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Zweites Kapitel.

Wirf deine Angel nach dem Salmen aus,
Und beißt er an, so zieh'. Doch schlüpft er weg,
Laß nach die Schnur wohl dreißig Ellen lang,
Und deine Beute wird der stolze Fisch.
Geduld thut freilich Noth. Der steile Fels,
Der ihm zum Schutz dient, hat manch' scharfe Eck',
Und Schlamm und Schlick sitzt in dem tiefen Loch,
Die Müh' vereitelnd, bist du nicht behutsam.

Albion, oder die Doppelkönige.

Selten erscheint ein Tag der Lust beim Rückblick so wonnig, wie er dem, welcher ihn genossen hat, im Augenblick des Genusses vorgekommen ist. Wenigstens war bei Nigel Olifaunt das Nachgefühl nicht ganz befriedigend, und es bedurfte eines Besuches von seinem neuen Bekannten Dalgarno, um ihn mit sich auszusöhnen. Dieser Besuch fand gleich nach dem Frühstück statt. Dalgarno begann mit der Frage, wie Nigeln die Gesellschaft vom vorigen Abend gefallen habe?

»Sehr wohl,« antwortete Lord Glenvarloch. »Nur würde mir der Witz besser behagt haben, wenn er freier gesprudelt hätte. Jedermanns Erfindungsgabe schien auf dem Streckbett zu liegen, und jedes gespendete Beifallslächeln schien die Hälfte Eurer Witzlinge schwitzen zu machen, um Etwas vorzubringen, was noch toller wäre.«

»Warum sollte es nicht so sein?« fragte Dalgarno. »Wozu anders sind diese Gesellen gut, als vor uns die geistigen Klopffechter zu spielen? Wer unter ihnen sich für verzagt erklärt, sollte ins Teufels Namen auf kahniges Bier und auf die Gesellschaft der Bootsleute beschränkt werden. Verlaßt Euch darauf, mancher feine Gesell ist durch ein Wortspiel oder einen Stich im Meerfräulein tödtlich verwundet, und in einem jämmerlichen Zustande in das Witzspital im Weinkeller geschickt worden, wo er bis auf den heutigen Tag noch unter Narren und Rathsherren kränkelt.«

»Das mag sein,« entgegnete Nigel. »Aber ich möchte bei meiner Ehre darauf schwören, daß ich vergangenen Abend mit mehr als einem Manne in Gesellschaft zu sein glaubte, dessen Geist und Gelehrsamkeit ihm entweder einen höheren Platz in unserer Gesellschaft hätte anweisen, oder ihn von einem Schauplatze hätte entfernt halten sollen, wo er in Wahrheit eine seiner unwürdige untergeordnete Rolle spielte.«

»Geht mir mit Eurem zarten Gewissen!« versetzte Dalgarno. »Was liegt an solchem Auswurf des Parnassus? Diese Leute sind der bloße Abhub von dem köstlichen Schmause von Häringen und Rheinwein, welche London um so viele seiner Hauptwitzlinge und liederlichen Dichter gebracht hat Mehre von diesen waren an den Folgen unmäßigen Genusses gestorben.. Was würdet Ihr erst gesagt haben, hättet Ihr Nash und Green gesehen, wenn Ihr schon ein so lebhaftes Mitgefühl für die armen Schauspieler habt, mit denen Ihr gestern Abend speisetet? Genug, sie sind genetzt und beduselt worden, und sie haben so viel getrunken und geschlafen, daß sie Nichts zu essen brauchen bis heute Abend, wo sie, wenn sie sich Mühe geben, Gönner oder Schauspieler finden werden, die sie abfüttern. Was ihre übrigen Bedürfnisse betrifft, so kann es ihnen nicht an kaltem Wasser fehlen, so lange die neue Stromquelle fließt, und die parnassischen Wämser sind von unvergänglicher Dauer.«

»Virgil und Horaz hatten bessere Gönner,« bemerkte Nigel.

