Robert Falcon Scott
Letzte Fahrt - Auszug
Robert Falcon Scott

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23. Rückkehr der zweiten Abteilung

Sonntag, 31. Dez. 1911. Silvesterabend. Den ganzen Tag ging es aufwärts, und wir lagern jetzt in ungefähr 2780 Meter Höhe bei einer Temperatur von 23º unter 0, nachdem wir 13 Kilometer zurückgelegt haben. Die zweite Abteilung deponierte hier ihre Schneeschuhe und einiges Gepäck. Dies soll das »Drei-Grade-Depot« heißen; es enthält 8tägigen Proviant für beide Einheiten, im ganzen etwa 45 Kilo. Dann tranken wir einen tüchtigen Kessel voll Tee und nahmen die Schlitten auseinander. Das war schnell geschehen, aber das Zusammensetzen der 3 Meter langen Schlitten dauerte bis nach 10 Uhr abends. Deckoffizier Evans und Crean besorgten es; Evans ist ein geradezu unschätzbarer Kamerad! Einen Schlitten unter diesen Verhältnissen zusammenzusetzen, ist ein Kunststück, das gar nicht genug gerühmt werden kann. Leutnant Evans hat unterdes festgestellt, daß wir dem 87. Breitengrad, der heute abend unser Ziel sein sollte, ziemlich nahe sind; wir verlieren also einen halben Tag; ich hoffe aber, ihn wieder einzubringen. Zum erstenmal haben wir heute die inneren Zeltwände eingesetzt, wodurch der Raum viel gemütlicher ist. Nachdem die Schlitten fertig waren, tranken wir eine Extratasse Tee und sitzen jetzt zu 5 Personen im doppelten Zelt und in unsern Schlafsäcken so warm wie frischgeröstetes Brot, bei gerade so viel Beleuchtung, daß man schreiben oder arbeiten kann.

1. Jan. 1912. Heute, am Neujahrstag, weckte ich gegen ½ 8, und um ½ 10 zogen wir ab. Leutnant Evans ging mit seinen Kameraden zu Fuß voran; wir folgten auf Schneeschuhen. Dummerweise hatten wir unser Schuhzeug vorher nicht nachgesehen und brauchten nun eine gute halbe Stunde, um es in Ordnung zu bringen; Wilson mußte sich besonders damit quälen. Nach dem Frühstück ging es ebenso: wir hatten wieder Aufenthalt, Evans mußte das Zelt flicken und ich den Kochapparat ausbessern. Dann zogen wir den andern, die gemütlich marschierten, nach, und während der letzten Viertelstunde liefen wir nebeneinander her. Der Schlitten zog sich überraschend leicht, obgleich es von früh ab stets aufwärts ging. Um ½ 8 hatten wir 20 Kilometer zurückgelegt; die jetzige Höhe ist ungefähr 2925 Meter über der Barriere. Die Temperatur sinkt gleichmäßig, scheint aber mit dem Wind zu fallen.

Zur Feier des neuen Jahres gab es Tafeln Schokolade. Die zweite Abteilung war in etwas gedrückter Stimmung. Mir aber scheint heute die Ferne klar und licht: Lebensmittel haben wir reichlich – nur noch 315 Kilometer, und wir sind am Ziel!

3. Jan. Höhe 3100 Meter. Meine Abteilung kam heute auf Schneeschuhen gut vorwärts trotz schlechten Weges und starken Windes; die andern aber zogen langsam, und daher brachten wir nur wenig mehr als 22 Kilometer fertig. Nur noch 280 Kilometer vom Ziel! Und doch werden wir nicht alle hingelangen! Leutnant Evans, Lashly und Crean müssen umkehren; sie wissen schon davon, und es kommt ihnen schwer an. Bowers ist in unser Zelt übergesiedelt, und wir ziehen morgen nur zu 5 Mann weiter. Wir haben 5 ½ Lebensmitteleinheiten, mehr als eine Monatsration für jede Person; damit müssen wir auskommen. Wenn wir nur morgen mit der vollen Ladung gut marschieren können! ? Gelingt es – dann ist der Sieg unser!

4. Jan. Heute morgen kamen wir natürlich erst spät fort. Das Gepäck der beiden Abteilungen mußte getrennt und unser kleiner Schlitten neu beladen werden; er sieht geradezu zierlich aus, dank Deckoffizier Evans, obwohl unsere Habe darauf untergebracht ist. Ich war riesig gespannt, ob wir ihn auch würden bewegen können, und war glücklich, als er ganz leicht von der Stelle ging.

Die zweite Abteilung war für den Fall eines Mißgeschicks noch ein Stück mitgegangen, doch sobald die Bahn frei war, sagten wir ihr Lebewohl. Leutnant Evans konnte seine Enttäuschung nicht verbergen, aber er war mir nicht gram und hielt sich männlich. Der arme alte Crean weinte, und sogar Lashly war gerührt. Ich war sehr froh, daß ihnen ihr Schlitten federleicht vorkam, und zweifle daher nicht, daß sie den Rückweg schnell und glücklich überwinden werden.


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