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Achtes Kapitel.

Beim Sonnenlicht! Ein köstlich Mädchen ist's;
Wär' eine Lagerdirn' für einen Krieger,
Ihn zu verbinden, seine blut'ge Stirn'
Zu küssen und, indem sie hilft ihn waffnen,
Ein lustig Lied zu singen, schallten auch
So nah' des Feindes Trommeln, daß es schien',
Als machten sie den Chor.

Altes Schauspiel.

Als Jungfrau Margarethe in das Foljambische Gemach eintrat, fand sie die Bewohnerinnen in ihrer gewöhnlichen Weise beschäftigt, die Dame mit Lesen, die Dienerin mit Sticken eines großen Teppichs, welcher sie schon seit der Zeit beschäftigte, wo Grethchen zuerst Zutritt in diesen abgeschlossenen Zimmern gefunden hatte.

Hermione nickte freundlich ihrer Besucherin zu, ohne zu sprechen. Margarethe, an diesen Empfang gewöhnt und diesmal besonders damit zufrieden, da er ihr Zeit gewährte, sich zu sammeln, beugte sich über Monna Paula's Stickrahmen und bemerkte halb flüsternd: »Monna, Ihr waret gerade an dieser Rose, als ich Euch zum ersten Male sah. Seht, da ist die Stelle, wo ich die Blume verdorben habe, als ich einen falschen Stich machte. Ich war damals nicht viel über fünfzehn Jahre alt. Diese Blumen machen mich zu einer alten Jungfer, Monna Panla.«

»Ich wollte, sie könnten Euch zu einer weisen Jungfrau machen, mein Kind,« erwiderte Monna Paula, bei der Jungfer Margarethe nicht so viel galt, als bei ihrer Gebieterin, theils weil Paula eine Strenge besaß, welcher jugendliche Lustigkeit unleidlich war, theils in Folge der Eifersucht, mit welcher eine Lieblingsdienerin eine vermuthliche Nebenbuhlerin in der Gunst ihrer Gebieterin betrachtet.

»Was sagst du, Kleine, zu Monna?« nahm die Dame das Wort.

»Nichts weiter, gnädige Frau,« antwortete Grethchen, »als daß ich die wirklichen Blumen drei Mal habe blühen sehen, seitdem ich Monna Paula zuerst bei der Arbeit in ihrem Stramingarten erblickt habe, und daß ihre Veilchen noch keine Knospen getrieben haben.«

»Das ist wahr, mein Kind,« erwiderte Hermione; »aber die Blumen, welche die längste Zeit brauchen, bis sie zum Vorschein kommen, blühen auch am längsten. Du hast sie drei Mal im Garten blühen sehen und auch drei Mal welken; die Blumen der Monna Paula bleiben für immer, – sie brauchen weder Frost noch Sturm zu fürchten.«

»Richtig, edle Frau,« entgegnete Margarethe; »aber sie haben weder Leben noch Duft.«

»Das, liebe Kleine,« sprach die Klausnerin, »ist, wie wenn man ein von Hoffnung und Furcht bewegtes, mit Gelingen und getäuschter Hoffnung abwechselndes, von Liebe und Haß erschüttertes, durch erschöpfenden Wechsel getrübtes und verkürztes Leben mit einem ruhigen Dasein vergleicht, welches nur von Pflichtgefühl beseelt und in seinem gleichmäßigen Verlauf der Erfüllung der Obliegenheiten gewidmet ist. Ist das die Nutzanwendung deiner Antwort?«

»Ich weiß es nicht, gnädige Frau,« erwiderte Margarethe, »aber unter allen Vögeln in der Luft möcht' ich lieber die Lerche sein, die da singt, während sie auf dem Sommerlüftchen dahin schwebt, als der Wetterhahn, der dort fest sitzt auf der Eisenstange, und sich nur so viel bewegt, als nöthig ist, seinen Dienst zu thun und uns zu sagen, woher der Wind bläst.«

»Bilder sind keine Gründe, mein hübsches Kind,« sprach Hermione lächelnd.

