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Zehntes Kapitel.

Schwärm' nicht von Pol zu Pol – der Mann wohnt hier,
Deß guten Messern Nichts gleicht, als sein Bier,
Bei welchem einen Hieb sich Jedermann,
So gut wie einen Schnitt auch holen kann.

Auf dem Schilde eines von einem Barbier gehaltenen Bierhauses.

Wir sind genöthigt, unsere Leser in die Wohnung Benjamin Suddlechops, des Ehegatten der thätigen Frau Ursula, zu versetzen, welcher seinerseits mehre Geschäfte in seiner Person vereinigte. Außerdem, daß er Locken und Bärte zustutzte und Schnurbärte aufwärts drehte in martialischer und renomistischer Krümmung, oder abwärts, wie es dem bescheidenen Bürger zukam, außerdem daß er gelegentlich Blut abzapfte bald mit der Lanzette bald mit dem Schnepper, hohle Zähne auszog und andere geringe ärztliche Handlungen verrichtete, fast eben so gut, wie sein Nachbar Heiltrank, der Apotheker: konnte er gelegentlich auch einen Schoppen Bier zapfen so gut wie eine Unze Blut, und mit einem Schluck edlen Gerstensaftes die Knebelbärte netzen, die seine Kunst so eben gestutzt hatte. Allein er trieb beiderlei Geschäfte getrennt von einander.

Seine Barbierstube streckte an ihrer langen bedeutungsvollen Stange weit in die Fleetstraße hinaus ein buntgestreiftes Schild, welches die Bänder, als die ehemaligen Zeichen seines Geschäftes, vorstellte. An dem Fenster hingen wie Rosenkränze aufgereihte Zähne und standen Gläser mit rothen Lappen, welche Blut vorstellen sollten. Ferner las man an denselben, daß hier zur Ader gelassen und geschröpft werde, und Blasen gezogen würden, und dabei erforderlicher Rath zu haben sei. Die einträglicheren aber minder ehrenvollen Operationen an Kopf- und Barthaaren waren kurz und ohne Umschweife angezeigt. Im Inneren stand ein versessener, mit Leder überzogener Stuhl für die Kunden, und an der Wand hing eine Guitarre, mit welcher der Kunde sich die Zeit vertreiben konnte, bis sein Vorgänger von Benjamin abgefertigt war. Dies Instrument zerriß denn oft im bildlichen Sinne die Ohren des Patienten auf dem Stuhle, während sein Kinn Gleiches in der eigentlichen Bedeutung des Wortes durch das Scheermesser erlitt. Sonach deutete in dieser Abtheilung Alles auf den Wundarzt und Barbier hin.

Aber hinten hinaus war ein Stübchen, welches als eine heimliche Trinkstube diente und einen besonderen Eingang von einem krummen, dunkeln Gäßchen aus hatte. Dies Gäßchen stand durch Nebengäßchen und Höfe mit der Fleetstraße in Verbindung, und der verborgene Bachustempel hing mit der öffentlichen Barbierstube durch einen langen schmalen Gang zusammen. Einige alte Bierbäuche pflegten hier ihren Morgentrunk, und einige Branntweinbrüder ihren Schnaps verschämter Weise zu sich zu nehmen, nachdem sie in die Barbierstube eingetreten unter dem Vorwande, sich scheeren zu lassen. Die dunkle Trinkstube führte auf der anderen Seite zu den Zimmern der Frau Ursel und diente dieser zum heimlichen Ausgange und zum Zugange für ihre Kunden, die nicht gern gesehen sein wollten. Nach der Mittagsstunde, wo die bescheidenen und scheuen Feuchtläppchen, Benjamins beste Kunden, ihre Schoppen und ihre Fingerhüte voll zu sich genommen hatten, hörte der Zapf auf, und der Hüterdienst an der Hinterthür ging von einem der Barbierlehrlinge auf das Mulattenmädchen, die schwärzliche Iris der Frau Suddlechop, über. Geheimnißvolle Erscheinungen drängten sich dann einander. Feine Herren mit dem Mantel vor dem Gesichte, verlarvte Damen in den mannigfaltigsten Verkleidungen schlüpften durch die Krümmungen des Gäßchens; und selbst das leise Anklopfen an der Thüre, welches die Aufmerksamkeit der kleinen Mulattin in Anspruch nahm, hatte Etwas an sich, das Heimlichkeit und Furcht vor Entdeckung verrieth.

Am Abende des Tages, wo Margarethe Ramsay die lange Unterredung mit Frau Hermione gehabt hatte, gab Frau Suddlechop ihrer kleinen Thürhüterin die Weisung, die Thür fest zuzuhalten, wie den Beutel eines Geizhalses, und, so lieb ihr ihre Quittenhaut sei, Niemanden einzulassen, als – (diesen Namen flüsterte sie ihr in's Ohr und nickte dabei bedeutungsvoll). Die kleine Dienerin gab durch ein Zwinkern zu erkennen, daß sie verstehe, und ging auf ihren Posten. Nicht lange, so kam sie zurück und führte bei ihrer Herrschaft den bürgerlichen Stutzer ein, dem seine Kleider so schlecht saßen, und der sich so mannhaft benommen hatte bei der Rauferei an dem Tage, wo Nigel zum ersten Male Beaujeu's Speisehaus besucht hatte. »Frau,« sprach sie, »schön jung Herr, in lauter Gold und Sammet;« – und nachdem sie die Thür hinter dem Besuche zugemacht hatte, murmelte sie für sich: »Schön jung Herr! – Lehrbursch bei dem, der die Ticktick macht!«

