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Dreizehntes Kapitel.

Was kannst Du denn, Unglückliche, mir melden,
Als Thaten voller Schmerz und Schmach und Sünden?
Bewiesen ist Dein Thun – Du kennst Dein Schicksal;
Doch komm, erzähle mir nur die Geschichte.


Ich habe Qual und Schmerzen anderer Art,
Leiht meinem Weh nur ein geduldig Ohr,
Und find' ich keinen Freund, der helfen kann,
Mög' ich nur einen finden, der mir zuhört.

Crabbe, die Gerichtshalle.

Als Urfried mit Geschrei und Drohungen Rebecca wieder nach dem Gemache zurückgetrieben, aus dem diese sich hervorgewagt hatte, eilte sie, den widerstrebenden Cedric in ein kleines Zimmer zu führen, dessen Thür sie sorgfältig verschloß. Dann nahm sie von einem Credenztische einen Weinbecher und zwei Flaschen, stellte sie auf den Tisch und sagte in einem mehr versichernden als fragenden Tone: »Du bist ein Sachse, Vater, läugne es nur nicht.« Und als sie bemerkte, daß Cedric nichts erwiederte, fuhr sie fort: »Die Töne meiner Muttersprache sind meinen Ohren sehr süß, ob ich sie gleich selten höre, außer von den elenden und entwürdigten Sklaven, denen der stolze Normann die niedrigste Arbeit in diesem Schlosse überlassen hat. Du bist ein Sachse, Vater, ein Sachse, und außerdem, daß Du ein Diener Gottes, ein freier Mann bist, klingen schon Deine Worte meinem Ohre höchst angenehm.«

»Besuchen denn nicht sächsische Priester dieses Schloß?« versetzte Cedric; »es wäre doch, dünkt mich, ihre Schuldigkeit, die verstoßenen und unterdrückten Kinder des Landes zu trösten.«

»Sie kommen nicht,« entgegnete Urfried, »und wenn sie kommen, so schwelgen sie lieber an den Tafeln ihrer Eroberer, als daß sie die Seufzer ihrer Mitbrüder hören sollten, wenigstens hat man mir's so gesagt, denn ich selbst weiß wenig davon. Seit zehn Jahren ist dieses Schloß keinem Priester geöffnet worden, außer dem schwelgerischen normännischen Kaplan, der sich bei den nächtlichen Banketten Front-de Boeuf's einfand und längst abgetreten ist, um von seinem Amte Rechenschaft zu geben. Aber Du bist ein Sachse, ein sächsischer Priester, und ich muß Dir eine Frage vorlegen.«

»Ich bin ein Sachse,« versetzte Cedric, »allein unwürdig des Namens eines Priesters. Laß mich meines Weges gehen; ich schwöre Dir, zurückzukehren, oder einen unserer Väter zu senden, der es mehr verdient, Deine Beichte zu hören.«

»O, verweile nur noch ein wenig,« sagte Urfried, »die Stimme, die Du jetzt vernimmst, wird wohl bald unter der kalten Erde verstummen, und ich möchte doch nicht gern hinabsteigen, wie ich auf ihr gelebt habe. Aber Wein, Wein muß mir Kraft geben, das Schauderhafte meiner Erzählung zu vollenden.« – Mit hastiger Gier trank sie nun den Becher aus, und schien keinen Tropfen davon verlieren zu wollen. »Du schauderst,« sagte sie aufblickend, »aber ich kann Dir nicht helfen! Trink mit mir, Vater, wenn Du meine Erzählung anhören willst, ohne zu Boden zu sinken.« – Gern wäre Cedric diesem Ansinnen ausgewichen, allein die Alte drang mit allen Zeichen der Ungeduld und Verzweiflung in ihn, und so that er ihr Bescheid, indem er einen vollen Becher leerte; hierauf fuhr sie, wie befriedigt, in ihrer Erzählung also fort:

»Ich bin nicht als die Elende, Verworfene geboren, wie Du mich jetzt siehst, Vater. Ich war frei, glücklich, geehrt, ich liebte und wurde geliebt. Jetzt bin ich eine elende, verachtete Sclavin – als ich noch schön war, war ich das Spielwerk der Leidenschaften meines Herrn; ich wurde aber der Gegenstand seiner Verachtung, seines Schimpfes und seines Hasses, als ich es nicht mehr war. Darfst Du Dich noch wundern, daß ich die Menschen hasse, vor allen aber die Abscheulichen, welche mich so weit gebracht haben? Kann auch die verkrüppelte, jammervolle Alte, die Du hier vor Dir siehst, und deren Flüche wirkungslos verhallen müssen, vergessen, daß sie einst die Tochter des edlen Than von Torquilstone war, vor dessen Zorn tausend Vasallen zitterten?«

»Du die Tochter von Torquil Wolfganger?« sagte Cedric, einen Schritt zurückweichend. – »Du? Du die Tochter des edlen Sachsen, des Freundes und Waffengefährten meines Vaters?«

»Deines Vaters Freund?« erwiederte Urfried, »dann steht Cedric der Sachse vor mir, denn der edle Hereward von Rotherwood hatte nur einen Sohn, dessen Name unter seinen Landsleuten wohl bekannt ist. Aber, wenn Du wirklich Cedric von Rotherwood bist, wozu diese heilige Kleidung? Hast Du an der Rettung Deines Vaterlandes verzweifelt, und in den Schatten des Klosters Zuflucht gesucht vor der Tyrannei?«

»Was ich bin, darauf kommt's jetzt nicht an,« versetzte Cedric, »fahre fort, unglückliches Weib, in der Erzählung des Schreckens und der Schuld, denn Schuld muß dabei sein, ja, es ist selbst Schuld, zu leben, um das zu erzählen.«

