliches Geheimnis, nur mit Rosa teilte. Sie hatte hinlängliche Zeit, sich unter den Amerikanern aufzuhalten, um den ungeheuren Abstand zwischen den Frauen der Weißen und den Squaws ihres Volkes zu erkennen, und ihr zartfühlender Scharfsinn hatte sie auch richtig auf den Weg geleitet, diesem schreienden Mißverhältnisse nach Möglichkeit Einhalt zu tun. – In jeder Hütte war sie zu Hause, und wenn sie vorbeieilte an einer Türe, so wich sie auch nicht, bis der Mann sein pflügendes oder grabendes Weib abgelöst hatte. Sie belohnte die Willigen mit einer Kürbisflasche des deliziösen Feuerwassers, während sie sie dem Mürrischen oder Widerspenstigen mit demselben schlauen Lächeln mit reinem Quellwasser füllte. So hatte sie allmählich die Männer gewöhnt, die Lasten ihrer Weiber zu teilen. Sie hatte Mittel, allen zu gefallen und jeden zu lenken.

Die Morgenröte hatte kaum durch den Wald zu schimmern angefangen, als die dunkeln Gestalten der Squaws und ihrer Töchter dem Landungsplatze zueilten, wo einige Stunden zuvor ihre Männer und Väter sich eingeschifft hatten.

Der Fluß bildet da eine kleine Bucht, in welcher die Marine des Stammes, fünf Palmrindekanus, an Strängen von Wattap ruhig vor Anker lagen. Zu beiden Seiten des kleinen Hafens erhob sich das Ufer etwa zwanzig Fuß hoch; dieser Gürtel war mit Myrte und Mangrovgesträuch überwachsen, durch die ein Pfad sich schlängelte.

Die ältesten unter den Weibern hatten graue Haare, die in langen Flechten roßhaarartig über ihre Schultern hingen, ihre mumienartigen Gesichter waren runzlig und beinahe vertrocknet, und wenn ihre Züge einen gewissen Stumpfsinn verrieten, so deuteten hinwieder die schwarzfunkelnden, tiefliegenden Augen auf eine Wildheit, die zu schlummern und nur auf eine Gelegenheit zu lauern schien, um in ihrer ganzen ungezähmten Wut hervorzubrechen. Die Mütter zeigten bereits mehr Milde in ihren Gesichtszügen; auf sie hatte der Verkehr und das gesellschaftliche Leben mit den Amerikanern offenbar eine humanisierende Wirkung geäußert; die Mädchen jedoch waren durchgängig wohlgewachsen, viele grazienartig, ihre Kupferfarbe nicht viel dunkler als die sonnverbrannten Gesichter südlich europäischer Landschönen, obgleich ihre Züge ungleich mehr Ruhe und Besonnenheit ausdrückten, und wären es nicht die hervorragenden Backenknochen gewesen, welche die meisten entstellten, so könnten sie als Muster für den Bildhauer gedient haben. Sie trugen kurze Kalikoröckchen, die ihnen bis über die Knie gingen, um den Nacken jedoch hatten bloß wenige eine Bekleidung, alle hatten Mokassins und silberne Ohrringe. Nachdem die weibliche Partie sich versammelt hatte, teilte sie die älteste Squaw in drei Gruppen, deren jede einen bestimmten Anteil an der Arbeit erhielt, von welcher wir nun eine nähere Beschreibung geben wollen. Es war der Bau eines Palmenrindekanus.

Die erste Abteilung hatte kurze Pfähle abzuschneiden und in der Entfernung von einem und einem halben Fuße in die Erde zu treiben, so daß ihre Anzahl ungefähr vierzig wurde.