Es war wirklich – mit Schmerz sagen wir es, überzeugt, unsere Leser werden unser Gefühl theilen – der ehrliche Jin Vin, den sein guter Engel so sehr verlassen hatte, daß er sich zuweilen in der angedeuteten Weise verkleidete und unter der Hülle eines Stutzers den der Lust und Verschwendung geweihten Ort besuchte, wo in seiner wirklichen Gestalt zu erscheinen ihm ewige Schande gebracht haben würde, vorausgesetzt, daß er in dieser Gestalt je hätte Einlaß finden können. An diesem Abende lag tiefer Mißmuth auf seiner Stirn, seine reiche Kleidung war in der Hast angelegt und falsch zugeknöpft; sein Gurt war schlecht geschnallt, so daß sein Degen seitwärts herausstarrte, anstatt mit anmuthiger Nachlässigkeit an der Hüfte herabzuhängen; sein Dolch endlich mit schön vergoldetem Griffe steckte in seinem Gürtel wie der Stahl eines Metzgers in dessen Schürze. Beiläufig gesagt hatten damals Leute von Stande den Vorzug, besser vom gemeinen Volk unterschieden zu sein, als heutzutage. Was für die Hofdamen die Wulströcke und später die Reifröcke waren, das war für den Edelmann der Degen. Dies Stück des Putzes machte nur Diejenigen lächerlich, welche es blos ausnahmsweise trugen. Unserm Vincent kam sein Rappier zwischen die Beine, so daß er stolperte und ausrief: »Schwerenoth! das ist das zweite Mal, daß es mir diesen Streich spielt. Ich glaube, der verfluchte Dreck weiß, daß ich kein wirklicher Edelmann bin, und thut es mit Fleiß!«

»Komm, komm, ehrlicher Jin Vin, komm mein guter Junge,« sprach beruhigend die Barbiersfrau. »Achte diese Lumpereien nicht. Ein braver Londoner Lehrbursche ist so viel werth, wie all' die stutzerhaften Studenten.«

»Ich war ein braver Londoner Lehrbursche, ehe ich Euch kannte, Frau Suddlechop,« versetzte Vincent. »Was Euer Rath aus mir gemacht hat, dafür mögt Ihr einen Namen finden, denn, bei S. Görgen, ich schäme mich, selber daran zu denken.«

»Eh!« rief die Barbiersfrau, »steht es so mit dir? Na, da weiß ich nur eine Kur.« Mit diesen Worten ging sie an ein kleines Eckschränkchen an der Wand, schloß es auf mit einem Schlüssel, der nebst einem halben Dutzend anderer an einer silbernen Kette an ihrem Gürtel hing, und holte eine lange, mit Weiden umflochtene Flasche von dünnem Glase, nebst zwei flämischen Römern mit langen Füßen und weiten Bäuchen hervor. Den einen Römer füllte sie bis zum Rande für ihren Gast, den andern für sich selbst nur etwa bis zu zwei Dritteln, und bemerkte, während die köstliche Herzstärkung in einem glatten öligen Strome hervorrieselte: »Ganz ächter Rossoli, so gut, wie nur je welcher Grillen aus einem düstern Gehirn herausgeschwemmt hat.«

Jin Vin stürzte sein Glas ohne Umstände hinunter, während die Dame das ihrige mit mehr Mäßigung ausschlürfte; allein es schien bei ihm nicht die gehoffte Besserung seiner Laune hervorzubringen. Im Gegentheil, als er sich in den ledernen Großvaterstuhl warf, in welchem sonst Frau Ursel sich Abends gütlich that, erklärte er sich für den unglücklichsten Kerl im Bereiche der Brummglocke.

»Ei, warum denn, einfältiger Junge?« fragte Frau Suddlechop. »Aber so ist's. Kinder und Narren wissen es nicht, wenn es ihnen wohlgeht. Da ist doch nicht Einer, der an der Paulskirche herumschlendert, sei es in der Plattmütze, sei es im Federhut, dem so viel freundliche Blicke von den Dirnen zugeworfen werden, wie Euch, wenn Ihr durch die Fleetstraße einhersteigt mit der Mütze auf einem Ohr und dem Holze unterm Arm. Ihr wißt wohl, daß von der Beigeordnetentochter an bis zu den Dingern, die sich in den Gäßchen zur Schau stellen, alle durch die Finger sehen, wenn Ihr vorbeigeht. Und bei alledem nennt Ihr Euch einen unglücklichen Kerl! Und ich muß diese Litanei hersagen wie eine Kindsmagd, die einem unartigen Balge die Glockenspiele von London vorpfeift, damit das liebe Kind vergnügt werde!«

Die Schmeichelei der Frau Ursula schien das Schicksal ihrer Herzstärkung zu haben. Sie ward von dem betreffenden Theile eingesogen und zwar mit einigem Behagen, aber sie wirkte nicht als Beruhigungsmittel auf das Gemüth des Jünglings. Er lachte einen Augenblick, halb aus Hohn, halb aus befriedigter Eitelkeit; aber nach dem letzten Worte der Barbiersfrau warf er einen finsteren Blick auf dieselbe und erwiderte: »Ihr behandelt mich freilich wie ein Kind, wenn Ihr mir ewig Euer Kuckuckslied vordudelt, auf das ich keinen Feilspan gebe.«