»Ja, ja,« sagte die Arme, »es ist Schuld, tiefe, schwarze, verdammliche Schuld, Schuld, die centnerschwer auf meiner Seele lastet, Schuld, die alle Fegefeuer nicht wieder von mir nehmen können. Ja, in diesen Hallen, befleckt mit dem edlen und reinen Blute meines Vaters und meiner Brüder – in den nämlichen Hallen als Buhlerin seines Mörders, als Sclavin und Theilnehmerin seiner Lüste gelebt zu haben! O, das mußte jeden Athemzuq, den ich that, zum Verbrechen und Fluch mir machen!«

»Armes, armes Weib!« rief Cedric, »indeß die Freunde Deines Vaters, indeß jedes treue Sachsenherz, wenn es für seine Seele und die Seelen seiner tapfern Söhne betete, in seinem Gebete auch der gemordeten Ulrica nicht vergaß – indeß alle die Todte bedauerten und ehrten, hast Du gelebt, um unsern Haß und unsere Verabscheuung zu verdienen, gelebt, um Dich selbst mit dem elenden Tyrannen zu verbinden, der Dir das Nächste und Theuerste auf Erden mordete, der lieber das Blut der Kindheit vergoß, als daß ein männlicher Sprößling des edlen Hauses von Torquil Wolfganger hätte übrig bleiben sollen; mit dem, mit dem hast Du gelebt, in den Banden einer gesetzlosen Liebe?«

»In gesetzlosen Banden allerdings,« versetzte die Alte, »doch nicht in den Banden der Liebe! Liebe wird eher die Gegenden der ewigen Verdammniß, als diese verfluchten Hallen besuchen. Nein! diese darf ich mir wenigstens nicht vorwerfen, Haß gegen Front-de-Boeuf und sein ganzes Geschlecht hat meine Seele in der tiefsten Tiefe erfüllt, selbst in den Stunden verbrecherischer Freuden.«

»Du haßtest ihn und doch lebtest Du« – erwiederte Cedric; »Elende, gab es denn keinen Dolch, kein Messer, keine Nadel? Gut war es für Dich, da Dir doch ein solches Leben lieb war, daß die Geheimnisse eines normännischen Schlosses unbekannt wie die des Grabes sind. Hätte ich geahnet, daß die Tochter Torquil's in schändlicher Gemeinschaft mit dem Mörder ihres Vaters lebe, wahrlich, das Schwert eines treuen Sachsen würde Dich selbst in den Armen Deines Buhlen gefunden haben.«

»Würdest Du Torquil's Namen wirklich diese Gerechtigkeit erwiesen haben?« sagte Ulrica, denn wir lassen sie nun ihren angenommenen Namen Urfried ablegen. – »Du bist also der treue Sachse, von dem ich so oft gehört habe; denn selbst innerhalb dieser verfluchten Mauern, wo, wie Du richtig sagst, die Schuld sich in undurchdringliches Geheimniß hüllt, hier selbst ist Dein Name erschollen, und ich, elend und entehrt, habe mich gefreut, daß noch ein Rächer unsers unglücklichen Volkes lebte. O, auch ich habe meine Stunden der Rache gehabt, ich habe die Zwistigkeiten unserer Feinde genährt, und trunkene Schwelger zu wüthenden Mördern erhitzt; ich habe ihr Blut fließen sehen, habe ihr Sterberöcheln gehört! Sieh' mich an! Cedric, sind denn in diesem verblichenen Gesichte nicht noch Spuren von Torquil's Zügen übrig geblieben?«

»Frage mich nicht darnach, Ulrica,« versetzte Cedric in einem Tone des Kummers, zu dem sich Abscheu mischte, »diese Züge bilden eine Aehnlichkeit, wie die eines aus dem Grabe erstandenen Todten, wenn ein böser Geist den leblosen Körper wieder beseelt hat!«

»Und doch,« sagte Ulrica, »trugen diese feindlichen Züge die Maske eines Geistes des Lichts, als sie im Stande waren, den ältern Front-de-Boeuf und seinen Reginald in Zwist und Streit zu verwickeln – o, die Dunkelheit der Hölle sollte eigentlich das nun Folgende verbergen, aber die Rache muß den Schleier erheben, und schrecklich zeigen, was auch Todte zu lauter Rede erwecken könnte. Lange hatte das Feuer der Zwietracht zwischen dem tyrannischen Vater und dem wilden Sohne unter der Asche geglimmt; lange hatte ich selbst insgeheim den unnatürlichen Haß genährt – in einer Stunde trunkener Schwelgerei brach er aus, und an seinem eigenen Tische fiel mein Unterdrücker durch die Hand seines eigenen Sohnes – so sind die Geheimnisse beschaffen, welche dieses Schloß verschließt. Brecht zusammen, ihr verfluchten Gewölbe,« setzte sie hinzu, indem sie zum Dache aufblickte, »brecht zusammen, und begrabt in eurem Falle die Mitwissenden dieses grausamen Geheimnisses.«

»Und Du, Geschöpf der Schuld und des Elends,« sagte Cedric, »was wurde denn Dein Loos beim Tode Deines Räubers?«

»Errathe es, aber frage nicht! – Hier, hier wohnte ich, bis Alter, frühzeitiges Alter seine häßlichen Züge meinem Gesichte aufdrückte, verachtet und beschimpft, wo man mir sonst gehorchte, und gezwungen, die Rache, die einst ein so freies Feld hatte, auf kleine Bosheiten eines mißvergnügten Hausgenossen, oder auf leere Flüche und Verwünschungen einer ohnmächtigen Verabscheuten zu beschränken – verurtheilt, von meinem einsamen Gemache aus die Töne der Schwelgerei zu vernehmen, woran ich sonst selbst Antheil genommen hatte, oder das Schreien und die Seufzer neuer Schlachtopfer der Tyrannei und des frechsten Uebermuthes.«

