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Achtes Kapitel.

»Ich habe den Brief nicht zusammengelegt,« sprach der Sänger, indem er dem Ritter das von ihm abgefaßte Schreiben behändigte, »denn er ist nicht so abgefaßt, daß Ihr das Geheimnis erraten könntet, und ich glaube nicht, daß Ihr durch die darin enthaltenen Worte irgendwelche Klarheit gewinnen werdet; indessen dürft Ihr bezüglich dessen, was nicht darin steht, durchaus beruhigt sein. Was ich mit diesen Worten sagen will, ist nichts weiter, als daß das Schreiben von jemand herrührt, der für Euch und Eure Besatzung das beste wünscht, und an ebensolchen jemand gerichtet ist.«

Der Ritter befahl sein Roß zu satteln und las während dieser Zeit das von dem Sänger abgefaßte Schreiben. Dasselbe lautete:

»Teurer Augustin! – Der Schloßhauptmann, Sir John de Walton, hat den Verdacht geschöpft, von welchem ich unterwegs mehr denn einmal gesprochen habe. Kein Wunder, denn wir sind ohne klar und bestimmt ausgesprochenen Zweck in dieses Land gekommen. Zunächst bin ich in Haft genommen worden und stehe unter Androhung peinlicher Befragung, damit ich über den Zweck unserer Wanderung hierher meine Aussage gebe. Indessen soll man mir eher das Fleisch von den Knochen reißen, als mich zum Bruch des Euch geleisteten Eides zwingen. Zweck dieses Schreibens ist, Euch Kenntnis zu geben, daß die gleiche Gefahr Euch droht, sofern Ihr nicht geneigt sein solltet, mir die Erlaubnis zur Offenbarung unseres Geheimnisses zu erteilen. Ihr braucht mir hierüber lediglich Eure Wünsche zu sagen. Seid versichert, daß ich ihnen gemäß handeln werde.

Euer ergebener Bertram.«

Nicht das geringste Licht warf der Brief auf das Geheimnis des Sängers. Der Schloßhauptmann las ihn mehrmals durch und drehte ihn nach allen Seiten herum, umsonst: es ließ sich nicht das mindeste aus dem Inhalt herausschälen, was ihm auch nur Anhalt geboten hätte, sich Licht zu verschaffen.

Sir John de Walton sah das Müßige solchen Beginnens ein und begab sich in die Halle, um dort Sir Aymer in Kenntnis zu setzen, daß er nach der Abtei hinüber reiten wolle, und ihm für die Zeit seiner Abwesenheit die Schloßhauptmanns-Obliegenheiten zu übergeben.

Als der hohe Ritter vor dem in Ruinen liegenden Kloster erschien, trat auf der Stelle der Abt vor das Tor, ihn seiner Dienstfertigkeit zu versichern, waren doch Kloster und Insassen einzig und allein unter den obwaltenden Verhältnissen im Lande auf die Nachsicht der englischen Garnison im Schlosse angewiesen.

Sir John fragte den Greis nach dem im Kloster aufhältlichen Jüngling und vernahm, daß derselbe, seit er von seinem Vater, einem Sänger mit Namen Bertram, hierher gebracht worden, krank gelegen habe. Der Greis setzte hinzu, daß es sich seines Vermutens um jene ansteckende Seuche handle, die damals die Grenzen von England verheerte und bereits nach Schottland übergegriffen habe.

Sir John behändigte dem Abte das Schreiben des Sängers; aber es währte nicht lange, so kam der Abt, zitternd vor Angst, zurück mit dem Bescheide des Jünglings, momentan könne und wolle er den Ritter nicht empfangen; wenn derselbe am anderen Morgen nach der Messe sich wieder herbemühen wolle, so wäre es vielleicht möglich, ihm zu sagen, was er zu wissen begehre.

»Das ist kein Bescheid, den solch ein grüner Bursch einem Manne von meinem Rang und Stande melden lassen darf,« sprach der Ritter, »und ich muß meiner Verwunderung darüber Ausdruck geben, Herr Abt, daß Euch um Euer eigenes Wohl so wenig zu tun ist, daß Ihr es wagen konntet, solch unverschämte Botschaft an mich zu übernehmen.«

Der Abt suchte sich zu entschuldigen. Er verpfändete sein heiliges Wort, daß der unbedachte Inhalt dieser Botschaft einzig und allein in der aus solcher Krankheit hervorgehenden mürrischen Stimmung zu suchen sei. Er sprach von den Rücksichten und Pflichten, die der Schloßhauptmann von Douglas gegen Kloster und Abtei von Saint-Bride zu beobachten habe, die doch der englischen Regierung nimmer Ursache zu Klagen gegeben habe. Er betonte, daß er nicht zugeben könne, einen kranken Jüngling, der im Heiligtum der Kirche Zuflucht gesucht habe, in irgend welche Gefahr zu bringen oder in Haft zu nehmen, falls nicht Anklage wegen besonderen Verbrechens erhoben würde, die aber sogleich auch nach Recht und Gesetz durch Beweise erhärtet werden müsse. Das Geschlecht der Douglas, obgleich bekannt durch Rauheit und gewalttätigen Sinn, habe das Heiligtum der Abtei Saint-Bride jederzeit hochgehalten und respektiert, und es sei wohl nicht zu vermuten, daß der König von England, der römischen Kirche frommer und pflichtgetreuer Sohn, die Rechte derselben geringer halten werde, als die Anhänger eines Thronräubers und Mörders und im Kirchenbann befindlichen Mannes wie Robert Bruce.