Die zweite nähte Stücke der Palmenrinde mit Wattap zusammen, hing sie dann auf die Pfähle und befestigte sie daran so, daß die Rinde lose hing und den beiden aufrecht gehaltenen Deckeln eines Buches ähnelte, dessen Rücken abwärts gekehrt ist. Die dritte Abteilung hatte Querhölzer zu setzen, um so den Rand auszupressen und dem obern Rahmen die Form zu geben, welche das Kanu erhalten sollte. Dieselbe Abteilung setzte dann die Rippen und legte die Bekleidung in breiten Streifen zwischen diese und die Rinde, während eine Anzahl von Mädchen Rippen und Rinde herauspreßten und so dem Boote Tiefe und den Seitenwänden Gestaltung gaben. Nachdem das Werk so weit vorgerückt war, legten sie Gewichte und Steine auf den Boden der Rippen, die früher im Wasser erweicht worden waren, und dann ließen sie das Ganze trocknen. Während der Arbeit, die eine Stunde gedauert haben mochte, war das tiefste Stillschweigen beobachtet worden. Es war kein Lachen, kein Schäkern zu hören, kein Umhertreiben zu sehen. Jede verrichtete die ihr angewiesene Arbeit, ohne einen Laut von sich zu geben, und die einzige, die etwas mehr Freiheit sich herauszunehmen schien, war Canondah. Das unruhige Mädchen schlüpfte unter den düstern Wesen mit der Miene eines verdorbenen Kindes umher, wisperte hier einem Lieblinge einen Scherz ins Ohr, zischelte dort einer andern zu und half einer dritten oder zwang einer vierten ein ruhiges Lächeln ab. Als die Weiber ihre Arbeit verrichtet hatten, trennten sie sich auf dieselbe stille düstre Weise.

Canondah trippelte auf ihres Vaters Hütte zu. Sie fand Rosen noch immer schlafend. Ein liebliches Lächeln spielte um den Mund des reizenden Kindes, und ihre zarten Lippen bewegten sich. Die Indianerin bog sich herab auf das entzückende Wesen und konnte nicht widerstehen, einen Kuß auf ihren Mund zu drücken. Rosa öffnete die Augen. »Canondah,« sprach sie, dieselben reibend, »ich hatte einen bösen, bösen Traum. Wir beide standen in einem tiefen, tiefen Tale, der Fremdling auf dem Berge – er kehrte uns den Rücken. Hast du ihn gesehen? Und ist er nicht mehr krank? Und sieht er nicht mehr so bleich aus, und zittert er nicht mehr fieberisch? Und hat er von den Früchten gegessen und von dem Weine getrunken?«

»Rosa«, versetzte die Indianerin mit einem schlauen Lächeln, »hat nicht so viel diese letzten zwanzig Sonnen gefragt. Der Fremde ist unter dem großen gefallenen Baume.«

»Aber wie kam er dahin?«

»Die Schultern Canondahs trugen ihn.«

»Und die Spur, die wir zurückgelassen, und die große Schlange und das gebrochene Rohr«, sprach das liebreizende Kind, in mädchenhafter Verwirrung errötend über die unschuldige Verstellung, mit der sie ihre Freundin zu täuschen suchte.

Die Indianerin, die ein Überschuß von sechs Jahren vor Rosa ohne Zweifel ein wenig mit den Künsten bekannt gemacht hatte, deren eines ihre Freundin soeben auf sie anzuwenden willig schien, brach in ein lautes Gelächter aus. »Seht einmal,« rief sie, »wie die weiße Rosa zu lügen gelernt hat in einer Nacht. Sie spricht zu ihrer Schwester von der Fährte und dem gebrochenen Rohre, um das sie sich gerade so viel kümmert wie der Miko um Glaskorallen, während ihr Herz bei dem Fremdlinge ist. Canondah wird die weiße Rosa dafür züchtigen.«

»Und wundert sich Canondah,« fragte die letztere im sanften Tone, »daß ihrer Schwester Herz bei dem Anblick eines weißen Bruders höher schlägt? Würde Canondahs Herz nicht auch klopfen, wenn sie, unter den Weißen lebend, plötzlich einen Bruder ihres Stammes, ihrer Farbe sähe?«

Die Indianerin starrte sie mit offenen Augen an. »Und sehnt sich meine Schwester zu den Weißen?« fragte sie gespannt.

Des Mädchens Haupt war auf ihr Kissen gesunken, sie weinte. Die Indianerin sprang an sie heran und schloß sie in ihre Arme. »Canondah will ihrer Rosa viele, viele Freude machen; aber sie darf nicht betrübt sein, sie darf nicht zu den Weißen, Canondah könnte nicht ohne sie leben. Aber komm,« fuhr sie fort, indem sie ihr ein Kalikokleid hinhielt, »Rosa muß heute dieses nehmen und die Squaws betrügen helfen.«

Das Mädchen schlüpfte seufzend in das Überröckchen, warf ein Tuch um ihren Busen, trippelte vor die Hütte, vor der ein klarer Quell sprudelte, und kehrte lieblich wie die Morgenröte in das Stübchen zurück, um mit der Freundin ihr Frühstück zu verzehren. Zwei Körbchen mit Trauben gefüllt, Kuchen von indianischem Korn und eine Schale Milch. Rosa schien mit Ungeduld in der Hütte zu verweilen; aber die Indianerin schwieg hartnäckig still, und kaum hatte sie ein paar Bissen gegessen, so schlüpfte sie allein zur Türe hinaus.