»Freilich,« erwiderte Malcom Dalgarno; »aber diese Burschen sind weder Horaz noch Virgil. Uebrigens haben wir noch Geister anderer Art, bei denen ich Euch mit nächster Gelegenheit einführen will. Shakspeare, der Schwan vom Avon, hat ausgesungen, aber wir haben noch den wackeren alten Ben, der so viel Kenntniß und Genie besitzt, als nur je den Soccus und den Kothurn in Bewegung gesetzt haben. Vorläufig sprech' ich jedoch nicht von ihm. Ich wollte Euch vielmehr bitten, mit mir nach Richmond zu rudern, wo einige von den Herren, die Ihr gestern gesehen habt, einige Schönen mit Musik und Sillabub Ein Getränk von Milch, Wein und Zucker. zu bewirthen gedenken. Ihr werdet unter diesen bemerkenswerthe Augen finden – Augen, die einen Astrologen von seiner Verehrung der Milchstraße ablenken könnten. Meine Schwester, der ich Euch vorzustellen gedenke, ist die Hauptperson in der Gesellschaft. Sie hat ihre Verehrer am Hofe, und gilt, obwohl ich nicht gerade ihren Ruhm ausposaunen sollte, für eine der Schönheiten der Zeit.«

Es ging nicht wohl an, eine Einladung zurückzuweisen, wo der Eingeladene, der sich vor Kurzem noch selber als eine sehr unbedeutende Person betrachtet hatte, einer Dame von Stande, einer der ersten Schönheiten vorgestellt werden sollte. Lord Glenvarloch nahm die Einladung natürlich an, und verlebte einen vergnügten Tag unter den Fröhlichen und Schönen. Er hatte an diesem Tage den dienenden Ritter zu spielen bei der Schwester seines Freundes, der reizenden Gräfin von Blackchester, welche nach einem hohen Range strebte in der guten Gesellschaft nicht nur, sondern auch auf dem Felde des Einflusses und des Witzes.

Sie war bedeutend älter als ihr Bruder, und hatte vermuthlich ihre dreißig Jahre. Aber was ihr an Jugend abging, wurde reichlich ersetzt durch einen sorgfältigen Putz, durch frühzeitige Bekanntschaft mit jeder fremden Mode und durch eine eigne Gabe, denjenigen Putz zu wählen, der sie am besten kleidete. Am Hofe kannte sie so genau wie irgend eine Dame den moralischen, politischen, gelehrten oder scherzhaften Ton, der passend war, wenn man dem Könige antwortete, je nachdem dieser gerade gelaunt war. Man glaubte, sie sei sehr thätig gewesen, um durch ihren persönlichen Einfluß ihrem Gemahl eine hohe Stellung am Hofe zu verschaffen, welche der gichtische alte Vicegraf mit seinem hausbackenen Verstande und Benehmen nie erlangt haben würde.

Für diese Frau war es viel leichter, als für ihren Bruder, einen Neuling am Hofe, wie Lord Glenvarloch, mit den Gewohnheiten des ihm bisher fremden Lebenskreises auszusöhnen. In jeder civilisirten Gesellschaft geben die Frauen von hohem Range und ausgezeichneter Schönheit den Ton an, der zunächst das äußere Benehmen und sodann die Moral bestimmt. Frau von Blackchester hatte überdieß Einfluß am Hofe oder auf den Hof (woher, ließ sich nicht nachweisen), – einen Einfluß, der ihr Freunde verschaffte, und Diejenigen einschüchterte, welche Lust hätten haben können, die Feinde zu spielen.

Eine Zeitlang galt es für ausgemacht, daß sie auf sehr gutem Fuße mit der Familie Buckinghams stehe, von welchem ihr Bruder ein Vertrauter war. Nun war zwar einige Kälte zwischen der Gräfin und der Herzogin von Buckingham eingetreten, und die Erstere schien sich etwas vom Hofe zurückgezogen zu haben; allein dessen ungeachtet flüsterte man sich zu, der Einfluß der Frau Gräfin bei dem Herzoge habe durch ihren Bruch mit der Frau Herzogin nicht gelitten.