»Ulrica,« sagte Cedric, »wie kannst Du es wagen, mit einem Herzen, das, wie ich fürchte, sich noch immer nach dem verlornen Lohne seiner Verbrechen, so wie nach den Thaten sehnt, wodurch Du diesen Honigtrank gewannst, Dich an Jemand zu wenden, der ein solches Kleid trägt? Bedenke, unglückliches Weib, was könnte der heilige Eduard selbst für Dich thun, gesetzt auch, er stände leibhaftig vor Dir? Der königliche Bekenner wurde zwar vom Himmel mit der Macht begnadigt, körperliche Geschwüre zu heilen, allein den Aussatz der Seele kann nur Gott von Dir nehmen.«

»Wende Dich nicht von mir, ernster Prophet des Zornes,« rief sie aus, »sondern sage mir, wenn Du kannst, worin werden sich diese neuen und schrecklichen Gefühle endigen, die in meiner Einsamkeit hervorbrechen? Warum erheben sich längst begangene Sünden auf's Neue vor mir in unwiderstehlichem Entsetzen? Welches Schicksal ist jenseits des Grabes derjenigen bestimmt, der Gott auf Erden ein so unaussprechlich jammervolles Loos anwies? O, hätte ich mich doch lieber an Wodan, Hertha, Zernebock, an Misa und Stogula, die Götter unserer, wenn auch ungetauften Vorfahren gewendet, als solche marternde Vorgefühle zu dulden, welche lange schon wie Gespenster mir im Wachen und Schlafe erscheinen.«

»Ich bin kein Priester,« sagte Cedric, sich unwillig von diesem quälenden Gemälde der Schuld, des Unglücks und der Verzweiflung abwendend, »ich bin kein Priester, ob ich gleich das Gewand eines Priesters trage.«

»Priester oder Laie,« entgegnete Ulrica, »Du bist der Erste, den ich seit zwanzig Jahren sehe, der Gott fürchtet und Menschen achtet, und Du übergibst mich der Verzweiflung?«

»Nein, der Reue,« sagte Cedric, »büße und bete, und mögest Du Erhörung finden! Aber ich kann, ich will nicht länger bei Dir verweilen.«

»Bleib noch einen Augenblick,« versetzte Ulrica, »verlaß mich jetzt nicht, Sohn des Freundes meines Vaters, damit der Dämon, der mein Leben beherrscht hat, mich nicht versuche, Rache an Dir selbst zu nehmen, wegen Deiner hartherzigen Verachtung. Glaubst Du denn, daß, wenn Front-de-Boeuf Cedric den Sachsen in solcher Verkleidung in seinem Schlosse fände, Dein Leben noch lange dauern würde? Schon ist sein Auge auf Dich gerichtet, wie das eines Falken auf seine Beute.«

»Mag es sein,« sagte Cedric, »aber er soll mich eher mit dem Fänger zerreißen, als meine Zunge ein Wort spricht, das mein Herz nicht verbürgt. Als ein Sachse will ich sterben, redlich in Worten und offen in Thaten! – Berühre mich nicht, halte mich nicht auf! Front-de-Boeuf's Anblick selbst würde mir nicht so verhaßt sein, als Du mir bist, so entwürdigt ausgeartet.«

»Nun,« sagte Ulrica, »so geh denn Deines Weges, und vergiß im Uebermuthe Deines Stolzes, daß die Unglückliche vor Dir die Tochter des Freundes Deines Vaters ist. – Geh' Deines Weges! Bin ich auch durch meine Leiden von der Menschheit getrennt, getrennt von denen, auf deren Hülfe ich mit Recht hoffen durfte, so werde ich darum doch nicht von ihnen getrennt sein in meiner Rache! Kein Mensch soll mir helfen, aber die Ohren aller Menschen sollen gellen, wenn sie von den Thaten hören, welche ich auszuführen wagen werde. – Leb wohl! Deine Verachtung hat das letzte Band zerrissen, welches mich an mein Geschlecht knüpfte, den Gedanken, daß mein Schmerz das Mitleid meines Volkes erwecken dürfte.«

»Ulrica,« sagte Cedric, durch diese Reden besänftigt, »hast Du das Leben ertragen unter so viel Schuld und Elend, und willst Du Dich nun der Verzweiflung überlassen, da Deine Augen sich für Deine Schuld öffnen, und Reue Dein Geschäft sein sollte?«

»Cedric,« sagte Ulrica, »Du kennst das Herz des Menschen wenig. Zu handeln, wie ich gehandelt, zu denken, wie ich gedacht habe, erfordert die wahnsinnige Liebe zum Vergnügen, vermischt mit dem kühnen Durst nach Rache, dem stolzen Bewußtsein der Tränke, die zu bezaubernd für das menschliche Herz sind, um sie zu genießen und doch die Kraft der Reue zu behalten. Ihre Einwirkungen sind längst vorüber. Das Alter hat keine Freuden; Runzeln machen keinen Eindruck, die Rache stirbt selbst in ohnmächtigen Verwünschungen. Dann kommen die Gewissensbisse, gleich den Nattern, vermischt mit vergeblichem Bedauern des Vergangenen, und Verzweiflung vor der nahenden Zukunft! Dann, wenn alle andern mächtigen Antriebe aufgehört haben, werden wir den Feinden der Hölle gleich, die wohl Gewissensqual, aber nimmer Reue fühlen mögen. Doch Deine Worte haben eine neue Seele in mir geweckt. Wohl hast Du gesprochen, Alles ist möglich für die, welche zu sterben wissen. Du hast mir die Mittel zur Rache gezeigt, und sei versichert, ich werde sie ergreifen. Bis jetzt hat sie diesen Busen mit andern Leidenschaften getheilt, von nun an soll sie ihn allein besitzen, und Du selbst sollst sagen, wie auch Ulrica's Leben war, ihr Tod ziemte der Tochter des edlen Torquil! Es gibt noch eine Streitkraft, außer der, die das Schloß belagert, eile, sie zum Angriff auf das Schloß zu führen, und wenn Du eine rothe Fahne wehen siehst von dem Thurme am westlichen Ende des Gefängnisses, dann dränge die Normänner hart, sie werden dann genug innerhalb zu thun haben, und ihr mögt den Wall erstürmen, trotz Bogen und Wurfgeschütz. Eile, ich bitte Dich! folge Deinem Schicksale, und mich überlaß dem meinen.«