Rosa setzte sich seufzend zu einem kleinen Tischchen, auf dem ihr Arbeitszeug lag: ein Stück Seidenzeug, dessen Hiersein wohl Befremden erregen konnte.

Es war ein Stück ausgesuchten Gros de Naples, das bereits zu einem Kleide zugeschnitten war. Drei Stunden mochten verflossen sein, als die Indianerin zurückkehrte; ein zufriedenes Lächeln spielte um ihren Mund.

»Wir haben ein Kanu gebaut, während Rosa schlief,« sprach sie, »und sie muß mitgehen und unsre erste Fahrt sehen.«

Beide Mädchen gingen sofort dem Flusse zu, wo sich die Squaws und Mädchen neuerdings versammelt hatten und bloß auf die Tochter des Häuptlings warteten, um ihre Arbeit zu vollenden. Sobald die beiden Mädchen am Ufer angekommen waren, rissen die Squaws die Pfähle, an welche das bereits fertige Kanu befestigt war, los, und alle Hände waren beschäftigt, die Öffnungen mit Gummi auszufüllen. In einer halben Stunde war dieses getan. Die Alte, die das Ganze geleitet hatte, übersah nun noch einmal die einzelnen Teile, und als sie ihr »Gut« ausgesprochen hatte, winkte Canondah vier Mädchen, die sogleich das leichte Fahrzeug ergriffen und es dem Wasser zutrugen. Sie selbst, mit drei Gespielinnen, hatten sich mit Rudern versehen, und sie sprangen, als der Kahn ins Wasser gesetzt wurde, in denselben.

»Rosa«, rief die Indianerin, »ist ein wenig furchtsam, und muß deshalb zurückbleiben; aber das nächstemal, wenn das Kanu nicht bricht, wird sie mit uns kommen.«

Das Fahrzeug hatte sich inzwischen, einer leichten Feder gleich, in schaukelnde Bewegung gesetzt. Ein einziger Ruderschlag war hinlänglich, es weit in den Strom hinauszutreiben. Die Indianerin ergriff nun mit ihren Gespielinnen die Ruder.

Nichts konnte der Geschicklichkeit und Grazie gleichkommen, mit der die Mädchen ihre Ruder handhabten. Sie saßen im Hinterteile des Kahnes, und, das Ruder ins Wasser senkend und ihre Körper vorwärts biegend, brachten sie es schnell in eine parallele Linie mit ihrer Schulter, wandten die Schneide der Strömung zu und gewannen so die nötige Richtung. Die Art des Ruderns der Eingeborenen in diesen Gegenden unterscheidet sich von dem gemessenen Ruderschlage der Amerikaner und ist der Bewegung der Wasservögel nicht unähnlich. So wie die Ente ihren Fuß mit einem kurzen Stoß vorwärts wirft und dann zurückzwingt, mit ebenso vieler natürlichen Behendigkeit behandelten die Mädchen ihre Ruder. Zuerst fuhren sie eine kurze Strecke stromaufwärts, wandten sich dann und flogen mit Blitzesschnelle abwärts, wandten sich wieder und trieben so eine geraume Zeit ihr Spiel. Die andern Kähne hatten sich mittlerweile gleichfalls mit Mädchen gefüllt, und die sechs Schiffchen schienen nun ernstlich willens, sich in ein Wettrudern einlassen zu wollen. Zuerst stellten sie sich in eine Linie, und als mit lautem Rufe von dem Truppe der Squaws am Ufer das Zeichen gegeben wurde, setzten sie ihre Hände in Bewegung. Es war jedoch bald zu ersehen, daß das neue Kanu die Überhand gewann. Ehe die übrigen den ziemlich großen Bogen, den hier der Fluß bildet, verlassen hatten, war es bereits weit in der Strömung vorangeeilt, die unmittelbar darunter anfängt. Plötzlich wurde ein scharf durchdringender Schrei gehört. Noch einen Augenblick wurde das Kanu von den andern gesehen, und dann verschwand es zwischen dem Rohre. Von allen fünf stieg nun ein gleich durchdringender Schrei aus, der für die Mädchen und Weiber am Ufer das Signal zu einem um so schnellern Wettlaufe wurde, als Ängstlichkeit und Neugierde die spornende Veranlassung waren.