»Aha!« rief Frau Ursula. »Das ist, es liegt Euch Nichts daran, daß Ihr Allen gefallt, wofern Ihr nicht Einer gefallt. Ihr seid ein treuer Liebhaber und kümmertet Euch um die ganze Stadt nicht von hier bis zur weißen Kapelle, wofern Ihr nur machen könntet, daß Ihr bei Eurer feinen Grethel Ramsay gut angeschrieben wäret. Geduld, Alter, und laß dich von mir leiten. Ich will der Reif sein, der Euch am Ende bindet.«

»Es wäre Zeit, daß Ihr einmal der Reif würdet,« versetzte Jan. »Bisher seid Ihr vielmehr der Keil gewesen, der uns gespalten hat.«

Frau Suddlechop hatte mittlerweile ihr Tränklein zu sich genommen. Es war nicht das erste an diesem Tage, und obwohl sie ein kräftiges Hirn hatte und, wenn auch nicht enthaltsam, doch behutsam im Trinken war, so läßt sich doch annehmen, daß ihr Gleichmuth durch ihre Lebensweise nicht befördert wurde.

»So? du ungeschlachter und undankbarer Bube!« fuhr sie den Lehrburschen an. »Hab' ich nicht alles Mögliche gethan, um dich bei deiner Geliebten in Gunst zu bringen? Sie liebt den Adel, die hochmüthige schottische Rotznase, wie ein Wälscher den Käse liebt, und ihres Vaters Abstammung von dem Herzog von Tollteufel, oder wie sie ihn nennt, sitzt ihr so fest im Kopfe, wie das Gold im Kasten eines Geizhalses, obwohl sie es eben so selten merken läßt. Sie will von keinem Andern als einem Edelmanne Etwas wissen, und einen Edelmann hab' ich aus dir gemacht, Jan, das muß selbst der Teufel glauben.«

»Einen Narren habt Ihr aus mir gemacht,« erwiderte Jan mit einem Blicke auf den Aermel seines Wamses.

»Das thut dem Edelmanne keinen Eintrag,« versetzte Ursula lachend.

»Und was noch ärger ist,« fuhr er fort, sich auf seinem Sitze krümmend und ihr den Rücken zukehrend, »Ihr habt einen Spitzbuben aus mir gemacht.«

»Das thut auch dem Edelmanne keinen Eintrag,« entgegnete Frau Ursula in demselben Tone. »Wenn ein Mann seine Thorheit mit leichtem, und seine Schlechtigkeit mit festem Sinne durchführt, so zeige mir heutzutage den Ernst und die Ehrlichkeit, die ihm in's Auge zu sehen wagt. Dummbart! Zur Zeit von König Arthur oder König Lud, da galt es als ein Flecken auf dem Schilde eines Edelmannes, wenn er über die Schnur der Vernunft und der Ehrlichkeit hieb. Heutzutage ist es der kecke Blick, die fertige Faust, das schöne Kleid, der kräftige Fluch und der tolle Kopf, die den flotten Herrn ausmachen.«

»Was Ihr aus mir gemacht habt, weiß ich,« erwiderte Jin Vin. »Ich habe den Handball aufgegeben für den Fußball, gutes englisches Bier für dünnen Bordeaux und sauern Rheinwein, Rostbraten und Pudding für Schnepfen und Füllsel, mein Holz für einen Degen, meine Mütze für einen Hut, mein Wahrlich für einen modischen Schwur, meine Sparbüchse für einen Würfelbecher, meinen Gottesdienst für des Teufels Betstunde, und meinen ehrlichen Namen für – Weib! ich könnte dir den Hirnkasten einschlagen, wenn ich daran denke, wessen Rath mich in allem dem geleitet hat!«

»Nun? wessen Rath denn? wessen Rath? Heraus damit, du armseliger Schuhputzer! sage, wer dir gerathen hat!« rief Frau Ursula, vor Zorn erröthend. »Nun vorwärts! Du armer Geck! sprich, auf wessen Rath hast du einen Spieler aus dir gemacht und einen Dieb obendrein, wie du zu verstehen gibst? Der Herr erlöse uns von dem Uebel!« Und damit schlug Frau Ursula andächtig das Kreuz.

»Ich will Euch was sagen, Frau Ursula,« rief Jan, mit zornflammendem Blicke aufspringend, »Ihr müßt Euch nicht einbilden, daß Ihr Euren Ehemann vor Euch hättet, und wenn Ihr es meint, so vergeßt nicht, über wessen Schwelle der Besen ging, als das vorige Mal der Skimmington aufgeführt wurde Eine Art Triumphzug zur Verherrlichung weiblicher Oberhoheit, wenn sie so bedeutend ward, daß sie die Aufmerksamkeit der Nachbarschaft erregte. Er ist ausführlich beschrieben im Hudibras (2. Theil, 2. Gesang). Während des Aufzugs fuhren die Anführer desselben mit einem Besen über die Schwelle der Häuser, in welchen dem Gerüchte nach die Frauen die Herrschaft führten, und das bedeutete, daß den Bewohnern derselben gelegentlich gleiche Auszeichnung wie den Schwellen zu Theil werden dürfte. Der Skimmington, welcher eine Aehnlichkeit mit dem Mumbo Jumbo in einem afrikanischen Dorfe hat, ist in England längst außer Gebrauch gekommen, wahrscheinlich weil die Weiberherrschaft seltener oder milder geworden ist.