Cedric hätte sie gern weiter über den Anschlag ausgeforscht, den sie so dunkel andeutete, allein man vernahm die donnernde Stimme Front-de-Boeuf's, welcher rief: »Wo schleicht denn der Priester umher? Beim heiligen Jakob von Compostella, ich will einen Märtyrer aus ihm machen, wenn er länger hier umherkriecht, um Verrath unter meinen Dienern auszubrüten.«

»Welch ein wahrer Prophet ist doch ein böses Gewissen,« sagte Ulrica. »Doch achte nicht auf ihn! Fort zu Deinem Volke! Laßt den sächsischen Schlachtruf ertönen, und laß sie ihren Kriegsgesang von Rollo singen, die Rache soll Euch unterstützen.«

Mit diesen Worten verschwand sie durch eine verborgene Thür, und Reginald Front-de-Boeuf trat in's Zimmer. Cedric zwang sich, dem stolzen Baron seine Unterwürfigkeit zu bezeugen, und dieser beantwortete dies mit einem leichten Kopfneigen.

»Die Beichte hat lange gedauert, Vater,« sagte er, »desto besser für sie, denn es ist ihre letzte. Hast Du sie zum Tode bereitet?«

»Ich fand sie,« sagte Cedric in so gutem Französisch, als er's konnte, »auf's Aeußerste gefaßt von dem Augenblicke an, wo sie erfuhren, in wessen Hände sie gefallen.«

»Hört, Bruder,« versetzte Front-de-Boeuf, »Eure Sprache, dünkt mich, schmeckt ein wenig nach Sächsischem.«

»Ich ward in dem Kloster des heiligen Withold zu Burton erzogen,« entgegnete Cedric.

»So?« sagte der Baron, »doch es wäre besser für Dich gewesen, wärst Du ein Normann, auch besser für meinen Zweck – doch Noth läßt unter den Boten keine Wahl! St. Witholds Kloster zu Burton ist ein Eulennest, das muß ausgestöbert werden. Es wird bald eine Zeit kommen, wo die Kutte den Sachsen eben so wenig schützen wird, als der Panzer.«

»Gottes Wille geschehe,« sagte Cedric mit vor Wuth zitternder Stimme, was jedoch Front-de-Boeuf für Furcht hielt.

»Ich sehe,« sagte er, »Du träumst schon, daß unsere Bewaffneten in Deinem Refektorium und Bierkeller sind. Aber lege mir zu Gefallen einmal Dein heiliges Amt ab, und übernimm ein anderes Geschäft, und Du sollst so ruhig in Deiner Zelle schlafen, wie die Schnecke in ihrem Hause.«

»Sprecht, was befehlt Ihr,« sagte Cedric mit unterdrückter Bewegung.

»Folge mir durch diese Thür, dann laß ich Dich durch ein heimliches Pförtchen hinaus.«

Indeß so beide zusammen fortgingen, unterrichtete Front-de-Boeuf den vermeintlichen Mönch in der Rolle, die er spielen sollte.

»Du siehst,« sagte er zu ihm, »jene Heerde sächsischer Schweine, die es gewagt haben, das Schloß von Torquilstone zu belagern. Rede ihnen Etwas vor, von der Unbesonnenheit dieses Unterfangens, oder was Du sonst willst, das sie nur vierundzwanzig Stunden aufhält! Unterdessen trage dieses Papier – doch, kannst Du lesen, Priester?«

»Nicht ein Jota, außer in meinem Brevier,« erwiderte Cedric, »und das kann ich auch bald auswendig.«

»Desto besser für meinen Zweck. Also bringe das Papier auf das Schloß von Philipp de Malvoisin, sage, es käme von mir, es sei geschrieben von dem Templer Brian de Bois-Guilbert, und ich lasse ihn bitten, es auf's Allereiligste nach York zu senden. Unterdessen melde ihm, daß er uns Alle gesund und wohlbehalten hinter unsern Verschanzungen finden werde. Schande, daß wir uns vor Landstreichern so verbergen müssen, die sonst gewohnt sind, vor dem Schall der Hufe unserer Rosse zu fliehen. Ich sage Dir, Priester, wende alle Deine Kunst an, die Schurken da festzuhalten, wo sie stehen, so lange, bis unsere Freunde ihre Lanzen zusammenbringen. Meine Rache ist wach, und gleicht einem Falken, der nicht schlummert, bis er sich vollgefressen hat.«

»Bei meinem Schutzpatron,« sagte Cedric mit einer tiefern Energie, als seinem Charakter ziemte, »und bei jedem Heiligen, der je in England gelebt hat und gestorben ist, Euer Befehl soll vollzogen werden. Kein Sachse soll sich von der Stelle vor diesen Wällen wegbegeben, wenn ich darauf einen Einfluß haben kann.«

»Ha!« sagte Front-de-Boeuf, »Du änderst Deinen Ton, Priester, Du sprichst kurz und kühn, gleich als wäre Dein Herz bei der Niederlage der sächsischen Heerde interessirt, und doch bist Du selbst mit den Schweinen verwandt.«

Cedric war in der Kunst der Verstellung nicht sehr geübt, und hätte jetzt wohl eine Unterstützung durch einen Einfall aus Wamba's fruchtbarem Gehirn brauchen können, indessen schärft, nach einem alten Sprichworte, Noth die Erfindungskraft, und so murmelte er unter seiner Kutte etwas davon, daß die Menschen da draußen von Kirche und Staat excommunicirte Geächtete wären.

