Robert Falcon Scott
Letzte Fahrt - Auszug
Robert Falcon Scott

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16. Die ersten Automobile auf der Eisbarriere

24. Okt. 1911. Gestern schienen die beiden Motorschlitten reisefertig, und wir gingen alle aufs Eis hinaus, um sie zu »verabschieden«. Aber sie gelangten nur bis zum Vorgebirge. Heute morgen wurden sie wieder in Gang gebracht, und bald nach 10 Uhr sollte die Reise losgehen. Anfangs blieben sie recht oft stecken, schienen dann aber ihre Sache besser zu machen. Der einzige beunruhigende Vorfall war das Abgleiten der Ketten, als Day auf einer dünnbeschneiten Eisfläche fuhr; ich glaubte, die Leisten und Nägel würden auf jeder Oberfläche greifen. Mir selbst liegt ungeheuer viel an dem Erfolg der Motorschlitten, auch wenn sie bei unserm Vordringen nach Süden keine große Hilfe sein sollten. Ein wenig Erfolg genügt schon, um ihre Möglichkeit, ihre Fähigkeit zur Umwälzung der ganzen Beförderungsart in Polargegenden zu zeigen. Wer sie heute arbeiten sah, mußte von ihrem Wert überzeugt sein, denn die bisherigen Schäden waren rein mechanischer Natur.

Heute früh meldete mir Meares von der Hüttenspitze aus telephonisch seine Rückkehr vom Ecklager; also find jetzt alle Vorräte draußen. Könnte man sich nur darauf verlassen, daß die Hunde immer so viel leisten! Im ganzen sieht alles recht hoffnungsvoll aus.

Um 1 Ahr mittags wurde mir gemeldet, die Motoren seien auf der Höhe der Finnwalinsel, fast 6 Kilometer weit draußen – ei, ei!

26. Okt. Heute früh hat Simpson von der Hüttenspitze aus angeklingelt. Die Motoren fanden Schwierigkeiten auf der Oberfläche. Gerade das hat mich am Dienstag beunruhigt! Die Ketten gleiten bei dünner Schneelage auf hartem Eis ab. Eine Hilfstruppe von 8 Mann muß sofort hin.

27. Okt. Gestern morgen machten wir uns auf nach der Gletscherzunge. Ich ging mit düstern Ahnungen; eine Bö abgerechnet, war es ein wunderschön sonniger, heiterstimmender Tag. Die Motoren waren nicht in Sicht. Schließlich entdeckten wir sie weit draußen auf dem Eis nach der Hüttenspitze zu; bald zogen sich gut ausgeprägte Gleise über die Schneefläche hin, und wir sahen ganz deutlich: die Schlitten waren in Bewegung, ja sie wurden sogar mit sehr holperigem Eis ohne Schwierigkeit fertig, ungefähr 4 Kilometer vor der Hüttenspitze holten wir sie ein. Die Motorführer versicherten, alles gehe gut; die Maschinen arbeiteten, einmal im Gang, tadellos, nur die Zylinder würden leicht zu heiß, während der auf dem Vergaser spielende Luftzug ihn zu stark abkühle.

Unmittelbar nach dem Frühstück setzte Lashly seinen Schlitten in langsame Bewegung: er lief ohne Panne nach Kap Armitage hin weiter. Dagegen war Day auf schlechtem Eis übel dran. Wohl eine Stunde verging mit vergeblichen Anläufen, dann aber kam der Schlitten plötzlich in Gang und erreichte Kap Armitage schneller, als wir gehen konnten. Mittlerweile hatte sich der Wind in einen Orkan verwandelt; es sah wunderhübsch aus, wie der Motor, vom Schnee umwirbelt, durch den Nebel sauste. Darauf kehrten wir alle nach der Hütte zurück und verbrachten die Nacht dort sehr behaglich.

Heute morgen wollte ich die Abfahrt der Motorschlitten sehen und war angenehm überrascht, als keiner der Führer mehr als 30 Minuten zum Antrieb seines Schlittens brauchte, obwohl es schwierig ist, bei scharfem, kaltem Wind eine Lampe zum Brennen zu bringen. Lashly fuhr sehr bald ab, machte nach etwa 1 Kilometer Halt, der Abkühlung wegen, und fuhr dann ununterbrochen 5 Kilometer weiter. Aber er hatte die Sache ein bißchen übertrieben, das Schmieröl aufgebraucht und seine Maschine zu heiß werden lassen. Der nächste Anlauf brachte ihn nur wenig über 2 Kilometer vorwärts, und kurz vor dem zur Barriere hinaufführenden Schneeabhang mußte er haltmachen.

Mittlerweile saß Day wieder fest, wurde aber schließlich aller Schwierigkeiten Herr und kam mit guter Geschwindigkeit vorwärts. Bald mußten die Männer neben den Schlitten laufen – kurz, er hielt nur an, um Lashly das Schmieröl auszuhändigen, und sauste dann mit seiner größten Geschwindigkeit den Abhang hinauf – der erste Automobilist auf der großen Eisbarriere! Wir alle schrien laut Hurra. Weiler sauste der Motor, und die nebenher laufenden Männer wurden in der Ferne kleiner und kleiner.

Wir eilten, Lashly zu helfen, der seine Maschine wieder in Gang gebracht hatte. Auch er fuhr jetzt, wenn auch nicht so stürmisch, doch ohne anzuhalten, den Abhang hinauf.

Den Motoren noch ein Lebewohl nachrufend, eilten wir zur Hüttenspitze, tranken dort Tee und marschierten nach Kap Evans zurück. Tagsüber machten wir 42 Kilometer, unter den heutigen Umständen keine üble Tagesleistung, aber ich fürchte, meine Füße werden dafür büßen müssen.

28. Okt. Meine Füße sind wund, und die »Achillesferse« ist überanstrengt (Gelenkentzündung); in 1 oder 2 Tagen wirds vorüber sein. In der letzten Nacht entsetzlicher Spektakel in den Ställen: Christoffer und der Chinese bei einer Beißerei ertappt. Gran wäre beinahe von Hufschlägen getroffen worden. Die Ponys geraten bei dem guten Futter ganz außer Rand und Band.

30. Okt. Während ich dies schreibe, heult ein Orkan. Gestern kampierten Wilson, Crean, Deckoffizier Evans und ich in unserer Schlittenkleidung bei den Eisbergen, Ponting und seinem Kinematographen zu Gefallen. Er hat eine Filmreihe aufgenommen, die wohl die interessanteste seiner ganzen Sammlung ist.

Bei unserer Rückkehr war Meares wieder da; ihm und den Hunden geht es gut. Leutnant Evans war am Sonnabend auf der Hüttenspitze und berichtete ihm, Lashlys Motor habe in der Nähe des Hauptlagers versagt. Ein Zylinder sei geplatzt; glücklicherweise hätten sie Ersatzteile mitgehabt, und Day und Lashly hätten die ganze Nacht hindurch bei 32° Kälte mit der Ausbesserung zu tun gehabt. Dieses Unfalls wegen werde ich nicht morgen, sondern erst Mittwoch aufbrechen; auch sind einige meiner Leute durch die zweitägige Hilfeleistung bei den Motoren sehr in Rückstand geraten.


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