Rosa war sinnend dagestanden. Sie hatte wohl einen Schrei gehört, aber sie wußte nicht, woher er kam. Nun hatte sie sich vom Strudel mit fortreißen lassen und war so viel als möglich geeilt, mit den vordersten gleichen Schritt zu halten. Auch war es ihr eine Zeitlang gelungen, so lange nämlich als die Richtung, die die laufenden Weiber nahmen, nicht ganz deutlich war. Als aber die vordersten die Lichtung bereits überschritten und den bekannten Pfad einschlugen, begann ihr Herz zu pochen. Immer langsamer wurden ihre Schritte, ihre Füße schienen ihr den Dienst zu versagen, und sie mußte einige Zeit innehalten. Daß es dem Fremdlinge galt, dessen war sie gewiß. Aber warum hatte Canondah die Squaws selbst auf die Spur gebracht? Sie keuchte zitternd dem Pfade entlang, wo sie endlich, am Kottonbaume angelangt, Weiber, Mädchen, Jünglinge und Knaben versammelt fand, die Jüngern voll Verwunderung, die Alten mit finstrer Miene den Fremdling anstarrend.

Ein dumpfes Gemurmel, das sich erhob und stärker und stärker wurde, schien eben kein sehr günstiges Vorbedeutungszeichen der Gastfreundschaft der roten Weiber für den Jüngling, der, auf den Baumstamm gelehnt, seine Augen noch immer geschlossen hatte, allem Anschein nach sich dessen unbewußt, was um ihn herum vorging. Der Teppich und das Halstuch waren jedoch verschwunden, und seine Wunde lag den Blicken der Menge offen.

»Seht,« sprach Canondah, die mitten im Kreise der Squaws und Mädchen stand, »der Häuptling der Salzsee hat einen Boten in seinem Kanu gesandt, und die große Wasserschlange hat ihn gebissen.«

Sie warf diese Worte mit einer Zuversicht hin, die allem, was sie sprach und tat, jenes bestimmte Gepräge gab, dem man nicht leicht widersprechen konnte. Mit der nämlichen Offenherzigkeit erzählte sie, daß sie in ihrem Wettrennen bis zur Stelle gekommen, wo der Fremde es versucht hatte, sich dem Ufer zu nähern. Ob jedoch sie selbst ihre Gefährtinnen auf die zurückgelassenen Merkmale seines Versuches aufmerksam gemacht, oder ob die drei Mädchen mit der den Indianern eigenen Scharfsichtigkeit die Entdeckung gemacht, war noch immer zweifelhaft. Diese erzählten jedoch ganz unbefangen die gemachte Entdeckung, wie der Jüngling sich mühsam durch die Palmettofelder gezwungen und erschöpft am Baume niedergesunken sein müsse. Einige der alten Squaws hatten den Bericht schweigend, aber mit einer Miene angehört, die nichts weniger als Überzeugung auszusprechen schien. Sie hatten ihre Blicke auf die Erde gerichtet, und mehrere waren selbst in den Bruch eingedrungen. Canondah, ohne sie der geringsten Aufmerksamkeit zu würdigen, winkte einigen Mädchen eine Handbahre zu bereiten, und ihre Worte hatten sogleich die gewünschte Wirkung. Die alten Squaws, ferneres Nachspüren aufgebend, beeilten sich den Mädchen zuvorzukommen. Sie schnitten zwei Stämme mit ihren langen Taschenmessern ab, legten über diese Palmettostangen und belegten sie mit spanischem Moose. Canondah lächelte freundlich den alten Squaws zu, sie bedeutete ihnen, den Fremdling auf diese Bahre zu legen: ein Wink, der unverzüglich und mit einer Schonung ausgeführt wurde, die dem Leidenden auch nicht die geringsten Schmerzen zu verursachen schien. Ehe sich der Zug in Bewegung setzte, hatte sie Rosa zugeflüstert: »Mein Bruder ist krank und wund, ich empfehle ihn der Sorgfalt seiner Schwester«, und dann verschwand sie mit ihren Gefährtinnen im Palmettofelde, dem Flusse und ihren Kanus zueilend.