Unsere Nachrichten von den Hofränken jener Zeit und von den dabei betheiligten Personen sind zu unvollständig, als daß wir etwas Bestimmtes über die aus den angedeuteten Umständen entspringenden mancherlei Gerüchte sagen könnten. Genug, Frau von Blackchester vermochte Etwas in ihrem Kreise vermöge ihrer Schönheit, ihrer Gewandtheit und ihres bekannten Talentes für Hofränke. Nigel Olifaunt erfuhr bald die Macht ihres Einflusses und wurde ein Sklave der Gewohnheit, welche so viele Männer zu einer bestimmten Stunde in eine gewisse Gesellschaft führt, ohne daß sie einen besondern Genuß daselbst finden oder erwarten.

Mehre Wochen lang war seine Lebensweise folgende. Im Speisehause begannen die Geschäfte des Tages. Der junge Herr hatte bald gefunden, daß wenn auch die Gesellschaft dort nicht immer untadelhaft, der Ort doch sehr passend und angenehm war, um die vornehmen Bekannten zu treffen, mit welchen er Hydepark, die Theater und andere öffentliche Orte besuchte, oder die einen Theil des glänzenden Kreises bildeten, welchen die Gräfin von Blackchester um sich versammelt hatte. Der Abscheu, welcher ihn Anfangs hatte zögern lassen, einen Ort zu betreten, wo das Spielen gestattet war, verlor sich nach und nach. Erst fand er es tadellos, einer Erholung zuzuschauen, bei welcher kein Uebermaß stattfand, dann meinte er, es sei doch ganz unbedenklich, an einer solchen Theil zu nehmen. Er war ein Schotte, frühzeitig an Ueberlegung gewöhnt, und fremd jedem Thun, welches auf ein gleichgültiges Wagen oder tolles Vergeuden von Geld hätte führen können. Ueberdem war er von Natur aus nicht zur Verschwendung geneigt. Wenn sein Vater einen edlen Abscheu fühlte bei dem Gedanken, daß er je einem Spieltische nahen sollte, so war es vermuthlich weniger aus Besorgniß, daß er ein verlierender, als daß er ein gewinnender Abenteurer werden möchte. Der Verlust führte nach der Ansicht des Alten zu einem großen Uebel, zur Zerrüttung des zeitlichen Vermögens, aber mit diesem Uebel endigte er; der Gewinn hingegen setzte Leib und Seele in Gefahr, und um so mehr, je mehr er zunahm.

Die Besorgnisse des alten Freiherrn gingen insofern in Erfüllung, als sein Sohn aus einem Zuschauer bei Glücksspielen allmählig, mit kleinen Wetten beginnend, ein Mitspieler wurde. Es ließ sich nicht leugnen, daß sein Rang und Vermögen ihn berechtigten, ein Paar Goldstücke aufs Spiel zu setzen, (und mehr wagte er nicht) gegen Personen, welche, der Leichtigkeit nach zu urtheilen, mit welcher sie ihr Geld einsetzten, wohl im Stande sein mußten, den Verlust desselben zu ertragen.

Der Zufall, oder vielmehr, wie man allgemein glaubte, sein böser Geist wollte, daß seine Wagnisse ausgezeichnet glücklich waren. Er war ruhig, vorsichtig, kaltblütig, hatte ein gutes Gedächtniß und rechnete gut. Eine oberflächliche Betrachtung seiner Person und wenige mit ihm gewechselte Worte konnten Jeden überzeugen, daß er nicht der Mann sei, der sich betrügen oder einschüchtern lasse. Man spielte darum mit ihm der Regel gemäß, und wenn er, entweder um sein Glück nicht weiter zu wagen oder um einen beginnenden Verlust nicht größer werden zu lassen, das Spiel abbrach, wagten die erklärteren Verehrer Fortunas bei Beaujeu nicht, ihre Unzufriedenheit darüber auszudrücken, daß er mit Gewinn aufstand. Doch als dies öfter vorkam, murrten die Spieler über die Behutsamkeit und das Glück des jungen Schotten, so daß er nichts weniger als beliebt in der Gesellschaft wurde.