Sir John de Walton wußte, welche Macht dem Papste in jedem Streite zustand, in welchen ihm Einmischung beliebte, daß von demselben in dem Kampf um die Oberherrschaft in Schottland Rechte geltend gemacht würden, die nach den zurzeit gültigen Anschauungen am Ende für besser und begründeter galten als die vom König von England einer-, von Robert Bruce andererseits erhobenen. Er mußte sich demnach sagen, daß ihm sein König für einen durch ihn hervorgerufenen Zwist mit der Kirche kaum dankbar sein werde. Zudem war es ja leicht, Augustins Flucht während der Nachtzeit durch Wachen zu hindern, so daß er sich am anderen Morgen ebenso sicher in der Gewalt der Engländer befinden, als wenn er im Augenblick durch offene Gewalt in Haft genommen würde.

Indessen besaß der Ritter soviel Gewalt über den Abt, daß er von ihm für die Zusage, die Abtei für die Dauer der Nacht als Heiligtum zu halten, die Gegenzusage erhielt, ihm mit seinem geistlichen Ansehen behülflich zu sein, daß der Jüngling ausgeliefert werde, falls er keinen ausreichenden Grund für das Gegenteil beizubringen imstande sei.

Diese Abrede bestimmte den Ritter, die von Augustin mehr begehrte als nachgesuchte Begünstigung zu gewähren – »mit der Voraussetzung jedoch,« schloß er, »daß Ihr ihm die Erlaubnis weigert, die Abtei zu verlassen, und Euch für ihn verbürgt, wogegen ich Euch die Vollmacht einräume, über unsere kleine Besatzung von Hazelside zu verfügen, der ich übrigens bei meiner Rückkehr nach dem Schlosse Verstärkung senden werde, für den Fall es notwendig sein sollte, Gewalt zu gebrauchen oder andere Maßregeln zu ergreifen.«

»Ich kann mir nicht denken, Herr Ritter, daß es nicht gelingen sollte, den Starrsinn des Jünglings durch Worte zu bekämpfen; ich möchte sogar annehmen, daß Ihr die Art und Weise, wie ich mich der Pflichten, die mir dieser Vorfall überweist, entledigen will, nicht anders als billigen werdet.«

Sir John lehnte alle Bewirtung ab, verabschiedete sich und spornte sein Roß. Es währte nicht lange, so trug ihn das edle Tier wieder über die Zugbrücke. Sir Aymer hielt vor dem Schloßtor, um zu melden, daß sich in der Garnison keinerlei Änderung vollzogen habe; indessen sei ihm Kunde geworden, daß ein Dutzend Mannen auf dem Marsche nach Lannark begriffen seien und im Schlosse Einkehr halten wollten oder, falls dem Hauptmann dies genehmer sei, im Vorposten von Hazelside sich quartieren würden.

»Ich bestimme das letztere,« erwiderte Sir John, »zumal ich eben willens bin, die dort liegende Garnison zu verstärken. Der naseweise Musje, Bertrams Sohn oder was er sonst sein mag, hat sich verpflichtet, sich morgen zum Verhör zu stellen. Da die im Anmarsch befindliche Abteilung zu dem Korps Eures Oheims Lord Pembroke gehört, ersuche ich Euch, ihr entgegenzureiten und sie so lange in Hazelside zu halten, bis Ihr weitere Erkundigungen über diesen Sängerknaben eingezogen habt. Ich verlange vollständige Aufklärung über das ihn umgebende Geheimnis und Antwort auf das Schreiben des Sängers, das ich dem Abt von Saint-Bride eigenhändig übergeben habe. Ich verlasse mich darauf, daß Ihr den Knaben scharf im Auge haltet und unter sicherer Begleitung hierher schafft, weil er meiner Meinung nach ein Gefangener von Wichtigkeit ist. Ich habe in dem Falle schon viel zu viel Nachsicht bewiesen.«

»Zu Befehl, Sir John!« versetzte der junge Ritter, »sofern Ihr für jemand, welcher die Ehre hat, direkt nach Euch an diesem Platze Zu rangieren, keine wichtigeren Befehle habt!«

»Entschuldiget, bitte, Herr Ritter,« antwortete der Schloß»Hauptmann, »falls Ihr den Auftrag für unter Eurer Würde halten solltet –«

»Nicht im geringsten«, sagte hierauf Sir Aymer; »doch eine Frage: was soll geschehen, wenn sich der Abt widersetzt?«

»Sich widersetzt?« fragte Sir John; »mit Lord Pembrokes Kriegsleuten befehligt Ihr über zwanzig Mann wenigstens, Berittene, die Bogen und Speer führen, und gegen Euch steht ein knappes halbes Dutzend scheuer alter Mönche, die außer Kutte und Kapuze über nichts verfügen –«