Rosa, noch immer halb träumend, näherte sich nun der Bahre, die, von den Trägerinnen gehoben, sich in Bewegung setzte. Der Zug ging schweigend und ohne Gefährde dem Dörfchen zu. Vor einer Hütte, die etwas zurück von den übrigen dem Waldesabhange näher lag und deren herabgelassene, sorgfältig befestigte Büffelhaut ihr Leersein bedeutete, wurde haltgemacht. Canondah stand bereits vor der Türe; auf ihr Geheiß ließen die Trägerinnen ihre Bürde nieder.

»Rosa«, sprach die Indianerin, »muß hier warten, bis Canondah mit den Squaws gesprochen; und abwärts tretend, versammelte sie die Weiber in einen Kreis und eröffnete eine kurze Beratschlagung in Hinsicht des Fremdlings. Man hatte sie schweigend angehört und ihr überlassen, nach Gutbefinden zu handeln. Sie dankte den Squaws mit würdevollem Anstande für ihr Vertrauen und befahl dann zweien der ältesten Weiber die Türe oder vielmehr die Büffelhaut zu öffnen, die in das Innere der Stube führte. Als dieses geschehen war, trugen sie den Verwundeten hinein und legten ihn auf ein dem oben beschriebenen Tillandseadiwan ähnliches Lager. Er zitterte am ganzen Leibe. Ein heftiges Wundfieber hatte ihn ergriffen, zu dem wahrscheinlich in der letzten kühlen und nassen Nacht das kalte hinzugekommen war.

Nach Verlauf einer halben Stunde trat endlich Canondah wieder in die Hütte, begleitet von einer grauen Squaw, die mühsam und mit langsamen Schritten sich dem Lager des Verwundeten näherte. Sie besah ihn einige Augenblicke vom Kopfe bis zu den Füßen, ließ sich dann auf das Moos nieder, hob seine Hände, untersuchte seinen Puls und faßte dann das verwundete Knie, an dem sie die Wunde mit der Aufmerksamkeit eines praktizierenden Arztes untersuchte.

»Morgen wird das Fieber verschwunden sein; aber«, setzte sie hinzu, und ihr hohles, düstres Auge ruhte forschend auf Canondah – »wie ist der Saft der großen Medizin in seine Wunden gekommen?«

»Der Häuptling der Salzsee«, versetzte Canondah bedeutsam.

»Hat seinem Boten doch nicht von seiner Medizin mitgegeben?« Sie besah mit diesen Worten neuerdings die Wunde und schüttelte stärker ihr greises, runzliges Haupt. »Der Balsam ist der des Mikos,« sprach sie bedenklich; »aber es war weder der Miko noch seine Tochter, die ihn in die Wunde gegossen. Es ist die verruchte, ungläubige Hand einer Weißen. Winondah sieht, daß der große Zauber nicht ausgesprochen, und daß die große Medizin zum Gifte geworden.« Ihr Blick fiel durchbohrend auf Rosa.

Canondah hatte betroffen die letzten Worte angehört. »Und warum sollte der Häuptling der Salzsee nicht vom Balsam haben, den der große Geist den Vätern des Miko gegeben? Er ist ein großer Häuptling und vor ihm zittern die Weißen.«

Die Alte schüttelte ihr Haupt. »Der Häuptling der Salzsee ist ein Weißer; der große Geist hat zweierlei Gaben. Den Weißen hat er die geringern gegeben, den auserwählten roten Männern die bessern; die Medizin des Miko«, sprach sie zuversichtlich, »ist die eines sehr großen Häuptlings.«

»Canondah«, sprach das Mädchen, »hat die Spur des Boten des Freundes ihres Volkes gesehen und ist ihr gefolgt. Sie hat den Fremdling gefunden und hat ihn auf den Rat ihrer klugen Schwestern in die leere Hütte ihres Wigwams geführt. Soll er verschmachten, weil eine Medizin in seinen Adern ist, die eine unbekannte Hand hineingoß? Was würde der Miko, was der Häuptling der Salzsee sagen?«

»Canondah hat recht,« sprach die Alte; »sie ist die kluge Tochter des großen Miko und sieht mit hellen Augen.«

»Und ihre Hand«, setzte das Mädchen bedeutsam hinzu, »ist nicht geballt, und ihre Kürbisflaschen mit Feuerwasser sind nicht geschlossen.«

Ein schlaues, beifälliges Lächeln grinste, als sie diese Worte hörte, um den Mund der Alten. Sie nickte mit dem Kopfe und entfernte sich.