Was nicht wenig dazu betrug, ihn in dieser üblen Gewohnheit zu bestärken, war der Umstand, daß sie ihm die Demüthigung ersparte, ferner die Gefälligkeit Anderer zu Vorschüssen in Anspruch zu nehmen, was ohne Gewinn im Spiele unvermeidlich gewesen wäre, um die Kosten seines längeren Aufenthalts in London zu bestreiten. Dieser Aufenthalt war nöthig, weil er beiden Ministern den Vollzug gewisser Förmlichkeiten nachzusuchen hatte, ohne welche die königliche Unterschrift nicht gültig war – ein Gesuch, welches ihm zwar nicht abgeschlagen, aber dessen Erfüllung doch in der Art verzögert wurde, daß Nigel Grund hatte, an ein geheimes Entgegenarbeiten zu glauben. Um der Zögerung ein Ende zu machen, hätte er Lust gehabt, nochmals am Hofe zu erscheinen und sich an den König selber zu wenden mit der Frage, ob die Ausflüchte öffentlicher Diener seine königliche Großmuth unwirksam machen dürften? Allein der Graf von Huntinglen, dieser gute alte Herr, der so ohne alle Umstände sich seiner angenommen hatte, und den er zuweilen besuchte, widerrieth ihm sehr einen solchen Schritt, und forderte ihn auf, ruhig die Ausfertigung der Minister abzuwarten, welche ihn der Nothwendigkeit überheben würde, länger den gehorsamen Diener in London zu machen.

Lord Dalgarno vereinigte seine Vorstellungen mit denen seines Vaters, um seinen jungen Freund von einer zweiten Aufwartung bei Hofe abzuhalten, wenigstens insolange, bis er mit dem Herzoge von Buckingham ausgesöhnt sei, – »ein Geschäft,« sagte er seinem Vater, »worin ich meine geringen Dienste angeboten habe, ohne daß es mir gelungen wäre, den Lord Nigel zu dem geringsten Schritt der Unterwürfigkeit gegen den Herzog von Buckingham zu bewegen.«

»Meiner Treue, Malcolm, ich denke, der junge Mensch hat hier Recht,« bemerkte der wackere alte schottische Landherr. »Welches Recht hat Buckingham oder, deutlicher gesprochen, der Sohn des Herrn Georg Villiers, Huldigung und Ergebenheit zu erwarten von Einem, der ein acht Mal besserer Edelmann ist als er? Ich habe selbst zugehört, wie er ohne den geringsten scheinbaren Grund den jungen Mann seinen Feind nannte, und nie werde ich diesem rathen, ein sanftes Wort zu ihm zu sprechen, bevor er sein hartes zurücknimmt.«

»Das ist auch meine Meinung,« bemerkte Dalgarno. »Aber Ihr werdet zugeben, liebster Vater, daß es hieße, das Aeußerste wagen, wenn unser Freund wieder zur Audienz ginge, während der Herzog sein Feind ist. Ueberlaßt es lieber mir, die Hitze des Unwillens zu mäßigen, welchen der Herzog auf Antrieb von Fuchsschwänzern auf unsern Freund geworfen hat.«

»Wenn du Buckingham überzeugen kannst, daß er Unrecht hat, dann will ich zugestehen, daß ich ein Mal wenigstens Wohlwollen und Ehrlichkeit im Hofdienste gefunden habe. Ich habe dir, Malcolm, und deiner Schwester oft gesagt, daß ich im Allgemeinen eine äußerst geringe Meinung davon habe.«

»Ihr dürft nicht zweifeln, daß ich mein Möglichstes für Nigel thun werde,« erwiderte der junge Freiherr. »Aber Ihr müßt bedenken, daß ich langsamere und gelindere Mittel anwenden muß, als die, durch welche Ihr vor zwanzig Jahren in Gunst gekommen seid.«

»Wahrhaftig, ich fürchte, du wirst es thun,« versetzte sein Vater. »Ich sage dir, Malcolm, ich möchte mich lieber in's Grab wünschen, als deine Ehrlichkeit bezweifeln. Aber wahr ist es, ehrlicher, rascher Dienst ist jetzt am Hofe nicht mehr so wohlgefällig, wie in meinen jüngeren Jahren, und doch kommst du am Hofe empor.«