»Das bedauere ich, gnädige Frau,« entgegnete Grethchen; »sie sind eine artige indirekte Weise, in der man seine Meinung ausdrücken kann, wenn sie von der Meinung Höherer abweicht. Und dann sind sie in Betreff dieses Gegenstandes unerschöpflich, und dabei hören sie sich wohl an.«

»Wirklich?« sprach die Dame; »ei, laß mich doch etliche hören.«

»Es wäre etwas zu viel Freiheit, wenn ich zum Beispiel Ew. Gnaden sagen wollte, daß ich lieber eine kleine Abwechslung zwischen Furcht und Hoffnung, zwischen Wohlgefallen und Mißfallen möchte – und – und der andern Art von Gefühlen, von der Ihr redet. Aber das darf ich sagen, ohne mir Tadel zuzuziehen, daß mir ein Schmetterling besser gefällt, als ein Käfer, eine zitternde Espe besser, als eine steife schottische Föhre, die keine Nadel regt, und daß ich unter allen Stücken von Holz, Messing und Draht, die je mein Vater zusammengesetzt, keines mehr hasse und verabscheue, als eine alte großmächtige Uhr von deutscher Form, die Stunden, halbe Stunden, Viertel und halbe Viertel schlägt, mit solcher Bedächtigkeit, als solle alle Welt wissen, daß sie aufgezogen ist und geht. Theuerstes Fräulein, ich wollte nur, Ihr könntet dies plumpe, gellende, deutsch aussehende Stück Gerumpel mit der prächtigen Uhr vergleichen, welche Meister Heriot bei meinem Vater für Euch bestellt hat, die hundert lustige Weisen spielt, und die, wenn sie die Stunde schlägt, eine ganze Schaar Mohrentänzer heraustreten läßt, die im Takt dazu hüpfen.«

»Und welche von diesen Uhren geht am richtigsten?« fragte die Dame.

»Ich muß gestehen,« antwortete Margarethe, »in diesem Stücke hat der alte Deutsche den Vorzug. Ich merke, Ihr habt Recht, gnädige Frau, daß Vergleichungen keine Gründe sind: mit der meinigen bin ich nicht durchgekommen.«

»Ich gebe mein Wort darauf,« sprach Hermione lächelnd, »du hast seit Kurzem viel an diese Dinge gedacht.«

»Vielleicht zu viel, gnädige Frau,« erwiderte Margarethe so leise, daß nur Hermione es hören konnte, hinter deren Lehnstuhl sie sich gestellt hatte. Die Worte waren sehr ernst gesprochen und mit einem halben Seufzer begleitet, welcher die Aufmerksamkeit der Angeredeten erregte. Frau Hermione drehte sich rasch herum, sah Margarethen scharf an, besann sich einen Augenblick und gebot dann ihrer Dienerin, mit ihrer Stickerei in das Vorzimmer zu gehen. Als sie allein waren, bedeutete sie ihrer jungen Freundin, hinter dem Stuhle hervorzutreten und neben ihr auf einem Schemel Platz zu nehmen.

»Ich möchte lieber bleiben, wo ich bin, edle Frau!« erwiderte Margarethe, ohne ihren Platz zu wechseln. »Ich wünschte, Ihr hörtet mich an, ohne mich zu sehen.«

»Um's Himmelswillen, Mädchen!« erwiderte die Dame, »was kannst du auszusprechen haben, das du nicht einer so treuen Freundin, wie mir, in's Angesicht sagen dürftest?«

Einer directen Antwort ausweichend, fuhr Margarethe fort: »Ihr hattet Recht, werthe Frau, als Ihr sagtet, ich hätte seit Kurzem meine Gefühle zu sehr die Oberhand in mir gewinnen lassen. Ich habe sehr unrecht gethan; Ihr werdet mir zürnen, ebenso mein Pathe, aber ich kann es nicht ändern. Er muß gerettet werden.«

» Er?« wiederholte die Dame mit Nachdruck. »Dies Wörtlein offenbart freilich so ziemlich dein Geheimniß. Aber komm hinter dem Stuhle hervor, du Gänschen! Ich wette, du hast den muntern Lehrburschen zu nahe an dein Herz wachsen lassen. Ich habe seit langer Zeit nicht gehört, daß du den jungen Vincent erwähnt hättest, vermuthlich aber war er nur aus dem Munde, nicht aus dem Sinne. Bist du so thöricht gewesen, ihn ernstlich mit dir sprechen zu lassen? Ich höre, es ist ein kecker Bursche.«

»Nicht keck genug, um irgend Etwas zu sagen, was mir mißfallen könnte,« erwiderte Margarethe.