»Schon recht,« bemerkte Sir Aymer, »aber mit Kirchenbann und Exkommunikation hat heutzutage niemand gern was zu tun, auch Leute im Harnisch nicht; und aus der christlichen Kirche gestoßen zu werden, möchte ich keinesfalls riskieren.«

»Der Abt hat mir die Auslieferung des jungen Menschen zugesagt, Herr Ritter,« versetzte hierauf Sir John nicht ohne Schroffheit, »falls er sich nicht aus freien Stücken ausliefert.«

Dieser Bescheid schloß weiteren Einspruch aus. Sir Aymer de Valence, in der Meinung, nutzloserweise mit einem Auftrag unbedeutender Art geplagt zu werden, legte die für kurze Ritte im Bereich der Besatzungsmauern übliche halbe Rüstung an und ritt mit seinem Knappen Fabian und einigen Dienstmannen aus dem Schlosse.

Der Abend ging mit einem jener schottländischen Nebel zu Ende, die unter anderen besser bestellten Himmelsstrichen als Regenschauer gelten. Der Pfad wurde immer düsterer; die Höhen hüllten sich in Dunstmassen, ihr Aufstieg wurde immer mühsamer.

In der Meinung, eher auf geraden Weg zu kommen, ritt er durch den verödeten Flecken, der noch immer den Namen Douglas führte, dessen Einwohner aber zufolge der harten Behandlung, die während dieser wilden Kämpfe die Engländer übten. Zum weitaus größten Teile nach anderen Grafschaften geflüchtet waren. Ein plumpes Palisadenwerk und eine noch plumpere Zugbrücke dienten als Schutzwehren. Die Straßen waren so schmal, daß kaum drei Pferde nebeneinander laufen konnten. Von irgendwelcher Haustätigkeit oder freundnachbarlichen Vereinigung nirgendwo eine Spur; aus keinem Fenster schimmerte Licht; in allen Teilen Schottlands, deren Ruhe nicht als ausgemacht sicher galt, war die alte Verordnung, mit der Abendglocke alles Feuer zu löschen, die noch von Wilhelm dem Eroberer herrührte, in voller Geltung. Daß die ehemaligen Besitztümer des Geschlechtes der Douglas in erster Reihe als solche galten, braucht nicht gesagt zu werden.

Sir Aymer war eben bis vor den alten, in Trümmern liegenden Kirchhof des ebengenannten uralten Geschlechts gelangt, als er außer dem Schall der Hufe der eigenen Rosse Klänge zu vernehmen meinte, die sich anhörten wie der Tritt eines anderen Ritterpferdes, das mit schwerem Gestampf, wie ihnen entgegen, die Straße heraufkam. Valence war außerstande zu sagen, woher solch kriegerischer Klang kommen könne; aber der Schall von Hufen und das Klirren von Waffen und Rüstung war zu deutlich, als daß sich das Ohr eines Kriegers hätte irren sollen. Daß sich gemeines Kriegsvolk nachts außerhalb der Quartiere umhertrieb, war allerdings keine besondere Seltenheit; aber die Erscheinung eines gewappneten Reiters in voller Rüstung auf ein Vorkommnis gewöhnlicher Natur zurückzuführen, war nicht so leicht. Vielleicht bemerkte, da das Mondlicht mit vollem Glanze den Fuß der Anhöhe traf, auch der unbekannte Krieger in diesem Augenblick den englischen Ritter mit seinem Gefolge. Von beiden Seiten ertönte wenigstens der übliche Alarmruf »Wer da!«, dem auf der einen Seite durch den Gegenruf »Sankt Georg!«, auf der anderen durch den Gegenruf »Douglas!« geantwortet wurde.

Aus den Winkeln der kleinen verfallenen Straße und aus den stillen Gewölben der von den Engländern durch Feuer zerstörten Kirche hallten die Rufe in schreckhaften Echos wider.

Verdutzt über das Schlachtgeschrei, an das sich so schmerzvolle Erinnerungen knüpften, spornte Sir Aymer sein Roß zu vollem Galopp und jagte den steilen beschwerlichen Abhang hinunter, der zu dem südlichen und südöstlichen Tore des Platzes führte. Dem Knappen die lange Lanze aus der Faust reißen und zum Stoß einlegen mit dem Rufe: »Beim heiligen Georg! Kameraden, Nieder mit allem, was sich Schotte nennt! Fabian, ans Tor! Schneidet ihm die Flucht ab! Bogen und Partisanen, Sankt Georg für England!« war das Werk einer Sekunde.