» Des par Dieux!« versetzte Front-de-Boeuf, »Du hast ganz die Wahrheit gesprochen. Ich vergaß, daß die Buben einen feisten Abt ebenso gut ausziehen können, als wenn sie südlich von jenem salzigen Kanale geboren wären. War es nicht der von St. Ives, den sie an eine alte Eiche banden, und zwangen, eine Messe zu singen, indeß sie seine Mantelsäcke durchwühlten. Doch nein; der Streich wurde von Gualtier von Middleton ausgeführt, einem unserer eigenen Waffengefährten. Aber Sachsen waren es doch, die die Kapelle zu St. Bees des Kelches, der Schale und der Leuchter beraubten, nicht wahr?«

»Gottlose Menschen waren's,« versetzte Cedric.

»Und allen Wein tranken sie aus, und alles Bier, das man sich zu manchem geheimen Feste aufgespart hatte, wenn man Euch nur mit Vespern und Vigilien beschäftigt glaubt. Du bist verbunden, solch einen Kirchenraub zu rächen, Priester.«

»Ja, zur Rache bin ich verbunden,« murmelte Cedric, »der heilige Withold kennt mein Herz.«

Front-de-Boeuf führte indessen den Bruder zu dem Pförtchen, und durch dasselbe auf einem bloßen Brette über den Schloßgraben nach einem äußern Vertheidigungswerke, das durch einen wohlvertheidigten Eingang mit dem offenen Felde zusammenhing.

»Nun,« sagte er, »so richte Dein Geschäft aus, und wenn Du wieder kommst, sollst Du sächsisches Fleisch so wohlfeil finden, als irgend einmal das Wildpret auf den Fleischbänken zu Sheffield war.«

»Wir sehen uns gewiß wieder,« versetzte Cedric.

»Hier etwas darauf,« fuhr der Normann fort, als sie sich an dem letzten Ausgange trennten, und drückte dabei dem widerstrebenden Cedric einen goldenen Byzantiner in die Hand; »bedenke,« setzte er hinzu, »daß ich Dir Kutte und Haut zugleich abziehen lasse, wenn Dir Dein Vorhaben mißlingt.«

»Das magst Du beides thun,« versetzte Cedric, mit freudigen Schritten über das freie Feld hineilend, »wenn ich bei unserem Zusammentreffen mein Handgeld nicht besser verdiene.« – Kurz darauf aber wandte er sich nach dem Schlosse um, warf die Goldmünze dem Geber nach, und rief: »Falscher Normann, Dein Geld komme mit Dir um!«

Front-de-Boeuf konnte diese Worte nicht recht verstehen, allein die Handlung schien ihm verdächtig. »Bogenschützen!« rief er den Wächtern auf dem äußersten Werke zu, »schießt doch dem Mönche einen Pfeil durch seine Kutte! – Doch nein; er wird's nicht wagen, mich zu betrügen, kann ich mich doch an die sächsischen Hunde halten, die ich noch in Banden habe. Gefangenwärter, laß Cedric von Rotherwood und seinen Gefährten, Athelstane von Coningsburgh, erscheinen! Setzt mir auch einen Schoppen Wein in den Waffensaal, und führt dann die Gefangenen dorthin.«

Seine Befehle wurden vollzogen, und als er in das alte gothische Gemach trat, ausgeschmückt mit mancher Waffenbeute, die er seiner und seines Vaters Tapferkeit verdankte, fand er eine Flasche Wein auf dem alten eichenen Tische, und die zwei sächsischen Gefangenen unter einer Bewachung von vier seiner Leute. Nach einem langen Zuge aus der Flasche wandte sich Front-de-Boeuf zu den Gefangenen. Die Art, wie Wamba die Kappe über's Gesicht zog, der Wechsel der Kleidung, das düstere gebrochene Licht, und des Barons gänzliche Unbekanntschaft mit Cedric's Gesichtszügen (denn dieser vermied seine normännischen Nachbarn auf alle Weise, und kam selten über sein Eigenthum hinaus), hinderten ihn zu erkennen, daß der Bedeutendste seiner Gefangenen entkommen sei.

»Nun, tapfere Engländer,« sagte Front-de-Boeuf, »wie gefällt Euch Eure Unterhaltung zu Torquilstone? Merkt Ihr, was Euch Eure Grobheit und Anmaßung durch Verachtung der Unterhaltung und Gesellschaft eines Prinzen aus dem Hause Anjou zugezogen hat? Habt Ihr vergessen, wie Ihr die unverdiente Gastfreundschaft des königlichen Johann vergolten habt? Bei Gott und dem heiligen Dionys, zahlt Ihr mir nicht die reichste Lösung, so laß ich Euch an den eisernen Stäben dieser Fenster bei den Beinen aufhängen, bis die Geier und Raben Euch zu Skeletten gemacht haben. Sprecht, Ihr sächsischen Hunde, was bietet Ihr für Euer Leben? Was sagt Ihr, Ihr von Rotherwood?«

»Nicht einen Deut gebe ich,« sagte Wamba, »denn man hat mir gesagt, daß in meinem Gehirn schon das Unterste zu oberst gekommen ist, seitdem man mir die Kindermütze aufgesetzt hat; hängt Ihr mich nun bei den Beinen auf, so kommt Alles wieder in die gehörige Ordnung.«

»Heilige Genoveva!« versetzte Front-de-Boeuf, »was ist das?« Und mit einem Zuge riß er Wamba die Kappe vom Gesicht, und indem er dabei dessen Hals entblößte, entdeckte er zugleich das Zeichen der Knechtschaft, den eisernen Ring um denselben.