»Also hat er dir vielleicht nicht mißfallen,« sprach die Dame, »oder vielleicht hat er nicht gesprochen, was noch besser wäre. Sei offenherzig, Liebchen, dein Pathe wird bald zurückkommen, und dann wollen wir mit ihm zu Rathe gehen. Wenn der junge Mann fleißig ist und von anständigen Eltern, dann wird vielleicht seine Armuth kein unüberwindliches Hinderniß sein. Aber ihr seid Beide sehr jung, Grethchen, und ich weiß, dein Pathe wird darauf bestehen, daß der Bursche seine Lehrzeit aushält.«

Margarethe hatte bisher die Dame in ihrer falschen Voraussetzung fortsprechen lassen, blos weil sie nicht wußte, wie sie sich ausdrücken sollte, um sie zu enttäuschen. Aber der Aerger über ihre letzten Worte ermuthigte sie endlich, zu sagen: »Verzeiht, gnädige Frau, weder der junge Mensch, von dem Ihr sprecht, noch irgend ein anderer Lehrbursche oder Meister in London –«

»Grethchen,« unterbrach Hermione das Mädchen, »der verächtliche Ton, in welchem du von Leuten deines Standes sprichst, von denen Hunderte oder Tausende in jeder Beziehung besser sind, als du, und dich sehr damit ehren würden, wenn sie an dich dächten, – dieser Ton, Mädchen, scheint mir eine schlechte Bürgschaft für die Verständigkeit deiner Wahl zu sein. Denn eine Wahl, scheint es, hat stattgefunden. Wer ist es, Mädchen, an den du so unbedachtsam dein Herz gehängt hast? Unbedachtsam, fürchte ich, ist deine Wahl.«

»Es ist der junge schottische Lord Glenvarloch, gnädige Frau,« antwortete Margarethe leise in bescheidenem, aber ziemlich festem Tone.

»Der junge Lord von Glenvarloch?« wiederholte Hermione erstaunt. »Mädchen, du bist toll!«

»Ich wußte zum Voraus, daß Ihr so sprechen würdet, gnädige Frau,« erwiderte Margarethe. »Dasselbe hat mir eine andere Person gesagt, und dasselbe bin ich zuweilen geneigt mir selber zu sagen. Aber seht mich an, gnädige Frau, denn ich will jetzt vor Euch hintreten, und sprecht, ob Wahnsinn oder Verrücktheit in meinen Blicken und Worten ist, wenn ich Euch wiederhole, daß ich meine Neigung entschieden dem jungen Standesherrn zugewandt habe.«

»Wenn nicht Wahnsinn in deinem Blicke und Worte ist,« antwortete Hermione, »so ist wenigstens ungeheure Thorheit in dem, was du sagst. Hast du je gehört, daß übel angebrachte Liebe etwas Anderes als Elend zur Folge gehabt hat? Suche dir einen Mann unter Deinesgleichen, und entgehe den zahllosen Gefahren und dem tausendfachen Jammer, der die unvermeidliche Folge einer über deinen Stand hinaus strebenden Neigung wäre. – Was lächelst du, Mädchen? Ist in dem, was ich sage, irgend Etwas, worüber zu spotten wäre?«

»Gewiß nicht, edle Frau,« antwortete die Uhrmacherstochter. »Ich habe blos darüber gelächelt, daß, während der Rang einen so großen Unterschied zwischen Geschöpfen von demselben Stoffe macht, der Verstand der gemeinen Leute doch gerade so weit reicht, wie der der Gebildeten und Hohen. Frau Ursel hat mir genau dasselbe gesagt, was Ihr soeben geäußert; der Unterschied lag blos im Ausdrucke. Ihr sprecht von tausendfachem Jammer, und Frau Ursel hat des Galgens erwähnt und der Frau Turner, die daran gehenkt worden ist.«

»Wirklich?« erwiderte die Dame. »Wer ist denn die Frau Ursula, die du so weislich mir zugesellt hast, um die schwere Aufgabe zu lösen, einer Närrin zu rathen?«

»Die Barbiersfrau nebenan,« antwortete Margaretha mit scheinbarer Unbefangenheit, aber innerlich vergnügt, daß sie ein Mittel gefunden, ihre Ermahnerin indirect zu kränken. »Sie ist die weiseste Frau, die ich nächst Euch kenne.«