»Ich hoffe, ich soll dich bald nach Holburn führen sehen mit einem Strauße auf der Brust und einem Pfarrer an der Seite,« versetzte Frau Suddlechop, die jetzt ganz aus ihrer zuckersüßen Sonntagslaune herausgerathen war.

»Das kann wohl geschehen,« erwiderte Jin Vin mit Bitterkeit, »wenn ich weiter nach Eurem Rathe thue, wie ich angefangen habe. Aber ehe dieser Tag kommt, sollt Ihr erfahren, daß dem Jin Vin noch die kecken Jungen der Fleetstraße zu Gebote stehen. Ja, schlechtes Mensch, du sollst als Kupplerin und Hexe auf einen Karren geladen, doppelt in der Wolle gefärbt und nach dem Zuchthause geführt werden, unter dem Klange aller Becken zwischen dem Tempel und der Paulskirche, daß es schallt, als ob der Teufel mit seiner Fleischgabel darauf trommelte.«

Frau Ursel wurde scharlachroth vor Wuth, ergriff die halbleere Flasche mit dem Tränklein und machte Miene, sie ihrem Gegner an den Kopf zu schleudern. Plötzlich aber, als ob sie ihren Zorn bemeisterte, hielt sie inne, widmete die Flasche ihrer erlaubteren Bestimmung, füllte mit bewunderungswürdiger Ruhe die zwei Gläser, ergriff eins derselben und sprach mit einem Lächeln, welches ihrem hübschen, fröhlichen Gesicht besser anstand, als die Wuth einen Augenblick zuvor: »Hier, mein Junge, ich trinke dir als Freundin zu, trotz all' deinem Unwillen gegen mich, die stets als eine Mutter an dir gehandelt hat.«

Jans englische Gutmüthigkeit konnte diesem kräftigen Aufrufe nicht widerstehen. Er nahm das Glas, that der Barbiersfrau Bescheid auf ihren Versöhnungstrunk und begann eine Art knurrender Entschuldigung wegen seiner Heftigkeit.

»Ihr wißt, sprach er, »Niemand anders als Ihr hat mich beredet, diesen Staat anzuschaffen und in das gottlose Speisehaus zu gehen und es den Vornehmsten gleich zu thun und Euch alle Neuigkeiten heimzubringen. Ihr sagtet, ich sei der Haupthahn im Quartier und würde bald auch der Haupthahn im Speisehause werden, und ich würde zehn Mal so viel beim Treschak und Primero gewinnen, als beim Legen, und ich würde mit den Würfeln eben so oft Pasch werfen, wie auf der Kegelbahn alle Neun. Und dann sagtet Ihr, ich würde Euch Neuigkeiten bringen können, mit denen Ihr und ich gemachte Leute würden, denn Ihr wüßtet sie danach anzubringen. Und jetzt seht Ihr, was das Ende vom Liede ist!«

»Alles ist wahr, was du da sagst,« antwortete die Barbiersfrau; »aber du mußt Geduld haben, mein Junge. Rom ist nicht in einem Tage gebaut. Du kannst dich nicht in einem Monat in die Hofkleider finden, so wenig, wie du es in Wams und Hosen konntest, nachdem du den Kinderrock abgelegt hattest; und beim Spiel mußt du auf Verlust wie auf Gewinn gefaßt sein. Der Spieler, der festsitzt, sprengt die Bank.«

»Die Bank hat mich gesprengt,« erwiderte Jin Vin, »so daß mir kein Pfennig geblieben ist. Wollte Gott, dies wäre das Schlimmste! Aber für diesen Staat habe ich Schulden gemacht, und der Zähltag kommt heran, und mein Meister wird dann finden, daß beiläufig zwanzig Goldstücke zu wenig in der Lade sind. Da wird denn mein alter Vater herhalten müssen und ich – werde dem Henker eine Mühe sparen und mir selbst den Gefallen thun, oder die Reise nach Virginien antreten.«

»Sprich nicht so laut, liebes Kind,« erinnerte Frau Ursula. »Aber sage mir, warum leihest du nicht bei einem Freunde? Du kannst ihm dann wieder leihen, wenn sein Zähltag kommt.«

»Nein, nein,« sprach Vincent, »ich bin diese Streiche satt. Tunstall würde mir wohl das Geld leihen, wenn er es hätte. Aber der arme Teufel wird von seinen betteladeligen Verwandten so gerupft, daß er kahl ist, wie eine Birke um Weihnachten. Mein Schicksal schreibt sich mit fünf Buchstaben: ELEND.«

»Willst du schweigen, du einfältiges Hasenherz!« erwiderte Frau Suddlechop. »Hast du nicht gehört: Wenn die Noth am höchsten, ist die Hülf' am nächsten? Wir wollen schon Hülfe für dich finden und schneller, als du denkst. Ich würde dir in meinem Leben nicht zu einem solchen Treiben gerathen haben, wenn du dein Herz nicht an Jungfer Grethchen gehängt hättest. Was konnte ich dir da Anderes rathen, als deine bürgerliche Haut abzuwerfen und dein Glück da zu suchen, wo andere Leute es finden?«