»Giles! Clemens!« rief der wüthende Normann, »wen habt Ihr mir denn hergebracht, Ihr Schurken?«

»Das kann ich Euch sagen,« fiel de Bracy ein, der so eben in's Zimmer trat, »es ist Cedric's Narr, der sich mit Isaac von York so tapfer um den Vorrang stritt.«

»Ich will ihn entscheiden,« versetzte Front-de-Boeuf, »sie sollen beide an demselben Galgen hängen, wenn nicht sein Herr und der Bär von Coningsburgh ihr Leben tüchtig bezahlen. Ihr Reichthum ist das Geringste, was sie uns ausliefern sollen; sie müssen erst den Schwarm, der unser Schloß umstellt hat, fortschaffen, dann eine schriftliche Verzichtleistung auf ihre vermeintlichen Freiheiten ausstellen, und wie eigene Leute und Vasallen unter uns leben; glücklich genug, wenn wir ihnen nur die Luft zum Athemholen gestatten. »Geht,« fuhr er zu den beiden Dienern fort, »und bringt mir den wahren Cedric zur Stelle, dann soll Euch der Irrthum verziehen sein, zumal da Ihr einen Narren für einen sächsischen Freisassen angesehen habt.«

»O,« sagte Wamba, »Eure ritterliche Excellenz werden finden, daß mehr Narren als Freisassen unter uns sind.«

»Was meint denn der Schurke,« sagte Front-de-Boeuf, indem er sich nach seinen Begleitern umsah, welche zögernd die Meinung hervorstotterten, daß, wenn dieser nicht Cedric wäre, sie nicht wüßten, was aus demselben geworden sei.

»Heilige des Himmels!« rief de Bracy, »so muß er unter der Verkleidung des Mönchs entkommen sein.«

»Teufel!« versetzte Front-de-Boeuf, »da hab' ich ihn wahrlich selber davon kommen lassen. Aber Du,« fuhr er Wamba an, »Du sollst mir's büßen. Ich lasse Dir lebendig den Schädel abziehen und stürze Dich dann häuptlings von den Mauern herunter! Nun, Spaßmacher, treib doch Dein Geschäft!«

»Ihr meint es doch immer besser mit mir, als Eure Reden,« versetzte Wamba, dessen Gewohnheit zu scherzen selbst durch die nahe Aussicht auf seinen Tod nicht vertilgt werden konnte, »denn wenn Ihr mir eine rothe Kappe geben wollt, so macht Ihr ja aus einem bloßen Mönche einen Cardinal.«

»Der arme Mensch,« sagte de Bracy, »ist entschlossen, in seinem Berufe zu sterben. Front-de-Boeuf, laß ihn leben, schenke mir ihn zur Belustigung meiner Freicompagnie! Was meinst Du dazu, Schelm, willst Du Pardon annehmen und mit mir in den Krieg ziehen?«

»O ja, mit meines Herrn Erlaubnis«,« sagte Wamba, »denn seht, ich kann ja ohne seine Erlaubniß nicht aus diesem Halsbande kriechen.« Hier zeigte er auf dasselbe.

»O eine normännische Säge wird bald ein sächsisches Halsband zerschneiden,« sagte de Bracy.

»Ja, edler Herr,« sagte Wamba, »und denkt Ihr nicht auch an das Sprichwort:

Des Normanns Säg' an englischer Eiche,
Des Normanns Joch auf englischem Nacken,
Des Normanns Löffel in englischer Speise,
Und England bewegt sich in des Normanns Gleise.
In England wird nimmer Freude mehr sein,
Bis England sich kann von allen Vieren befrei'n.«

»Ei,« sagte Front-de-Boeuf, »das gefällt mir, Du belustigst Dich hier mit dem Narren, indem uns das Verderben umgarnt. Siehst Du denn nicht, daß unser Plan, mit unsern Freunden uns in Verbindung zu setzen, mißlungen ist, und zwar durch denselben buntgekleideten Gentleman, mit dem Du ein so vertraulich Gespräch führst? Was haben wir anders zu erwarten, als den augenblicklichen Sturm?«

»Auf die Mauern also!« sagte de Bracy, »wann hast Du mich je den Kopf hängen sehen, beim Gedanken an eine Schlacht? Laß den Templer nur halb so für sein Leben fechten, als er für seinen Orden gefochten hat! Du selbst begib Dich mit Deiner Hauptmacht auf die Wälle, und mich laß meine schwachen Versuche auf meine Hand machen, und ich sage Dir, die Sachsen sollen eher den Himmel erklettern, als das Schloß Torquilstone. Willst Du aber mit den Räubern unterhandeln, warum brauchst Du nicht die Vermittlung dieses würdigen Freisassen, der in tiefe Betrachtung der Weinflasche versunken scheint? Höre, Sachse,« fuhr er fort, sich an Athelstane wendend und ihm die Schale mit Wein hinreichend, »spüle Deinen Hals mit dieser edlen Feuchtigkeit aus, und sage dann, was willst Du thun für Deine Freiheit?«

»Was ein sterblicher Mensch kann,« erwiderte Athelstane, »vorausgesetzt, daß es etwas ist, was ein männlicher Mann darf. Laßt mich frei mit meinem Gefährten, und ich zahle Euch tausend Mark Lösegeld.«

»Und willst Du uns überdies den Rückzug des Menschentrosses versichern, der um unser Schloß schwärmt, gegen Gottes und des Königs Frieden?« sagte Front-de-Boeuf.

»In so weit ich's vermag, will ich sie zurückziehen,« versetzte Athelstane; »ich hoffe auch, daß Vater Cedric Alles, was er kann, zu meiner Unterstützung versuchen wird.«

»Nun, so sind wir einig,« sagte Front-de-Boeuf, »Ihr sollt in Freiheit gesetzt werden, und Friede soll auf beiden Seiten sein gegen Bezahlung von tausend Mark! Es ist eine unbedeutende Summe, Sachse, und wirst uns Dank wissen für die Mäßigung, die sie statt Eurer Personen annimmt. Aber, merke Dir's, sie erstreckt sich nicht auf den Juden Isaac.«

»Auch nicht auf des Juden Tochter,« sagte der Templer, der jetzt hinzugekommen war.

»Diese gehören ja nicht zu dieses Sachsen Gefährten,« sagte Front-de-Boeuf.