»Eine vortreffliche Vertraute,« bemerkte die Dame, »und mit demselben feinen Gefühl der Pflicht gegen dich und Andere gewählt – Nun, was hast du? Wo willst du hin?«

»Ich will Frau Ursula um Rath fragen,« antwortete Margaretha, indem sie Miene machte, wegzugehen; »denn ich sehe, Ihr seid zu zornig, um mir einen Rath geben zu können, und die Noth ist dringend.«

»Was für eine Noth, du Einfalt?« fragte die Dame in sanfterem Tone. – »Setze dich, Mädchen, und erzähle mir deine Geschichte. Es ist wahr, du bist eine Närrin, und eine verdrossene Närrin, aber auf der andern Seite bist du ein Kind, und ein liebes Kind, trotz all' deiner eigensinnigen Thorheit, und wir müssen dir helfen, wenn wir können. Setze dich, wie du geheißen bist, und du wirst an mir eine zuverlässigere und weisere Rathgeberin finden, als an der Barbiersfrau. Sage mir, wie kommst du dazu, dir einzubilden, daß dein Herz unveränderlich einem Manne gehöre, den du meines Wissens nur ein Mal gesehen hast?«

»Ich habe ihn öfter gesehen,« antwortete das Mädchen mit niedergeschlagenen Augen; »aber ich habe nur ein Mal mit ihm gesprochen. Dies eine Mal würde mir vielleicht gelungen sein mir aus dem Sinne zu schlagen, obwohl der Eindruck so tief war, daß ich noch jetzt das geringste Wörtchen aus seinem Munde wiederholen könnte. Aber andere Dinge haben ihn seitdem auf ewig an mein Herz geknüpft.«

»Auf ewig,« wiederholte die Dame, »das ist das Wort, welches uns unter solchen Umständen gar leicht auf die Lippen kommt, welches aber fast immer das letzte sein sollte, das wir anwenden. Die Herrlichkeit dieser Welt, ihre Leidenschaften, Freuden und Leiden gehen vorüber, wie der geflügelte Wind. Nichts ist ewig, als was der Welt jenseits des Grabes angehört.«

»Ihr habt mich gebührlich zurechtgewiesen, gnädige Frau,« erwiderte Margarethe mit Ruhe. »Ich hätte blos von meinem jetzigen Gemüthszustand sprechen sollen und bemerken, daß derselbe so lange dauern werde, wie mein Leben, welches ohne Zweifel kurz sein wird.«

»Was ist denn an diesem schottischen Lord, das ihn so fest an dein Herz knüpft?« fragte Hermione. »Ich gebe zu, er ist ein hübscher Mann, denn ich habe ihn gesehen; auch will ich glauben, daß er artig und angenehm ist. Aber was hat er sonst für Vorzüge? Denn diese müssen außerordentlich sein.«

»Er ist unglücklich, gnädige Frau, höchst unglücklich,« antwortete das Mädchen. »Er ist umgeben mit Schlingen verschiedener Art, die künstlich gelegt sind, um seinen Ruf und sein Vermögen zu Grunde zu richten, vielleicht selbst ihn um's Leben zu bringen. Diese Anschläge haben ursprünglich ihren Grund in Habsucht, jetzt aber werden sie verfolgt aus Rachsucht und abgefeimter Bosheit. Denn Lord Dalgarno –«

»Monna Paula! Monna Paula!« rief die Dame, den Bericht ihrer Freundin unterbrechend. »Sie hört mich nicht,« fuhr sie fort; »ich muß sie suchen, ich komme gleich wieder.« Sie stand auf, ging hinaus und kehrte bald wieder zurück. »Du hast einen Namen genannt,« fuhr sie fort, »der mir sehr bekannt klang, aber Monna Paula hat mich zurechtgewiesen. Ich kenne den Herrn nicht, wie hast du ihn genannt?«