Die beiden Mädchen waren allein mit dem Verwundeten in der Hütte geblieben und saßen nun in tiefes Sinnen versunken. Wirklich hatte das rasche Mitleid Rosa zu einer Tat verleitet, die, obwohl sie ihrem Herzen zur Ehre gereichte und einer Weißen ganz natürlich vorkommen mochte, in den Augen einer Indianerin Hochverrat war. Sie hatte, im Drange ihrer Angst um den Verwundeten, Hand an das Heiligtum des Stammes, die mysteriöse Medizin, gelegt, hatte von dem Heiligtume, das selbst der Miko nie ohne religiöse Vorbereitung in die Hand nahm, frevelhafterweise Gebrauch gemacht. Eine solche Entheiligung hatte selbst Canondah in Schrecken versetzt. Die Folgen davon konnten fürchterlich sein.

Es waren peinliche Minuten für die arme Rosa. Dem düstern Schweigen machte die Ankunft der Alten ein Ende, die, eine dampfende Kürbisflasche in ihrer Rechten und einen irdenen Becher in ihrer Linken, sich dem Verwundeten näherte, und ihm, den beide Mädchen aufgerichtet hatten, ein heißes braunes Getränk in den Mund goß. Zweimal füllte sie den Becher und leerte ihn. Dann hüllte sie ihn in die Wolldecken und zog sich zurück, die Wirkung ihrer Medizin zu beobachten. Es dauerte nicht lange, so zeigten sich große Schweißtropfen an seiner Stirne, auf die sie Canondah mit einem schlauen Winke aufmerksam machte. Diese nickte, entfernte sich mit der geleerten Kürbisflasche und kam in wenigen Minuten mit ihr zurück.

»Von den Augen zur Zunge ist es nicht weit«, sprach das Mädchen, der Alten die volle Kürbisflasche entgegenhaltend. »Will meine Mutter den Weg verlängern, so daß die letzte vergißt, was die erstern gesehen?« Die Alte grinste die Sprecherin mit einem zweifelhaften Blicke an.

»Canondah«, fuhr das Mädchen fort, »ist die Tochter des Miko, sie bewacht seinen Wigwam. Kann das Auge Winondahs wissen, was in diesem vorgefallen ist?« Die Alte schwieg noch immer.

»Canondah will selbst mit dem Miko sprechen.«

»Die Augen Winondahs haben gesehen, ihre Nasenlöcher haben gerochen, aber ihre Zunge ist nicht die eines geschwätzigen Mädchens. Sie weiß zu ruhen. Sie liebt die Tochter des Miko sehr.«

»Und Canondah wird die Kürbisflasche noch zweimal füllen«, schloß das Mädchen. Ein freudiges Grinsen bezeugte die Zufriedenheit der Alten, die sofort die Stube verließ.

Die Unterhaltung hatte auf dem Gesichte der Indianerin einen Ausdruck von Ernst zurückgelassen, der sich durch ein tiefes, beinahe finsteres Schweigen beurkundete. Nach einer langen Weile ergriff sie die Hand ihrer Freundin, und beide verließen nun die Hütte, um nach der ihres Vaters zu gehen.

»Rosa!« sprach die erstere, als sie auf der Moosbank in ihrem Stübchen wieder Platz genommen hatten, »Canondah hat die Augen der Squaws geblendet, um ihrer Schwester ein Freudelächeln abzugewinnen. Sie hat den Feind ihres Volkes und des Häuptlings der Salzsee in das Wigwam ihres Vaters aufgenommen, den Späher.«

»O meine Canondah,« rief Rosa, »sieh doch, wie das Auge meines Bruders offen ist. Ist sein Auge treu, kann seine Zunge wohl falsch sein? Sieht er einem Feinde unsers Volkes wohl ähnlich?«

»Meine Schwester ist sehr jung, und sie kennt nur sehr wenig unsre Feinde, die Yankees. Sie senden ihre jungen Männer in die Wigwams der roten Männer, um ihre Herden, ihr Korn, ihre Büffelfelle zu zählen, und wenn sie wieder zu den Ihrigen kommen, dann zeigen sie ihnen die Pfade, die zu der Roten Dörfer führen, und dann kommen sie und nehmen unser Vieh und Korn und lachen der roten Männer.«