»Ich wäre ja nicht werth ein Christ zu heißen, wenn das wäre,« versetzte Athelstane; »verfahrt mit den Ungläubigen wie Ihr wollt.«

»Auch schließt das Lösegeld die Lady Rowena nicht mit ein,« sagte de Bracy, »man soll nicht sagen, daß ich einen schönen Preis fahren ließ, ohne einen Schlag darum zu thun.«

»Auch bezieht sich,« sagte Front-de-Boeuf, »unser Vertrag nicht auf den unglücklichen Narren, denn den behalte ich zum abschreckenden Beispiel für jeden Schelm, der aus Scherz Ernst machen möchte.«

»Lady Rowena,« versetzte Athelstane mit fester Stimme, »ist meine verlobte Braut. Ich lasse mich eher von wilden Pferden zerreißen, als daß ich sie aufgebe. Der Sclave Wamba hat heute das Leben meines Vaters Cedric gerettet, und eher will ich das meine verlieren, ehe ich ihm ein Haar krümmen lasse.«

»Deine verlobte Braut? Lady Rowena, die Braut eines Lehnsmannes, wie Du?« sagte de Bracy; »Sachse, Du träumst wohl, die Zeiten der sieben Königreiche wären zurückgekehrt? Ich sage Dir, die Prinzen aus dem Hause Anjou geben ihre Pflegebefohlenen nicht an Männer von solcher Herkunft, wie Du bist.«

»Meine Herkunft, stolzer Normann,« sagte Athelstane, »leitet sich aus einer reinern und ältern Quelle ab, als die eines bettelhaften Franzosen, der seinen Unterhalt dadurch sucht, daß er das Blut von Räubern verkauft, die er unter seiner elenden Fahne sammelt. Könige waren meine Ahnherren, tapfer im Kriege und weise im Rathe, Könige, die jeden Tag in ihren Hallen mehrere Hunderte speisten, als Du einzelne Leute aufzählen kannst; Könige, deren Namen Minstrels sangen, deren Gesetze durch Witenagemotes aufbewahrt wurden. Könige, deren Gebeine unter den Gebeten von Heiligen eingesenkt, und über deren Gräbern Münster erbaut wurden.«

»Da hast Du's,« sagte Front-de-Boeuf, recht zufrieden mit der derben Entgegnung, die sein Gefährte eben erfahren hatte, »ja, der Sachse hat Dich derb getroffen.«

»So derb ein Gefangener treffen kann,« sagte de Bracy mit anscheinender Sorglosigkeit; »der, dessen Hände gebunden sind, muß wenigstens die Zunge frei haben. Aber Deine spitzige Antwort,« fuhr er zu Athelstane fort, »wird Dir die Freiheit der Lady Rowena nicht gewinnen.«

Athelstane antwortete darauf gar nicht, denn er hatte schon viel länger gesprochen, als er selbst über den ihm wichtigsten Gegenstand zu sprechen pflegte. Unterdessen wurde die Unterredung durch einen Diener unterbrochen, welcher meldete, daß ein Mönch Einlaß am verborgenen Pförtchen begehre.

»Wie?« sagte Front-de-Boeuf, »sollte dies ein wirklicher Mönch sein, oder wär' es auch ein Betrüger? Holt ihn! Sclaven, aber wenn Ihr mir wieder einen Betrüger einführt, so laß ich Euch die Augen ausreißen und glühende Kohlen in die Höhlen stecken.«

»Ich will Euren ganzen Zorn auf mich laden,« sagte Giles, »wenn dies nicht ein wirklicher Geschorner ist. Euer Knappe Jocelyn kennt ihn recht gut, es ist der Bruder Ambrosius, ein Mönch aus dem Gefolge des Abtes von Jorvaulx.«

»Wahrscheinlich,« sagte Front-de-Boeuf, »bringt er uns Nachricht von seinem lustigen Herrn. Gewiß hält der Teufel Kirche, und die Priester sind von ihrem Dienste abgelöst, daß sie so wild durch's Land ziehen. Fort mit den Gefangenen, und bedenke, was Du gehört hast, Sachse!«

»Ich verlange,« sagte Athelstane, »ein anständiges Gefängniß mit ordentlichem Tisch und Lager, wie sich's ziemt für meinen Rang, und Jemand fordern kann, der wegen Lösegeldes in Unterhandlung steht! Ueberdies halte ich den, der sich selbst für den Besten unter Euch hält, für verbunden, mir mit seiner Person für diesen Angriff auf meine Freiheit zu antworten. Diese Ausforderung ist Dir bereits durch Deinen Vorschneider überbracht worden, Du bist das Haupt! Du bist verbunden, mir Rede zu stehen! Hier liegt mein Handschuh.«

»Auf die Ausforderung meines Gefangenen antworte ich nicht,« sagte Front-de-Boeuf, »auch Du sollst es nicht, Moritz de Bracy! – Giles,« fuhr er fort, »hänge des Freisassen Handschuh über den Deinen dort auf das Hirschgeweihe! Hier bleibe er so lange, bis er frei ist. Verlangt er ihn hernach wieder, oder behauptet er, daß er unrechtlich zum Gefangenen gemacht worden, dann, beim Wehrgehänge des heiligen Christoph, dann soll er mit einem Manne sprechen, der es nie verschmäht hat, einem Feinde zu Fuß oder zu Roß zu begegnen, allein oder mit seinem Vasallen zur Seite.«

Die sächsischen Gefangenen wurden gerade hinweggebracht, als man den Mönch Ambrosius hereinführte, der in großer Gemüthsunruhe zu sein schien.