»Lord Dalgarno,« antwortete Margarethe, »der schlechteste Mensch unter der Sonne. Unter dem Scheine der Freundschaft hat er den Lord Glenvarloch in ein Spielhaus eingeführt in der Absicht, ihn zu hohem Spiel zu verleiten. Allein er, mit dem der Treulose zu thun hatte, war zu tugendhaft, besaß zu viel Selbstbeherrschung und Vorsicht, um sich in einer so groben Schlinge fangen zu lassen. Was thaten nun die Bösewichter? Sie machten ihm seine Mäßigung zum Verbrechen, und überredeten Andere, er, der nicht den Wölfen zur Beute werden wollte, halte mit ihnen zusammen, um ihren Raub zu theilen! Und während dieser niederträchtige Lord Dalgarno so einem arglosen Landsmanne die Grube grub, umgab er ihn mit seinen Creaturen, um ihn abzuhalten, am Hofe zu erscheinen und mit Leuten seines Standes zu verkehren. Seit der Pulververschwörung ist nie ein verrätherischer Plan so fein angelegt, so niederträchtig und besonnen durchgeführt worden.«

Die Dame lächelte schmerzlich über Grethchens Heftigkeit, und bemerkte sodann seufzend: »Du kennst wenig die Welt, in welche du einzutreten im Begriffe bist, wenn du dich wunderst, sie voll von Schlechtigkeit zu finden. Aber, Mädchen, wie konntest du hinter die geheimen Absichten eines so vorsichtigen Mannes, wie Lord Dalgarno, kommen? Denn Schurken sind meist vorsichtig.«

»Erlaubt mir, darüber Stillschweigen zu beobachten,« antwortete das Mädchen. »Ich könnte es Euch nicht sagen, ohne Andere zu verrathen. Begnügt Euch mit der Versicherung, daß meine Angaben eben so wahr sind, wie die Mittel, durch die ich dieselben erhalten habe, geheimnißvoll und zuverlässig sind. Diese Mittel darf ich aber selbst Euch nicht offenbaren.«

»Du bist allzu verwegen, Grethchen, dich mit solchen Dingen in so früher Jugend zu befassen,« bemerkte Hermione. »Das ist nicht allein gefährlich, sondern sogar unziemlich und unsittsam.«

»Ich wußte, daß Ihr so sprechen würdet,« erwiderte Margarethe mit mehr Sanftmuth und Geduld, als sie sonst an den Tag zu legen pflegte, wenn sie getadelt ward. »Aber Gott weiß, ich habe hier keinen andern Wunsch, als diesem unschuldigen, verrathenen Manne zu helfen. Ich habe ihn vor seines Freundes Falschheit gewarnt; leider aber hat dies nur sein Verderben beschleunigt, wofern sich nicht schnelle Rettung findet. Er hat seinem falschen Freunde Verrath vorgeworfen, im Park das Schwert gegen ihn gezogen, und ist nun der schrecklichen Strafe für Bruch der Freiheit des königlichen Palastes verfallen.«

»In der That eine sonderbare Geschichte,« bemerkte Hermione. »Befindet sich denn Lord Glenvarloch in Haft?«

»Gott sei Dank, nein, edle Frau,« antwortete Grethchen; »er ist in der Freistätte Whitefriars. Aber es ist zweifelhaft, ob diese Stätte ihn in einem solchen Falle schützen kann. Man spricht von einem Haftbefehl des Oberstlandrichters. Ein Student aus dem Tempel ist in Haft und Untersuchung, weil er ihm zur Flucht behülflich gewesen. Selbst sein nothgedrungener Aufenthalt an diesem abscheulichen Orte wird benutzt werden, um seinen Ruf noch ferner herabzusetzen. Alles das weiß ich, und doch kann ich ihn nicht retten, wenn Ihr mir nicht dazu beisteht.«

»Ich, Mädchen?« sprach Hermione. »Bist du von Sinnen? Welche Mittel kann ich in meiner Einsamkeit besitzen, diesem unglücklichen Herrn zu helfen?«

»Ihr besitzt sie,« erwiderte Margarethe. »Ihr besitzt die Mittel, mit welchen man in dieser Stadt, in dieser Welt Alles ausrichten kann. Ihr habt Geld, und eine kleine Summe würde mich in Stand setzen, ihn aus seiner gegenwärtigen Gefahr zu befreien. Er würde Mittel und Anweisung zur Flucht erhalten, und ich –«

»Würde ihn begleiten und die Früchte meiner weisen Bestrebungen ernten,« ergänzte Hermione spöttisch, als Grethchen innehielt.

»Gott verzeihe Euch das Unrecht, welches Ihr mir thut,« versetzte Margarethe. »Ich will ihn nie mehr sehen, aber ich will ihn retten, und dieser Gedanke soll mich glücklich machen.«

»Ein kalter Schluß zu einem so kühnen und flammenden Anfange,« bemerkte Hermione ungläubig lächelnd.