»Die Zeit bringt Euren altväterischen Dienst nicht mehr mit sich,« erwiderte Malcolm. »Wir haben nicht mehr jeden Tag Aufstände, jede Nacht Mordversuche, wie sie am schottischen Hofe an der Tagesordnung waren. Euer rüstiger, unzarter Dienst mit dem Schwert in der Hand bei dem Herrscher ist nicht länger nöthig und würde eben so unpassend erscheinen, wie Eure altmodischen Knechte mit Abzeichen, Schwertern und Schilden auf einem Hofballe. Ueberdem, liebster Vater, hat allzugroßer Diensteifer seine mißliche Seite. Ich habe aus dem Munde des Königs gehört, daß, als Ihr den Verräther Ruthven erdolchtet, dies mit so geringer Rücksicht geschah, daß die Spitze Eures Gewehres einen Viertelzoll tief in den königlichen Popo eindrang. Der König spricht nie davon, ohne den verletzten Theil zu reiben und sein infandum – – renovare dolorem Den unsäglichen Schmerz erneuern. zu citiren. Seht, das kommt von den alten Moden, vom Tragen Liddesdaler Halbschwerter statt Parmesaner Dolche. Und das nennt Ihr raschen, wackern Dienst! Man hat mir gesagt, der König konnte vierzehn Tage lang nicht aufrecht sitzen, obwohl alle Kissen in Falkland auf seinen Staatssessel gelegt und die des Burggrafen von Dumferline noch dazu geborgt wurden.«

»Das ist eine Lüge!« rief der alte Graf, »eine Lüge, mag sie schmieden, wer da will! Es ist wahr, ich trug einen Kriegsdolch an der Seite, nicht einen Pfriem, wie der deinige, der als Zahnstocher dienen könnte. Und was raschen Dienst betrifft, Schwerenoth! – er muß wohl rasch sein, um zu nützen, wenn Könige Verrath und Mord schreien mit der Stimme einer halberdrosselten Henne. Aber ihr jungen Höflinge wißt nichts von diesen Dingen und seid nicht viel besser, als die grünen Gänse, die man aus Indien bringt und deren einziges Verdienst darin besteht, die Worte ihrer Herren nachzuplappern, – eine Heerde Mauldiener, Schmeichler und Ohrenkriecher. – Je nun! ich bin alt und kann nichts machen, sonst würde ich aufpacken und wieder den Tay über den Campsie Lin stürzen hören.«

»Hört Eure Eßglocke, Vater,« erwiderte Dalgarno, »die gibt, falls das Wildpret, welches ich geschickt habe, etwas taugt, einen mindestens eben so lieblichen Schall.«

»So kommt denn mit, ihr Jungen, wenn ihr Lust habt,« sprach der alte Graf, und schritt aus der Laube, wo dies Gespräch geführt worden war, dem Hause zu.

Wenn Lord Dalgarno mit Nigel allein sprach, kostete es ihn keine große Mühe, denselben zu überreden, vorläufig nicht nach Hofe zu gehen. Auf der andern Seite wurden seine Vorschläge, ihn vorher beim Herzog von Buckingham einzuführen, von Lord Glenvarloch mit entschiedener Verachtung zurückgewiesen. Dalgarno zuckte die Achseln mit der Miene eines Freundes, der einem Starrkopf den besten Rath gegeben hat und der ihm die Folgen seiner Hartnäckigkeit überlassen will.

Was den alten Grafen betrifft, so stand sein Tisch und sein bester Wein, mit welchem er mehr, als Noth that, freigebig war, zur Verfügung seines jungen Freundes; ebenso war er bereit, ihm in seiner Angelegenheit zu rathen und zu helfen. Allein er galt am Hofe in der That viel weniger, als es äußerlich schien, und der Einfluß, den er durch seine wackere Vertheidigung des Königs gewonnen hatte, wurde von ihm so wenig sorgfältig benutzt und von den Günstlingen und Ministern so leicht unwirksam gemacht, daß, mit Ausnahme seltener Fälle, wo er den König gewissermaßen überrumpelte, wie mit der Bittschrift Nigels, die Gnade des Königs nie für ihn oder seine Freunde sehr wirksam war.

