Robert Falcon Scott
Letzte Fahrt - Auszug
Robert Falcon Scott

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6. Erster Vorstoß nach Süden

Sonnabend, 28. Jan. 1911. Wir sind auf dem Marsche! Langsam, aber sicher entgehen wir der Gefahr, mit dem Meereis fortgetrieben zu werden. Heute holten die Ponys die letzte Last aus unserm ersten Lager, und ich suchte einen Weg um den großen neuen Preßeisrücken, der mir am 16. bei meinem Ausflug zur Discoveryhütte aufgefallen war. Das Eis auf der Höhe von Kap Armitage schien gefährlich dünn und war mit unregelmäßigen Schneefahnen bedeckt, es galt also einen Umweg nach Osten zu machen, um auf die Barriere hinauf und dort in Sicherheit zu gelangen. Das Trümmereis jenes Rückens endete im Osten in einer unheimlich großen Welle, deren Tal zur Linken seichtes Wasser zeigte, worin unzählige Seehunde umherplätscherten. Aber dieser Weg schien für die Ponys gangbar.

Ich kehrte daher ins Lager zurück. Dort hörte ich, daß eins der Tiere, das »Jakobsschwein«, lahm geworden sei und Oates sehr pessimistisch in die Zukunft sehe. Noch gestern war er so stolz auf seine Schützlinge! Dagegen waren die Hunde gestern Abend sehr müde. Atkinson hat eine schlimme Ferse und muß den ganzen Tag liegen. Die andern waren gestern in der Discoveryhütte, um zu sehen, ob sie sich ausgraben läßt; ihr Bericht lautete sehr ungünstig. Aber sie haben dort eine große Menge Schiffszwieback, etwas Butter, Kakao usw. gefunden, so daß ich mich um Proviant nicht zu sorgen brauche, falls sich unsere Rückkehr nach Kap Evans verzögern sollte.

Nachmittags führte ich die Ponys 5 Kilometer südwärts zu dem von mir gefundenen Übergang und dann ostwärts. Als wir den Rand der Barriere erreichten, sah ich ½ Kilometer nördlich einen dunklen Gegenstand und ging hin: es waren die Spitzen zweier Zelte, vermutlich Shackletons Zelte, die über die Hälfte im Schnee begraben lagen.

Sonntag, 29. Jan. Heute nach dem Frühstück hielt ich Gottesdienst, und dann begann ein famoser Tag. Die 7 gesunden Ponys machten 2 Fuhren nach der Barriere und legten dabei 33 Kilometer zurück, die Hälfte davon schwer beladen, und doch war keiner erschöpft. Oates' Gaul brannte beim Anspannen durch, zerbrach das Ortscheit des Schlittens und schlug wütend gegen die nachschleifenden Stränge aus. Gran versuchte zum erstenmal, seinen Pony auf Schneeschuhen zu lenken; solange er hinterher lief, war alles gut, als er aber vorauseilen wollte, erschrak das Tier über das Sausen der Schneeschuhe und rannte trotz seiner sonstigen Trägheit weit schneller, als Gran folgen konnte. Die Hunde machten sich ausgezeichnet; sie brachten die erste Last 3 Kilometer über die auf der Barriere niedergelegten Vorräte hinaus bis zu der Stelle, die ich als Sicherheitslager, als großes Depot für den Rückmarsch, bestimmt habe. Ich glaube zwar nicht, daß ein Teil der Barriere wegtreiben wird; aber besser, sich auf alles vorsehen, und unser »Sicherheitslager« muß seinen Namen auf alle Fälle verdienen. Am Nachmittag beförderten die Hunde noch eine zweite Last dorthin, sie haben also an einem Tag 45 Kilometer zurückgelegt!

Wilson hatte mit seinen Hunden endlosen Ärger. Wenn sie Seehunde witterten, waren sie wie toll; dabei lagen Robben zu Hunderten umher und reckten oft urplötzlich aus einem Luftloch im Eis ein paar Meter vor dem Gespann ihren Kopf heraus. Sofort stürmten auch schon die Hunde darauf los. Wenn dann Wilson mit der Peitsche dazwischen fuhr, verwickelten sich Geschirre und Leinen, und während er sie wieder zu entwirren suchte, sauste auf einmal das ganze Elfergespann davon; er konnte höchstens eine Leine oder eine Ecke des Schlittens erwischen und wurde nun mitgeschleift, bis die Köter des Galopps überdrüssig waren.