»Und denkt meine Schwester,« erwiderte Rosa schüchtern, »daß der Fremdling einer dieser Spione ist?« Die Indianerin schüttelte ihr Haupt bedenklich. »Hat er nicht die Augen und Haare eines Yankee? – Sieh, Schwester!« fuhr sie nach einer Weile fort, »Canondah hat ihre Hand in Freundschaft dem Fremden entgegengestreckt, als sie sah, daß das Herz der weißen Rosa sich nach ihm sehnte, aber die Tochter des Miko hat nicht gehandelt, wie sie sollte. Sie hat die Nacht zwischen den Miko und den Fremdling gestellt, und nun nimmt sie ihn in ihres Vaters Wigwam, nachdem dieser den Rücken gekehrt?«

»Aber er würde im Walde gestorben sein«, versetzte die andere. »Sieh, wie der Fieberfrost seine Glieder schüttelt. Die Morgen- und Nachtluft ist sehr kühl und der Nebel sehr feucht.«

»Und der Miko?« versetzte die Indianerin gespannt.

»Wird seine Faust nicht gegen einen Bruder ballen, dem seine Tochter ihre Hand entgegenstreckt.«

»Wenn aber seine Tochter eine Törin gewesen, und ihre Hand einem Feinde ihres Volkes gereicht, wird das Auge des Miko nicht finster auf seine Tochter fallen?«

»Und muß er von dem Fremdlinge wissen?« lispelte Rosa stammelnd, als fürchtete sie das Wort auszusprechen.

Ein flüchtiges Hohnlächeln flog über die Lippen und verzog für einen Augenblick das edle Gesicht der Indianerin. »Der Miko der Oconees«, sprach sie mit einer leichten Anwandlung von Stolz, »riecht den Atem eines weißen Mannes zehn Tage, nachdem er ihn ausgeatmet, und erkennt die Spuren seiner Fußstapfen zwanzig Tage, nachdem sie dem Grase eingedrückt sind. Canondah mag die Squaws täuschen, aber nicht den Miko. Und hat Rosa«, fuhr sie fort, ihren Blick auf die Freundin richtend, »hat die weiße Rosa nicht gesehen und gehört, was der alten Winondah Zunge und Augen sprachen? Sie sollte nicht dort ihre Hände gehabt haben, wo das Heiligtum des Miko verwahrt ist«, sprach sie mit ernstem Tadel. »Die Zunge Winondahs ist besänftigt, aber die der Squaws gleichen den Eichhörnchen, die in ewig törichter Bewegung umherspielen. Und wenn sie ihren Männern sagen, was ihre Augen gesehen, werden die Krieger nicht ins Ohr des Miko wispern? Und soll die Tochter Tokeahs vor ihrem Vater als eine Lügnerin dastehen? Nein, nimmer!« sprach sie entschlossen. »Canondah liebt die weiße Rosa sehr, aber ihren Vater muß sie nicht betrügen. Ist der junge Mann ein Späher, abgesandt von Yankees, so wird ihr Vater es gewahr werden.«

»Und mein Bruder?« unterbrach sie Rosa mit zitternder Stimme. »Wird zu sterben wissen«, beschloß die Indianerin fest und bestimmt. »Aber der Fremdling wird hungrig sein, und Canondah muß für ihn sorgen.« Mit diesen Worten erhob sie sich von ihrem Sitze und eilte aus der Hütte.

Canondah war eine Indianerin im vollen und edelsten Sinne des Wortes. Sie lebte und webte in ihrem Vater und ihrem Volke; aber zugleich hatten ihre angebornen sanftern Gefühle durch den Verkehr mit den Weißen eine bestimmte Richtung erhalten, und ihre indianische Natur trat gewissermaßen verschönert hervor und ganz mit jener Geistesstärke, die wir an ihr bereits zu bemerken Gelegenheit gefunden, und die allem ihrem Tun und Lassen das Gepräge einer seltenen Verstandsschärfe gab. Rosa im Gegenteile war noch mehr Kind, eine schöne, dem Anschein nach passive Seele, die sich ohne Murren der Leitung ihrer ältern Freundin überließ, gewiß nicht aus Geistesschwäche oder Indolenz, sondern vielmehr angetrieben von jenem lieblichen Zartsinn, der andern das schmeichelhafte Gefühl von Überlegenheit so gerne gönnt. Die Überlegenheit Canondahs, weit entfernt, sie zu verwunden, erfüllte sie mit Wonne; es war ein Tribut der Dankbarkeit, den sie der Indianerin wahrscheinlich auf diese Weise zollte. Und vielleicht hatte eben diese zarte und in ihrer Lage notwendige Ergebung, mit der sie sich in die bestimmt ausgesprochene Leitung der Tochter des Miko fügte, mehr als selbst ihre ausgezeichnete Schönheit beigetragen, daß sie nicht bloß das Entzücken der Tochter, sondern auch die Freude des kalten Vaters geworden war.