»Ja, ich weiß, was Ihr mir gesagt habt,« versetzte Jan: »Ihr wolltet mich bei ihr einführen, wenn ich ein vollkommen feiner Mann sei und so reich wie der König, und dann sollte sie erstaunen, zu finden, daß ich der arme Jin Vin sei, der vom Morgen bis zum Abendgeläute auf einen Blick ihres Auges gelauert hatte. Statt dessen hat sie ihr Herz an diesen schottischen Sperlingsfänger von Lord gehängt, der mir mein letztes Kopfstück abgewonnen hat – Fluch soll es ihm bringen! So bin ich denn bankerott in Liebe, Vermögen und Ruf, ehe meine Zeit aus ist, und das Alles durch Euch, Mutter Nacht.«

»Gib mir keinen Unnamen, Junge!« erwiderte Ursula halb zürnend, halb schmeichelnd. »Ich bin keine Heilige; ich bin ein armes sündiges Weib mit just so viel Geduld, als nöthig ist, um mich durch tausenderlei Kreuz und Leid durchzubringen. Wenn ich dir Uebel zugefügt habe durch meinen Rath, so muß ich dir durch guten Rath wieder helfen. Was die zwanzig Goldstücke für den Zähltag betrifft, so ist hier in einem guten grünen Beutel so viel, als dieser Noth abhelfen kann. Der alte Kreuzflick wird mit sich reden lassen, daß er mit der Bezahlung für die Kleider wartet; und –«

»Mutter! sprecht Ihr im Ernst?« unterbrach Jan, der seinen Augen und Ohren nicht trauen wollte.

»Das thue ich,« antwortete Ursula. »Willst du mich nun noch Mutter Nacht nennen?«

»Mutter Nacht!« rief Jan, entzückt die Alte an sein Herz drückend und ihr einen nicht unwillkommenen Schmatz auf die immer noch hübsche Wange drückend, daß es knallte, – »nein, Mutter Tag, die mir in meiner Noth aufgegangen ist, die mir theurer ist, als die, so mich geboren hat, denn sie hat mich in eine Welt voll Sünde und Schmerzen gesetzt, und Eure rechtzeitige Hülfe rettet mich von beiden.« Und der gute Junge warf sich in seinen Stuhl zurück und fuhr gerührt mit der Hand über die Augen.

»Also läßt du mir nicht den Skimmington aufführen?« fragte Frau Ursula, »oder mich auf einem Karren nach dem Zuchthaus bringen mit schallenden Becken vor mir her?«

»Lieber wollte ich mich selber auf einem Karren nach Tyburn fahren lassen,« antwortete Jan.

»Wohlan, so sitze aufrecht, wie ein Mann, und wische die Augen aus, und wenn du zufrieden bist mit dem, was ich gethan habe, so will ich dir sagen, wie du mir vollständig vergelten kannst.«

»Wie?« erwiderte Jan, sich aufrecht setzend. »Ich soll Euch also einen Dienst für diese Eure Freundschaft leisten?«

»Allerdings,« antwortete Frau Suddlechop. »Du mußt wissen, obwohl ich dir gern mit diesem Golde aushelfe, so gehört es doch nicht mir, sondern ist mir nur anvertraut, um einen zuverlässigen Menschen für ein gewisses Geschäft zu gewinnen. Also – Nun, was gibt's? Bist du einfältig genug, zu zürnen, daß du einen Beutel voll Gold nicht für Nichts und wieder Nichts haben kannst? Ich wollte, ich wüßte, wie ich so dazu kommen könnte. Ich habe sie nie so gefunden, daß ich mich blos danach zu bücken brauchte.«

»Nein, nein, Frau,« erwiderte Jan, »das meine ich nicht. Seht, ich wollte mir gern die zehn Finger bis auf die Knochen abarbeiten; aber –« Er hielt inne.

»Nun was denn?« fragte Ursula. »Du bist bereit, zu arbeiten für das, was du brauchst, und wenn ich dir Gold zu verdienen anbiete, siehst du mich an, wie der Teufel über Lincoln wegsieht.«

»Es ist gefährlich, den Teufel zu nennen, Mutter Ursula,« erwiderte Jan. »Ich hatte ihn eben im Kopfe. Denn seht, ich bin gerade auf dem Punkte, wo er, wie die Leute sagen, den Unglücklichen erscheint und ihnen Rettung verheißt dafür, daß sie ihm ihrer Seelen Seligkeit zum Eigenthume übergeben. Aber seit zwei Tagen habe ich mich durchgekämpft zu dem Gedanken, daß ich lieber in Schande, Sünde und Noth bleiben will, wie ich bin, als weiter in dem schlechten Wandel fortfahren, um aus meiner jetzigen Verlegenheit herauszukommen. Hütet Euch also, Frau Ursula, mich in Versuchung zu führen, daß ich einem solchen guten Entschlusse untreu werde.«

»Ich versuche dich zu Nichts, junger Mensch,« antwortete Ursula; »und da ich merke, daß du zu eigensinnig bist, um weise zu sein, so will ich halt meinen Beutel einstecken und mich nach Jemand umsehen, der mir mein Geschäft gutwilliger und dankbarer ausrichtet. Löse deinen Lehrvertrag, richte deinen Vater zu Grunde, verliere deinen guten Namen und sage Grethchen auf ewig Lebewohl.«