30. Jan. Sicherheitslager; 77º 55' südl. Breite. Als wir heute auf der Barriere zum Sicherheitslager zogen, hatten wir einen großen Schrecken: die Ponys sanken sehr tief ein, und die letzten 3 Kilometer griffen sie mehr an als der ganze übrige Marsch. Wir hielten deshalb nach dem zweiten Frühstück Kriegsrat und beschlossen, mit Proviant auf 5 Wochen weiter vorzudringen, nach 12 oder 13 Tagen ein Depot mit Lebensmitteln für 2 Wochen anzulegen und dann wieder zurückzukehren.

2. Febr. Zwei verlorene Tage! Wir hatten vorgestern mit dem »müden Willy« die Ponyschneeschuhe probiert, und die Wirkung war zauberhaft! Wo sich das Pferd sonst mühsam abschinden mußte, lief es jetzt wie auf hartem Boden. Meares und Wilson begaben sich daher nach Kap Evans, um noch mehr dieser Schuhe herbeizuschaffen, kehrten aber gestern mit leeren Händen zurück: das Eis war schon bis über die Finnwalinsel hinaus weggetrieben und der Rückweg nach dem Winterquartier abgeschnitten! Es muß nun also ohne Ponyschuhe gehen!

Atkinson kam der Aufenthalt zugute, aber eine Untersuchung seines Fußes ergab, daß von einer schnellen Heilung keine Rede ist. Infolgedessen müssen er und Crean zurückbleiben, was glücklicherweise geht, da wir ein Extrazelt und einen überzähligen Kochapparat haben. Vorgestern nacht hatten wir zum erstenmal niedrige Temperatur: 16,5° unter 0.

Als wir nun heute vormittag ½ 11 endlich wieder aufbrachen, war es mir eine angenehme Enttäuschung, daß die Ponys wenigstens in der ersten Stunde nicht tief einsanken und auch später trotz schlechterer Oberfläche gut vorwärts kamen, so daß wir 9 Kilometer zurücklegten. Bowers' Pony überanstrengte sich aber dabei so, daß er schließlich ganz mit Schaum bedeckt war. Bei größerer Kälte während der Nacht und am Morgen muß gewiß auf bessere Eisverhältnisse zu rechnen sein. Wir beschlossen daher, von jetzt an Nachtmärsche zu machen. Die Tiere werden sich in den warmen Tagesstunden besser ausruhen können.

So warten wir denn einstweilen in unserm Zelt bis zum Abend. Gran ist auf Schneeschuhen noch einmal zum Sicherheitslager zurück und warum? Des einzigen Paars Ponyschuhe wegen, das richtig dort vergessen wurde! Auf der großen weiten Ebene liegt unser kleines grünes Zelt wie ein winziger Punkt. Der Lärm des Marsches, die überlauten Worte, wenn jeder sein Pferd anfeuert oder schilt, das eilfertige Trippeln der Hundepfoten, das scharfe Aufschlagen der Ponyhufe und das Sausen der Schlitten ist verhallt. Schweigen herrscht in der weißen Wüste, nur ab und zu unterbrochen vom Winseln eines Hundes, Wiehern eines Pferdes oder vom Krachen eines Fußtritts, der die Schneekruste durchbricht. Leicht flattern die Wände unserer Leinwandbehausung, das Summen des Primusofens dringt herüber, und aus dem Ventilator strömt der willkommene Duft des Spirituskochers. Aus Süden treiben Schneewolken heran, bleiche, gelbe Girlanden, die nahen Sturm verkünden und die scharfen Umrisse des Landes nach und nach verwischen. Schneepuder wirbelt umher, dringt wie feinstes Mehl durch jede Ritze, sogar unter die Kopfbedeckung, und sticht wie Sand. Die Sonne wird immer verzerrter, sie blickt scheu durch das auf und nieder tanzende Gestöber und spendet nur fahles, schattenloses Licht. Einer nach dem andern verschwindet in den verführerischen Falten seines Schlafsacks.