Das Licht jedoch kam und schwand im Nu, und obgleich nach Sir Aymers Dafürhalten kein feindlicher Krieger Raum finden konnte, dem Angriff auszuweichen, konnte er sein Ziel doch nicht anders als aufs Geratewohl nehmen. Unter Steingeröll und anderem Weghindernis raste er den finsteren Abhang hinunter, ohne in der Finsternis auf den Gegenstand seiner Verfolgung zu treffen, fünfzig Ellen tief hinunter. Die Straße war so eng und schmal, daß niemand an ihm vorbeikonnte, niemand sich an der Seite halten konnte. Es war nicht anders möglich, als daß der feindliche Reiter durch die Luft verschwunden war. Der Schrecken, der zumeist in den Gemütern Platz griff, sobald der Name Douglas hörbar wurde, bemächtigte sich der Reiter im Gefolge des Ritters, und als der Ritter das Tor erreichte, mit welchem die holperige Gasse endigte, befand sich außer seinem Knappen Fabian, dessen furchtsame Regungen im Nu verflogen, wenn die Stimme des von ihm mit Liebe verehrten Herrn an sein Ohr schlug, kein Reiter hinter ihm.

Am Tore war ein Kommando der Armbrustschützen postiert, das in heftige Bestürzung geriet, als Sir Aymer mit seinem Knappen zwischen sie, hineinsauste.

»Schufte!« schrie der Ritter sie an, »warum achtet Ihr nicht auf Euren Dienst? Wer ist in diesem Moment mit der verräterischen Parole Douglas durch Euren Posten geritten?«

»Wir wissen von solchem Reiter so wenig, wie wir solche Parole vernahmen«, versetzte der Wachthauptmann.

»Das heißt,« rief der junge Ritter, »Ihr Schufte habt Euch wieder einmal viehisch besoffen und im Schlafe gelegen!«

Die Soldaten verwahrten sich gegen solche Beschuldigung, aber so verworren, daß des Ritters Verdacht sich eher verstärkte denn minderte. Er befahl Fackeln und Lichter zu bringen. Was an Bewohnern in dem Flecken noch da war, entschloß sich mürrisch, mit solchem Gerät, das ihnen zur Beleuchtung noch verfügbar war, zur Wache zu ziehen. Mit Verwunderung hörten sie dem Berichte zu, den der junge Ritter von seinem Erlebnis gab, schenkten demselben aber geringen Glauben, obgleich sein ganzes Gefolge jedes Wort bestätigte, meinten vielmehr, der junge Ritter suche bloß nach einem Vorwande, um die paar Leute, die noch im Orte waren, schärfer zu drangsalieren als bisher. Indessen wagte keiner von ihnen, solchen Gedanken laut zu äußern, aber durch einzelne Ausrufe, die sie miteinander wechselten, gaben sie ihrer geheimen Freude über den Schreck, der der englischen Garnison in die Glieder gefahren war, heimlich Ausdruck. Nichtsdestoweniger taten sie nach wie vor, als verfolgten sie mit höchstem Interesse die weitere Entwickelung der Dinge und ließen nicht nach in ihren Bemühungen, der Erscheinung nachzuspüren.

Endlich tönten aus dem Stimmengewirr aus weiblichem Munde die Worte:

»Wo ist der Ritter aus dem Süden? Ich kann ihm sagen, wo er die einzige Person zu suchen hat, die ihm aus seiner zurzeit so schwierigen Lage heraushelfen kann.«

»Und wer ist die Person?« fragte Sir Aymer, voll des Verdrusses über soviel zwecklos verlorene Zeit, zugleich aber ängstlich besorgt über das Auftauchen eines bewaffneten Parteigängers der Douglas in dem Stammorte ihres Geschlechts, der sich doch in Gewalt der Engländer befand.

»Kommt mit,« rief die Stimme wieder, »und ich will Euch den Mann nennen, der alle Dinge solcher Art zu deuten vermag.«

Der Ritter riß einem neben ihm stehenden Manne die Fackel aus der Hand und hielt sie empor. Eine Frau von hoher Gestalt suchte seine Blicke auf sich zu lenken. Als er näher trat, gab sie ihm in ernstem, feierlichem Tone die gewünschte Kunde.

»Einst hatten wir weise Leute allerorten, die jede Parabel beantworten konnten, die ihnen auf dieser Seite der Insel vorgelegt wurde. Ob ihr Herren die Hand im Spiele gehabt habt, sie auszurotten, darüber zu urteilen geziemt nicht mir; aber fest steht, daß man heutzutage nicht mehr den alten guten Rat bekommen kann wie früher in diesem Lande der Douglas. Auch darf man wohl gelten lassen, daß er nicht mehr in derselben Weise gern gegeben wird wie ehedem.«

»Schottin,« sprach de Valence, »sofern Ihr mir Erklärung dieses Geheimnisses schafft, will ich Euch ein graues Mieder vom besten Wollenzeug schenken.«

»Ich erhebe nicht Anspruch,« erwiderte die Alte, »Kunde zu besitzen, die Euch helfen könnte. Aber wissen muß ich, daß den Mann, den ich Euch nennen werde, weder Unbill noch Schaden treffen soll.. Versprecht Ihr mir das auf Ritterwort und Ehre?«

»Ganz ohne Frage!« versetzte de Valence; »der Mann soll sogar Dank und Belohnung ernten, sofern er die Wahrheit redet. Auch für den Fall sogar, daß er sich eingelassen haben sollte auf gefährliche Pläne oder in Verschwörungen, gelobe ich Pardon.«

»O! solcher Fall ist bei diesem Manne nicht zu gewärtigen«, sagte die Frau; »es ist unser alter Gevatter Powheid, dem die Sorge und Aufsicht über die Grabdenkmäler obliegt, diejenigen wenigstens, die ihr Herren Engländer noch übrig gelassen habt. Ich meine unseren uralten Küster von Douglas. Der kann mehr Geschichten von diesen alten Schloßherren und Schloßleuten erzählen, als Zeit wäre bis zur heiligen Weihnacht, sie zu erzählen.«

»Weiß jemand, wen die alte Frau meint?« fragte Sir Aymer, sich an seine Mannen wendend.