»Halt! halt!« rief Jan. »Das Weib ist so hastig wie ein Schwarzbäcker, wenn er den Ofen überheizt hat. Erst laßt mich Euren Antrag hören.«

»Es handelt sich um weiter Nichts, als einen Mann von Stande und Vermögen, der in Noth ist, heimlich den Fluß hinunter zu bringen bis an die Hundsinsel oder in die Nähe derselben, wo er sich versteckt halten kann, bis es ihm gelingt, außer Landes zu fliehen. Ich weiß, du kennst jeden Platz am Ufer so gut, wie der Teufel einen Wucherer oder der Bettler seinen Teller.«

»Verflucht seien Eure Gleichnisse,« erwiderte der Lehrbursche. »Der Teufel war es, der mir diese Kenntniß gegeben hat, und der Bettelstab kann das Ende davon sein. – Was hat der Mann gethan, der sich versteckt halten muß? Hoffentlich doch kein Papist? keine Catesby- und Piercy-Geschichte? keine Pulververschwörung?«

»Ei – was? – was denkst du denn von mir?« sprach Frau Ursula. »Ich bin so gut kirchlich, wie die Pfarrersfrau, abgerechnet, daß meine Geschäfte mir nicht erlauben, öfter in die Kirche zu gehen, als am Weihnachtstag – Gott verzeih' mir's! – Nein, das ist keine Papistengeschichte. Der Herr hat nur einen Andern im Parke geschlagen.« –

»Was?« unterbrach sie Vincent auffahrend.

»Ja, ja, ich sehe, du merkst, wen ich meine. Es ist eben der, von dem wir so oft gesprochen haben, Lord Glenvarloch, und kein Anderer.«

Vincent sprang von seinem Sitze auf und ging mit raschen, ungleichmäßigen Schritten im Zimmer auf und ab.

»Da! – da haben wir's! Du bist ewig entweder Eis oder Pulver. Da sitzest du in dem großen Ledersessel so ruhig, wie eine Rakete an einem Festabende am Gerüste hängt, bis die Stupine angezündet wird, und dann geht's hui! in den dritten Himmel hinauf außer den Bereich menschlicher Stimme, Augen und Vorstellungen. – Wenn du dich hier im Zimmer müde getappt hast, willst du mir dann deinen Entschluß sagen? Die Zeit drängt. Willst du mir den Dienst leisten oder nicht?«

»Nein! nein! tausend Mal nein!« erwiderte Jan. »Habt Ihr mir nicht gestanden, daß Margarethe ihn liebt?«

»Ja,« antwortete Ursel; »ich habe gesagt, sie bildet sich ein, ihn zu lieben. Aber das wird nicht lange währen.«

»Und hab' ich Euch nicht eben erst gesagt, daß er es war, der mir im Spielhause den letzten Pfennig abgenommen und mich obendrein zum Spitzbuben gemacht hat, indem er mir mehr abgewann, als mir gehörte? – O das verfluchte Gold, welches Kortell, der Schnittwaarenhändler, mir gab, gegen die Rechnung für Ausbesserung der Stephansuhr! Hätte ich nicht unglücklicher Weise dies Gold bei mir gehabt, so hätte ich doch blos meinen Beutel fegen können, ohne meiner Ehre einen Schandfleck anzuhängen! Und nachdem ich mir alles Uebrige habe abjagen lassen, muß ich auch noch diese letzten fünf Stücke gegen diesen Hai unter den Grundeln wagen!«

»Das ist Alles ganz gut,« sprach Frau Ursel. »Ich weiß das Alles. Ich gebe zu, Lord Glenvarloch war der Letzte, mit dem du gespielt hast, folglich kannst du ihm dein Unglück zuschreiben. Ich gebe ferner, wie gesagt, auch das zu, daß Grethchen ihn zu deinem Nebenbuhler gemacht hat. Allein gewiß ist es nicht Zeit, an Alles das zu denken jetzt, wo er in Gefahr schwebt, die Hand zu verlieren.«

»O ja, es ist Zeit,« erwiderte der junge Handwerker. – »Die Hand zu verlieren? Meinetwegen mögen sie auch seinen Kopf nehmen. Sein Kopf und seine Hand haben mich unglücklich gemacht!«

»Nun, Fürst der Plattmützen,« sprach Frau Ursel, »wär' es nicht besser, daß die Sache zwischen euch ausgeglichen würde, daß du durch den schottischen Lord, der dich, wie du behauptest, um dein Geld und um deine Geliebte gebracht hat, beides in kurzer Zeit wiedererlangtest?«

»Und wie kann Eure Weisheit dies Ende herbeiführen?« fragte der Lehrbursche. »Mein Geld – ja, das begreif' ich, das heißt, wenn ich Euren Vorschlag annehme; – aber mein Grethchen? – Wie ein diesem Herrn, auf den sie ihren verrückten Kopf gesetzt hat, geleisteter Dienst mich bei ihr fördern kann, das geht über meine Begriffe.«