3. Febr. Gestern abend weckte ich um l0, und um ½ 1 begann der Marsch. Nach und nach besserte sich die Oberfläche, aber nach 16 Kilometer Weg sank Bowers mit seinem Pony plötzlich in weichen Schnee ein; was ihm folgte, teilte sein Schicksal, und im Handumdrehen zappelten 3 Tiere in einer Schneewehe. Die eingesunkenen Ponys wurden abgeschirrt und langsam auf sicheren Boden geführt, dann die Lasten geholt, und nun feierte der Ponyschuh geradezu Triumphe. Bowers zog seinem schweren Tier das Paar an; einige Minuten lang ging es ungeschickt, aber schnell hatte es sich daran gewöhnt, wurde vor seine Last gespannt, brachte sie heran und noch eine zweite hinterher, und gerade über die Stelle hinweg, in die es vorher eingesunken war! Wenn wir doch 8 solcher Schuhe hätten! Es ist zu ärgerlich, daß diese wertvollen Hilfsmittel statt dessen unbenutzt in der Winterhütte liegen!

Welche Summe von Ungewißheit birgt doch unsere Aufgabe! Jeder Tag bringt eine neue Überraschung, jede Stunde kann ein neues Hindernis drohend heraufsteigen. Aber vielleicht macht gerade dieser stete Wechsel der Gefahr das Spiel so spielenswert!

4. Febr. Ecklager. Ein guter Nachtmarsch von fast 20 Kilometer. Im Anfang mußten sich die Pony sehr abschinden, dann aber besserte sich das Eis, nur daß jetzt mehrere Spalten zu überschreiten waren, in die ein Pony zweimal hineingeriet. Kein Jäger kann seine Schlingen so sorgfältig auslegen, wie die Natur diese grausamen Fallgruben! Die leicht gekräuselte Schneebrücke darüber deutet keinerlei Gefahr an, man sieht sie nicht eher, als bis Mensch oder Tier zappelnd um sich greift.

Zwei weiße Hunde in Meares' Koppel sind darauf dressiert, Fremde anzufallen; an Bord des Schiffes verhielten sie sich ruhig, aber jetzt bellen sie wütend, wenn ein anderer als ihr Führer sich nähert. Als ich heute Meares den Halteplatz bezeichnete, bellten sie mich plötzlich an, und mein alter Freund Osman zwickte mich sogar von hinten leicht ins Bein. Einen Stock hatte ich nicht, und wäre nicht Meares auf dem Schlitten gewesen – die ganze Koppel wäre, der Leitung der weißen Hunde folgend, todsicher über mich hergefallen!

Hunger und Furcht sind die alleinigen Triebkräfte im Hundeleben: ein leerer Magen macht einen wütenden Hund. Im Geschirr sind die Tiere gewöhnlich gute Freunde; sie ziehen Seite an Seite, reiben sich mit den Schultern aneinander, der eine schreitet über den andern weg, wenn er sich legen will, alles ist friedlich und ruhig. Aber sobald das Futter winkt, erwacht ihre Leidenschaft; jeder beargwöhnt den Nachbar, und der kleinste Umstand veranlaßt eine allgemeine Beißerei. Mit gleicher Plötzlichkeit kann sich auch während des Marsches ihre Wut entflammen; ein Gespann läuft mit Schwanzwedeln einträchtig daher – im nächsten Augenblick ist es ein Knäuel wilder, bissiger Teufel. Diese abschreckenden Züge erleichtern einem das Bewußtsein, daß man zur Durchführung menschlicher Pläne wie des meinigen tierisches Leben opfern muß.

Ein Hund muß entweder fressen oder schlafen oder auf irgend etwas aufmerksam sein. Eintönigkeit des Marsches lähmt ihn. Der kleinste Umstand belebt ihn wieder. Das Zerbrechen der Oberflächenkruste, wenn sie mit kurzem, scharfem Knall versinkt, ist für ihn von unerschöpflichem Interesse. Wilsons Leithund Stareek, der klügste alte Hund beider Gespanne, denkt jedesmal, wenn der Boden so dicht bei ihm nachgibt, es müsse ein Kaninchen unter der Kruste stecken, und wendet sich dann blitzschnell mit beiden Vorderbeinen und der Nase im Schnee jener Stelle zu, ohne übrigens das Gespann aufzuhalten. Mukaka, ein kleines, aber tüchtiges und drolliges Tier, bildet mit einem faulen, sehr gefräßigen Hund namens Nugis ein Paar. Jedesmal, wenn der temperamentvolle Mukata bemerkt, daß sein Nachbar nicht zieht, springt er über die Leine, beißt ihn schnell wie der Blitz und ist schon wieder an seinem Platz, ehe der faule Kamerad weiß, wie ihm geschehen ist.