»Das ist das wahre Deus vobiscum,« sagte Wamba, als er an dem heiligen Bruder vorüberging, »die andern waren nur nachgemacht.«

»Heilige Mutter!« sagte der Mönch, die versammelten Ritter anredend, »endlich bin ich also glücklich in christlicher Obhut.«

»In Obhut bist Du,« versetzte de Bracy, »und das Christliche anlangend, so steht hier der tapfere Freiherr Reginald Front-de-Boeuf, dessen höchster Abscheu ein Jude ist, und dort der gute Tempelritter, Brian de Bois-Guilbert, dessen Geschäft es ist, Saracenen zu schlagen – wenn dies keine guten Zeichen von Christenthum sind, so kenne ich keine andern, die sie an sich trügen.«

»Ihr seid Freunde und Bundesgenossen unsers ehrwürdigen Vaters in Gott, des Abts von Jorvaulx,« sagte der Mönch, ohne auf den Ton von de Bracy's Antwort zu achten; »Ihr seid ihm Hülfe schuldig aus ritterlicher Treue und christlicher Liebe, denn was sagt der heilige Augustin in seinem Werke: De civitate Dei« –

»Was redest Du da, Priester,« unterbrach ihn Front-de-Boeuf; »wir haben jetzt nicht Zeit, auf die Texte aus den heiligen Vätern zu hören.«

» Sancta Maria!« rief Vater Ambrosius, »wie schnell dieses Laienvolk zum Zorn ist! – Ihr müßt wissen, tapfere Ritter, daß einige mörderische Schurken, alle Gottesfurcht verläugnend und alle Achtung gegen die heilige Kirche, nicht bedenkend die Bulle des heiligen Stuhls: Si quis, suadente Diabolo« –

»Das wissen wir Alles, Bruder Priester,« sagte der Templer, »nur rund heraus, ist Dein Herr, der Prior, gefangen worden, und von wem?«

»Ach! er ist in den Händen von Belial's Kindern, den Waldräubern hier herum, Verächtern der heiligen Worte: Tastet meine Gesalbten nicht an, und thut meinen Propheten kein Unrecht!«

»Also wir sollen dem Abte helfen, statt Hülfe von ihm zu erwarten?« sagte Front-de-Boeuf. »Nun, was wünscht und hofft denn Dein Herr von uns?«

»Ach, die Belialskinder haben den guten Herrn ganz ausgezogen, alles Geräth abgenommen und noch zweihundert Mark feinen Goldes dazu; jetzt wollen sie noch eine ungeheure Summe von ihm, ehe sie ihn aus ihren unreinen Händen entlassen wollen. Also läßt Euch der ehrwürdige Vater in Gott bitten, Ihr möchtet entweder die Geldsumme für ihn bezahlen, oder ihn mit dem Schwerte in der Hand befreien.«

»Ei was, denkt denn der Abt,« sagte Front-de-Boeuf, »ein normännischer Baron soll einen Mann der Kirche auslösen, deren Beutel zehnmal schwerer sind, als unsere, und was vermag jetzt unsere Tapferkeit, da wir von einer zehnmal größeren Anzahl jeden Augenblick einen Sturm zu erwarten haben.«

»Das wollte ich eben melden,« sagte der Mönch, »hätte mich Eure Hastigkeit nur zum Worte kommen lassen – sie bilden ein ordentliches Lager und erheben einen Wall gegen die Mauern dieses Schlosses.«

»Auf die Mauern denn!« rief de Bracy, »wir müssen sehen, was die Schurken beginnen.« – Er öffnete eine Gitterthür, die auf einen Balkon führte, und rief sogleich von draußen herein in's Zimmer: »Heiliger Dionys, der Mönch hat Recht! Sie bringen wirklich Schanzgeräth herbei, und die Bogenschützen stehen am Saume des Waldes, gleich den dunklen Wolken bei einem Ungewitter.«

Reginald Front-de-Boeuf schaute gleichfalls hinaus und stieß sogleich in sein Horn, worauf er allen seinen Leuten befahl, sich an ihre Posten auf die Mauern zu begeben.

Alles gerieth jetzt im Schlosse in die lebhafteste Thätigkeit, und die dringendsten Bitten des Mönchs blieben unbeachtet. Front-de-Boeuf spottete selbst des Beistandes der Heiligen, die der Priester anrufen wollte, welches de Bracy sehr übel vermerkte, und meinte, daß man ihres Beistandes in diesem Strauße wohl bedürfen werde. Unterdessen hatte sich der Templer mit mehr Ruhe von den Anstalten der Belagerer zu unterrichten gesucht.

»Wahrlich,« sagte er, »diese Menschen nähern sich mit einer Ordnung und Kriegserfahrung, die man nicht von ihnen hätte erwarten sollen. Sie müssen, glaube ich, von einem Ritter oder Edlen angeführt werden, der das Kriegshandwerk aus dem Grunde versteht. Doch sehe ich keinen Helmbusch, kein Banner.«

»Einen Helmbusch sehe ich,« sagte de Bracy, »auch das Schimmern einer Rüstung. Seht Ihr nicht den schwarzen Harnisch, der den vordersten Trupp der Schurken führt? Beim heiligen Dionys, der ist sicherlich der schwarze Faullenzer, der dem Front-de-Boeuf in Ashby so zusetzte.«

»Desto besser,« sagte dieser, »daß er hieher kommt, mir Revanche zu geben. Es muß ein ziemlich gemeiner Bursche sein, daß er's nicht gewagt hat, den Preis, den ihm das Glück im Turniere zuwandte, öffentlich in Anspruch zu nehmen. Umsonst habe ich überall nach ihm gespäht, wo Ritter und Edle ihre Feinde zu suchen pflegen, es ist recht gut, daß er sich nun unter dem gemeinen Volke dort zeigt.«

Die Bewegungen der Feinde brachen jedoch alle weitere Unterredung ab. Jeder Ritter begab sich auf seinen Posten und an die Spitze der wenigen Leute, welche man zusammenbringen konnte, und deren Anzahl freilich nichts weniger als hinreichend war, den ganzen Umfang der Mauern zu vertheidigen. Mit Entschlossenheit erwartete man so den drohenden Sturm.



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