»Das kommt daher,« erwiderte Frau Ursel, »weil du, einfach gesprochen, von dem weiblichen Herzen nicht mehr weißt, als ein Norfolker Gänschen. Gib Acht auf das, was ich sage. Wenn ich der Jungfer Margarethe berichtete, daß der junge Herr durch deinen Mangel an Dienstwilligkeit verunglückt sei, so würde sie dich ewig hassen. Sie würde dich verabscheuen, wie den Koch, der Glenvarlochs Hand mit seinem Hackmesser herunterhaut. Und auf der andern Seite wird sie in ihrer Zuneigung für den Lord nur um so mehr bestärkt werden. Wenigstens drei Wochen lang wird man in London von nichts Anderem hören und sprechen, als von ihm, an nichts Anderes denken, als an ihn, und all dies Geschrei wird nur dazu dienen, ihn in ihrem Herzen oben zu halten. Denn Nichts gefällt einem Mädchen mehr, als in einem Verhältnisse zu stehen mit einem Manne, von dem alle Welt um sie her redet. Wird gar die gesetzliche Strafe an ihm vollzogen, so ist die Frage, ob sie ihn je vergißt. Ich habe zur Zeit der Königin den hübschen jungen Herrn Babington hinrichten sehen. Ich war damals noch ein ganz junges Mädchen, und doch ist er mir ein ganzes Jahr lang nicht aus dem Kopfe gekommen. Aber, was die Hauptsache ist, wird Glenvarloch begnadigt oder gestraft, so wird er in beiden Fällen wahrscheinlich in London bleiben, findet er hingegen seine Rettung in der Flucht –«

»Nun, wie das mir helfen kann, das beweiset jetzt,« unterbrach Jan.

»Findet er seine Rettung in der Flucht,« fuhr Frau Ursel fort, »so muß er Jahre lang, wenn nicht für immer, den Hof meiden, und du kennst das alte Sprichwort: Aus den Augen, aus dem Sinn.«

»Wahr, sehr wahr,« bemerkte Jan. »Ihr sprecht wie eine Sibylle, weise Ursel.«

»Nicht wahr, ich wußte, du würdest am Ende der Vernunft Gehör geben,« sprach das listige Weib. »Und dann, wenn besagter Herr ein für alle Mal auf und davon ist, wer wird dann der Vertraute des Jüngferchens? wer füllt den leeren Platz in ihrer Zuneigung aus? Niemand anders als du, Perle der Lehrburschen. Dabei ist zu bemerken, du hast dann deine eigenen Neigungen überwunden, um dich den ihrigen anzubequemen – und dagegen ist kein Weib gleichgültig; du hast dann dich Gefahren ausgesetzt, um ihre Wünsche zu erfüllen, – und was liebt ein Weib mehr, als Mannhaftigkeit und Fügsamkeit in ihren Willen? Du besitzest dann ihr Geheimniß, und sie muß dich mit Gunst und Rücksicht behandeln und Vertrauen auf dich setzen, und insgeheim mit dir verkehren, bis sie mit dem einen Auge um den abwesenden Geliebten weint, den sie nicht mehr sehen wird, und mit dem andern lächelt gegen den anwesenden Liebhaber. Und wenn du dann dem Verhältniß, in das du mit ihr zu stehen kommst, nicht eine erwünschtere Gestalt zu geben weißt, dann bist du nicht der lebendige Junge, für den dich alle Welt hält. Hab' ich recht gesprochen?«

»Ihr habt gesprochen wie eine Kaiserin, großmächtige Ursula,« antwortete Jan Vincent. »Euer Wille soll geschehen.«

»Ihr wißt im Elsaß Bescheid?« fragte der weibliche Schutzgeist.

»Ob ich dort Bescheid weiß?« antwortete Jan, den Kopf bewegend. »Ich habe dort die Würfel klappern hören, ehe ich mich zum Edelmann gestempelt habe und unter die Stutzer beim Schawelier Boschön gegangen bin. Sein Nest ist das schlimmste von den zweien, obwohl die Federn dort schöner sind.«

»Und sie haben Respekt vor dir dort unten?«

»Das mein' ich!« erwiderte Vin. »Wenn ich wieder in meinem Barchentwams stecke und mein Hölzchen unterm Arme habe, dann will ich um Mitternacht durchs Elsaß gehen, wie am Mittag über die Fleetstraße. Keiner wird sich unterstehen, sich an dem Fürsten der Lehrburschen und dem Könige von Holz zu reiben; sie wissen, ich könnte alle handfeste Jungen im Quartier ihnen auf den Hals hetzen.«

»Und du kennst die Fährleute alle und so weiter?«

»Ich kann mit jedem Suppenschüsselmann von Richmond bis Gravesend in seiner eigenen Sprache reden. Ich kenne alle Wasserhühner von Hans Taylor, dem Dichter, bis zu Grigg, dem Grinser, der keinen Ruderschlag thut, ohne das Maul von einem Ohre bis zum andern aufzureißen, wie ein Gaul, der die Zähne weiset.«

»Und du kannst in verschiedenen Kleidern verschiedene Personen vorstellen, einen Fuhrmann, einen Fleischer, einen Söldner u. s. w.?« fragte Ursula weiter.

»In unsern Mauern thut mir's Keiner in der Mummerei gleich, das wißt Ihr,« antwortete der Bursche. »Ich kann es selbst mit den Schauspielern aufnehmen, mit denen in der Kugel und in der Fortuna, wenn es irgend eine Person vorzustellen gilt, ausgenommen einen Edelmann. Zieht mir nur diesen verfluchten Lumpenkram aus, in den mich der Teufel gesteckt haben muß, und steckt mich dann in welche Haut Ihr wollt, und seht, ob ich nicht aussehe, als wär' ich darin geboren.«

»Gut, wir wollen gelegentlich von deiner Verwandlung reden und Kleider dafür auftreiben und Geld dazu. Denn es wird einen schönen Batzen kosten, das Ding gehörig durchzuführen.«

»Aber wo kommt das Geld her? das möcht' ich gern wissen, ehe ich es annehme,« sprach Vincent.