»Ich denke mir,« erwiderte Fabian, »daß sie den alten, in Kindheit verfallenen Narren meint, den man oft als Gewährsmann für die Geschichte und die Altertümer dieser alten Stadt wie auch des wilden Geschlechts nennen hört, das vielleicht schon vor der Sündflut hier gehaust hat.«

»Und der, wie ich glaube,« setzte der Ritter hinzu, »von dem Vorfall soviel wissen wird wie die Alte selber! Aber er soll Küster sein, der Alte? Nun, dann weiß er vielleicht mit Verstecken Bescheid, die sich in gotischen Bauten so häufig finden und denen bekannt zu sein pflegen, die dort Verrichtung haben. Kommt, Frau, und bringt mich zu dem Manne. Aber schnell! Denn wir haben schon zuviel nützliche Zeit vergeudet.«

»Zeit?« wiederholte die Frau; »bringt Euer Gnaden Zeit in Anrechnung? Meine Zeit reicht kaum noch, um Leib und Seele zusammenzuhalten. Ihr seid nicht mehr weit vom Hause des Alten.«

Über Haufen von Schutt, und Stein führte der Weg, den die Alte dem Ritter voranging, der seinem Knappen die Zügel seines Rosses in die Hand legte und hinter seiner Führerin herstieg, so gut es die Beschwernisse der pfadlosen Strecke gestatteten. Bald befanden sie sich zwischen den Ruinen der alten Kirche. Die alte Frau schwatzte unterwegs in einemfort: »Der alte Mann wird seinen Obliegenheiten nachgehen. Mich wundert bloß, daß er sich zu solcher Stunde und in so schwerer Zeit mit dergleichen Dingen plagt! Aber, Gott steh uns bei! Die Zeit wird wohl noch reichen für sein und mein Leben; ist sie doch, soweit ich urteilen kann, noch gut genug für uns Lebende!«

»Wißt Ihr auch, Frau, ob zwischen diesen Ruinen ein Mensch lebt?« fragte de Valence; »mir kommt es weit eher so vor, als führtet Ihr mich in ein Beinhaus.«, »Vielleicht habt Ihr nicht unrecht, Herr Ritter«, erwiderte die Frau mit gräßlichem Lachen; »alte mürrische Leute sind recht für Grabgewölbe und Leichenhäuser; und wenn ein alter Totengräber bei den Toten wohnt, so haust er doch, wie Ihr wißt, unter seinen Kunden! Holla, Powheid! Lazarus Powheid! Holla! Hier ist ein Herr, der mit Euch reden will!« Dann setzte sie mit gewissem Nachdruck hinzu: »Ein edler Herr englischer Herkunft von der höchst ehrsamen englischen Garnison auf Schloß Douglas.«

Jetzt wurden langsame Schritte laut und bald fiel der Schatten eines Greises auf die vom Mond beleuchteten Mauertrümmer des Gewölbes. Bald, sah man, daß seine Kleidung in liederlichem Stande war, ganz als ob er eben aus dem Bett gesprungen sei; denn seit der Einwohnerschaft im ganzen Douglas-Tale alle künstliche Beleuchtung durch die Engländer verboten war, war die Gewohnheit eingerissen, von der Dämmerzeit ab sich dem Schlaf zu überlassen.

»Was wollt Ihr von mir, junger Herr?« fragte der Greis, ein großer, durch Alter und Entbehrungen abgemagerter Mann, dessen Körper durch die Arbeit des Grabschaufelns gebeugt war, dem aber das Gewand eines Laienbruders einen Anschein von kirchlicher Würde lieh; »Eure jugendlichen Züge und weltliche Kleidung deuten mir auf einen Menschen, der meines Dienstes weder für sich noch für andere bedarf.«

»Ich bin freilich noch lebendig,« versetzte der Ritter nicht ohne Humor, »und brauche also für mich selbst weder Schaufel noch Hacke; auch für keinen Verwandten, denn ich trage ja kein Trauerkleid; ich wünsche nichts weiter, als Euch ein paar Fragen zu stellen, Alter.«

»Was Ihr haben wollt, sollt Ihr bekommen,« erwiderte der Küster, »denn Ihr gehört ja zu denen, die uns dermalen regieren, und seid wie mir scheint, ein Mann von höherem Range. Folgt mir in meine dürftige Wohnung. Vordem besaß ich eine bessere; aber sie ist, der Himmel weiß es, noch gut genug für mich, seit sich Menschen weit höheren Standes mit einer noch schlechteren abfinden müssen!«