»Es ist indeß der einzige, den ich erwarte, gnädige Frau; ich möchte fast sagen, der einzige, den ich wünsche. Ich werde mich nicht bemühen, einen andern herbeizuführen. Bin ich kühn in seiner Sache, so bin ich ängstlich in der meinen. Während der ganzen Zeit, wo ich mit ihm das eine Mal zusammen war, bin ich unfähig gewesen, ein Wort zu ihm zu sprechen. Er kennt den Klang meiner Stimme nicht. Alles, was ich gewagt habe und noch wagen muß, geschieht für Einen, der, wenn man ihn fragte, erklären würde, er habe längst vergessen, daß er je ein so unbedentendes Geschöpf, wie ich, gesehen, mit ihm gesprochen und neben ihm gesessen habe.«

»Das heißt, recht unvernünftig einer phantastischen, gefährlichen Leidenschaft nachhängen,« bemerkte Hermione.

»Ihr wollt mir also nicht beistehen?« fragte Margarethe. »Guten Tag, gnädige Frau; ich hoffe, mein Geheimniß ist sicher bei einer so ehrenhaften Dame.«

»Wart' ein wenig,« rief Hermione. »Sag' an, welchen Weg hast du, diesem jungen Menschen zu helfen, falls du Geld erhieltest, um ihn einzuschlagen?«

»Die Frage ist überflüssig,« antwortete Margarethe, »wenn Ihr mir nicht helfen wollt, und im entgegengesetzten Falle ist sie auch überflüssig. Meine Auseinandersetzung würde Euch keine klare Vorstellung geben, und überdem ist die Zeit zu kurz dazu.«

»Aber du hast wirklich einen Weg?« fragte Hermione.

»Mit einer mäßigen Summe,« antwortete das Mädchen, »bin ich im Stande, die Anschläge all' seiner Feinde zu Schanden zu machen, zu vereiteln die Wirkungen des königlichen Zornes, des kälteren, aber entschiedenen Unwillens des Prinzen, die Rachsucht Buckinghams, der sich ungestüm wider Jeden kehrt, der seinem Ehrgeiz in den Weg tritt, die kalte sublimirte Bosheit Dalgarno's – Alles das kann ich zu Schanden machen.«

»Aber läßt sich das thun, ohne daß du dich persönlich in Gefahr begibst?« fragte Hermione. »Denn mag dein Zweck sein, welcher er will, nie darfst du deinen guten Namen und deine Person auf's Spiel setzen bei dem romanhaften Versuche, einem Andern zu dienen. Mädchen, ich bin deinem Pathen, deinem und meinem Wohlthäter, verantwortlich dafür, daß ich dich in keinem gefährlichen oder unwürdigen Unternehmen unterstütze.«

»Verlaßt Euch auf mein Wort, auf meinen Eid, theuerste Frau,« erwiderte Grethchen, »daß ich Andere unmittelbar handeln lassen will, und daß ich nicht beabsichtige, mich persönlich in eine Unternehmung einzulassen, in welcher mein Auftreten gefährlich oder unweiblich wäre.«

»Ich weiß nicht, was ich thun soll,« sprach Hermione. »Es ist vielleicht unvorsichtig und unbedachtsam von mir, ein so sonderbares Vorhaben zu unterstützen. Der Zweck scheint ehrenhaft, wenn nur der Weg sicher ist. – Welche Strafe hat er zu gewarten, wenn er ihnen in die Hände fällt?«

»Ach Gott! den Verlust seiner rechten Hand!« antwortete Grethchen mit einer von Seufzern erstickten Stimme.

»Sind die Gesetze in England so grausam?« fragte Hermione. »Also ist nur im Himmel Erbarmen, wenn selbst in diesem freien Lande die Menschen Wölfe gegen einander sind. – Beruhige dich, Grethchen, und sage mir, wie viel Geld ist nöthig, um die Flucht des Herrn von Glenvarloch zu sichern?«

»Zweihundert Goldstücke,« antwortete Margarethe. »Ich würde Euch sagen, daß ich sie Euch wiedergeben werde, was mir dereinst möglich sein wird, wenn ich nicht wüßte – dächte, daß Ihr in dieser Beziehung gleichgültig seid.«

»Kein Wort weiter!« sprach Hermione. »Rufe Monna Paula.«



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