8. Febr. 75 Stunden hat ein Orkan geweht und unsere Geduld auf eine schreckliche Probe gestellt! Die Schneewehen um das Lager waren sehr hoch; die Schlitten mußten geradezu ausgegraben werden. Außerhalb des Zeltes konnte man sich kaum aufhalten; aber die Ponys mußten gefüttert und die Hunde besorgt werden, und bei uns gibt es keine Drückeberger. Im übrigen bestand unsere Tagesordnung aus Essen und Schlafen, Schlafen und Essen – merkwürdig, wieviel man schlafen kann!

Erst gestern nachmittag legte sich der Sturm, die Sonne kam wieder hervor, und bald war der ganze Südhimmel wolkenlos. Die Ponys hat der Orkan sehr angegriffen, das merkten wir auf unserm heutigen Nachtmarsch; alle sehen stumpfsinnig aus, und einige sind sichtlich magerer geworden. Am schlimmsten steht es mit Fordes Pony; Forde zog zuletzt selbst seinen Schlitten und führte das Tier hinter sich her, das wie eine jammervolle Vogelscheuche aussieht. Schon im Schiff ging es ihm schlecht; es hätte gar nicht mitgenommen werden sollen. Die Hunde rollten sich während des Orkans unter dem Schnee zusammen und kamen zu den Mahlzeiten aus dampfend warmen Höhlen heraus; für sie war der Sturm nur eine angenehme Ruhepause.

10. Febr. Unsere Gesellschaft macht sich wieder heraus: vorgestern 19, gestern 20, heute 22 Kilometer bei guter Oberfläche und teilweise sonnigem Wetter. Allmählich lernt man, wie wir die Sache im nächsten Jahr anfangen müssen, wenn die Ponys aushalten. Wenn – !

Abends 9 Uhr kriechen wir aus unsern Schlafsäcken. Gegen ½ 12 brüllte ich Oates zu: »Wie steht's draußen?« Die Antwort lautet, alles sei bereit, und nun hantieren eilfertige Gestalten zwischen Schlitten und Ponys – eine kalte Arbeit für Finger und Füße. Den Tieren werden die Decken abgenommen und die Geschirre angelegt, Zelte und Lagereinrichtung auf die Schlitten geladen, Futterbeutel für die nächste Rast gefüllt und den Ponys die Schlitten angehängt. Wer zuerst fertig ist, wird beim Warten auf die übrigen leicht ungeduldig. Wilson und Meares gehen umher, überall hilfreiche Hand leistend. Mit erstarrten Fingern hält man die Zügel seines Pferdes, das seinen Kopf vom Winde wegdreht, und hier und da knurrt einer.

Endlich heißt es: »Fertig; Bowers voran!«, und dieser führt sein großes Tier vorwärts, immer gleichmäßigen Schritts. Auch die Pferde sind kalt geworden, und sobald das Kommando ertönt, ziehen sie los, einige so stürmisch, daß ihre Begleiter kaum Schritt halten.

Im Anfang geht es lebhaft; dann und wann tritt einer auf eine schlüpfrige Stelle und fällt hin. Das sind die einzigen wirklichen Ereignisse auf dem Marsch. Die schwächeren Ponys bleiben ein wenig zurück, holen uns aber, wenn Rast gehalten wird, wieder ein.

Wenn wir den halben Marsch hinter uns haben, gebe ich auf meiner Signalpfeife ein Zeichen. Dann wendet Bowers ein wenig nach links, seine Zeltkameraden gehen jeder einige Schritt weiter nach rechts, um die nötige Entfernung zwischen den Pferden einzuhalten; Oates und ich machen hinter Bowers und Evans halt, die beiden andern Schlitten unserer Abteilung hinter Bowers' beiden andern. So ist die Lagerformation fertig. In wenig Minuten sind die Ponys angepflöckt und zugedeckt, die Zelte aufgeschlagen und die Kochapparate angezündet.

Inzwischen haben die Hundelenker nach langer kalter Wartezeit im alten Lager den letzten Schlitten gepackt und kommen auf unserer Spur angetrabt. Sie möchten möglichst gleich hinter uns ankommen, und meist gelingt es ihnen auch.

Die Rast dauert 1 bis 1 ½ Stunden, dann geht es weiter. Das Nachtlager wird gewöhnlich gegen 8 Uhr morgens aufgeschlagen, und nach 1 ½ Stunden stecken alle im Schlafsack. Später am Tage bauen wir Schneewälle für die Ponys. Damit ist unsere Tagesordnung erschöpft.