»Niemals,« sagte Lord Dalgarno, der vermöge seiner genaueren Kenntniß des englischen Hofes wußte, wo der Fehler bei seinem Vater lag, »nie hat es einen Mann gegeben, der es so vollkommen in seiner Macht gehabt hätte, den Gipfel des Glücks zu ersteigen, wie mein armer Vater. Er hatte das Recht erworben, langsam und sicher Stufe für Stufe die Treppe zu bauen, indem er jede Gnade, die er in einem Jahr erlangte, den Absatz sein ließ, auf welchen die Gabe des nächsten Jahres gesetzt wurde. Allein Euer Glück, Nigel, soll nicht auf demselben Strande Schiffbruch leiden. Ich habe weniger Mittel des Einflusses, als mein Vater hat, oder vielmehr hatte, bis er sie für Sectfässer, Falken, Hunde und dergleichen Trödel wegwarf. Aber ich weiß diejenigen, welche ich habe, weit besser als er zu benutzen, und sie werden für Euch verwendet, mein lieber Nigel. Laßt es Euch nicht wundern oder nehmt es mir nicht übel, wenn Ihr mich jetzt seltner seht, als sonst. Die Hirschjagd hat angefangen, und der Prinz wünscht, daß ich mehr um ihn sei. Eben so darf ich nicht versäumen, dem Herzog fleißig meine Aufwartung zu machen, um Gelegenheit zu finden, Eure Sache zu vertheidigen.«

»Ich habe Euch schon oft wiederholt, daß ich keine Sache vor dem Herzog zu vertheidigen habe,« bemerkte Nigel.

»Ei du grober, argwöhnischer Disputationsrath,« erwiderte Dalgarno, »ich meine das nicht anders als so, wie ich jetzt die Sache des Herzogs vor dir vertheidige. Ich will einen Antheil haben an unseres königlichen Herrn Lieblingssegen: Beati pacifici Selig sind die Friedfertigen.

Bei verschiedenen Gelegenheiten nahmen Nigels Gespräche mit dem alten Grafen und seinem Sohne ziemlich dieselbe Wendung und dasselbe Ende, wie die eben angeführten. Manchmal konnte er sich des Gedankens nicht erwehren, daß der vereinte Einfluß von Vater und Sohn, abgesehen von dem weniger augenfälligen und gerühmten, aber darum nicht minder gewissen Einfluß der Gräfin von Blackchester, seine Angelegenheit, die so einfach geworden war, doch etwas mehr hätte fördern sollen. Allein es war ihm eben so unmöglich, an der ungeschminkten Ehrlichkeit des Vaters, wie an der eifrigen, dienstwilligen Freundschaft des Sohnes zu zweifeln. Ebensowenig konnte er annehmen, daß die Fürsprache der Gräfin, welche ihn mit solcher Auszeichnung aufnahm, ihm fehlen würde, sobald sie Etwas für ihn thun könne. Er fand die von Dalgarno wiederholt gemachte Bemerkung richtig, daß, so lange der Herzog als sein Feind gelte, jeder geringe Beamte, durch dessen Hände sein Geschäft gehen mußte, sich ein Verdienst daraus machen würde, ihm Hindernisse in den Weg zu legen, die er nur durch Geduld und Beharrlichkeit überwinden könne, falls er es nicht vorziehe, den Bruch zu heilen oder, wie Lord Dalgarno es nannte, seinen Frieden mit dem Herzog von Buckingham zu machen.

Ohne Zweifel würde Nigel Glenvarloch sich gern an seinen Freund Georg Heriot gewandt haben, um bei ihm Rath zu suchen, wie er es früher zu seinem Vortheil gethan hatte. Allein das einzige Mal, wo er ihn nach dem Besuch bei Hofe zu sehen bekam, fand er den wackeren Bürger in Anspruch genommen durch eilige Vorbereitungen zu einer Reise nach Paris in wichtigen Geschäften, veranlaßt durch Aufträge des Hofes und des Herzogs von Buckingham, die einen bedeutenden Gewinn abzuwerfen versprachen. Der gute Goldschmied lächelte, als Nigel des Herzogs erwähnte, und drückte seine Ueberzeugung aus, daß seine Ungnade auf dieser Seite nicht von langer Dauer sein werde.