Der Mond stand bereits hoch, als eine leichte Bewegung des Verwundeten anzeigte, daß er erwacht sei; zu seinem Haupte saßen die beiden Mädchen und die Alte. Ein brennender Zederspan verbreitete ein zitterndes Helldunkel über das Stübchen. Die letztere hatte kaum die Bewegung am Kranken wahrgenommen, als sie auf diesen zueilte, und, sein Haupt erfassend, ihm in die Augen starrte. Dann fühlte sie seinen Puls, und den Schweiß von seiner Stirne wischend, beobachtete sie sorgfältig die etwas hellere Farbe seines Gesichtes.

»Das Fieber ist gewichen, die Wunde weiß Canondah zu heilen«, und mit diesen Worten verließ sie die Stube. Auf den jungen Mann, der nun zum ersten Male seit sechsunddreißig Stunden wieder die Augen aufschlug, schien das triumphierende Grinsen der verdorrten, düstern Alten nicht den günstigsten Eindruck hervorzubringen. Canondah jedoch, als hätte sie dies vermutet, trat schnell an ihre Stelle und rückte einen Stuhl an sein Lager, auf dem einige Erfrischungen standen. Eine junge wilde Ente, auf indianische Weise unter dem Rasen geröstet, mit frischem Welschkornkuchen. Rosa hatte einen Becher mit Wein gefüllt, den ihm die Indianerin gleichfalls reichte, nachdem sie sich auf ihre Knie niedergekauert und ihn dann in eine sitzende Stellung gebracht hatte. Seine Lippen verzogen sich krampfartig beim ersten Versuche, und er stieß den Becher beinahe mit Gewalt zurück; aber es währte nicht lange, so überzog eine leichte Röte sein Gesicht, und seine Hand griff wieder nach dem Becher. Hierauf nahm er ein Stück von der Ente und dem Kuchen.

Die Indianerin verwandte kein Auge von ihm, ihr Blick folgte jedem Bissen, den er zum Munde führte. Beinahe schien es, als ob das Mädchen etwas Näheres vom Charakter des jungen Mannes aus dieser tierischen Verrichtung ersehen wollte; sie winkte von Zeit zu Zeit Rosen, die in der Ecke des Stübchens stand, und gleichfalls ihre Augen auf den Essenden gerichtet hatte. Es schien, als ob die beiden Mädchen mit Vergnügen ihm zusähen. Wirklich aß der junge Mann mit so viel Anstand und Ungezwungenheit, die wahrscheinlich von der rohen Gier ihrer Stammesgenossen, den einzigen Vorbildern, die sie vor sich hatten, zu sehr abstechen mochte, um sie nicht etwas Höheres in ihrem Gaste vermuten zu lassen. Obwohl wir in den beiden Mädchen keineswegs eine feinere Bildung voraussetzen können, so ist doch in der weiblichen Natur jener sichere Takt, der, wenn nicht verdorben oder irregeleitet, nur selten trügt. Es schien, als ob die Mädchen einen tiefern Blick in die Seele ihres Gastes getan hätten. Rosas Herz schlug sichtbar leichter, und selbst Canondah fing an, ihn mit einem ruhigem, vertrauensvollern Auge zu betrachten.

Als er sein Mahl geendigt hatte, legte sie ihn wieder auf sein Lager zurück; dann öffnete sie den Verband, den sie um seine Wunden geschlagen. Ihre Finger berührten kaum die tiefe Fleischwunde, und mit so vieler Geschicklichkeit und Schonung verrichtete sie ihre Aufgabe, daß ihr Patient unter ihren Händen wieder entschlief.

»Der Balsam wird die Wunde in acht Sonnen heilen«, sprach sie mit Zuversicht, blies dann das Fackellicht aus und warf ihren Arm um Rosa. Die beiden Mädchen eilten ihrer Hütte zu.


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