Sonntag, 12. Febr. Die Oberfläche ist so schlecht geworden, daß Evans, Forde und Keohane mit ihren 3 schwachen Ponys zurückgehen müssen! Wir kommen mit solchen Nachzüglern nicht vorwärts; gestern 20, heute nur 18 Kilometer. Wir müssen unbedingt soweit wie möglich an den 80. Breitengrad herankommen. Jetzt sind wir in der Nähe des 79. Grades; dieser Ort soll »Blufflager« heißen.

13. Febr. Wir haben wirklich Pech! Schon wieder liegen wir im Zelt, von einem Schneesturm festgehalten, nachdem wir heute nur 17 Kilometer weiter gekommen sind.

Bowers ist ein Weltwunder; ich habe noch nie einen Menschen gesehen, der so unempfindlich gegen Kälte ist. Die ganze Nacht hat er keine andere Kopfbedeckung als sein grünes Filzhütchen, und doch bleiben seine Ohren und sein Gesicht strahlend rot. Heute abend spazierte er noch eine ganze Stunde, als wir uns längst ins Zelt verkrochen hatten, im Lager umher, um noch hier und da etwas an den Schlitten zu ordnen.

14. Febr. Wieder ein Tag voll Enttäuschungen! Infolge des Orkans lag der Schnee in sandartigen Haufen, und die Ponys sanken oft bis über das Sprunggelenk ein. Gran blieb mit seinem »müden Willy« als Nachhut zurück. Als ich aber dann Oates über die zurückzulegende Entfernung zu Rate zog, meinte er ganz vergnügt: 27 Kilometer im Tag! Das reizte mich ein wenig, und ich marschierte drauflos, bis der Geschwindigkeitsmesser meines Schlittens fast 13 Kilometer anzeigte. Inzwischen war aber der »müde Willy« wohl 1 ½ Kilometer weit zurückgeblieben, und die Hundegespanne näherten sich. Plötzlich hörten wir in der Ferne wütendes Gebell: irgend etwas mußte schief gegangen sein. Oates und ich also hin! Auf halbem Weg begegnete uns Meares mit seinem Gespann und berichtete, was vorgefallen: der »müde Willy« war gestürzt, und kaum bemerkten das die Hunde, als sie Meares einfach durchbrannten und über den Pony herfielen. Das arme Tier wurde ordentlich gebissen, ist aber nicht ernstlich verletzt und hat sich außerdem tapfer gewehrt. Gran hat bei der Abwehr der Hunde seinen Schneeschuhstock zerschlagen, und Meares' Hundestock ist ebenfalls draufgegangen.

17. Feb. Ein-Tonnen Lager. Die Ponys können nicht weiter, wir müssen umkehren. Die Oberfläche wurde vorgestern geradezu scheußlich: allenthalben Schneewehen, deren Schnee sich an die Kufen der Schlitten heftete, und leichte Eiskrusten, die unter jedem Schritt der Tiere zerbrachen.

Die Temperatur sank während des gestrigen Nachtmarsches auf 29 ½ Grad unter 0. Einige von uns scheinen solche Frühlingsreisen etwas angreifend zu finden. Oates' Nase ist immer drauf und dran zu erfrieren, und Meares hat eine schmerzhafte Zehe. Selbst Bowers' Übermut rächte sich gestern. Wie gewöhnlich zog er mit seinem Filzhütchen daher. Auf dem Marsch sah ich plötzlich, daß seine Ohren ganz weiß waren. Cherry und ich rieben sie, bis das Blut zurückkehrte, während der Patient dabei nichts weiter empfand, als Ärger über diese widerspenstigen Körperteile. Auch bei mir zeigte sich eine leichte Froststelle in der Backe, und Cherry-Garrard ging es ebenso. Also kehrt!

Es ist zwar schade, daß wir nicht bis zum 80. Breitengrad gekommen sind und das Ein-Tonnen-Depot schon auf 79° 28' südlicher Breite errichten müssen, aber wir werden im nächsten Jahr auch hier einen guten Stützpunkt haben und können auf alle Fälle bis hierhin die Ponys ausreichend füttern. Wir haben heute hier niedergelegt: Proviant auf 7 Wochen, Öl auf 12 Wochen, ferner Schiffszwieback, Haferschrot, Hundekuchen und Preßheu, im ganzen 990 Kilo. Schließlich haben wir den 2 Meter hohen Depothügel so gut markiert, daß er viele Kilometer weit zu sehen sein muß. Außer der Fahnenstange mit der schwarzen Flagge haben wir volle und leere Blechbüchsen aufgestapelt, die als Blinklichter dienen sollen.


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