»Hm! Was das für eine verrückte Frage ist! Denke ich verstehe mich dazu, es dem Jüngferchen auszulegen, – was ist dabei?«

»Ich will Nichts dergleichen denken,« versetzte Jan. »Ich weiß, Ihr habt kein Geld bei Seite zu legen, und wenn Ihr es hättet, würdet Ihr es nicht zu solchen Auslagen verwenden. Also dieser Pfiff gilt Nichts. Es muß von Grethchen selber sein.«

»Nun, du argwöhnisches Thier, wenn es nun wäre?« versetzte Ursula.

»Dann würde ich auf der Stelle zu ihr gehen und fragen, ob sie auf rechten Wegen zu einer solchen Baarschaft gekommen sei. Denn lieber wollte ich mich hängen, als ruhig zusehen, daß sie auf unrechtem Wege dazu käme. Es ist genug an dem, was ich gethan habe; ich brauche nicht auch noch das arme Grethchen in solche Schlechtigkeit gerathen lassen. Ich will zu ihr und ihr die Gefahr vorstellen – bei Gott, ich will!«

»Bist du denn ganz verrückt?« rief Frau Suddlechop in großer Unruhe. »Höre mich nur einen Augenblick an. Ich weiß nicht genau, von wem sie das Geld erhalten hat; nur das weiß ich, daß sie es im Hause ihres Pathen geholt hat.«

»Hm! Meister Heriot ist noch nicht aus Frankreich zurück,« warf Vincent ein.

»Freilich nicht,« erwiderte Ursel. »Aber Tante Judith ist da – und die fremde Dame, welche die Leute Heriots Gespenst nennen, und die nie ausgeht.«

»Das ist wahr, Frau Suddlechop,« bemerkte Jan. »Ich glaube, Ihr seid auf der rechten Spur. Die Leute sagen, die Dame habe Geld wie Heu. Hm! wenn Grethchen eine Handvoll Feengold kriegt, steht es ihr frei, es wegzuwerfen, wie sie Lust hat.«

»Jin Vin,« sprach die Barbiersfrau mit gedämpfter Stimme, »uns sollte es auch nicht an Geld fehlen, wenn wir die Auflösung des Räthsels dieser Dame hätten.«

»Damit mag sich befassen, wer will,« versetzte Jan. »Ich stecke meine Nase nicht in Dinge, die mich Nichts angehen. Meister Heriot ist ein Ehrenmann, auf den London stolz sein darf, und er hat das Recht, sein Haus zu bestellen, wie er will. – Es war einmal die Rede davon, ihm am fünften November Jahrestag der Pulververschwörung. (es war am vorletzten) den Pöbel auf den Hals zu schicken, weil er in seinem Hause Nonnen halte, wie die alte Foljambe. Aber Meister Heriot ist beliebt bei den Lehrburschen, und so sammelten wir denn ein solches Häuflein von den Unseren, daß der Pöbel übel heimgeschickt worden wäre, wenn er das Herz gehabt hätte, zu kommen.«

»Nun, laß das gut sein,« sprach Ursel, »und sage mir, wie willst du es anfangen, um zwei Tage aus dem Laden wegzubleiben? Denn schneller läßt sich das Ding nicht abthun.«

»Ja, da weiß ich freilich keinen Rath,« antwortete Jan. »Ich habe immer treu und fleißig gedient, und habe nicht Lust, den Tagedieb zu spielen und meinen Meister um seine Zeit und um sein Geld zu betrügen.«

»Bedenke,« sprach Ursula, »es handelt sich darum, ihm sein Geld wieder zu schaffen; und ein anderer Weg dazu ist nicht wohl abzusehen. Könntest du dir nicht Erlaubniß geben lassen, deinen Oheim in Essex auf einige Tage zu besuchen? Du sagst etwa, er sei krank.«

»Wenn es nicht anders ist, so muß ich wohl,« erwiderte Jan mit einem schweren Seufzer. »Allein ich will mich gewiß nicht mehr so leicht auf diesen krummen, finsteren Wegen finden lassen.«

»Psch!« versetzte die Barbiersfrau. »Laß dir noch diesen Abend Urlaub geben und komme wieder; ich will dich mit deinen Gehülfen bekannt machen. – Wart! wart! – der Junge ist von Sinnen – du wirst doch in diesem Aufzuge nicht im Laden erscheinen wollen. Dein Koffer mit deinen Handwerkskleidern steht in der gedeckten Stube. Gehe und ziehe sie eiligst an.«

»Ich glaube, ich bin behext,« sprach Jan mit einem Blick auf seinen Putz, »oder dies Narrenbehäng hat mich zu einem eben so großen Esel gemacht, wie Viele sind, die ich darin gesehen habe. Aber laßt mich nur einmal aus dem Harnisch heraus sein, und wenn Ihr mich dann noch ein Mal dazu bringt, daß ich ihn anlege, dann sollt Ihr mich einem Zigeuner verkaufen, daß ich all mein Leben lang Töpfe, Pfannen und Bettlerbälge schleppe.«

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer, um die Kleider zu wechseln.



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