Lord Glenvarloch bezeigte ihm seine Freude über die nahe Versöhnung, und bemerkte, es sei ein peinlicher Gedanke für ihn gewesen, daß Meister Heriot seinetwegen sich den Unwillen oder vielleicht gar die Anfeindungen des mächtigen Günstlings zugezogen haben sollte.

»Edler Herr,« erwiderte Heriot, »für Eures Vaters Sohn würde ich Vieles thun; ja, wenn ich mich selbst recht kenne, würde ich eben so viel thun und wagen für die gerechte Sache in dem Falle einer unbedeutenderen Person, als ich in dem Eurigen gethan habe. Indessen, da wir uns für einige Zeit nicht mehr sehen werden, muß ich die weitere Betreibung dieser Angelegenheit Euch selber überlassen.«

Damit nahmen Beide freundschaftlich Abschied von einander.

Noch andere Veränderungen gingen mit Lord Glenvarlochs Lage vor, die bemerkt zu werden verdienen. Seine gegenwärtigen Beschäftigungen und die Vergnügungen, an welche er sich gewöhnt hatte, machten sein Wohnen in der Altstadt unbequem. Auch schämte er sich wohl ein wenig seiner Kajüte an der Paulslände und wünschte sich eine standesmäßigere Wohnung. Darum miethete er ein Zimmer in der Nähe des Tempels. Doch that ihm dies fast leid, als er bemerkte, daß sein Auszug den Hans Christie einigermaßen, und seine herzliche und gefällige Ehehälfte sehr schmerzte. Der Erstere, ernst in all seinem Thun, drückte blos die Hoffnung aus, daß bisher Alles zur Zufriedenheit des edlen Herrn gewesen sei, und daß er das Haus nicht wegen ungebührlicher Nachlässigkeit von ihrer Seite verlasse. Aber in Frau Lenchens Auge glänzte eine Thräne, als sie die verschiedenen Verbesserungen aufzählte, die sie in dem Zimmerchen zu dem besonderen Zweck der größeren Bequemlichkeit Sr. Herrlichkeit gemacht habe.

»Da war eine große Schiffskiste,« sprach sie, »die ist oben hinauf gebracht worden in die Dachkammer des Ladendieners, so daß der arme Junge kaum achtzehn Zoll Raum behielt, um in sein Bett zu kriechen! und der liebe Gott weiß – ich nicht! – wie sie wieder die enge Treppe herunter gebracht werden soll. Dann die Verwandlung des Verschlags in einen Alkoven, die hat zwanzig blanke Schillinge gekostet, und gewiß, für jeden andern Miethsmann außer Sr. Herrlichkeit würde der Verschlag bequemer sein. Dann all' das Leinengeräth, das ich expreß gekauft habe. – Doch der Wille des Herrn geschehe!«

Jedermann hat Wohlgefallen an Beweisen von Anhänglichkeit. Nigel, der sich innerlich vorwarf, daß sein steigendes Glück ihn die geringen Bequemlichkeiten und die Artigkeiten seiner demüthigen Freunde, welche vor Kurzem noch wahre Gefälligkeiten gewesen, verschmähen lasse, versäumte nicht, durch alle möglichen Versicherungen und durch die freigebigste Bezahlung ihren Schmerz über seinen Abzug zu lindern. Ein Abschiedskuß auf die schönen Lippen seiner Wirthin besiegelte die ihm gewährte Vergebung.

Richard Moniplies blieb einen Augenblick zurück, um Hans Christien zu fragen, ob er nicht im Nothfall einem ehrlichen Schotten eine Gelegenheit zur Rückfahrt ausmachen könne? Auf Christies bejahende Antwort bemerkte er, er wolle ihn bald an seine Zusage erinnern. »Denn,« sprach er, »wenn mein Herr des Lebens in London nicht müde ist, so weiß ich Einen, der es ist, und der bin ich. Ich bin entschlossen, Arthurs Sitz wiederzusehen, ehe ich viele Wochen älter bin.«



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