Er öffnete eine niedrige Tür, die zu einer Art von gewölbtem Kellerloch führte, in welchem der Greis, wie es schien abgesondert von aller Welt, seine elende Behausung hatte. Der Fußboden war aus Steinen gebildet, die stellenweise noch Schrift und Embleme trugen, als seien sie vordem Grabsteine gewesen. Am oberen Ende des Gewölbes brannte ein Feuer, dessen Rauch Abzug durch ein Mauerloch fand. In einer anderen Ecke standen Schaufel und Hacke nebst anderem Gerät. Ein paar roh gezimmerte Stühle bildeten mit einem ebensolchen Tische und einem Strohlager an der Längsseite des Kellers den einzigen Hausrat. Am unteren Ende des Raumes war die Wand fast ganz durch ein großes Wappenschild verdeckt, das sechszehn besondere Wappenfelder aufwies, jedes mit eigentümlichen und besonderen Sinnbildern und zusammen um das Hauptwappen in schicklicher Weise gruppiert.

»Setzen wir uns,« sprach der Greis, »ich werde Eure Worte dann besser hören können und der Husten wird milder mit mir umgehen, so daß Ihr auch meine Worte besser versteht.«

Der Ritter folgte dem Beispiel seines Wirtes und ließ sich auf einem der rohen Stühle neben dem Feuer nieder. Der Greis, von heftigem Husten befallen, holte aus einem Winkel in einer Schürze zerschlagene Bretter herbei, von denen Stücke noch mit schwarzem Tuch bekleidet, auch mit schwarzen, bisweilen vergoldeten Nageln beschlagen waren.

»Man darf hier das Feuer nicht ausgehen lassen,« erklärte der Greis, »weil sich bei Nachlassen der Wärme Dünste aus diesen Gräbern sammeln, die den Lungen gesunder Leute, wie Euer Gnaden, von großem Schaden sind. Ich habe mich mit der Zeit freilich daran gewöhnt.«

Die Überreste von Särgen, die der alte Mann auf seinem Kamin zusammengeschichtet hatte, fingen langsam an zu schwelen, bis schließlich eine Flamme aufloderte, die den finsteren Raum mit geisterhafter Helligkeit erfüllte.

»Ihr wundert Euch, Herr Ritter,« sagte der Greis, »und habt vielleicht nie zuvor gesehen, daß Reste von Toten gebraucht wurden, den Lebendigen Behaglichkeit zu schaffen?«

»Behaglichkeit?« wiederholte mit Achselzucken der Ritter; »es möchte mir leid tun, sollte ich einen Hund so schlecht beherbergen müssen, wie du hier hausest, dessen weißes Haar sicherlich bessere Tage gesehen hat.«

»Vielleicht,« antwortete der Küster, »vielleicht auch nicht! Indessen ist es mir so, als seien Euer Gnaden nicht abgeneigt gewesen, mir einige Fragen über mein Vorleben vorzulegen? Ich wage deshalb die Erkundigung, worauf Eure Fragen sich richten sollten.«

»Ich will klar und kurz sein,« antwortete Sir Aymer, »und Ihr sollt mir klar und kurz antworten. Ich bin in den Gassen dieses Fleckens eben einem Menschen begegnet, der so verwegen ist, die Warenzeichen der Douglas zu tragen – ein Lichtstrahl, der auf seine Person fiel, hat es mir gezeigt – der so verwegen war, und meine Ohren trügen mich nie, sogar den Kriegsruf der Douglas ertönen zu lassen! Darf ich meinem flüchtigen Blicke trauen, so besaß dieser Verwegene sogar die Gesichtszüge derer von Douglas und die ihnen eigentümliche dunkle Hautfarbe. Ich bin an dich verwiesen worden, Alter, weil du die Mittel besitzen sollst, mir Aufklärung über diesen seltsamen Umstand zu geben. Als englischer Ritter, der unter König Eduard dient, bin ich verpflichtet, diesen Vorfall auf das genaueste zu untersuchen.«

»Erlaubt mir, Herr Ritter, hier eine Unterscheidung zu machen,« sprach der Greis, »die Herren von Douglas aus früheren Generationen sind meine nächsten Nachbarn, nach der Meinung meiner abergläubischen Mitbürger meine Bekannten und Gäste. Für ihre gute loyale Aufführung kann ich mein Gewissen mit Verantwortung belasten, kann mich verbürgen, daß die alten Barone, bis auf die man, der Sage nach, den Wurzeln dieses mächtigen Stammes zurückspüren kann, durch kein Kriegsgeschrei mehr die Städte und Dörfer ihrer Heimat stören werden; keiner von ihnen wird im Mondenschein mit der schwarzen Rüstung paradieren, die seit langem schon auf ihren Gräbern verrostet ist. Blickt Euch um, Herr Ritter! Über Euch und um Euch her habt Ihr die Männer, von denen Ihr redet. Unter uns in einem kleinen Nebengewölbe, das nicht geöffnet wurde, seit diese Locken braun und dicht waren, ruht der erste Herr, den ich als merkwürdig in dieser merkwürdigen Geschlechtsfolge bezeichnen kann. Er ist es nämlich, den der Thane von Athol dem König von Schottland als Sholto Dhuglaß oder den dunklen eisenfarbigen Mann vorstellte, durch dessen Heldenhaftigkeit seine Fürsten die Schlachten gewannen. Der Sage nach war er es, der unserem Tal und unserer Stadt seinen Namen hinterließ, während freilich andere dafür halten, daß das Geschlecht seinen Namen von dem Strom erhielt, der seit undenklichen Zeiten diesen Namen führte, bevor noch an seinen Ufern das Geschlecht der Douglas seine Schlösser und Burgen besaß. Andere, seine direkten Nachkommen, Eachain oder Hektor der erste und Orod oder Hugo, William als erster dieses Namens und Gilmaur, der Held manches Sängerliedes, das von Taten meldet, die unter der Oriflamme Karls des Großen, des Königs der Franken, vollbracht wurden – sie alle sind hier beigesetzt worden zu ihrem letzten Schlafe und ihr Gedächtnis ist vor der Verheerung der Zeiten nicht geschützt worden. Einiges wissen wir von ihren großen Taten, ihrer gewaltigen Macht und, ach! ihren großen Verbrechen. Einiges wissen wir auch von einem Lord Douglas, der im Parlament zu Torfur saß, das König Malcolm I. hielt, z.B. daß er wegen seiner Vorliebe, den wilden Hirsch zu jagen, sich im Walde von Ellrich einen Turm baute, Blackhouse genannt, der vielleicht noch heute steht.«

»Verzeiht, Alter,« rief der Ritter, »aber dem Stammbuch der Douglas kann ich meine Zeit nicht widmen. Der böte ja Sängern mit gutem Atem Stoff zum Vortrag für ein ganzes Kalenderjahr mit Einschluß der Sonn- und Feiertage.«

»Welch andere Kunde könnt Ihr von mir erwarten,« entgegnete der Küster, »als solche über die Helden, deren einige durch mich zur ewigen Ruhe bestattet worden sind? Ich zeigte Euch, wo das Geschlecht der Douglas bis zum königlichen Malcolm ruht. Ich kann Euch von einem weiteren Gewölbe erzählen, in welchem Sir John von Douglas-Burn mit seinem Sohn Lord Archibald und einem dritten William ruht, bekannt durch seinen Vertrag mit Lord Aberdeen. Auch von demjenigen Douglas kann ich Euch erzählen, dem dies große Wappenschild hier mit allem Zubehör von Glanz und Würde gehörte. Beneidet Ihr ihn, den Edelmann, den ich, und stände Tod auf meinen Worten, ohne Zaudern meinen lieben Herrn und Lord nennen würde? Hegt Ihr die Absicht, seine Gebeine zu entfernen? Solcher Sieg über einen Toten, dem im Leben kein Ritter standhielt, geziemte einem englischen Ritter und Edelmann schlecht. Aber das Glück, auf dem Schlachtfeld den Tod zu finden, war ihm nicht beschieden. Durch Verrat fiel er in die Hände der Feinde, und Kerkerhaft, Gram über das Unglück des Vaterlandes und schwere Krankheit gaben ihm den Tod im Lande der Fremden. Aber noch heute klebt das Blut an den Wänden der schmalen Gasse, die Ihr vorhin hinuntergejagt seid, von den hunderten, die dort unter seinem Schwerte gefallen sind. Wie ein Rachegott brach er nieder über das fremde Geschmeiß, das ihm die Stadt seiner Väter rauben wollte; wie der leibhaftige Sensenmann mähte er sie nieder, Mann für Mann und Ritter für Ritter! Einen Tag und eine Nacht stand das Wasser im Teiche hoch von dem Blute der Feinde und seitdem führt der Teich, dessen Wasser dick und trübe blieb, dem die Zugänge und Abflüsse verstopft sind durch hunderte von Leichen, den Namen der blutige Sumpf und wird ihn behalten in alle Ewigkeit, und in alle Ewigkeit wird Schottland den Ruhm dieses Douglas singen, der der Feinde des Vaterlandes mehr erschlug an einem einzigen Tage, als manch anderer seines Geschlechts in seinem ganzen Leben! Aber, Ritter! Noch ist Raum vorhanden in dem Sumpfe, nach welchem das Schloß bei uns Schotten jetzt seinen Namen trägt, für weitere! Und wenn Ihr vor Minuten einen Schwerbewaffneten mit der Gesichtsfarbe des schwarzen Douglas gesehen zu haben meint, so ist es sicherlich nicht meine Sache, solche Einbildung anders als durch die Voraussetzung zu erklären, daß die angeborene Furcht des Südländers das Gespenst eines Douglas zu aller Zeit heraufbeschwören wird, wenn er die Grabstätte des Geschlechts vor Augen hat.«

Starr ob solcher kühnen Rede stand der Ritter.

Der Greis richtete sich langsam im Flackerschein des Feuers auf, das seinem mageren Gesicht eine Färbung lieh, wie Maler sie dem heiligen Antonius in der Wüste geben.

»Die Geister der Verstorbenen vom Geschlechte der Douglas ruhen nicht in ihren Gräbern, so lange ihre Grabmäler geschändet liegen und ihr Haus entehrt ist. Weder Himmel noch Hölle kann ihnen Aufenthalt geben; sie hausen noch heute in jenem Mittelreich zwischen Leben und Tod, das für solche besteht, die so übergroßen Anteil hatten an weltlichem Triumph und weltlichem Glück, daß ihre Geister die Ruhe nicht finden können. Wollt Ihr Euch des verwundern, die Ihr die Tempel verbranntet und niederrisset, die ihnen von den Nachkommen erbaut wurden, um die göttlichen Mächte für das Heil ihrer Seelen günstig zu stimmen? Könnt Ihr Euch wundern, daß sie unzufrieden umherschweifen an den Stätten, die ihnen noch Ruhe gewähren würden, wenn Ihr nicht den Krieg auf so rücksichtslose Weise geführt hättet, daß solche Krieger ohne Fleisch und Bein Eure Märsche stören?«

»Alter Mann!« rief der Ritter, der nun wieder Herr über seinen Geist geworden war, »solche Mär, mit der Ihr wohl Knaben in Schlaf lullen könnt, ist keine Antwort auf die an Euch gestellte Frage! Nichtsdestoweniger bin ich Demjenigen dankbar, der unsere Geschicke lenkt, daß er Euer Schicksal nicht in meine Hände gelegt hat. Fabian!« rief er seinem Knappen zu, »holla, hierher mit zwei Armbrustschützen!« – der Gerufene war im Nu zur Stelle – »bring den Alten als Gefangenen zum Schloßhauptmann, zu Sir John de Walton, der wahrlich der Mann nicht ist, Alter, an deine Geistermär und deine Lehre vom Fegfeuer zu glauben – melde Sir John, Fabian, daß dieser Küster nach meiner Meinung gar Wohl in der Lage sei, über den geisterhaften Ritter, der uns begegnet ist, mehr zu sagen, als er auf einfache Frage sagen will, daß es auf mich sogar den Eindruck mache, als stünde er mit einer hier im Gange befindlichen Verschwörung in enger Beziehung. Melde dem Schloßhauptmann auch, daß ich in Anbetracht der vielerlei verdächtigen Dinge, die sich jetzt in unserer Umgebung ereignen, mit dem Knaben drüben im Kloster keine sonderlichen Umstände machen werde!«

»Ihr könnt Euch drauf verlassen, Herr Ritter, daß ich keine Ewigkeit nach dem Schlosse hinauf brauchen werde,« rief der Knappe, »und sollte ich auch den Ritt auf den Knochen des Alten machen müssen!«

»Behandle ihn nicht unmenschlich!« befahl der Ritter, »und Ihr, alter Mann, wenn Ihr auch unempfindlich seid gegen Drohungen, die Euch persönlich betreffen, so laßt Ihr besser wohl nicht außer Acht, daß Euch schärfere als Leibesstrafe treffen kann, wenn Ihr uns solltet betrügen wollen.«

»Könnt Ihr die Folter auf die Seele anwenden?« fragte der Küster.

»Euch haben wir in solcher Gewalt,« versetzte der Ritter, »denn wir werden alle kirchliche Übung, die zum Seelenheil für die Familie Douglas eingesetzt worden, aufheben und jeden Aufenthalt an solcher Stätte denen verbieten, die sich weigern, für das Seelenheil des Königs Eduard ruhmreichen Gedenkens, der im Lande als »Schottenhammer« gefeiert wird, zu beten. Wird also das Geschlecht der Douglas aller gottesdienstlichen Handlung an heiliger Stätte beraubt, so wird es solches lediglich deinem harten Sinn zu danken haben.«

»Solche Rache,« rief der Greis, ohne im geringsten Einschüchterung zu zeigen, »würde sich eher eignen für Teufel in der Hölle, als für ehrliche Christen!«

Der Knappe hob die Faust; aber der Ritter tat ihm Einhalt.

»Laß ihn, Fabian!« sprach er, »der Mann steht in hohem Alter und sein Verstand ist vielleicht nicht mehr in Ordnung. Aber laßt nicht außer Acht, Küster, daß die angedrohte Rache nach dem Gesetz gegen ein Geschlecht gerichtet werden kann, dessen sämtliche Glieder Parteigänger des im Kirchenbann schmachtenden Rebellen waren, der in der Kirche von Dumfries Comyn den Roten erschlug.«

Mit diesen Worten schritt Sir Aymer, mit Schwierigkeit den Rückweg findend, aus den Ruinen, bestieg am halbverfallenen Kirchenportal sein Roß und setzte, nachdem er der Wache verschärfte Aufmerksamkeit empfohlen, seinen Ritt nach Hazelside fort. Mit dem durch den Abgang von Fabian und den ihm zum Geleit gegebenen zwei Armbrustschützen verringerten Gefolge stieg er nach schnellem, aber ziemlich langem Ritt vor Thomas Dicksons Pachthof ab, woselbst die Pembrokeschen Reiter bereits eingetroffen und bequemes Quartier für die Nacht genommen hatten. Er ließ dem Abte von Saint-Bride seinen Besuch melden und anempfehlen, den bei ihm aufhältlichen Jüngling scharf im Auge zu behalten, bis er selbst in der Kapelle eingetroffen sein würde.


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